Wölfe in Brandenburg

Über freilebende Wölfe in Deutschland.
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CleanerWolf
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Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von CleanerWolf »

LarsD hat geschrieben:Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass sie eben nicht wollen.
Und wie sorgen wir Ihrer Meinung nach am besten dafür?
"Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen."
Albert Schweitzer
LarsD

Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von LarsD »

CleanerWolf hat geschrieben:
LarsD hat geschrieben:Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass sie eben nicht wollen.
Und wie sorgen wir Ihrer Meinung nach am besten dafür?
Meiner Meinung nach sollten wir uns einfach an Empfehlungen halten, die Fachleute mit entsprechender Erfahrung diesbezüglich formuliert haben. Die Autoren der NINA-Studie leiten aus ihren Ergebnissen drei wesentliche Punkte ab:

1. Tollwut bekämpfen - haben wir derzeit zum Glück nichst mit zu tun,
2. Management der Wildbestände, um ausreichend potenzielle Beute zu sichern und gleichzeitigem durch den Einsatz effektiver Maßnahmen zum Schutz von Nutztieren diese nicht als Beute zugänglich zu machen - derzeit ist genug Wild da aber beim effektiven Herdenschutz klemmt es bei den Schafen, während man bei Rindern noch keine praktikablen Ideen zu haben scheint,
3. Wölfe dadurch wild und scheu zu halten, dass Anreize für eine Habituierung gar nicht erst geboten werden und gleichzeitig durch aktive Bejagung oder gezielte Vergrämung dafür gesorgt wird, dass Wölfe den Menschen mit negativen Erfahrungen assoziieren - in der Hinsicht sollten wir schleunigst damit beginnen, die Öffentlichkeit über das Problem der Habituierung an sich und die begünstigenden Faktoren zu informieren.

Letzteres sollte dann aber nicht so klingen: http://www.lr-online.de/regionen/spremb ... 50,3624917

Viele Grüße

Lars
Vash
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Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von Vash »

LarsD schrieb:
3. Wölfe dadurch wild und scheu zu halten, dass Anreize für eine Habituierung gar nicht erst geboten werden und gleichzeitig durch aktive Bejagung oder gezielte Vergrämung dafür gesorgt wird, dass Wölfe den Menschen mit negativen Erfahrungen assoziieren - in der Hinsicht sollten wir schleunigst damit beginnen, die Öffentlichkeit über das Problem der Habituierung an sich und die begünstigenden Faktoren zu informieren.
Stimme ich bei der Vergrämung und der nötigen Aufklärungsarbeit zu, stelle ich mir jedoch wie der ein oder andere hier ebenfalls die Frage, welchen Einfluss eine aktive Bejagung des Wolfs wirklich haben soll, bzw. was noch wichtiger ist: Ab wann dies denn angeblich notwendig/sinnvoll sein sollte? Und wem will man dies letztlich überlassen?

Ein toter Wolf lernt nichts mehr. Demjenigen der argumentiert, ein Wolf würde schon lernen den Menschen zu fürchten wenn Rudelmitglieder auf der Jagd erschossen werden, möchte ich entgegenhalten, dass ich aktuell keinem Jäger zutraue auf der Jagd zu entscheiden welcher Wolf denn nun bereits Angst vor Menschen hat und welcher nicht. Der Abschuss von verhaltensauffälligen Wölfen ist m.W. auch heute schon möglich, von einer präventiven Bejagung zur Abschreckung vor dem Menschen halte ich herzlich wenig. Seit wann werden in Alaska wieder Wölfe gejagd? Und wo ist Candice Berner nochmal angegriffen worden? Es tut mir leid, aber ich traue keinem Jäger mit einer Abschusserlaubnis zu auf der Jagd zu unterscheiden, welchen Rang ein Wolf im Rudel hat, sobald er mal einen ins Fadenkreuz bekommen sollte. Und gerade beim Abschuss von Leittieren halte ich es sogar für möglich, dass die Gefahr von Konflikten eher wächst, wenn die überlebenden Jungtiere nichts mehr vom Alttier lernen konnten und sich dann gezwungermaßen leichtere Beute suchen. Von einer so starken Vermehrung des Wolfs hierzulande, dass man in absehbare Zeit über eine Bejagung auch nur nachdenken müsste, sind wir m.E. noch lange entfernt und sehe es nicht ein die Wölfe solchen Leuten preiszugeben, die einfach nur eine besondere Trophäe zu Hause haben wollen.

