Wölfe und Schalenwild

[Lutra]

Am vorigen Sonnabend war wieder die alljährliche Drückjagd in meinem Streifgebiet. Habe gestern kurz mal mit einem Jäger gesprochen, das Ergebnis der Jagd war nicht so berauschend. Wolf wurde bei der Jagd keiner gesehen, erst nachmittags von einer Joggerin, "er stand einfach so auf der Waldwiese!!!!".
Na gut, Schüsse fielen aber ausgesprochen viele. Auf meine Bemerkung, "da habt ihr aber oft danebengeschossen", kam keine Antwort...
Jedenfalls kam die Meinung, es gäbe wesentlich weniger Rehe, sie würden sich ganz anders verhalten, hochflüchtig die Deckung verlassen und sofort die nächste aufsuchen usw.. Soviel als Vorbemerkung.
Nun war ich heute vormittag wieder auf meiner Runde und habe ausgesprochen viele Rehe gesehen . Allerdings habe ich auch schon länger den Eindruck, dass sie ihr Verhalten geändert haben. Sie ergreifen nicht mehr mit viel Getöse die Flucht, wenn man sich nähert, sondern drücken sich eher, beobachten einen. Sie haben bei uns hier in den letzten Jahren im Wald auch bessere Deckungsmöglichkeiten bekommen, das kommt wahrscheinlich auch dazu. Durch die Auflichtung infolge Schnee- und Windbruch und aktuell Borkenkäfer ist reichlich Unterholz und Strauchwerk gewachsen, was den Rehen absolut zu Gute kommt, auch in Hinblick auf Nahrung. Diese finden sie jetzt vermehrt im Wald und brauchen nicht freie Flächen aufzusuchen. Man kann von den jagdlichen Streckenergebnissen wahrscheinlich nicht unbedingt auf den Bestand schließen.
Wildschweine gibts auch nach Jägermeinung hier mehr als genug, man erwischt sie nur schlecht. Die bleiben eben in den Brombeerflächen liegen, wo die Treiber nicht gern durchstolpern, und Hunde haben sie bei uns nicht zum Treiben.

[maxa67]

Tja, mit den Wildtieren ist es wie bei den Menschen: Sie begehen Landflucht:
https://www.saechsische.de/plus/wildsch ... 38599.html
(das wurde erschossen)

Dam- und Rehwild sehe ich eigentlich IMMER bei meinen Runden, aber die Größe der Herden geht zurück, die Standorte verändern sich.

[Nina]

Die Klagen über das wolfsverursachte "Verschwinden" des Schalenwildes kenne ich hier aus Niedersachsen ja auch. Offenbar kommt dabei niemand darauf, dass der noch einmal erhöhte Jagddruck auf Schwarzwild, dessen Abschuss in Niedersachsen ja mit dem Verweis auf die Bekämpfung der ASP großzügig mit Steuergeldern für jedes erlegte Wildschwein entlohnt wird, auch das Verhalten von Reh- und Rotwild beeinflusst.

Erstaunlicherweise war das Phänomen schon bekannt, bevor der Wolf zurückgekehrt ist. So schreibt der Schweißhundeführer Bernd Krewer in einem Buch 1998: "Normale Drückjagden funktionieren ja bei uns nicht mehr, auch das Rotwild ist durch die notwendigen Jagden auf die Sauen so "versaut", dass es sich nirgendwo mehr durch einzelne hüstelnde Treiber dazu bewegen lässt, seinen Einstand zu verlassen." (Bernd Krewer: Über Hirsche Hunde und Nachsuchen, 1998, Neumann-Neudamm Verlag Melsungen-Schwarzenberg, Seite 21)

[Redux]

Es wird Zeit für die aktuellen Abschußzahlen

[Nina]

Treibjagd auf Wildschweine in Wismar

In Wismar verwüsten Wildschweine immer wieder Gärten und Grünstreifen am Straßenrand. Um dem ein Ende zu bereiten, veranstaltet der Jagdverband erstmals eine Treibjagd. "Etwa 40 Jäger sind im Einsatz. Das Ergebnis nach vier Stunden Treibjagd: Vier Schüsse und nur ein erlegtes Wildschwein."

NDR, 10.11.2019: Treibjagd auf Wildschweine in Wismar https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 68206.html

Und dafür laufen dann 40 People vier Stunden durchs Schilf und beunruhigen alles, was da kreucht und fleucht. Bemerkenswert ist die Aufnahme der Drohnen-Kamera, auf der sich das Wildschwein geschickt klein macht und mucksmäuschenstill verhält, während der Treiber direkt daneben durch das Schilf läuft. 3 sehenswerte Minuten.

