LarsD hat geschrieben:Ich glaube, Du bist schlicht zu weit von Schuss, um tatsächlich einschätzen zu können, was die Bauern hier auf die Palme bringt. Vielleicht solltest Du Dich mit den Landwirten unterhalten, deren Tiere tatsächlich betroffen sind. Wenn ein Kalb aus der Mutterkuhherde gerissen wird und dem Besitzer dann was von einem "Durchzügler" erzählt wird, er wochenlang auf die amtliche Bestätigung des Wolfsrisses warten muss und nicht weiß, wie er solche Angriffe auf seine Herde zukünftig verhindern kann, kommt einfach Frust auf. Das kann man wahlweise zynisch und/oder überheblich kommentieren - macht sich aus der Anonymität ganz prima. Geholfen ist damit aber bestenfalls dem eigenen Ego, den Landwirten oder den Wölfen dagegen ganz sicher nicht.
Viele Grüße
Lars
Weiter vom Schuss als ich kann hier glaube ich kaum jemand sein, aber trotzdem moechte ich mich dazu aeussern, da ich immer noch viel Kontakt in die Heimatgemeinde in Niedersachsen habe.
Mal ganz sachlich betrachtet ohne die ganze Wolfsthematik.
Die Landwirte verlangen sofortige oder zuegigere Begleichung von Schaeden, ansonsten wuerden sie nicht zustimmen. Mit welchem Recht verlangen sie eine sofortige Bezahlung und nicht erst 'nach Wochen'? Wenn ein Hundehalter seinen Hund nicht anleint, dieser Hund dann eine Herde Schafe oder Kuehe in den Zaun treibt, wird der Hundehalter als Verursacher zu sofortiger Schadensbegleichung gezwungen? Oder geht es erst vor Gericht, bis die dafuer vorhandene Versicherung zaehneknirschend den Schaden nach Monaten begleicht? Der Schaden wird doch beglichen, sollte der unvorhergesehene Tod eines Kalbes oder Schafs die Existenz eines Betriebes in Frage stellen, sollte der Inhaber sich eher Sorgen um Betriebswirtschaft als Wolfsmanagement machen. Wer auf dem Land gelebt hat oder lebt weiss, wie oft Tiere zu Tode kommen duch Blitzschlag (und dann gleich mal 8 Tiere auf einen Schlag) oder weil sie in Panik in einen Zaun oder tiefen graben rennen und umkommen. Da gibt es auch keine Sofortzahlung und auch dann ist ein Betrieb nicht gleich in den letzten Atemzuegen.
Schaden ist immer aergerlich, aber zumindest bekommen sie ihren Schaden ersetzt. Wie hoch ist der betriebswirtschaftlich bei einem Tier denn, dass eine Regulierung nach zwei Monaten derart schlimm ist?
Ebenso ist die Forderung fuer die Zahlung von Schutzmassnahmen durch Steuergelder Bloedsinn. Produktionsbedingungen, worum es hier im Kern geht, veraendern sich. Wenn man oekonomisch sein will, muss man sich anpassen um im Wettbewerb zu bestehen. Das haben andere Bereiche in der Landwirtschaft schon hinter sich. Vor 20 Jahren haben die Landwirte in meinem Heimatdorf oder im Nachbarort auf der Weide gehalten. Heute werden die Schweine in Batterien, computergesteuert, hermetisch abgeriegelt von der Aussenwelt und Keimen, steril und klimaueberwacht gehalten. Die Schweinebauern haben massiv investieren muessen, ebenso in den ganzen Pharmakahumbug. Haben die auch Sofortzahlungen bekommen wenn vorsorglich tausende Tiere auf Verdacht gekeult wurden, weil irgendwo Schweinepest war und der Futterlieferant von dem Hof durch den naechsten Ort gefahren ist?
Durch das vermehrte Aufkommen von Woelfen muessen eben auch Herdenhalter umdenken und ihre Tiere den neuen Bedingungen anpassen oder schuetzen. Verbesserte Zaeune und nicht mehr den alten gammeligen Zaun mit drei Reihen Stacheldraht und einer Litze Kuhzucker Elektrozaun davor. Es ist moeglich Schaeden praeventiv zu begegnen, geht den Huehnerbauern so, den Schweinebauern, den Milchproduzenten, alle haben irgendeinen Schaedling der ihre Produktion beeintraechtigen oder den Verlust von Produzenten wie Kuehen, Schweinen oder Gefluegel nach sich zieht. Und alle mussten sich bisher drauf anpassen, wie sich die gesamte Landwirtschaft ueber die letzten Jahrzehnte der Globalisierung stellen musste.
