Jäger wollen Wölfe im Auge behalten!

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern
balin
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Re: Jäger wollen Wölfe im Auge behalten!

Beitrag von balin »

Wenn man mir richtig zuließt, dann wird man feststellen, daß ich nichts gegen Wildschweine habe. Mich betreffen die nicht so arg, weil ich nur Grünland umtreibe. Unsere Biogasanlage ist Jäger. Insofern brauche ich mich überhaupt nicht einzumischen, ich beobachte nur.
Hier sind im weiteren Umkreis zwei Gewehre im Umlauf, mit denen man sechs Schuß in Folge abgeben kann. Sie sind speziell für die Wildschweine angeschafft worden. Letztes Jahr hatten sie beim Maishäckseln um die Felder Schützen aufgestellt und entsprechend abgesperrt.
Geschossen haben sie aber nichts. Bei soviel Spektakel bleiben die Wildschweine lieber weg. Ich bin schon gespannt, was sie sich dieses Jahr
einfallen lassen(müssen). Ab einem gewissen Schadensbefall wird das dann mit dem Mais auch kritisch. Vielleicht bewirken die Wildschweine ja wirklich ein Umdenken. Manch einer würde sich das wünschen, ich auch.
Grauer Wolf

Re: Jäger wollen Wölfe im Auge behalten!

Beitrag von Grauer Wolf »

jurawolf hat geschrieben:Wolf, wenn du keine Wildschweine magst, ist das deine Sache. So schädlich sie in unseren landwirtschaftlichen Monokulturen sind, so wertvoll sind sie im Wald. Den Bedarf, die Bestände zusammen zu schiessen, sehe ich deshalb ohnehin nicht. Lieber ändern wir was an der Landwirtschaft, als über das Zusammenschiessen der Wildschweinbestände die Mais-Monokulturen noch attraktiver zu machen.
Reden wir jetzt von der Schweiz oder von Deutschland? Im übrigen habe ich durchaus nichts gegen Wildschweine, solange die Bestände einem natürlichen Besatz entsprechen. Die derzeitigen Konzentrationen sind aber unnatürlich herbeigeführt worden und richten teilweise richtig Schaden an (siehe auch Balins Beitrag). Mir ist klar, daß ein angemessener Wildsauen-Bestand segensreich für den Wald (nicht für Kartoffel-, Mais-, Rüben- und Getreidefelder) ist. Was ich aber hier teilweise gesehen habe, gleicht einem großflächigen Panzerübungsgelände und sieht im Vergleich zu eingezäunten Kontrollflächen richtig übel aus.
jurawolf hat geschrieben:Thema Schalldämpfer:
Schalldämpfer vermögen nur den Schall des Mündungsfeuers zu dämpfen. Auf den Geschossknall hingegen haben sie keinen Einfluss. Der laute Überschallknall von Geschossen mit über 330 m/s lässt sich nicht verhindern.
Bekannt. Ich bin in Waffentechnik und Ballistik nicht ganz unbeschlagen (wenn auch weit vom echten Experten weg), weil mich das Thema vor Jahren mal sehr interessiert hat (inzwischen nicht mehr)... ;)
jurawolf hat geschrieben:(die Rechtslage in DE kenne ich nicht...) hat man übrigens aus einem hauptsächlichen Grund eingeführt: Verhindern der Wilderei. Das müsste doch in deinem Sinne sein...
Ist es durchaus... Wenn meine Informationen stimmen, arbeitet man daran (Hessen: Ausgewählte Förster benutzen SD schon). Das Ziel ist, die Lautstärke an der Mündung unter die gesundheitsgefährdende Grenze zu bringen (im Grunde sinnvolle Arbeitsschutzmaßnahmen, denn normale "Mickimäuse" machen einen taub für Umgebungsgeräusche). Übrigens, wer unbedingt wildern will, tut das auch, ggf. mit Schalldämpfer plus Unterschallmunition, die es auch für jagdliche Zwecke gibt..
jurawolf hat geschrieben:Thema Magazinkapazität:
Deine Forderung diesbezüglich ist wirklich absurd. Die handelsüblichen Jagdbüchsen mit Magazin sind völlig ausreichend. Die mögliche Ladung (3 Patronen im Magazin, 1 im Lauf) habe ich noch nie verschiessen können.
In Deutschland insgesamt 3 Schüsse, wenn sich nicht was geändert hat.
jurawolf hat geschrieben:Zu meinen, mit 10 oder 20 Schuss im Magazin strecke man dann auch 10 oder 20 Wildschweine zeugt von totaler Unkenntis über die jagdliche Praxis.
Das meine ich ganz bestimmt nicht. Aber es wäre schon sehr hilfreich, wenn man 3...4 aus einer Rotte erwischt, bevor die tirren geht...
jurawolf hat geschrieben:Zum Thema Treffsicherheit:
Hast du oder sonst jemand eine seriöse Statistik, wie viel Wild sauber erlegt wird und wie viel nachgesucht werden muss?
Ich weiß nicht, ob es darüber überhaupt Statistiken gibt, denn normalerweise wird kaum einer zugeben, Mist gebaut zu haben. Vielleicht bin ich tatsächlich voreingenommen, ich will ehrlich bleiben und es nicht ausschließen. Aber was ich so in der Presse und Co. gelesen habe (der Link oben spricht Bände, auch wenn es natürlich eine Negativselektion ist), läßt in mir teilweise tatsächlich Übelkeit aufkommen, eben auch die Geschichte mit dem illegal geschossenen Wolf, der regelrecht von Stümpern zu Tode gefoltert wurde. Von den Jagd"unfällen" mit im Mittel 3...8 Toten und vielen 100 Verletzten per Anno will ich hier gar nicht erst anfangen.
http://www.zeit.de/2002/06/Waidmanns_Unheil
jurawolf hat geschrieben:Schwarze Schafe und Ausreisser gibts immer, aber so schlimm steht es nicht. Hierzulande gibts zudem in vielen Kantonen bereits den obligatorischen jährlichen Treffernachweis, ab nächstem Jahr sogar schweizweit. Alles in allem sind deine Behauptungen pauschale Unterstellungen ohne seriöse Grundlage.

