SammysHP hat geschrieben:Bitte vergiss nicht, dass deine "zwei Jahrzehnte Erfahrungen" eine ganze Generation zurück liegen. Viele Leute erreicht man (im übertragenen Sinne) heute nur noch über das Internet. Andererseits sind es häufig Rentner, welche die Wildschweine füttern.
Mal davon abgesehen, dass ich vom persönlich vom Rentenalter noch weit entfrent bin, frage ich mich, warum die Pauschalisierung von Bevölkerungsgruppen nun auch noch auf die Rentner erweitert werden muss? Woher weißt Du, dass es ausgerechnet häufig Rentner sind, die Wildschweine füttern?
Wenn wir die Kirrungen der Jäger, die mitunter durchaus Züge einer Fütterung annehmen können, hinzuzählen, könnte Deine Aussage allerdings tatsächlich in die Nähe belegbarer Zahlen kommen:
Das Durchschnittsalter der Jäger liegt bei 58 Jahren. [...] Die Pächter, größtenteils Jäger im Alter zwischen 50 und 80 Jahren, bieten den Jungjägern gerne die Möglichkeit der Teilhabe. Wenn ältere Pächter auf Grund der verschlechterten Bedingungen nun die Pacht kündigen, fallen diese Möglichkeiten für die jungen Jäger weg - falls es dann überhaupt noch Interessenten gibt.
(Rhein-Neckar-Zeitung vom 14.05.2014)
http://www.rnz.de/nachrichten/buchen_ar ... 11136.html
Der Landesjagdbericht aus Niedersachsen legt nahe, dass hinsichtlich der zunehmenden Schwarzwildvermehrung auch die Beteiligung von Jägern eine Rolle spielt:
Bevor drastische Maßnahmen ergriffen werden, sind die bestehenden Maßnahmen auszuschöpfen. Dazu gehört die Berücksichtigung folgender Punkte: [...]
2.
Gesetzeskonformes Kirren statt Füttern.
3.
Regelmäßig den Schießstand aufsuchen und Schießfertigkeiten verbessern.
4.
Fehlendes Wissen über die Schwarzwildbiologie aufbessern.
http://www.ml.niedersachsen.de/download/52080
Es sind folglich nicht nur die angeblich wohlmeinenden Tierfreunde, die Missstände herbeiführen oder begünstigen. Falsches Verhalten gegenüber Wildtieren mitsamt den sich daraus ergebenden Konsequenzen können aus unterschiedlichen Teilen der Bevölkerung aus ebenso unterschiedlichen Motivationen heraus geschehen. Schubladen-Formulierungen vereinfachen zwar die eigene Weltanschauung und schaffen auch mehr Aufmerksamkeit bei anderen, werden aber bei fairer Betrachtung der Realität nicht gerecht.
Um die Kurve zum Wolf zurückzubekommen, ist es natürlich realistisch, dass Menschen Wölfe füttern, um sie zu fotografieren, sie zur Interaktion zu bewegen und die Distanz zu ihnen zu verringern. Die dahinter stehenden Absichten können aber vielfältig sein.
Ich erinnere da nur an den Jogger in Gartow, der sich zunächst durch Knabberwölfe verletzt worden sah. Das Protokoll des Niedersächsischen Umweltministeriums offenbarte, dass "der Jogger unmittelbar vor dem Joggen eine Hirschkeule entbeint hatte und
losgejoggt war ohne sich vorher die Hände zu waschen."¹
Desweiteren schrieb das Niedersächsische Umweltministerium im Zusammenhang mit dem Vorfall der Gartower "Knabberwölfe":
Mögliche Gewöhnungseffekte können durch das vermehrte Hinterlassen von Schalenwildinnereien in der Natur nach Jagden, vor allem in der kalten Jahreszeit, eintreten. An den Aufbruchplätzen findet sich Futter für Beutegreifer in Verbindung mit menschlichem Geruch. Dieser Frage sollte sich ein gemischtes Expertengremium widmen, gegebenenfalls Empfehlungen aussprechen.
http://www.umwelt.niedersachsen.de/download/103731
Das Jagdmagazin Wild und Hund schreibt unter dem Titel "Reizendes Luder" über die sogenannten Luderplätze, an denen zu bejagende Beutegreifer mit Futter tierischer Herkunft angelockt werden sollen:
So mancher angeblich gut angenommene Luderplatz war nicht Fuchs und Marder bestens bekannt, sondern oft nur der dörflichen „Straßenköter-Clique“. [...] Jeder Jäger hat natürlich seine geheime Rezeptur, mit der er seinen Luderplatz beschickt.
http://www.wildundhund.de/jagd/3933-wil ... ertentipps
Dass solche Plätze natürlich nicht nur Hunde, sondern auch Wölfe anlocken, sollte dabei kaum überraschen.
Was das ungefragte Füttern beispielsweise meiner Pferde durch Passanten anbelangt, habe ich persönlich noch nie einen Rentner dabei "erwischt", wohl aber Familien bzw. Mütter mit Kindern; Jugendliche, die ihre Partyaktivitäten in die Natur verlegt haben und bei dem Genuss von Alkohol die Grenzen von Recht/Unrecht und Vernunft/Unvernunft aus den Augen verlieren sowie Kinder, die den Kontakt zu den Tieren suchen, alles mögliche an Pflanzen aus der Umgebung oder Lebensmitteln aus der elterlichen Küche anschleppen und aus Unwissenheit damit für böse gesundheitliche Überraschungen sorgen können.
1
http://www.umwelt.niedersachsen.de/download/103731