Rissgutachten in Sachsen

Über freilebende Wölfe in Deutschland.
Miscanthus
Beiträge: 1304
Registriert: 8. Okt 2010, 10:54

Rissgutachten in Sachsen

Beitrag von Miscanthus »

Die Bauern fühlen sich mal wieder hintergangen:
http://www.lr-online.de/nachrichten/bra ... 25,3182148
Benutzeravatar
SammysHP
Administrator
Beiträge: 3708
Registriert: 4. Okt 2010, 18:47
Wohnort: Celle
Kontaktdaten:

Re: Sachsen

Beitrag von SammysHP »

Im Allgemeinen kann ich ihnen auch zustimmen. Die Bewertungskriterien müssen wirklich klar definiert und zugänglich gemacht werden.
Lutra
Beiträge: 2701
Registriert: 5. Okt 2010, 21:30
Wohnort: Pulsnitz

Re: Sachsen

Beitrag von Lutra »

Ich weiß nicht, ob der Wolf zu überzeugen ist, nach einer DIN-Norm zuzubeißen. Wie die Bewertung abläuft, ist im verlinkten Artikel recht gut dargestellt. Bei den "Bauern" ist es anscheinend ähnlich wie bei den "Jägern", der Vorstand des Landesbauernverband vertritt nicht unbedingt alle Bauern, so wie der des Landesjagdverbandes nicht alle Jäger repräsentiert.

Beim Landesjagdverband hab ich da was Positives gelesen:
http://www.ljv-sachsen.de/uploads/media ... 011_01.pdf

Der Vorstand des LJV Sachsen hat sich voriges Jahr personell total geändert. Vorher war sogar "Wolfsexperte" Stefan Bachmann drin. Es wird mindestens im Vorstand des LJV jetzt eine etwas andere Linie in Punkto Wolf gefahren als früher. Sicher bräuchten noch einige die angeführte Schulungsveranstaltung, aber immerhin, der Anfang ist gemacht.
Wolfsheger
Beiträge: 17
Registriert: 15. Okt 2010, 17:49

Re: Sachsen

Beitrag von Wolfsheger »

Ich weiß auch nicht, woher die Mär vom Herunterrechnen der Wolfsschäden und vom Schönen der Schadensstatistik stammt, welche in letzter Zeit verschiedentlich von den Bauernverbänden geäußert wurde. Ich kann dazu nur soviel sagen (und habe dies auch gegenüber dem Vorsitzenden des hiesigen Regionalbauernverbandes in einem persönlichen Gespräch deutlich gemacht), dass ich als Rissgutachter ausschließlich nach fachlichen Erwägungen und Faktenlage urteile und mir keiner diesbezüglich eine Anweisung erteilt hat, meine Rissgutachten in irgendeiner Form zu manipulieren. Das Sächsische Umweltministerium ist mir gegenüber auch nicht weisungsbefugt, da ich dem Landrat unterstehe. Eine Manipulation der Schäden, die der Wolf verursacht hat, macht auch wenig Sinn. Für Schäden beispielsweise die durch Fischotter, Kraniche, Biber oder Kormorane verursacht werden, zahlt der Freistaat jährlich sechsstellige Beträge, da kommt es bei den Wolfsschäden auf einen Tausender mehr oder weniger überhaupt nicht an. Die Wolfsschäden machen insgesamt nicht einmal ein Zehntel der Gesamtsumme aus.

Was die Transparenz der Fachgutachten betrifft, habe ich es zumindest immer so gehalten, dass ich dem Geschädigten während meiner Untersuchung mit möglichst einfachen Worten erklärt habe, was ich da mache, warum das so gemacht werden muss und wie ich letztendlich zu meinem Urteil gekommen bin. Es gibt aber auch Tierhalter, die im Grunde genommen von mir nur noch bestätigt bekommen wollen, was sie ohnehin schon wissen (der Rissgutachter wird quasi nur noch pro forma bestellt). Die sind dann oft nur sehr schwer für die fachliche Argumentation zugängig, wenn das Urteil nicht ihren Vorstellungen entspricht. Ein Tierhalter hat mir mal am Ende einer dreistündigen Untersuchung sinngemäß gesagt, dass er einsehe, dass der Wolf nicht als Verursacher in Frage kommt und er demzufolge keine Entschädigung erhält, da ich ja auch Geld verdienen will und mein Dienstwagen Benzin braucht, was ja auch Geld kostet. Für ihn bleibt da sozusagen nichts übrig. Da kann einem schon mal die Galle hochkommen, aber man darf sich halt nichts anmerken lassen.
Es ist wahrscheinlich einfacher, zunächst mal das ganze Procedere der Begutachtung und die Gutachter selbst in Frage zu stellen, als sich wirklich mit der Materie auseinander zu setzen.