Deine Worte in Nimrods Gehörgang. Aber ich bin und bleibe skeptisch im Sinne einer eigenen Meinung dazu.
jurawolf hat geschrieben:Und was die Wildschweine Berlins angeht:
Für den einen sind diese Gefährlich, für den anderen sinds die Wölfe am selben Stadtrand. Polemik gegen Tiere. Wo ist der Unterschied?
Der Unterschied liegt darin, daß Wildsauen tatsächlich gefährlich sein können und auch mehr als einmal wurden.
http://www.focus.de/panorama/welt/wilds ... 30516.html
http://www.wildundhund.de/home/8047-wil ... em-ausgang
http://www.tz.de/muenchen/stadt/hadern- ... 98071.html
http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... -Prag.html
http://www.op-online.de/lokales/hessen/ ... 67408.html

5 Fälle in der jüngeren Vergangheit, binnen einer Minute per Google gefunden. Ich selber bin als unerfahrener "Jungfuchs" von 16 Jahren auch schon attackiert worden, was allerdings mein eigener Fehler war (saublöd gelaufen, im wahrsten Sinne des Wortes. Passiert war mir damals nichts, aber der Schreck war recht ordentlich... :mrgreen: )
Ich bin jeden Tag draußen, oft für viele Stunden (schon berufsbedingt) und in meinem "Hauswald" sehe ich Sauen durchaus regelmäßig, wenn ich's drauf anlege, täglich. Ich habe keine Angst vor denen, aber ich lasse sie niemals aus den Augen, bis sie weg sind, und ich würde ihrer Reaktion niemals vertrauen, sowieso nicht in der Zeit, in denen es Frischlinge gibt, aber auch sonst nicht.
Bei Wölfen im Wald hätte ich dagegen keinerlei Bedenken (Angst sowieso nicht), nur meine Hunde müßten halt an die Langleine.