Ab wann sollten denn deiner Meinung nach Wölfe in Deutschland bejagd werden können? Wie realistisch schätzt du es selbst ein, dass durch die Bejagung wirklich Konflikte reduziert werden? Wenn man sich die Diskussionen zu den Wolfsabschüssen in Schweden vor ca. 2 Jahren ansieht muss man auch sagen, dass wir hier in Deutschland ebenfalls noch ein gutes Stück davon entfernt sind von einer genetisch stabilen Population zu sprechen. Wölfe sterben durch den Verkehr, durch andere Wölfe, im Kampf mit Beutetieren - wer nach Polen zurückwandert läuft Gefahr dort erschossen zu werden. Brachen wir da wirklich in absehbare Zeit die Jagd als Regulator?

Und auch wenn ich dafür bin den Anreiz für Wölfe sich menschlichen Behausungen zu nähern so stark es geht zu reduzieren, halte ich auch nichts von Panikmache, sollte ein Wolf mal eine Mülltonne am Dorfrand leeren. Genauso wie Fälle von Candice Berner zeigen, dass die Natur kein Disneypark ist, zeigen m.E. die Dokumentationen von Christoph Promberger aus Rumänien auch, dass nicht jeder Wolf der sich sich Dörfern nähert zwangsläufig verhaltensauffällig, gefährlich und somit abschussreif ist.

VG,
Vash
Grauer Wolf

Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von Grauer Wolf »

LarsD hat geschrieben:Nimm einfach die letzten vier Fälle. Das war Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, es waren Kinder und es waren augenscheinlich "habituierte", gesunde Wölfe, die in diesen Kindern schlicht Beute gesehen haben...
Hmmm, wenn Du die Berichte von Pavlow ansprichst, so geht aus Kapitel 6.3 eindeutig hervor, daß der Mann massiv voreingenommen war und imho nur das sah, was er sehen wollte: Daß die Wölfe gefährlich sind...
LarsD hat geschrieben:In Nordamerika wird bei Diskussionen um die potenzielle Gefährlichkeit von Wölfen gerne darauf verwiesen, dass die Wölfe in Europa ja offensichtlich die Schlimmeren wären. Dennoch hatten sie dort mit dem Tod von Candice Berner im letzten Jahr den jüngsten Fall, bei dem Wölfe gezeigt haben, dass wir nicht unbedingt am Ende der Nahrungskette stehen. ( http://www.adfg.alaska.gov/static/home/ ... tality.pdf ) Wölfe können, wenn sie wollen. Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass sie eben nicht wollen.
Auch diesen Bericht habe ich gründlich gelesen, auch zwischen den Zeilen und vor allem die Ablauf-Analyse. Wenn man nämlich die sehr vorsichtige Formulierung berücksichtigt (wegen der berüchtigten Schadenersatz"kultur" bei allem und jedem"?), dann ist klar erkenntlich, daß der Fall C.B. ein dummer Unfall war, eine Mischung aus "ineinandergerasselt", weil keiner den anderen rechtzeitig bemerkte (starker Wind macht in zerklüftetem, verwinkeltem Gelände präzise, olfaktorische Ortung wegen starker Verwirbelung schwierig bis unmöglich, selbst wenn ein Tier gegen den Wind läuft), und Fehlverhalten seitens des Menschen nach der Begegnung (niemals wegrennen!). Wie heißt es am Schluß: Nach diesem Vorfall ist der Wolf nicht gefährlicher als vorher.
Wie "Vash" völlig richtig schrieb, die Wildnis (in Alaska, das war Wildnis: S. Luftaufnahmen des "Tatorts") ist nicht Disneyland und kein Ponyhof. Der Vorfall ist ragisch, besonders für die Angehörigen, aber wer mit dröhnenden Kopfhörern selbstvergessen und ohne alle Sinne auf 100% hochzufahren durch die Wildnis tapert, der muß sich nicht über Unfälle wundern. Hier zu sagen, der Wolf ist gefährlich, ist imho ein Fehlschluß. Gefährlich ist die oft unfaßbare Sorglosigkeit der Menschen draußen in der Natur, die ich oft genug mit eigenen Augen beobachten konnte...
Klar könnten Wölfe, wenn sie wollten, aber sie wollen nicht. Ich stehe nach wie vor aufgrund der Fakten, die mir zur Verfügung stehen, zur meiner Meinung, daß ein gesunder, nicht provozierter, nicht habituierter (sprich "angefütterter") Wolf einen Menschen niemals gezielt angreift... In beiläufigen Begegnungen oder sogar einem Nebeneinanderleben sehe ich allerdings definitv keine Habituierung, wenn keine Futteranreize gegeben werden. Wer einem Wolf begegnet, muß den m.E. nicht hektisch verjagen, um nur ja keine Habituierung zuzulassen. Wenn die Neugier auf beiden Seiten befriedigt ist, geht der eine eben rechts, der andere links, völlig unaufgeregt und gelassen. Dann klappt's auch mit dem Wolf als Mitbewohner der Landschaft...

