Warum ertranken NABU-Tiere im Juni-Hochwasser?

Alles, was sonst nirgends passt.
Grauer Wolf

Re: Re:Sinnloses Töten von Füchsen

Beitrag von Grauer Wolf »

Nachtrag, da ich den vorherigen Beitrag nicht mehr ergänzen kann:
Lone Wolf hat geschrieben:Wie kann man helfen, was unternehmen gegen solche Ignoranz?
Helfen kannst Du hier kaum und Ignoranz ist (fast) unbekämpfbar. Meine sehr subjektive :!: Empfindung ist, daß sich gerade Vogelschützer manchmal äußerst militant geben und gerne mit zweierlei Maß messen.
Ich habe mal vor vielen Jahren mal eine Führung gebucht, die die Vogelwelt in einer aufgelassenen, wasserführenden Quarzsandgrube vorstellen sollte, eigentlich ein interessantes Thema.
Es kam, wie es kommen mußte: Vor Ort "mußten" die VogelschützerInnen erstmal schauen, ob man die Gäste dieser Veranstaltung überhaupt ins Gelände lassen konnte, weil evtl. die Vögelchen gestört würden. Ergo zog man mit gewichtiger Miene los, die Lage zu peilen, und brach dabei lautstark trampelnd wie eine Wildschweinrotte durchs Unterholz (das hätte man vorab prüfen müssen!). Selbst verständlich kam man zu dem Schluß (nachdem die Gäste sich eine halbe Stunde die Beine in den Bauch standen), daß man nicht verantworten konnte, jemanden ins Gelände zu lassen. Ich hab mich nur noch auf's Fahrrad geschwungen und bin entfleucht (außer Spesen nichts gewesen). Ich weiß schon, warum ich mit vielen "organisierten" Naturschützern überkreuz bin: Wegen des Besitzstanddenkens dieser Leute.

Ich frage mich nur was passiert, wenn eine geschützte Raubvogelart eine andere geschützte Art bedroht. Dann ist bei solchen Leuten guter Rat teuer und der Gewissenskonflikt vorprogrammiert. :mrgreen:
So oder so, es ist und bleibt ein No Go, eine führende Fähe oder ihren Rüden abzuknallen, um Vögel zu schützen. Hier kehrt sich der Artenschutz ins Perverse, wie so oft, wenn der Mensch reinpfuscht. Füchse, Wildkatzen, Marder, aber auch Greifvögel o.ä. haben sich schon immer ihren Teil an Bodenbrütern geholt.

Gruß
Wolf
Karl der Käfer
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Re: Warum ertranken NABU-Tiere im Juni-Hochwasser?

Beitrag von Karl der Käfer »

Liebe Wölfe, hier meldet sich ein Käfer!

Komme mal als „artfremder“ zu Euch, weil mich das Wohl eines jeden Tieres (na gut, Mücken und Zecken zähle ich jetzt mal nicht mit) interessiert.

Möchte Euch ein paar Infos von der Basis geben, denn ich wohne genau am Ort des Geschehens (Gern beantworte ich, soweit möglich, auch Fragen zu dem Thema - ich habe mich sehr damit beschäftigt):

Der Bucher Brack ist seit ewigen Zeiten Weideland, das stimmt. Das Gelände befindet sich im Deichvorland, ist also potenzielles Überflutungsgebiet. Allerdings weideten dort stets Herden, die im Hochwasserfall relativ problemlos zu evakuieren waren.

Der NABU nun setzte in diese wirklich wunderschöne Landschaft „wilde“ Heck-Rinder und Koniks (die dort ohne Zweifel ein wunderbares Leben hatten), die aber eben bei weitem nicht so händelbar waren, wie klassische Weidetiere.

Die Herde wurde angesiedelt 2008 (also nach den Erfahrungen der Hochwasser von 2002 und 2006) und mit dem Wissen, dass u. a. auch der NABU-Bundesverband vor immer öfter auftretenden Extremhochwassern warnte.

Mit dem Winterhochwasser 2011 wurde die Situation für die angesiedelten Tiere schon sehr bedrohlich. Es wurde abgewogen, welche Belastung eine mögliche Evakuierung ausmachen würde gegenüber dem Risiko durch das Hochwasser: es wurde nicht evakuiert.

