Fernsehsendung "Fakt ist" über den Wolf am Montag 08.08.16 22.15 Uhr

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Lutra
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Re: Fernsehsendung "Fakt ist" über den Wolf am Montag 08.08.16 22.15 Uhr

Beitrag von Lutra »

Hab mirs gerade mal in der Mediathek angesehen. So grausig wars in meinen Augen gar nicht. Klar war der Prinz schon krass und der Schäfer fast bösartig. Ein einigermaßen denkender Zuschauer kann das aber einschätzen und bewerten. Der Staatssekretär war sehr sachlich und die Biologin blieb auch ruhig. Am meisten war ich von dem Prof. Stubbe enttäuscht. Er kam mir vor wie ein starrsinniger, verbitterter alter Mann.
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Nina
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Re: Fernsehsendung "Fakt ist" über den Wolf am Montag 08.08.16 22.15 Uhr

Beitrag von Nina »

Ich war ebensowenig konsequent wie Herr Vogler und habe mir die Sendung aus Neugierde angesehen. So zur Unterhaltung, zurückgelehnt auf dem Sofa, mit 'ner Tüte Chips und 'ner Cola. :lol:

Die erste spannende Auffälligkeit bestand darin, dass von sieben Gesprächsgästen gleich mal drei dem Bereich Jagd zugeordnet werden konnten, obwohl man es von Moderatorenseite peinlichst und konsequent vermieden hat, überhaupt den Begriff "Jäger" zu verwenden.

- Prof. Dr. Michael Stubbe ist "Mitglied des erweiterten Präsidiums des Jagdverbandes Sachsen Anhalt e. V." und "Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Jagdverbandes".¹
- Der Gesprächsgast, dem nach eigenen Angaben als arbeitslosem Hobbyzüchter 25 Damwild-Jährlinge vom Wolf gerissen worden sind, betonte, dass er seit 40 Jahren zur Jagd gehe.
- Prinz Franz zu Salm-Salm, der in der Sendung als Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt deklariert wurde, besitzt der Deutschen Jagdzeitung zufolge eine Eigenjagd in der Dübener Heide und äußerte in dem Jagdmagazin eine klare Haltung zum Wolf:
Ein weiterer „Mörder“ treibt sich im Wald des Prinzen herum – bei Drückjagden wurde er schon mehrfach bestätigt: der Wolf. Und dazu hat der Waldbesitzer eine klare Meinung: „Der muss schnellstmöglich jagdlich freigegeben werden!“ Er bezeichnet die Zunahme der Grauhunde in Deutschland als „tickende Zeitbombe“. [...] Und er scheut abschließend nicht das klare Wort: „Wäre es legal, würde ich jeden Wolf erlegen. Eiskalt!“

Deutsche Jagdzeitung DJZ 08/2014: Prominente Jäger: Franz Prinz zu Salm-Salm http://www.djz.de/jagdpraxis/2872-franz ... -salm-salm
Wenn gleich drei von sieben Talkgästen Jäger sind, entspricht das einer Quote von 43%. Man darf also guten Gewissens behaupten, dass 43% gegenüber der Quote des Jägeranteils in der Bevölkerung in Deutschland mit gerade einmal 0,4% deutlich überrepräsentiert sind. Soviel mal zur Ausgewogenheit der Talkgäste... :roll:

Dafür wurde Prinz Franz zu Salm-Salm als "Experte" zu Fachthemen (z. B. Gefahr für den Menschen) befragt, obwohl er nach eigenen Angaben persönlich noch nie einen Wolf zu Gesicht bekommen hat. Er bezog sich in seiner Antwort dann u. a. auf die französischen Kirchenbücher aus den Jahren von 1580 - 1830, aus denen er 12 Menschen in Frankreich pro Jahr ableitete, die dem Wolf zum Opfer gefallen seien.

Überhaupt war die ganze Sendung von vornherein auf Dramatik ausgelegt, denn schon in der Einleitung, als man Filmaufnahmen von je einem Wolf gezeigt hat, der jeweils entweder eine Straße oder einen Acker überquert, kommentierte Moderatorin Anja Heyde:
Videoaufnahmen, die gleichzeitig Grusel und Faszination auslösen - zugespielt wurden sie uns vom Jagdverband Sachsen-Anhalt.
Wölfe - MITTEN in Deutschland, MITTEN unter uns - und es stört sie nicht, wenn sie beobachtet werden. Nicht mal dann, wenn sie ihre Beute in Sicherheit bringen.

