Hallo Zaino,
ich arbeite in einer sehr internationalen Firma, sehr international...Dies versetzt mich quasi täglich in die Lage, einen Einblick in verschiedenste Mentalitäten zu erhalten. Glaube mir oder nicht, die Tatsache, dass z.B. die Vereinigten Staaten, Deutschland oder einige asiatische Staaten wie Singapore, Taiwan, Japan oder China zu den erfolgreichsten Nationen gehören, Arabische Staaten beispielsweise aber nicht, hat jeweils Gründe, die durchaus in den Mentalitäten, den Traditionen und Eigenschaften der Völker zu finden sind.
Amerikaner sind Macher, sie krempeln hoch und fangen an, manchmal ein guter Weg, manchmal nicht. Die Deutschen wägen sorgsam ab, dass was du mit dem geflügelten Wort " German Angst" bezeichnest. Sie loten aus, sie überlegen noch was alles schief gehen könnte, da stellen die Amerikaner bereits fest, dass ihr erster Versuch in die Hose ging. Eine Mischung aus Beidem ist nicht schlecht und führte bei uns oft zu äusserst erfolgreichen Ergebnissen
Die klügsten Asiaten lernten früher v.a. von diesen beiden Völkern, entwickelten daraus ihren eigenen Stil. Ihr Erfolg beruht bis heute im wesentlichen aus einer strikten Hierarchie ihrer klugen Köpfe über äusserst fleissige und disziplinierte Untergebene.
Was ich damit sagen will, verschiedene Wege führen zum Erfolg oder eben Misserfolg, sieht man wo wir heute stehen, kann nicht viel falsch gewesen sein, was uns ausmacht.
Wenn wir jetzt noch die bedingungslose Obrigkeitsgläubigkeit ablegen, die autoritäre Ader gegenüber der Macht, die uns offensichtlich immer noch anfällig werden läßt für allerlei Manipulation und stattdessen, zu Kants sicherer Erbauung, zu prüfendem, hinterfragendem, eigenständigem und freiem Denken, zum offenen Austausch von Argumenten und damit verbunden selbständigem Ziehen von Schlüssen kommen würden, wäre wohl alles gewonnen.
In ökonomischen oder wissenschaftlichen Fragen gelingt uns dies weitestgehend, nicht aber in politischen oder gesellschaftlichen Dingen. Sonst jedenfalls könnte endlich auch dieses Land wieder Entschlüsse auf vernunftbasierten Realitäten fassen, statt diese auf grenzenlosen Illusionen oder hypermoralischen, quasi pseudoreligiös verquasten Erpressungen zu gründen, welche man zu allem Überfluss obendrein wieder einmal einigen Nachbarstaaten aufzwingen möchte.
Soweit meine Laudatio pro German Angst, doch zurück zum Wolf.
Lieber Erklärbär,
du siehst, Dinge zu hinterfragen ist sehr gut und somit bin ich zuerst einmal völlig bei dir. Dieses Hinterfragen sollte aber gerade bei einer Art wie dem Wolf passieren, ohne bereits ein vorgefertigtes (emotionales)Urteil für absolut richtig zu halten. Es muss sich bei einer Spezies an regional ähnlichen Erfahrungen messen, an (wissenschaftlichen) Erkenntnissen dazu. Daher taugen im Hinblick auf Canis lupus lupus weder althergebrachte Überlieferungen, Abenteuererzählungen noch die Situationen in Kriegszeiten oder Umstände die auf völlig andere, bei uns nicht existente Gegebenheiten hinweisen (wie Tollwut oder überbordendes Indien) als Grundlage für evidente Argumentation.
Wenn ich deine Zeilen lese, manifestiert sich bei mir aber die Vermutung, dass du eben angelesene oder von anderen übernommene Vorurteile hegst und dein Hinterfragen letztlich nur noch den Zweck hat, diese zu bestätigen. Dies zeigt u.a. dein Verweis auf diese Wikiliste der Wolfsangriffe, in die alles aufgenommen wird, was regionale (Lücken)Medien oder/und einzelne Menschen am Lagerfeuer berichten, um es mal salopp zu formulieren. Diese Liste hat daher letztlich kaum mehr Bildzeitungsniveau, schon die Tatsache das dort Celia Hollingworth als Fall auftaucht zeigt, dass sie in keiner Weise wissenschaftlich und fachspezifisch aussagekräftig ist.
Natürlich kann ein Wolf gefährlich werden, wie fast jedes andere Tier, v.a. ab einer bestimmten Größe, denke mal an Hunde, Kühe, Pferde. Und natürlich gab es schon Fälle mit Verletzten oder gar tödlichem Ausgang. Das ist aber nicht die Frage die sich stellen darf, denn das Leben ist vom ersten bis zum letzten Tag jede Minute einem Risiko ausgesetzt (welches wir Menschen oft genug auch noch selber suchen). Es gibt keine Vollkasko, weder in der Stadt noch in der Natur.
Die Frage die sich stellen sollte ist also vielmehr, ob ein ständiges unkalkulierbares Risiko für unser unmittelbares Überleben ausgeht, oder ob wir aus solchen Fällen etwas lernen können.
Ich persönlich bin, auch aus Beobachtungen von Wölfen in ihrem natürlichen Habitat, sicher, dass eine Koexistenz nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert ist. Restrisiken die bestehen, können durchaus minimiert werden.
Natur in all ihren Facetten bietet für viele Menschen eine unabdingbare Quelle von Wohlfühlen, ein Garant für Lebensqualität, Inspiration und Faszination.
Wir sollten uns wappnen für Gefahren, aber nicht ständig einem Eingriffs-und Regulierungswahn frönen.
Die Natur hat für ihre Tiere am Ende der Nahrungskette ein ganzes Repertoire an Kontrollmechanismen, wie beuteabhängige Fertilität, Welpensterblichkeit, Revierkämpfe, Krankheiten. Von unserer Seite kommt noch der Verkehr hinzu. Die gerade einmal 600 deutschen Wölfe gehören sicher noch lange nicht "reguliert". Ich persönlich zweifle, dass dies je nötig wird. Das Wolfsmanagement soll sich wie bisher um auffällige Wölfe kümmern und dies auf streng wissenschaftlicher Basis. Ansonsten muss der Herdenschutz weiter verbessert werden sowie die gesellschaftliche Unterstützung für Halter. Desweiteren sollten Lebensräume für Wildtiere erhalten, hier und dort vergrößert oder neu geschaffen und mit grünen und jagdfreien Wanderkorridoren vernetzt werden. Europaweit. Wölfe haben in hiesigen Breiten genügend Beutetiere wie Reh und Rotwild, Wildschweine usw. , damit sind noch genügend potentielle Reviere zu besetzen. Wir Menschen haben die Intelligenz uns wie anderswo auch, bei Anwesenheit von Carnivoren zu präparieren.
Es ist im Endeffekt eine Frage des Wollens. Ich will...
Grüsse
LW