CleanerWolf

Anmeldungsdatum: 09.09.2006 Beiträge: 427 Wohnort: Berlin

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Verfasst am: 06 Okt 2008 19:10 Titel: Schäfer: "Der Wolf ist unser geringstes Problem" |
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Tierzüchter klagen über Diebstahl von
Elektroeinzäunungen/Beinah-Katastrophe auf der ICE-Strecke bei
Gardelegen
"Wölfe" in Brüssel und der Zaunklau
Von Oliver Schlicht
+ Aggregate, Batterien und Stromzäune werden häufig gestohlen.
Schäfer berichten über ein Problem, das sich auf den ersten Blick nach
einer Lappalie anhört: Immer häufiger werden mobile Elektrozäune, die
Herden nachts sichern, gestohlen. Frei laufende Schafe können den Auto-
und Bahnverkehr extrem gefährden. Jüngst wäre es an der ICE-Strecke bei
Gardelegen fast zu einer Katastrophe gekommen.
Gardelegen. Schäfer Frank Becker hat als aufmerksamer Zeitungsleser auch
die Berichte in der Volksstimme über einen Wolfsangriff auf eine
Schafherde bei Zerbst gelesen. Doch nun treibt ihn keineswegs die Angst
um, dass auch in seinem Terrain der graue Räuber ein paar Schäflein
greift. "Der Wolf ist unser geringstes Problem", knurrt Schäfer Becker
gestützt auf seinen langen Stab. "Da!", zeigt er mit dem Stock auf die
nahe Umzäunung seiner Herde. "Der Zaun hier. Der wird mir monatlich
geklaut, manchmal sogar wöchentlich. Und dann hauen mir die Schafe ab."
Mit diesem Problem ist Becker nicht allein, wie Dirk Papendeck,
Vorsitzender des Landesschafzuchtverbandes in Halle, auf Nachfrage
bestätigt: "Wir erfassen das zwar nicht statistisch. Aber aus Gesprächen
mit vielen Schäfern aus allen Landesteilen weiß ich, dass der Zaunklau
in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen hat." Viele Kollegen
machen nachts aus Sorge kaum ein Auge zu. "Aber die können ja nicht alle
wie vor 100 Jahren wieder auf dem Schäferkarren neben der Herde
schlafen." Papendeck vermutet, dass schwarze Geschäfte mit den Zäunen
gemacht werden. "Das Internet ist voll mit Schafzaunangeboten. Es ist
kaum zu überprüfen, wie viel davon Diebesgut ist", so der
Verbandsvorsitzende.
50 laufende Meter kosten 60 Euro
Solche mobilen Schafnetzzäune sind nicht ganz billig. 50 laufende Meter,
knapp einen Meter hoch, kosten mit Kunststoffstangen ab 60 Euro. Um 200
Schafe einzuzäunen, sind etwa 600 Meter Zaun notwendig. Hinzu kommt das
Stromaggregat für 350 Euro und eine Autobatterie. Sogar solarbetriebene
Aggregate gibt es inzwischen. Geklaut wird alles, zuweilen werden auch
"nur" 150 Meter Zaun herausgetrennt.
In der Regel werden die Tiere das ganze Jahr unter freiem Himmel
gehalten. Schäfer umzäunen ihre Herden häufig nicht nur nachts. Auch
tagsüber bewegen sich die Herden meist auf genau eingezäunten Koppeln,
weil das behördlich genehmigte Weide-Terrain jeder Schafherde genau
eingegrenzt ist.
Das mit den behördlichen Genehmigungen ist auch so etwas, was Schäfer
Becker knurrend von den "zweibeinigen Wölfen" sprechen lässt – gemeint
sind die in Brüssel. Die Rede ist von der "EU-Tierverkehrsordnung", die
seit Jahresbeginn modifiziert in Kraft getreten ist. Becker: "Wenn ich
von einer Wiese auf die Wiese eines anderen Bauern wechseln möchte, muss
er zunächst formell eine, Betriebsstätte‘ zur Beherbergung von Schafen
beantragen, und dann kann dieser Bauer mit mir einen, Pensionsvertrag‘
abschließen."
Bevor die Schafe endlich rübermachen dürfen, müssten aber noch ihre
Tierkennzeichnungsmarken zur Landeskontrollstelle nach Halle gemeldet
werden, damit diese Behörde sie weiter nach München zur
Zentralkontrollstelle übermitteln kann. Zuweilen sind es sogar zwei
Nummern pro Schaf. Becker: "Denn einige Schafe haben seit Jahresbeginn
nicht nur ihr bisheriges altes Nummerschild im linken Ohr, sondern auch
noch ihre neue EU-Nummer auf einem Schild am rechten Ohr."
Es soll Bauern geben, die zum Ärger der Schäfer keine Schafe auf ihre
Wiesen lassen, weil sie "keinen Bock auf diesen Bürokratenmist" haben,
so Frank Becker.