Will sagen: Ich behaupte weder, Jagdexperte zu sein, noch kann ich den Stein der Weisen bereitstellen. Worauf ich hinauswill, ist, daß Denkverbote weg müssen. Die Lage mit den Wildsauen erfordert mittlerweile besondere Mittel. Alternativ wäre natürlich die schnelle, flächendeckende Verbreitung der Grauen in allen geeigneten Revieren die natürliche und bessere Methode (auch der arg dezimierte Uhu wäre da eine Hilfe, weil er sich auch kleine Frischlinge holt). Aber wie große Teile der Jägerschaft darüber denken und wie deren Akzeptanz aussieht, dürfte hinreichend bekannt sein. Wie ein junger Jäger, mit dem ich mich mehrfach lange unterhielt (wir sind ziemlich auf einer Wellenlänge), vermerkte: Es ist ein Generationenproblem.

Finde eine Lösung für die Wildschweinprobleme und Du bekommst garantiert eine Verdienstmedaille vom Naturschutz! Schlimm finde ich, daß solche Gedankengänge (bezüglich des drastischen Reduzierens) überhaupt notwendig sind, denn sie beweisen, daß es mit dem Gleichgewicht in unserer Restnatur wahrlich nicht zum besten steht.

In diesem Sinne
Gruß
Wolf
jurawolf
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Re: Jäger wollen Wölfe im Auge behalten!

Beitrag von jurawolf »

Es lassen sich auch Fälle finden, wo Wölfe Menschen angegriffen haben - obwohl sie um ein vielfaches seltener sind als die Wildschweine. Das ändert aber nichts daran, dass die Angst vor Wölfen völlig unbegründet ist eine Angstmacherei, wie sie leider von Teilen der Jägerschaft betrieben wird, völlig fehl am Platze ist. Aber das selbe müssen wir doch bei den Wildschweinen gleichermassen auch feststellen: Bei den hunderttausenden, wenn nicht sogar Millionen von Wildschweinen alleine in DE, sind doch die paar wenigen Angriffe kaum der Rede wert. Fakt ist, dass das Wildschwein weitgehend harmlos ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen (angeschossene Tiere usw.). Auch wo es Wildschweine gibt, lässt sich gefahrlos leben!

Ich beziehe mich in meinen Aussagen schon jeweils auch auf Deutschland. Bei uns in der Schweiz ist die Schadensituation durch Wildschweine eigentlich nur in einem Gürtel vom Westen über den Norden bis in den Osten sehr gross, also entlang der Grenzen zu Frankreich und Deutschland. Sonst halten sich die Schäden in engen Grenzen. Als "Papier-Deutscher", der schon alleine aus verwandtschaftlichen Gründen meist mehrmals pro Jahr in Deutschland, genauer in NRW und Niedersachsen, ist, kenne ich die Situation dort aber auch sehr gut.

Die Unterschallmunition, die du ansprichst, existiert zwar. Für die Jagd ist sie für mich aber völlig ungeeignet. Lass mich dies begründen:

Um überhaupt unter der Schallgrenze zu bleiben, muss sie ja massiv langsamer sein, um etwa Zweidrittel gegenüber handelsüblicher normaler Schwarzwildminution. Bereits das ist ein riesiger Nachteil bei der Jagd. Da auch ein Unterschallgeschoss nicht völlig geräuschlos ist, steigt die Gefahr ab, dass das Wild zwischen Schussabgabe und Treffer eine Positionsänderung vornehmen kann. Denn mit Unterschallmunition ist der Schall ja früher da als das Geschoss und Wildschweine haben ein sehr empfindliches Gehör... die höhren sprichwörtlich alles. Bis das Geschoss am Ziel ist, fanden also nicht nur die zufälligen Bewegungen bei der Nahrungsaufnahme usw. statt, sondern allenfalls auch bereits erste Fluchtbewegungen. Und wenn du faktisch verlangst, dass vermehrt auf flüchtiges Wild geschossen wird (wie gesagt kann bei einer Rotte maximal auf das erste Tier nicht flüchtig geschossen werden, spätestens danach sind dann alle anderen flüchtig), entwickelt sich die Unterschallmunition noch mehr zum Nachteil. Bereits mit normaler Jagdmunition muss ich auf flüchtiges Wild ja vorhalten und dies ist immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden (vorhalten heisst immer auch schätzen und bedingt extrem viel Erfahrung). Bei einem massiv langsameren Geschoss muss ich umso stärker vorhalten, was die Unsicherheit stark erhöht. Auf flüchtige Sauen müsste ich mit Unterschallmunition geschätzte 10 m vorhalten... Vermehrte Fehlschüsse, flüchtiges Wild, Tierleid wären die unweigerlichen Folgen, auch wenn du Schützen noch viel geübter wären als heute! Ein weiterer Nachteil von Unterschallmunition ist, dass diese im selben Kaliber weitaus weniger Energie hat. Damit wird sie im selben Kaliber für Schwarzwild sofort unbrauchbar. Darauf kann man reagieren, wenn man schwerere Geschosse im selben Kaliber verwendet. Diese wiederum haben aber den entscheidenden Nachteil, dass sie schneller an Höhe verlieren, sprich die Flugbahn verkürzt sich. Damit wären Weitschüsse kaum mehr möglich, auf Schwarzwild sind diese aufgrund der Schlauheit der Viecher aber von grosser Bedeutung.