Anja Heyde, FAKT ist, Nachbar Wolf: Schießen oder Schützen, MDR, 08.08.2016 http://www.mdr.de/fakt-ist/index.html
Woher der MDR seine Informationsquellen zu der Sendung bezogen hat, wurde anhand der eingeblendeten Grafiken deutlich. So wurde als Quelle für die Risszahlen in Sachsen-Anhalt (z. B. 2008: 1, 2015: 56) der Landesschafzuchtverband angegeben. Die Grafik enthielt leider keine Angaben darüber, wieviele der gerissenen Tiere geschützt, ungeschützt oder unzureichend geschützt gewesen sind.

Und dann kam der aus meiner Sicht aufgefasste Höhepunkt der Sendung, als Herr Prof. Dr. Stubbe in eine Art Zahlenrausch geriet, was die Erwartung der Populationszunahme der Wölfe in Deutschland anbelangt:

Stubbe:
Sie können verschiedene Szenarien festlegen. Kann 30% Vermehrung sein bis 45% usw. Im ersten Fall überschreiten wir 2019 die 1000-Wolfs-Marke. 2020: 1500. 2021: 2000. 2026: 4000 Wölfe.
Moderatorin Anja Heyde schlägt begeistert ein:
Herr Stubbe - Wir haben das sogar als Grafik da. Wollen Sie's sehen?
Natürlich möchte Herr Stubbe das sehen:
Das wäre sehr schön, denn das ist das A und O, abzuschätzen wie sich der Wolfsbestand in Deutschland weiterentwickelt und welche Maßnahmen gefunden werden, um einen Kompromiss zu finden zwischen all diesen Fragen
Darauf Moderatorin Anja Heyde:
Jetzt zeigen wir mal, wie die Entwicklung aussehen soll in den nächsten Jahren nach einer Schätzung eines Experten.
Und nun bitte festhalten: Als Quelle der Grafik - der "Experte" - wird eingeblendet: "Kaj Granlund, 2015".

Kaj Granlund? Richtig, der Kaj Granlund, der laut Ulrich Wotschikowsky "zum Kreis von Magnus Hagelstam, Eirik Grankvist, Valerius Geist, Wernher Gerhards und dem in Sachsen ansässigen „Verein Sicherheit und Artenschutz“ angehört. Dieser Kreis habe "es sich auf die Fahne geschrieben, die deutschen Wölfe zu Hybriden zu erklären und die Zuwanderung als „Aussetzung“ zu deklarieren."²

Ulrich Wotschikowsky schrieb am 13.05.2016 zu Granlund und Stubbe:
Bei der Jahreshauptversammlung der Gesellschaft für Wildtier- und Jagdforschung war Granlund mit einem Vortrag über Wölfe aufgetreten, der bei manchen Teilnehmern verständnisloses Kopfschütteln auslöste. Der Vorsitzende der Gesellschaft, Prof. Dr. Michael Stubbe, der noch kurz vorher ein unfreundliches Interview zum Wolf in Deutschland gegeben hatte, hat Granlunds Buch in geradezu schwärmerischen Tönen empfohlen.

http://woelfeindeutschland.de/das-europ ... -granlund/
Und da tut MDR-Moderatorin Anja Heyde doch glatt so, als würde sie Herrn Stubbe in der Sendung eine Grafik vorführen, die er noch nie gesehen hätte... :roll:

Bei allem Wolfs-Bashing: Die Zuschauer stimmten am Ende bei der Umfrage mit einer deutlichen Mehrheit von 66% dafür, dass der Wolf geschützt werden müsse (nur 34% stimmten mit nein), was der Herr Kassuhn vom Schafzuchtverband doch recht ungehalten kommentierte: Ältere Leute, die aus dem ländlichen Raum kämen und keine Computer bedienen könnten, seien nicht mit dabei.

Das lasse ich jetzt mal unkommentiert und verweise auf die beachtlichen Aktivitäten der "ländlichen Bevölkerung" in den sozialen Medien. ;-)

¹ http://www.deutsches-jagd-lexikon.de/in ... e,_Michael

² http://woelfeindeutschland.de/das-europ ... -granlund/
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