Herzliche Grüße vom Wolfsheger!
Benutzeravatar
SammysHP
Administrator
Beiträge: 3708
Registriert: 4. Okt 2010, 18:47
Wohnort: Celle
Kontaktdaten:

Re: Sachsen

Beitrag von SammysHP »

Sind die Kriterien schriftlich festgelegt oder wird immer rein aus Erfahrung beurteilt?
Wolfsheger
Beiträge: 17
Registriert: 15. Okt 2010, 17:49

Re: Sachsen

Beitrag von Wolfsheger »

Wie ein Wolfsriss vom Grundsatz her aussieht, ist in mehreren Broschüren beschrieben. Die Vorgehensweise bei einer Untersuchung ist immer dieselbe. Zunächst wird der Ort des Risses in Augenschein genommen und nach Spuren, Tötungsverlauf usw. inspiziert. Danach gehts an den Kadaver, welcher i. d. R. ganz abgehäutet wird. Es wird ein mehrere Seiten langes Protokoll ausgefüllt, wobei alle erkennbaren Merkmale des Risses abgefragt werden, also z.B. Art und Ort von Bissverletzungen mit oder ohne Unterhautblutungen, Ort,Größe und Form von Bisslöchern, weiteren Hämatomen oder Verletzungen, Verwertung des Kadavers u.v.a.mehr. Im Ergebnis wird ein Fazit erstellt, was entweder den Wolf als Verursacher ausschließt oder nicht. Das Protokoll mit einer umfangreichen Fotodokumentation wird dann dem Büro LUPUS zur Endbewertung zur Verfügung gestellt. Außerdem erhalten alle zugelassenen Rissbegutachter die Unterlagen um eventuell auf Fehler oder Abnormitäten aufmerksam machen zu können oder einfach nur um daraus lernen zu können. Nobody is perfect. Den Bilderbuchriss habe ich noch nicht gesehen, es gibt immer wieder Abweichungen von der Lehrbuchvariante. Es gibt aber den Grundsatz "In dubio pro reo", von dem ich mich leiten lasse.

Herzliche Grüße vom Wolfsheger!
Benutzeravatar
SammysHP
Administrator
Beiträge: 3708
Registriert: 4. Okt 2010, 18:47
Wohnort: Celle
Kontaktdaten:

Re: Sachsen

Beitrag von SammysHP »

Gut, es gibt also ein vorgegebenes Protokoll, sodass alle Gutachter nach den gleichen Kriterien arbeiten. Das wollte ich wissen. Gibt es die Möglichkeit, solch ein (Blanko-)Protokoll zu sehen?
timber-der-wolf

Re: Sachsen

Beitrag von timber-der-wolf »

SammysHP hat geschrieben:Gut, es gibt also ein vorgegebenes Protokoll, sodass alle Gutachter nach den gleichen Kriterien arbeiten. Das wollte ich wissen. Gibt es die Möglichkeit, solch ein (Blanko-)Protokoll zu sehen?
Das würde mich auch interessieren, wäre auch an so einem (Blanko) Protokoll interessiert. Gibt es das protokoll und die Kriterien der bewertung vielleicht irgendwo in den Weiten des www zum runterladen / ausdrucken?
Benutzeravatar
Jens
Beiträge: 87
Registriert: 5. Okt 2010, 23:02
Wohnort: Stolpe

Re: Sachsen

Beitrag von Jens »

Diese Protokolle wurden einheitlich von LUPUS entworfen und unterliegen dem (C) von LUPUS.
Die Behörden der Länder verwenden diese Protokolle und haben natürlich Ihre Angaben schon meist mit eingedruckt. Ich glaube daher nicht, das die Landesbehörden somit die Protokolle so einfach öffentlich zu Verfügung stellen. Wozu auch? Es sind Arbeitsmaterialien der jeweiligen Behörde bzw. der Gutachter.
Lediglich die Entschädigungsrichtlinien werden bzw. wurden durch die Länder veröffentlicht und da steht alles drin.
Benutzeravatar
SammysHP
Administrator
Beiträge: 3708
Registriert: 4. Okt 2010, 18:47
Wohnort: Celle
Kontaktdaten:

Re: Sachsen

Beitrag von SammysHP »

Dann ist es also gar nicht so abwegig von den Bauern, dass sie sich über mangelnde Transparenz beschweren.
Antworten