Letztendlich mußten die Tiere eng gedrängt auf wenigen trockenen Stellen stehen, Landkreis, Veterinäramt und Staatsanwalt schalteten sich ein (letztendlich leider ohne Ergebnis bzw. Konsequenzen)

Spätestens nach dieser Erfahrung (das Hochwasser 2011 war ein eher noch „normales“ Winterhochwasser) hätte überdacht werden müssen, ob solche Herden im Deichvorland wirklich so gut aufgehoben sind, zumal der NABU selbst seine Tiere wegen ihrer Natur als schwierig bis unmöglich evakuierbar (!) bezeichnete.

Der Verein verfügt hier über ausgedehnte Ländereien, unter denen sich vielleicht auch ein Plätzchen hinter dem Deich für die Koniks und Heck-Rinder gefunden hätte.

Nein. Die Herden verblieben im Brack.

Was dann 2013 passierte, war nach dieser Vorgeschichte eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen: die wilden Tiere entzogen sich ihrer eigenen Evakuierung durch Flucht in dem weitläufigen, urwüchsigen und riesengroßen Areal.

Während der NABU parallel dazu juristisch eine Evakuierung als nicht notwendig erklärte und zudem um Pegel-Zentimeter stritt, wurde das Betreten und Überfahren der Deiche (Warnstufe IV) untersagt und damit jeder weitere Rettungsversuch unmöglich.

Irgendwann hörten wir Anwohner die Tiere schreien. Über Stunden, über Tage. Irgendwann schrien sie nicht mehr – jeder wusste, was das bedeutete…

Bei dem Ausmaß des Hochwassers waren Tierverluste fast unvermeidlich, allerdings mußten in unseren Breiten keine weiteren Herdentiere ertrinken, geschweige denn ganze Herden von ca. 23 Koniks und 29 Heck-Rindern und ungezählten Kälbern, obwohl hier das Deichvorland überall beweidet wird.


Daß in Anbetracht dieser Vorgeschichte und der Absehbarkeit der Katastrofe der NABU auf seinen eigenen Seiten die Dinge ein wenig anders darstellt, überrascht jetzt nicht wirklich. Es gibt im Internet aber genug Informationen aus anderen Quellen, z. B. regionalen Tageszeitungen, in denen sich manches ein wenig anders liest, als der NABU es glauben lassen möchte.

Jämmerlich ist, dass bis heute keine erkennbaren Konsequenzen aus der Tragödie gezogen wurden. Erklärt wurde, im Brack keine Tiere mehr zu halten - aktuell beweidet der NABU mit einer Herde Koniks ein Areal auf der anderen Seite der Elbe, genau auf Höhe Bucher Brack.

Übrigens: im Deichvorland…
Widukind

Re: Warum ertranken NABU-Tiere im Juni-Hochwasser?

Beitrag von Widukind »

Moin Karl (der Käfer) !

Vielen Dank für den quasi "Augen - u. Ohren-Zeugenbericht" aus erster Hand. Sowas ist wichtig, damit sich die Verantwortlichen nicht immer herausreden können. Ich wundere mich schon länger nicht mehr über das "Selbstverständnis" des NABU.

P.S. Meine Signatur hat natürlich nix mit Dir zu tun ... ;)
Grauer Wolf

Re: Warum ertranken NABU-Tiere im Juni-Hochwasser?

Beitrag von Grauer Wolf »

Karl der Käfer hat geschrieben:Irgendwann hörten wir Anwohner die Tiere schreien. Über Stunden, über Tage. Irgendwann schrien sie nicht mehr – jeder wusste, was das bedeutete…
:( :x (Bin sprachlos und das geschieht sehr selten...)

Gruß
Wolf
Grauer Wolf

Re: Warum ertranken NABU-Tiere im Juni-Hochwasser?

Beitrag von Grauer Wolf »

Wenn man Tier in so hochwasserexponierten Bereichen weiden läßt, hätte man vielleicht mal Anzeigen studieren sollen:
http://www.boatshop24.com/de/unbekannt- ... boot/13922
10 Tonnen :!: Tragkraft, minimaler Tiefgang, für kleines Geld...

Gruß
Wolf
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Re: Warum ertranken NABU-Tiere im Juni-Hochwasser?