Doch zurück zu den Zäunen. Die sind nicht nur für Schäfer recht
praktisch. Damit lassen sich auch Kaninchen, Ziegen und Hühner prima
einzäunen. "Man braucht nur über die Dörfer zu fahren, da sieht man die
Zäune überall stehen", spricht Schäfer Böhmer vielsagend. Natürlich
könne er niemand bezichtigen. So einen Schafzaun kann man auch im
Internet bei "ebay" einkaufen. Gebraucht zwar, aber fast neuwertig, wie
Verkäufer dort fein formulieren.
Da Zäune und Aggregate nicht sonderlich gekennzeichnet sind, ist ein
Besitznachweis des ehrlichen Käufers kaum möglich. Der Polizei traut
deshalb niemand so richtig zu, Zaundiebstähle aufklären zu können.
"Viele Kollegen zeigen ihre fehlenden Zäune nicht mehr an", erzählt der
Schäfer. Die Diebe seien ohnehin nicht zu ermitteln.
Viel mehr als der materielle Verlust durch den Diebstahl beschäftigt die
Schäfer, ob es ihnen gelingt, ihre ausgebrochenenSchafewiederrechtzeitig
gesund einzusammeln. Wenn Unfälle auf Straßen oder gar an Bahnlinien
passieren, drohen den Tierhaltern hohe Kosten.
Solche Unfälle passieren alles andere als selten. Der schwerste dieser
Art ereignete sich im April bei Fulda in Hessen. Dort waren frei
laufende Schafe in einem Tunnel mit einem ICE kollidiert. Der Zug
entgleiste, 19 Personen wurden verletzt, es entstand ein
Millionenschaden. Im Mai fuhr bei Witzenhausen (Hessen) ein Güterzug in
eine Schafherde, im Juli traf ein Regionalzug bei Bensheim (Hessen) auf
eine Schafherde. Der jüngste Vorfall liegt erst wenige Tage zurück. Am
25. September raste ein ICE bei Ludwigsfelde in Brandenburg in eine
Kuhherde.
Bei Gardelegen wäre fast ein Unglück passiert
Fast wäre auch in Sachsen-Anhalt kürzlich ein solcher Unfall passiert.
Grund: ein gestohlener Stromweidenzaun. In der Nacht zum 17. September
"befreiten" Diebe etwa 200 Schafe nur etwa 900 Meter entfernt von der
ICE-Bahnstrecke und der B 188 zwischen Weteritz und Gardelegen
(Altmarkkreis Salzwedel). Betroffen war Achim Gaudian aus Gardelegen im
Altmarkkreis Salzwedel, einer der größten Schafzüchter in der Altmark.
"Wir wurden in der Frühe verständigt, weil Tiere im Straßengraben direkt
neben der Bundesstraße standen."
Mit vier Kollegen hat Gaudian die weit verstreut stehenden Schafe
innerhalb von einer halben Stunde wieder zusammengetrieben. "Ich habe
Blut und Wasser geschwitzt. Bis auf 100 Meter hatten sich Schafe bereits
der Gleisanlage genähert", so der Schafzüchter. Die Gleise sind dort
zwar mit Schutzzäunen gesichert. "Aber nur wenige hundert Meter weiter
gibt es keine Schutzzäune an den Gleisen mehr." Die vorbeidonnernden
Züge kümmerten die Schafe wenig. Die Tiere hatten sich grasend langsam,
aber stetig den Gleisen genähert. Auch die Polizei war vor Ort. Diesen
Zaundiebstahl hatte Gaudian angezeigt: "Wegen der Nähe zu Bahn und
Bundesstraße waren doch alle ziemlich in Sorge."
Frank Semisch vom Polizeirevier Salzwedel bestätigt, dass die Polizei im
ländlichen Raum regelmäßig auch mit Zaundiebstahldelikten und
ausgebrochenen Tieren zu tun hat. Im laufenden Jahr gab es im
Altmarkkreis Salzwedel neun aktenkundige Fälle. "Die Dunkelziffer ist
sicherlich deutlich höher. Aber ich warne davor, diese Zaundiebstähle
nicht anzuzeigen. Nur so können wir Häufungen von Delikten bemerken und
gesondert verfolgen", so der Polizei-Sprecher.
In ähnlicher Art wie bei Fahrrädern empfiehlt Semisch, Zäune und
Stromaggregate deutlich zu kennzeichnen. "Vor dem Diebstahl von
Gerätschaften mit farbliche Markierungen oder eingestanztem Zahlencode
schrecken Diebe häufig zurück. Dies sollten sich Schäfer zu Nutze
machen", so der Polizeisprecher.
Quelle: http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/sachsen_anhalt/?em_cnt=1187112
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es wär nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt."
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