Gruß
Wolf
timber-der-wolf

Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von timber-der-wolf »

Hallo Vash,

erst einmal herzlich willkommen und danke für Deine bisherigen sehr sachlichen Beiträge!

Leider wirst Du trotz aller Sachlichkeit einen nicht unerheblichen Teil der jagenden Zunft nicht erreichen. Ich schreiben bewußt "einen nicht unerheblichen Teil", denn es gibt andererseits sehr wohl auch einen kleinen Teil der Jäger, die nicht das "Rotkäpchensyndrom" schüren, die nicht die Hysterie vor den Gefahren des Wolfes anheizen, und die sich nicht als Trittbrettfahrer betätigen und sich als die Retter der armen, geplagten Landwirte darstellen, sondern Letztere aufklären, helfen und unterstützen, wie z.B. unser Wolfsberater i.A. des LUA, selbst ein leidenschaftlicher Jäger ... und die sehr wohl mit dem Wolf leben können ...
Leider geht es aber einem wesentlich größeren Teil der Jägerschaft nur darum, den Wolf so schnell wie möglich ins Jagdrecht zu bekommen, um ihn "zu regulieren", sprich: ihn wieder ins Jenseits befördern zu können.
Schau Dich nur in Jagdforen um, wie sich Jäger dort zum Thema Wolf artikulieren. Auch wenn solche Foren nicht repräsentativ sind, sehe ich sie eher als die "Spitze des Eisberges" (auch LarsD und seine ihm zustimmenden Jagdfreunde z.B. im Landlive-Forum, wo er unter dem alias "Jon" postet, geht es in Wahrheit nur darum, den Wolf endlich wieder schießen zu können). Wie sich einige Jäger dort plötzlich als DIE Wolfsexperten aufspielen und alles ganz genau wissen wie man es, den Umgang mit dem Wolf, richtig machen müßte, ist schon interessant ... es läuft immer aufs Selbe hinaus ... regulieren (abschießen) ... gehört hier nicht in die Kulturlandschaft ... Und das von Leuten, die kaum einen Hund, zumindest wolfsähnlichen, vom Wolf unterscheiden können; Kühe, Rinder, Menschen mit Wildtieren verwechseln, in dessen Folge es leider oft genug zu tragische Folgen in jedem Jahr kommt. Alles andere "Beiwerk" in den Beiträgen dieser Jäger, wie: "wir haben ja nichts gegen den Wolf" ist in meinen Augen reine Scheinheiligkeit!
Wird doch von vielen Jägern jeder Natur- und Tierschützer, Wolfsbeführworter nur als "Wolfsstreichler" und Naturromantiker betitelt, und unterstellt, dass die Wolfsbeführworter sowieso aus der Großstadt kommen und keine Ahnung haben, weil sie ja nicht von den Problemen betroffen wären ...
Unbestritten mag es durchaus auch "Natur-, Tierschutz- und Wolfsromantiker" geben ... aber man sollte nicht alle, die sich für unsere Umwelt, Natur und Tierwelt einsetzen und engagieren vorverurteilen. Denn der Sachlichkeit in der Lösung anstehender Probleme dienen weder Vorurteile durch Romantiker noch durch Jäger!
Bei dieser Grundhaltung und bei solchen Vorurteilen muss man sich dann auch nicht wundern, wenn es schwer wird, sich "an einem Tisch zusetzen", um Probleme auf sachliche Ebene zu klären.
timber-der-wolf

Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von timber-der-wolf »

Grauer Wolf hat geschrieben:
LarsD hat geschrieben:Nimm einfach die letzten vier Fälle. Das war Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, es waren Kinder und es waren augenscheinlich "habituierte", gesunde Wölfe, die in diesen Kindern schlicht Beute gesehen haben...
Hmmm, wenn Du die Berichte von Pavlow ansprichst, so geht aus Kapitel 6.3 eindeutig hervor, daß der Mann massiv voreingenommen war und imho nur das sah, was er sehen wollte: Daß die Wölfe gefährlich sind...
LarsD hat geschrieben:In Nordamerika wird bei Diskussionen um die potenzielle Gefährlichkeit von Wölfen gerne darauf verwiesen, dass die Wölfe in Europa ja offensichtlich die Schlimmeren wären. Dennoch hatten sie dort mit dem Tod von Candice Berner im letzten Jahr den jüngsten Fall, bei dem Wölfe gezeigt haben, dass wir nicht unbedingt am Ende der Nahrungskette stehen. ( http://www.adfg.alaska.gov/static/home/ ... tality.pdf ) Wölfe können, wenn sie wollen. Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass sie eben nicht wollen.
Auch diesen Bericht habe ich gründlich gelesen, auch zwischen den Zeilen und vor allem die Ablauf-Analyse. Wenn man nämlich die sehr vorsichtige Formulierung berücksichtigt (wegen der berüchtigten Schadenersatz"kultur" bei allem und jedem"?), dann ist klar erkenntlich, daß der Fall C.B. ein dummer Unfall war, eine Mischung aus "ineinandergerasselt", weil keiner den anderen rechtzeitig bemerkte (starker Wind macht in zerklüftetem, verwinkeltem Gelände präzise, olfaktorische Ortung wegen starker Verwirbelung schwierig bis unmöglich, selbst wenn ein Tier gegen den Wind läuft), und Fehlverhalten seitens des Menschen nach der Begegnung (niemals wegrennen!). Wie heißt es am Schluß: Nach diesem Vorfall ist der Wolf nicht gefährlicher als vorher.
Wie "Vash" völlig richtig schrieb, die Wildnis (in Alaska, das war Wildnis: S. Luftaufnahmen des "Tatorts") ist nicht Disneyland und kein Ponyhof. Der Vorfall ist ragisch, besonders für die Angehörigen, aber wer mit dröhnenden Kopfhörern selbstvergessen und ohne alle Sinne auf 100% hochzufahren durch die Wildnis tapert, der muß sich nicht über Unfälle wundern. Hier zu sagen, der Wolf ist gefährlich, ist imho ein Fehlschluß. Gefährlich ist die oft unfaßbare Sorglosigkeit der Menschen draußen in der Natur, die ich oft genug mit eigenen Augen beobachten konnte...
Klar könnten Wölfe, wenn sie wollten, aber sie wollen nicht. Ich stehe nach wie vor aufgrund der Fakten, die mir zur Verfügung stehen, zur meiner Meinung, daß ein gesunder, nicht provozierter, nicht habituierter (sprich "angefütterter") Wolf einen Menschen niemals gezielt angreift... In beiläufigen Begegnungen oder sogar einem Nebeneinanderleben sehe ich allerdings definitv keine Habituierung, wenn keine Futteranreize gegeben werden. Wer einem Wolf begegnet, muß den m.E. nicht hektisch verjagen, um nur ja keine Habituierung zuzulassen. Wenn die Neugier auf beiden Seiten befriedigt ist, geht der eine eben rechts, der andere links, völlig unaufgeregt und gelassen. Dann klappt's auch mit dem Wolf als Mitbewohner der Landschaft...
Gruß
Wolf
Hallo Wolf,

