Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Über freilebende Wölfe in Deutschland.
jurawolf
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Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Beitrag von jurawolf »

jos, mit gerüchten haben meine aussagen nichts zu tun, sondern mit populationsschätzungen, die absolut wissenschaftlichem standard in der wolfsforschung entsprechen. schon nur wenn du die angaben des kontaktbüros liest, wirst du feststellen, dass die welpenzahlen jeweils die mindestzahlen sind und nicht maximalzahlen. und dass die rudel in der lausitz, wo noch keine welpen von 2012 bestätigt wurden, nicht unbedingt keine welpen geführt haben, sondern dass bisher nur keine bestätigt werden konnten. wenn also das kontaktbüro die ergebnisse der zählungen publiziert, kann dies keinesfalls als absolute populationsgrösse verstanden werden, sondern bloss als minimale anzahl bestätigter wölfe.

die zahl der wölfe in den kerngebieten der wolfsrudel ist nun mal nicht gleich die grösse des ganzen bestandes.

so oder so ist es aber interessant weiterzurechnen. nehmen wir mal die ganz pessimistischen zahlen von jos, die meiner meinung nach zwar mit an sicherheit grenzder wahrscheinlichkeit zu tief angesetzt sind, aber das spielt keine rolle. 2005 gab es drei reproduzierende rudel, damit 30 wölfe. sieben jahre später, 2012, gab es immer noch negativ geschätzt bloss 12 reproduzierende rudel und damit 120 wölfe. das enspricht einer jährlichen wachstumsrate von 22%.

ausgehend von den angeblich nur 120 wölfen im 2012 rechnen wir mit der selben wachstumsrate weiter und wagen eine prognose für 2017, also die oben angesprochenen 5 jahre später. der wolfsbestand wird dann selbst mit diesen konservativen zahlen auf rund 325 gewachsen sein.

rechnen wir den optimistischen zahlen von heute, dann ist der wolfsbestand von 30 in 2005 auf 180 in 2012 gewachsen, was einer wachstumsrate von 29% entspricht. im im vorigen posting von mir erwähnt, wäre dies alles andere als unrealistisch. damit könnte, ausgehend von 180 wölfen heute, der wolfsbestand bis 2017 auf über 640 wölfe ansteigen. da der lebensraum dies erwiesenermassen zulassen würde, wäre dies durchaus möglich.

selbst wenn die wahrheit, wie meistens der fall, irgendwo in der mitte liegen würde, wäre ein wolfsbestand von ca. 500 tieren bis 2017 möglich.

ich verstehe an sich schon, warum wir wolfsbefürworter lieber mit tief angesetzten zahlen operieren als mit hohen. aber man soll auch nicht immer nur das schlechte sehen und der wolfsbestand ist in den letzten jahren nun mal markant gewachsen. seht das von der positiven seite!
balin
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Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Beitrag von balin »

Mit der Anzahl der Wölfe ändert sich die Einstellung und die Wölfe treffen ja mit der Ausbreitung auf immer neue Mentalitäten. Das absolute Wohlwollen, das am Anfang zu beobachten war, relativiert sich mit der Zeit. Die Kosten-Nutzen-Rechnung kommt dann immer mehr in den Vordergrund und wie du ja an Lars siehst, fürchten die Jäger eine Entmachtung ihres Spezies. So ist das in Frankreich auch. Mit zehn Jahren Vorsprung sind sie immer noch bei 250. Und der Mercantour war bestimmt ein ideales Startgebiet. Das mit den linearen Zuwachsraten kann man sich eigentlich etwas abschminken, alleine schon, weil die Wölfe hierzulande auf sehr unterschiedliche Bedingungen in kurzen Entfernungen treffen. Bis eine Wolfspopulation den Zivilisationsscheiss mal inhaliert hat, braucht es bestimmt länger.
Und wenn man mal die Bevölkerungsdichten und die Gegenwart der Menschen über den Raum verteilt betrachtet, dann schneidet Deutschland recht schlecht ab.
Die Franzosen haben nach wölfischen Maßstäben fast menschenfreie Gebiete und zb die Schweiz landschaftsbedingt auch. Das ist bei uns nicht so. Man schafft es hier einfach nicht, über eine Stunde entlang zu gehen ohne einem anderen Zweibeiner zu begegnen. Das Partisanenlos muß man den Wölfen hierzulande zugute halten. Die können nicht beliebig Kinder machen, das schaffen ja schon selbst die Veranstalter dieses Stressgeplagten Landes nicht mehr. Isolde links von Dresden und Tristan rechts davon geht nicht, die kommen da nicht durch!
jurawolf
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Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Beitrag von jurawolf »