Beitrag von SammysHP »

Und dann? Wie möchtest du so ein Rindvieh auf ein Boot bekommen? ;)
Grauer Wolf

Re: Warum ertranken NABU-Tiere im Juni-Hochwasser?

Beitrag von Grauer Wolf »

SammysHP hat geschrieben:Und dann? Wie möchtest du so ein Rindvieh auf ein Boot bekommen? ;)
Treibstock.
http://www.horn-tierzuchtgeraete.de/Vie ... 9_164.html
Ich schätze, für einen erfahrenen Rindviehhalter, der ggf. auch Kuhhunde benutzt, ist das nicht sooo ein Problem. Aber vielleicht kann "balin" als Experte was dazu sagen?
Diese Technik wird m.W. auch in Lappland eingesetzt, um Rentierherden über größere Fjorde zu Inseln zu bringen (z.B. zwischen Magerøya und dem Festland). Da springt sogar die norwegische Marine ein.

Gruß
Wolf
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Re: Warum ertranken NABU-Tiere im Juni-Hochwasser?

Beitrag von SammysHP »

Wir sprechen hier von Tieren, die offensichtlich nicht an Menschen gewöhnt sind. Ohne Narkose wird da wohl nichts zu machen sein.
Karl der Käfer
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Re: Warum ertranken NABU-Tiere im Juni-Hochwasser?

Beitrag von Karl der Käfer »

@Grauer Wolf

Kein Quatsch, diese Idee mit einer Fähre ist (war) tatsächlich Teil der - gescheiterten - Evakuierungskonzeption.

Allerdings wurde die Idee von den Fachleuten komplett für nicht durchführbar erklärt:

- auf Grund des wild bewachsenen, komplett unebenen Geländes gibt es keine Möglichkeit im Brack, eine Fähre irgendwo anzulegen, und selbst wenn, dann müßten die Tiere, die sich ja eben nicht in gewünschte Richtungen treiben ließen, natürlich auch dort hinkomplimentiert werden, nur wie?

- angenommen, die Herde würde tatsächlich an der Fähre ankommen, ja, dann stellen sie sich in Schlange an der Fähre an, lösen ihren Fahrschein und setzen sich anständig der Reihe nach auf die Bänke?

- wir reden hier von wirklichem Hochwasser, d. h. der normal vielleicht 100 Meter breite Fluß ist dann mehrere Kilometer breit, mit extremer Strömung, nicht erkennbaren Gefahren unter und über Wasser (überflutete Bäume, Treibgut): sollen unter diesen Bedingungen hier auch noch Menschen in Gefahr gebracht werden, um die Fähre steuern?

Oder wäre es grundsätzlich besser, als Halter Verantwortung zu tragen, vorher zu überlegen, und Tiere nicht in Situationen zu bringen, aus denen sie im Falle des Falles nicht zu retten sind?

Das fragen sich hier auch alle, die - hinter dem Deich wohnend - nur auf die Gefahr eines Deichbruches hin Kaninchen, Katzen, Geflügel und ähnliches, fluchtunfähiges Kleinzeugs in Sicherheit brachten. Die Stimmung hier ist mittlerweile nicht mehr wirklich NABU-freundlich.
balin
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Registriert: 10. Okt 2010, 06:53

Re: Warum ertranken NABU-Tiere im Juni-Hochwasser?

Beitrag von balin »

Meine nächste Investition wird wohl eine Fanganlage sein. Im Zweifelsfall muß ich ja die Herde alleine bedienen können. Ich suche zur Zeit nach Videos, wo die Arbeit mit dem Fangstand gezeigt wird. Beim Cutting waren die früher zu viert, das kann man bei Youtube nachgucken.
Heutzutage sind die Zeiten aber anders.
Alleine mit dem Lasso geht zwar, wenn man einen Anker in der Nähe hat, aber ich stehe zur Zeit nicht mehr auf Knochenbrüche.
Ausserdem geht es ja vielleicht auch etwas Tier-schonender.
Bei so wilden Tieren muß man wirklich vorrausschauend handeln und halbe Portionen, wie zb den Tierarzt oder Anbinderinderhalter darf man an sowas nur mit Sicherheitsleine ranlassen.
Alles nicht so einfach. ;-)
Den Nabu beneide ich nicht unbedingt um seine Aufgabe bei den Heckrindern.
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