By the way: Die Geschlechter- und Altersstruktur der Jäger entspricht genau derselben wie hier. Die Scharen von jungen hippen Frauen, die angeblich die Jagdscheinkurse stürmen, sind wohl an diesem Tag lieber zuhausen geblieben.

[irrlicht]

hier in meinem umfeld ist eigentlich fast jedes wochenende irgendwo eine treibjagd, sofern das wetter es zuläßt.
die werden auch nur in den seltensten fällen irgendwie kenntlich gemacht so dass ich schon ein paarmal das vergnügen hatte, da reinzugeraten.
wenn nämlich erstmal das flüchtende wild an einem vorbeiprescht, ist es in der regel schon zu spät um noch viel abstand zum geschehen zu gewinnen.
die unruhe, die dadurch beim wild entsteht, ist wirklich beträchtlich. vor allem jetzt zum winter hin, wo die tiere ihren energiemodus normalerweise runterfahren.
bei diskussionen mit jägern bekomme ich dann allerdings immer zu hören, dass es der wolf ist, der die unruhe ins revier bringt.

ist eh schon manchmal sehr eigenartig mit den argumenten der jäger. also zumindest mit DEN jägern, die gegen den wolf sind. ein paar wenige gibt es ja auch, die kein problem mit den wölfen haben.
aber im letzten jahr gab es hier viele protestveranstaltungen und mahnfeuer gegen den wolf und ich hab mir da die argumente mal angehört ...
z.b. sagte da ein sehr aufgebrachter jäger (den ich übrigens schon kenne, seit ich hier lebe), dass der wolf inzwischen den gesamten rehwildbestand ausgelöscht hätte.
dass das totaler quatsch sein mußte war mir eh klar weil ich hier tagtäglich jede menge rehe sehe.
als ich dem jäger nur wenige tage draußen wieder begegnete und ich zu ihm sagte: *na, wieder unterwegs um tiere totzuschießen?* ,
da antwortete er mir, dass das ja leider sein müsse weil es viel zuviel rot- und schwarzwild gibt.
und als ich ihm sagte, dass ich dass jetzt nicht verstehe weil er doch auf dem mahnfeuer gesagt hatte, dass der gesamte rehwildbestand vom wolf ausgelöscht wurde, meinte er nur, das müsse ich wohl falsch verstanden haben, er hätte von einem ganz anderen revier gesprochen.
nun ja ...

[maxa67]

bei diskussionen mit jägern bekomme ich dann allerdings immer zu hören, dass es der wolf ist, der die unruhe ins revier bringt.

oder die Hundebesitzer welche die nichtgekennzeichneten Ruhezonen zum Wandern betreten. Da gibts bei uns gelegentlich mal nen Auftritt mit so einem Großkotz. Da pulse ich immer und warte eigentlich nur noch aufs Stichwort, wenn so ein Knilch mir anbietet, meinen Hund zu erschießen, falls er den mal ...
Das ist aber gottseidank seit einiger Zeit nicht mehr passiert, irgendwann lange ich sonst nochmal zu bei soviel Arroganz und Anmaßung.
Wir leinen unseren Hund ja wegen den Wölfen seit 3-4 Jahren an, lassen uns aber nicht den Gang durch Wald und Wiesen verbieten. Schon garnicht, wenn in Hörweite die Polenlaster die A4 langdonnern.

[Lutra]

Leider ist es so gut wie nicht möglich, ehrliche Aussagen zum Verhalten des Schalenwildes in Wolfsgebieten zu erhalten. Zu Anfang der Wiederbesiedelung durch Wölfe wollte ich das gerne mal von den Jägern wissen, denn man sieht ja die Wölfe nicht gleich, wenn sie mal da sind. Leider kam da absolut keine brauchbare Aussage. Es ging so weit, dass die einen behaupteten, das Wild stehe angstschlotternd auf den Freiflächen und traue sich nicht in den Wald, die anderen, es stehe im Wald und traue sich nicht auf die Freiflächen.
Und dann gibts ja die üblichen Sachen mit den Großrotten vom Schwarzwild und den Großrudeln Rotwild...
Aus meinen ganz persönlichen Beobachtungen möchte ich behaupten, es gibt keine auffälligen Veränderungen im Verhalten des Schalenwildes bei Wolfsanwesendheit.

[maxa67]

also ICH nehme eine gewisse Separierung wahr. Also kleinere Gruppen, zumindest beim Reh- und Damwild.

[irrlicht]

oder die Hundebesitzer ...

.... oder die reiter.
ganz besonders arg aufm kieker haben sie aber die naturfotografen weil die nämlich mitunter dinge sehen und fotografieren, die eigentlich niemand sehen soll