Du kannst Dir noch so viel Mühe geben diesen traurigen Vorfall zu erklären. Jäger wie LarsD, im LL-Forum alias "Jon" ;-) , werden immer bei ihrer vorgefassten Meinung bleiben, und aus Untersuchungsberichten, wie dem im Falle von C.B. nur das herauslesen (und verstehen wollen!!!), was der vorgefaßten Jägermeinung zum Wolf entspricht.
Ist ist schon abscheulich, ekelhaft und unwürdig, wie dieser traurige Vorfall von Teilen der Jägerschaft für die eigenen Interessen mißbraucht und ausgenutzt wird, um Stimmung gegen den Wolf zu machen.

Niemand bestreitet, dass es jemals Wolfsangriffe auf Menschen gegeben hätte. Eine glühende Wofsliebhaberin, Wolfsschützerin und an der Wolfsforschung im Yellow Stone mitarbeitende Autorin und mir persönlich bekannte, liebe Freundin hat darüber sogar ein Buch veröffentlicht, um der Mähr, dass Wölfe niemals einen Menschen angefallen hätten, entgegenzutreten:
Elli H. Radinger "Wolfsangriffe - Fakt oder Fiktion?" ( http://www.amazon.de/Wolfsangriffe-Fikt ... 51&sr=1-10 )
Bild
Hier beschreibt sie alle bekannten Vorfälle und untersucht die bekannten, näheren Umstände, wie es dazu gekommen ist!

Dieses Buch habe ich schon mehrfach auch in Jägerforen empfohlen, um auf eine sachliche Ebene bzgl. der angeblichen Gefahr des Wolfes zu diskutieren ... leider alles zwecklos ...
LarsD

Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von LarsD »

Vash hat geschrieben: Stimme ich bei der Vergrämung und der nötigen Aufklärungsarbeit zu, stelle ich mir jedoch wie der ein oder andere hier ebenfalls die Frage, welchen Einfluss eine aktive Bejagung des Wolfs wirklich haben soll, bzw. was noch wichtiger ist: Ab wann dies denn angeblich notwendig/sinnvoll sein sollte? Und wem will man dies letztlich überlassen? Ein toter Wolf lernt nichts mehr.


Wir sollten das Pferd nicht von hinten aufzäumen. Prämisse muss sein, eine Habituierung der Wölfe, also den Verlust der Scheu vor dem Menschen zu verhindern. Damit muss man jetzt bei den Menschen ansetzen. Die Wölfe können in unserer Landschaft dem Menschen nur bedingt ausweichen. Wir sind abgesehen von den gesperrten Truppenübungsplätzen schlicht überall präsent. Und jede Begegnung, die ohne negatives Ereignis im Gedächtnis des Wolfes bleibt, wird seine eigentliche Scheu Stück für Stück abstumpfen. Das wird in Deutschland ganz sicher nicht anders laufen, als aus anderen Landstrichen selbst mit zum Teil deutlich geringeren Siedlungsdichten der Zweibeiner beschrieben ist. Die Menschen hier werden die gleichen Fehler machen und deshalb sollten wir hier die gleichen Anstrengungen unternehmen, das schon im Vorfeld bestmöglich zu verhindern. In den Wolfsmanagementplänen von Sachsen und Brandenburg wird dem Umgang mit Problemwölfen weit mehr Platz eingeräumt, als dem Verhindern einer Habituierung. Im Moment belässt man es bei Herdenschutzmaßnahmen und bleibt (zumindest dem Anschein nach) ansonsten in der Hinsicht passiv. Wir hatte hier früher schon diskutiert, ob man z.B. gerissene Schafe eben nicht wegräumen sollte, und lieber bei der nahezu obligatorischen Rückkehr der Wölfe zur Beute versucht, einem mit entsprechenden Fallen zu fangen und zu besendern oder sie aber zumindest mit z.B. Gummischrot dazu bringt, Lammfleisch auch mit Schmerz zu assoziieren. All das ist nicht neu und in den Staaten mit Erfolg umgesetzt worden - von den Erfahrungen könnten wir doch profitieren. Wölfe sind lernfähig. Warum setzen wir bislang allein auf den Schlag vom Elektrozaun, um das auszunutzen?