frankreich hat in der tat nicht den wolfsbestand, den es haben könnte. aber das war dort auch nie gewollt, denn ein grosser vergleich zu deutschland ist bereits der, dass es in frankreich fast von beginn weg immer wieder legale abschüsse gegeben hat, und zwar nicht mal nur von schadenstiftenden einzeltieren, sondern auch um den wolfsbestand lokal zu dezimieren. tendenziell dürfte auch die zahl der gewilderten wölfe markant höher sein, in italien ist sie es erwiesenermassen. entsprechend war auch die wachstumsrate in frankreich nie so hoch, wie sie in deutschland wie dargelegt selbst bei pessimistischer betrachtungsweise ist.

nur bedingt teilen kann ich deine einschtzung bezüglich lebensräumen und bevölkerungsdichte. kennst du die alpen frankreichs und der schweiz? die talschaften sind durchzogen von autobahnen, ganze gebirgszüge sind dadurch halbwegs isoliert. die bevölkerungsdichte mancher departementen (frankreich) bzw. kantone (schweiz) sind vergleichbar oder höher als diejenigen von brandenburg, sachsen oder mecklenburg-vorpommern. hier wie dort konzentriert sich die bevölkerung primär auf einige grosse städte, dazwischen gibts nur land mit einigen dörfern. der unterschied ist, dass genau diese gebiete in deutschland meistens bestes wolfsland sind (wälder, truppenübungsplätze, landwirtschaftsland), in den alpen aber nicht selten absolut unproduktives land ohne wirldbestände (felsmassive, gletscher). tendenziell lebt das wild im alpenraum deutlich näher beim menschen und damit auch der wolf, trotz zumindest vergleichbarer bevölkerungsdichte.

eigentlich ganz interessant: wenn in der schweiz von der unterschiedlichen situation zwischen alpenraum und nord- und ostdeutschland für den wolf gesprochen wird, kommt immer schnell die feststellung, dass in deutschland fächenmässig weitaus mehr gebiete vorhanden sind, wo keine menschen sind als im alpenraum.
balin
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Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Beitrag von balin »

Da ich nun bewandert bin mit den erlaubten Abschußzahlen in Frankreich und auch damit, daß die registrierten Fälle der Wilderei mit eingerechnet werden und auch damit, daß die auch speziell ausgesandten Jäger ihr Soll nicht erfüllen, dann habe ich eine Unbekannte, die mir zu denken gibt. Nachzulesen sind Quoten von sechs
bis elf pro Jahr in dem Zeitraum, wo ich das beobachte. Das ist keine Beschränkung des Bevölkerungswachstums der Wölfe sondern ein Zugeständnis an die Instinkte der betroffenen Bevölkerung. Die Wölfe sind deswegen aber trotzdem erstaunlich unzahhlreich geblieben.
Dann die Steilhänge, wo es kein Wild gibt und wo es nicht nach Malboro stinkt. Für einen zwanzig- Kilometer-Läufer-am -Tag ist das der ideale Ort für die Kleinen.
Sicher!...und unten im Tal hole ich mir, was ich brauche. Die Schweiz ist ein reiches Land für Wölfe.
Wir haben hier einen großen Staatsforst. Das schlimme sind die Kaminöfen. Jogger und Waldarbeiter haben einen Wetter- oder Tagesrhythmus, aber das Feierabend-
Ungeziefer versaut auch dem gutmeinendsten Wolf den Fortpflanzungswillen. Das geht vielleicht noch in der hinterletzten Schonung mit Ohrstopfen für den Motorsägenlärm. In der Lausitz gibt es die abgesperrten Aufforstungsgebiete, wie Shiroi Kiba erzählt hat. Da wäre das toll, aber im gemeinen deutschen Wald haben die Wölfe(an den Störungen) was zu kauen! ;-)
LarsD

Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Beitrag von LarsD »

Eine echte Hürde für die Wölfe bringt sich gerade wieder in Erinnerung: http://www.lr-online.de/regionen/senfte ... 54,4120907

Je größer der Anteil von Schwarzwild in der Nahrung der Wölfe wird, desto höher ist das Risiko, dass sie sich die AK einfangen. Die Überlebenschancen dürften dann wie beim Hund bei Null liegen.