Und wer jetzt meint, dass sei ohne Mitgefuehl, kann man so interpretieren. Aber es haelt sich auch in Grenzen, wenn man sieht, wie Schaeden verursacht durch einzelne Landwirte reguliert werden, wenn andere Menschen zu Schaden kommen. Ein Freund von mir hat seinen Vater verloren, weil der morgens auf einer unbeleuchteten Landstrasse in eine Kuhherde gefahren ist, die aus ihrem schlecht gesicherten Zaun ausgebrochen ist. Die Familie hat auch keine Sofortzahlungen bekommen, nicht mal ein Beileidsschreiben des Landwirtes haben sie bekommen. Kuehe brechen nun mal aus auf dem Land, so ist das.
Innerhalb weniger Wochen sind in meinem Heimatlandkreis zwei Fluesse oekologisch getoetet worden durch unsachgemaesse Lagerung von Guelle, was in normalen Betrieben als Gefahrgut gelten wuerde. Ein Stutzen am Guellesilo abgerissen (20 Jahre alt, sollte eigentlich letzte Woche getauscht werden), tausende Liter Guelle aus dem Silo, der direkt neben einem Bachlauf steht, toeten ueber Kilometer den kompletten Fluss, das gesamt Oekosystem auf Jahre gekippt. Das dieser Bach ueber Jahrzehnte durch den ehrenamtlichen Einsatz von Angelvereinen in seiner Wasserqualitaet verbessert wurde und von in der Region ausgestorbenen Lachsen und Meerforellen wieder zum Laichen genutzt wurde, was jetzt innerhalb vn Stunden zerstoert wurde, passiert nun mal auf dem Land. Das geht erstmal vor Gericht, vielleicht muss der Landwirt auch ein Bussgeld zahlen weil der Zustand seines Silos katastrophal ist. Aber die Frage ob und wieviel und wann der Angelverein, im Gegensatz zum Landwirt auch noch ein sozialer, ehrenamtlicher Dienstleister auf dem Land, Geld fuer seinen entstandenen Schaden bekommt, wird wohl erst geklaert, wenn der Verein mit Eigenmitteln und ehrenamtlichem Einsatz den Fluss gereinigt hat.
Ich erinner mich auch an eine Massenkarambolage in der Naehe von Rostock letztes Jahr, mehrere Tote, hundert Verletzte, hoher Sachschaden. Ausgeloest durch einen Windsturm in Folge von Bodenerosion auf einem an der Autobahn gelegenen Acker. Die Bodenerosion duerfte an der Maismonokultur liegen (fuer die Subventionszahlungen uebrigens termingerecht erfolgen), man koennte dem Landwirt rein moralisch die Verantwortung geben fuer das, was dort passiert ist. Sind dort auch Sofortzahlungen erfolgt? Fuer die Probleme der Beteiligten und deren Familien? Fuer die unnoetigen Kosten des Gesundheitssystems? Damit Familien und Betriebe am naechsten Tag Geld hatten ein Auto zu ersetzen um damit weiterhin Geld zu verdienen oder zur Arbeit zu fahren? Oder ging das alles erst seinen ordentlichen Gang nach Untersuchungen, Gutachten, Versicherungsaerger, Behoerdenrennerei fuer Menschen, die einfach nur auf einer Autobahn fahren wollten und dummerweise an den Folgen einer sich veraenderten Umwelt verunfallt sind?
Die Forderungen des Verbands stehen in keinem Verhaeltnis zur Realitaet. Erhitzte Gemueter hin oder her. Woelfe sind nicht erst seit letzter Woche in Deutschland und bisher wurden Informationen belaechelt, dass einzelne Tiere oder Rudel in die Naehe von Menschen kommen koennen und damit Konflikte entstehen koennen und werden. Wer sagt, dass er in den letzten 20 Jahren keine Zeit und Info hatte sich auf diese Faelle vorzubereiten, ist einfach ein schlecht wirtschaftender Mensch. Nicht mehr, und nicht weniger.