Was die Bejagung von Wölfen selbst angeht, halte ich es mit dem, was tatsächliche Fachleute zu dem Thema zu Papier gebracht haben. Hier die Sichtweise der LCIE http://www.lcie.org/Docs/LCIE%20IUCN/CO ... 202002.pdf und deren Umsetzung im bisherigen Wolfs-Managementplan für Brandenburg: http://www.brandenburg.de/cms/media.php/2338/wmp_3.pdf
Und auch wenn ich dafür bin den Anreiz für Wölfe sich menschlichen Behausungen zu nähern so stark es geht zu reduzieren, halte ich auch nichts von Panikmache, sollte ein Wolf mal eine Mülltonne am Dorfrand leeren. Genauso wie Fälle von Candice Berner zeigen, dass die Natur kein Disneypark ist, zeigen m.E. die Dokumentationen von Christoph Promberger aus Rumänien auch, dass nicht jeder Wolf der sich sich Dörfern nähert zwangsläufig verhaltensauffällig, gefährlich und somit abschussreif ist.


In dem Zusammenhang ist die Schilderung zu den Rahmenbedingungen im Vorfeld des Angriffs auf Candice Berner interessant:

"Wolves occur throughout the Chignik Lake area at a moderate density of approximately seven
wolves per 1,000 km2 (USFWS, unpublished data). Moose are the primary prey species for
wolves throughout the year, but caribou and salmon account for a large proportion of their diet
when available. Wolves also forage on ptarmigan, snowshoe hares, and marine mammal
carcasses and other carrion that wash up on the beach. Wolves also prey upon domestic dogs and
cats near villages, including Chignik Lake. No pets were reported missing in Chignik Lake
during the winter of 2010, although the fate of stray animals is not known. Residents of Chignik
Lake reported seeing wolves periodically near the community during the weeks prior to the
attack, but none of their reports indicated that wolves displayed signs of aggressive behavior
toward people. Residents who encountered wolves reported observing the wolves from a
distance and made no attempt to chase, harass, or harvest the wolves.

[...]

Human use of wolves in the Chignik Lake area is low. Mandatory sealing documented the
harvest of a few wolves during the last decade, but no wolves have been sealed in recent years. A
few wolves are shot by nonlocal hunters incidental to hunts for brown bear or moose, and
occasionally local hunters shoot wolves opportunistically (average annual reported harvest of <1
wolf per year; L. Butler, personal observation.)."

Quelle: http://www.adfg.alaska.gov/static/home/ ... tality.pdf siehe Seite 6

Die spannende Frage scheint wirklich, wo man die Grenze zieht. Allein die individuelle Interpretation des Begriffs "Habituierung" hat hier im Forum ja schon eine beachtliche Spannbreite. Ich würde die Grenze dort ziehen, wo sich Wölfe wiederholt bei einer Entfernung von < 100 m nicht aus dem Staub machen, nachdem sie den Menschen wahrgenommen haben oder sich ihm dann sogar gezielt weiter nähern. Diese Tiere sollten dann nachhaltig erschreckt werden.

Viele Grüße

Lars
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CleanerWolf
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Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von CleanerWolf »