Summa summarum:
Schalldämpfer machen ja nur Sinn in Verbindung mit Unterschallmunition. Diese ist aber für den jagdlichen Einsatz wenig geeignet. Sie erschwert die Bejagung von Schwarzwild massiv, bei sehr geringem Nutzen. Zum Zweck der vermehrten Schwarzwildbekämpfung erfüllt sie also ihre Funktion nicht. Auch aus tierschützerischer Sicht ist sie ein klarer Nachteil. Deshalb ist es allemal besser, die Schützen zum Tragen eines Gehörschutzes zu animieren. Intelligente Gehörschutze, die nur den Schall des Schusses dämpfen, aber andere Geräusche, z.B. von anwechselndem Wild, durchlassen oder sogar verstärken, sind heute zu erschwinglichen Preisen (unter 200.- €!) auf dem Markt in x-verschiedenen Varianten verfügbar.
Grauer Wolf

Re: Jäger wollen Wölfe im Auge behalten!

Beitrag von Grauer Wolf »

Deine zusammenfassende Erklärung zur Unterschallmunition ist besser als alles, was ich bisher im Web oder anderswo dazu gelesen habe. Leuchtet mir durchaus ein, zumal mir diese langsamen Geschosse technisch ohnehin nicht grün sind, und enorme Anforderungen an den Schützen stellen. Die ist also wohl tatsächlich keine wirklich praktikable Lösung außer für wenige Spezialisten (die Friedhofsjagd ist m.W. so ein Fall). Dann allerdings gehen mir so allmählich die Ideen zur wirksamen Kontrolle der Schwarzkittel aus. Was bliebe, sind technische Schutzmaßnahmen für die Felder. Aber Elektrozäune um Maisflächen? Wie heißt es im Rheinland so schön? "Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld..." Wir reden ja hier nicht von Schafspferchen von ein paar Morgen, sondern von Quadratkilometern, die man schützen müßte...
Oder die Antibabypille für Wildsauen? Also ich weiß nicht recht... :roll:

Bleibt wirklich nur, den Grauen einen roten Teppich auszulegen, und hoffen, daß auch der ältere Teil der Jägerschaft (Stichwort Generationenproblem) sein Konkurrenzdenken endlich über Bord wirft, dazulernt und den Wolf als geschätzen "Kollegen" akzeptiert. Nur sehe ich bis dahin noch einen sehr, sehr langen Weg, wenn überhaupt...

Gruß
Wolf
jurawolf
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Registriert: 5. Okt 2010, 23:32

Re: Jäger wollen Wölfe im Auge behalten!

Beitrag von jurawolf »

Da geb ich dir recht, am Wolf führt ohnehin kein Weg vorbei. Selbst wenn wir keine Wildüberbestände hätten, bräuchte es den Wolf mehr denn je. Denn wie wir alle wissen, ist die zahlenmässige Regulation der Bestände das eine, die ganzjährige qualitative Selektion auf höchstem Niveau das andere. Das kriegt kein Jäger so konsequent hin wie der Wolf, dafür ist der Jäger der grosse Profiteur dieses Effekts: Intakte Wildbestände mit gesunden, starken Tieren, was will der Jäger mehr?!

Der Generationenwandel innerhalb der Jägerschaft schreitet voran und es geht sicher tendenziell in die richtige Richtung. Allerdings muss ich leider trotzdem immer wieder feststellen, dass es auch 30 jährige Jäger gibt, die im Kopf schon 70 jährig sind...
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