Wolfs Forum

[Jens]

Freitag, 13. Juni 2008
(Sächsische Zeitung)


Lausitz-Wölfe haben wieder Nachwuchs

Frau Kluth, es ist zehn Jahre her, dass in der Lausitz erstmals ein Pärchen Wölfe gesichtet wurde. Sind die Tiere heute Normalität?

Sicherlich noch nicht. Aber es geht in diese Richtung. Man merkt das an den Reaktionen der Leute, die zum Beispiel Funde von gerissenen Wildtieren oder Wolfssichtungen gar nicht mehr melden. Für unsere wissenschaftliche Arbeit ist das allerdings eher von Nachteil.

Die Vorstellungen waren lange geprägt vom Wolf in Märchen und Fabeln. Hat sich das Image des Tieres gewandelt, nachdem er leibhaftig umherzieht?

Es ist schwierig, Erfahrungen mit den lebenden Tieren zu machen. Weil sie Menschen weitgehend aus dem Weg gehen, ist es auch in unserer Region ein seltenes Erlebnis, einen Wolf überhaupt zu sehen. Da braucht eine gewisse Vertrautheit lange. Einerseits steht der Wolf durch Märchen als Bösewicht da, andererseits werden viele menschliche Interessen auf dem Rücken des Tieres ausgetragen. Die einen wollen mit dem Wolf Spenden eintreiben, andere fürchten Verluste bei Nutztieren oder der Jagd.

Hatten Sie mit einer schnelleren Ausbreitung gerechnet?

In der Lausitz ist die Ausbreitung normal. Der eine oder andere Wolf ist zugewandert, die Tiere hatten Nachwuchs, so gibt es jetzt drei Rudel. Wir haben damit gerechnet, dass sich im näheren Umkreis – also 100 Kilometer um das Stammgebiet – neue Rudel bilden. Das ist nicht eingetreten. Stattdessen tauchen deutlich weiter weg Wölfe auf, etwa in Mecklenburg.

Wann tauchen Wölfe denn vor den Toren Dresdens auf?

Einzelne wandernde Wölfe können jederzeit und überall 100 oder 200Kilometer um das Wolfsgebiet unterwegs sein. Aber ob sich Wölfe um Dresden etablieren, ist ganz schwer vorherzusagen. Bisher nutzen die Wölfe als Kerngebiete Truppenübungsplätze oder unzerschnittene Wälder. Nahrung finden sie sicher überall, aber ob sie ungestörte Räume in dichter besiedelten Gegenden für die Welpenaufzucht finden, wissen wir nicht.

Wie viele Wölfe gibt es denn in Deutschland und haben sie wieder Nachwuchs?

Dem Verhalten nach haben die drei Rudel auf der sächsischen Seite wieder Nachwuchs. Wie viele es sind, können wir frühestens im Juli herausfinden. Bei dem Paar auf der Brandenburger Seite ist völlig unklar, ob es Nachwuchs hat. Wir rechnen mit etwa 20 oder etwas mehr Wölfen in der Lausitz, können das aber derzeit nicht wirklich sicher sagen. In Hessen ist vor Kurzem ein Wolf nachgewiesen worden, in Niedersachsen einer vor etwas längerer Zeit und wir wissen von mindestens zwei Tieren in Mecklenburg-Vorpommern.

Es können sich also jederzeit weitere Rudel etablieren?

Genau. Wölfe aus Nordostpolen besiedeln offenbar auch Westpolen. Davon gehen polnische Forscher aus. Da kann es auch jederzeit sein, dass in Norddeutschland Wölfe aus Polen einwandern. Es kann auch sein, dass sich abwandernde Lausitzer Tiere irgendwo in Deutschland mit diesen Wölfen paaren.

Die ersten Tiere waren damals eine Sensation, wie wird es in zehn Jahren aussehen?

Ich denke, dass wir dann deutlich mehr Wölfe haben werden. Wir werden auch in anderen Bundesländern Rudel haben. Ich hoffe, dass wir in zehn Jahren noch ein Stück mehr in der Normalität angekommen sind, was die Präsenz von Wölfen angeht. Ich hoffe, dass die Bundesländer noch enger zusammenarbeiten. Dass wir bundesweit wissen, wie viele Wölfe es sind, wo sie sind, dass Schäfer in allen Bundesländern wissen, woher sie Entschädigung kriegen und gerade den Skeptikern klare, gut abgestimmte Ziele für die deutsch-polnische Population genannt werden können.

Wölfe stoßen nicht nur auf Gegenliebe. Seit zehn Jahren hat es keinen nennenswerten Zwischenfall mit Menschen gegeben, aber steigt nicht die Gefahr, wenn es mehr Wölfe werden?

In Polen leben 500 bis 700 Wölfe, in Italien 500 bis 1000, in Spanien mehr als 2000. In Skandinavien hatten wir in 20 Jahren eine Zunahme von Null auf mehr als 100 Wölfe. Wir haben viele Länder, auf die wir schauen können. Dort gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Wölfe, nur weil sie mehr werden, gefährlicher werden. Das heißt aber nicht, dass es nicht kritische Situationen geben kann. Etwa wenn ein Jungwolf angefüttert wird, sich an Menschen gewöhnt und anfängt, sich in ihrer Nähe aufzuhalten und dreist zu werden. Gegen so ein Tier muss man vorgehen. So eine Situation ist vorstellbar, damit kann man umgehen und das heißt auch nicht, dass die Wölfe an sich gefährlich werden.

Welches Erlebnis mit Wölfen blieb besonders im Gedächtnis?

Das ist die erste Begegnung, die ich hatte. Im Mai 2003 habe ich nach Spuren gesucht. Da standen plötzlich zwei Wölfe vor mir, etwa 15Meter entfernt. Die haben Laut gegeben, so ein leises Wuff. Ich verstand in dem Moment, die haben die Welpen hier in der Nähe und ich bin zu nahe rangekommen. Die wollten mich darauf aufmerksam machen, dass sie das nervös macht. Ich wusste alles, was ich wissen wollte. Ich wusste, dass sie Welpen haben und dass sie nicht gefährlich sind für mich. Die Wölfe sind verschwunden, und ich bin gegangen.

Das Gespräch führte Frank Tausch

Quelle: Sächsische Zeitung vom 13.06.08

[wolfrüde]

Sind ja gute Nachrichten.

[timber-der-wolf]

[SammysHP]

Das ist doch eine schöne Nachricht. Ich bin gespannt auf die Zahlen.

[Primus]

ich mach mir eher etwas sorgen, dass scheinbar keine neuen zugewandert sind