Viele Grüße

Lars
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Caronna
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Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Beitrag von Caronna »

LarsD hat geschrieben:Eine echte Hürde für die Wölfe bringt sich gerade wieder in Erinnerung: http://www.lr-online.de/regionen/senfte ... 54,4120907
s
das Link taugt nichts...
hier was ausführlicher:
http://www.jagdverband-senftenberg.de/d ... kheit.html
Grüße aus der Eifel
Caronna

"Wo der Wolf läuft - wächst der Wald"

"Ich warte sehnsüchtig darauf das erste Wolfsgeheul in der Eifel zu hören"
Grauer Wolf

Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Beitrag von Grauer Wolf »

Schlimme Geschichte! :(
Das geht einem als Hundemensch auch nahe, wenn es nicht der eigene Hund ist.
Bleibt die Frage, ob Wölfe, die im Schnitt ein aggressiveres Verdauungssystem haben, ebenso anfällig sind wie Hunde. Immerhin gibt es Regionen, in denen das Schwarzwild einen deutlich höheren Anteil an der Beute ausmacht. Von Verlusten, die dem Aujeszky-Virus zugeordnet werden können, habe ich diesbezüglich noch nichts gelesen. Allerdings will das nichts heißen, weil ich schlicht nicht alle Quellen kennen kann, schon gar keine osteuropäischen, die nicht in deutsch, englisch oder norwegisch verfaßt sind...

Zur Information:
blog.zooplus-de hat geschrieben:In den Gebieten wo es Schwarzwild gibt, sollten Jäger ihre Hunde nicht am Schwarzwild “schärfen” lassen, da in diesem Fall Infektionsgefahr durch das Aujeszky Virus besteht. “Schärfen” ist ein Begriff der aus dem Jägerjargon stammt, und ein Verbeissen des Hundes in das Schwarzwild bedeutet. Es muss also schon ein Verbeissen oder Verspeisen des infizierten Schweines erfolgen, damit eine Infektion stattfinden kann.
aus http://blog.zooplus.de/index.php/tierbe ... zky-virus/

http://www.bvet.admin.ch/gesundheit_tie ... bNoKSn6A--

Nachtrag @ Coronna:
Danke für den Link. Merkwürdig ist, daß die Inkubationszeit des Aujeszky-Virus normalerweise 3...8 Tage beträgt...

Gruß
Wolf
Naturfuehrer
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Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Beitrag von Naturfuehrer »

Über die Verbreitung der Erkrankung ist leider sehr viel weniger bekannt als über solche, die uns Menschen direkt / indirekt betreffen (Tollwut, Trichinose,...). Dasselbe gilt wohl auch über die zeitliche Entwicklung, soweit mir bekannt ist. In Niedersachsen gibt es z. Zt. räumlich recht eng begrenzte Bereiche mit positiven Befunden. Wer weiß schon, ob das wohl so bleibt...
ACHTUNG: Jäger! :shock:
Grauer Wolf

Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Beitrag von Grauer Wolf »

Naturfuehrer hat geschrieben:Über die Verbreitung der Erkrankung ist leider sehr viel weniger bekannt als über solche, die uns Menschen direkt / indirekt betreffen (Tollwut, Trichinose,...). Dasselbe gilt wohl auch über die zeitliche Entwicklung, soweit mir bekannt ist. In Niedersachsen gibt es z. Zt. räumlich recht eng begrenzte Bereiche mit positiven Befunden. Wer weiß schon, ob das wohl so bleibt...
Laut meiner Frau (sehr engagiert in der Hundehalterszene!) beträgt die Durchseuchung der Wildsauen in manchen Regionen bis zu ⅓ des Bestandes. Deckt sich mit diversen Zahlen im Web und gibt zu denken. Ich halte jedenfalls meine Hunde von Stellen, an denen sich deutlich sichtbar Sauen rumgetrieben haben (Suhlen, Mahlbäume etc.) fern. Vielleicht übertrieben, aber lieber einmal zuviel vorsichtig sein als seinen Hund begraben zu müssen... :(

Gruß
Wolf
Naturfuehrer
Beiträge: 146
Registriert: 31. Dez 2012, 10:34

Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe

Beitrag von Naturfuehrer »

Übel...
ACHTUNG: Jäger! :shock:
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