LarsD hat geschrieben: Meiner Meinung nach sollten wir uns einfach an Empfehlungen halten, die Fachleute mit entsprechender Erfahrung diesbezüglich formuliert haben. Die Autoren der NINA-Studie leiten aus ihren Ergebnissen drei wesentliche Punkte ab:
Vielleicht eine Frage der Interpretation? Hier liest sich das Ergebnis der NINA-Studie etwas anders:
http://www.wolfsregion-lausitz.de/umgang-mit-woelfen
3. Wölfe dadurch wild und scheu zu halten, dass Anreize für eine Habituierung gar nicht erst geboten werden und gleichzeitig durch aktive Bejagung oder gezielte Vergrämung dafür gesorgt wird, dass Wölfe den Menschen mit negativen Erfahrungen assoziieren - in der Hinsicht sollten wir schleunigst damit beginnen, die Öffentlichkeit über das Problem der Habituierung an sich und die begünstigenden Faktoren zu informieren.
Nur damit ich das jetzt richtig verstehe - für ein konfliktfreies Miteinander müssen wir Wölfe bejagen? Oder wollen wir nicht viel eher Konflikte verhindern, um auf eine Bejagung verzichten zu können? Bedeutet "Konfliktvermeidung" nicht, dass BEIDE Seiten auf Gewaltanwendung verzichten?
Wie rechtfertigen Sie die präventive Bejagung von Wölfen zwecks Konfliktvermeidung gegenüber dem jetzigen Status, nämlich Einzelabschüsse bei verhaltensauffälligen Tieren?
"Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen."
Albert Schweitzer
timber-der-wolf

Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von timber-der-wolf »

CleanerWolf hat geschrieben:
LarsD hat geschrieben: Meiner Meinung nach sollten wir uns einfach an Empfehlungen halten, die Fachleute mit entsprechender Erfahrung diesbezüglich formuliert haben. Die Autoren der NINA-Studie leiten aus ihren Ergebnissen drei wesentliche Punkte ab:
Vielleicht eine Frage der Interpretation? Hier liest sich das Ergebnis der NINA-Studie etwas anders:
http://www.wolfsregion-lausitz.de/umgang-mit-woelfen
... "Frage der Interprtation" ... :mrgreen: ... ganz genau so ist es. Einige Jäger, so wie Lars, interpretieren und verstehen halt nur das, was ihnen "jagdideologisch" passlich ist, alles andere wird verdrängt, nicht wahrgenommen ... Schließlich sind die Grünabiturienten doch DIE WOLFSEXPERTEN zur Lösung aller Probleme mit Wolf, Fuchs, Luchs, Bär, ....
Anstatt gemeinsam an der sachlichen Aufklärung, insbesondere der betroffenen Bevölkerung / Landwirte, vorbeugend mitzuarbeiten, um Probleme durch Habituierung u.a. mit Wölfen von vornherein zu vermeiden, wird nur lauthals nach Regulierung und Abschuss von Wölfen geschrien ... :x .
CleanerWolf hat geschrieben:Nur damit ich das jetzt richtig verstehe - für ein konfliktfreies Miteinander müssen wir Wölfe bejagen?
... na was denkst Du denn? Anders ist das Problem aus vieler Jägersicht gar nicht in den Griff zu bekommen ;) ... man müßte laut schallend lachen, wenn es nicht so überaus traurig wäre, dass im 21. Jahrhundert Menschen aus Habgier und Uneinsichtigkeit immer noch auf dem geistigen Niveau des Mittelalters sind, denen Natur und Mitgeschöpfe schiet egal sind, und immer noch glauben sie seien die Krone der Schöpfung, nach der sich alles auf diesem Erdball zu richten hätte ... :x ... :cry:
Was die Menschheit auf Grund dieser Geisteshaltung weltweit anrichtet, das ist täglich in den Nachrichten aller Medien zu verfolgen ...
LarsD

Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von LarsD »

Grauer Wolf hat geschrieben: Hmmm, wenn Du die Berichte von Pavlow ansprichst, so geht aus Kapitel 6.3 eindeutig hervor, daß der Mann massiv voreingenommen war und imho nur das sah, was er sehen wollte: Daß die Wölfe gefährlich sind...


Nein, ich meine die für Spanien geschilderten Fälle ( Seite 22 der Studie und Punkt 5.15).

@ CleanerWolf:
Vielleicht eine Frage der Interpretation? Hier liest sich das Ergebnis der NINA-Studie etwas anders:
http://www.wolfsregion-lausitz.de/umgang-mit-woelfen


Im Zweifel würde ich empfehlen, die Studie selbst zu lesen und dann die jeweiligen Interpretationen Dritter zu bewerten.

Viele Grüße

Lars
Gesperrt