LarsD hat geschrieben:Grauer Wolf hat geschrieben:Feldforschung an Wölfen ist in Deutschland ungeheuer schwierig, langwierig und damit teuer, weil die Tiere sehr viel heimlicher sind als um Yellowstone. Die meisten, die in Wolfsrevieren leben, haben noch nie einen der Wölfe gesehen.
Warum nicht einfach sachlich differenzieren? Wir haben in D einen ganz anderen Lebensraum mit grundverschiedenen Herausforderungen für das Zusammenleben von Mensch und Wolf, als das in Yellowstone der Fall ist. Fakt ist auch, dass die Wölfe hier in D bislang die meißten jener "Wolfsexperten", die gewollt bzw. selbstverschuldet im Rampenlicht der Medien stehen, alt aussehen lassen, weil sie sich nicht an die Vorhersagen der "Experten" halten. "Einem Wolf in freier Natur zu begegnen ist wie ein Sechser im Lotto ..." Wäre dem aktuell so, müsste ich wohl dringend mit dem Lottospielen anfangen.
Wer im Rampenlicht stehen will, ist selber schuld, und wer sich als "Experte" produziert und blamiert, ohne das nötige Fachwissen zu haben, auch. Tatsache ist, daß es in Deutschland eben wegen der Heimlichkeit enorm schwierig ist, zu guten Bildern von Wölfen zu kommen. Was üblicherweise so kursiert, ist nach meinen Maßstäben Schrott. Eben die Flüchtigkeit des Wolfes und die Distanz von mir sind der Grund, warum ich mich bisher nicht fotografisch um ihn gekümmert habe, es macht keinen Sinn, es wäre ein sattes Minusgeschäft. Um richtig gute Bilder zu bekommen, muß man in Wolfsgegenden wohnen (sinnvollerweise das Wolfsrevier fußläufig in Reichweite!), fast täglich unterwegs sein und unendlich viel Geduld aufbringen. Das, was üblicherweise als Wolfsbegegnung in der Presse hochgeschrieben wird, sind solche in sehr weiter Entfernung und flüchtige Begegnungen, die keinerlei Verhaltensforschung erlauben, erst recht keine guten Bilder, die Verhalten zeigen.
Aus meiner Sicht als Fotograf ergeben sich auch die Parameter für die Feldforschung hierzulande, weil ein Feldforscher ähnliche Bedingungen braucht. Es ist enorm schwierig, Wölfe hierzulande systematisch zu beobachten und ihr Verhalten zu erforschen, weil dazu eine Kontinuität benötigt wird, die einfach nicht gegeben ist. Himmel, es ist ja schon schwierig genug, die Anzahl der Welpen jedes Jahr zu bestimmen.
Mal abgesehen davon, es ist schwierig, das Verhalten von Wölfen vorherzusagen. Wer einen kennt, kennt noch lange nicht alle, ein Punkt, in dem z.B. R. Coppinger gründlich danebenliegt. Jeder hat seine eigene Persönlichkeit, seine eigenen Vorlieben, sein eigenes, spezifisches Verhalten, wenn auch überlagert durch arteigene Gemeinsamkeiten. Je intelligenter ein Tier ist, je komplexer seine Denkweise, desto schwieriger wird es, sein Verhalten zu beurteilen und vorherzusagen.
Generalisierbarer Stand der Dinge ist, daß junge Wölfe penetrant neugierig und (für sich selbst) gefährlich arglos sind und daß sich erfahrene, adulte Tiere eher bedeckt halten. Passiert ist nichts, egal, was die Journaille rumquakt: Keine Aggressivität, kein Angriff, nichts (der "Fall" vor kurzem mit dem über den Haufen gerannten Jägersmann ist zu omninös, in sich zu widersprüchlich, um ihn irgend wie einordnen zu können, so widersprüchlich, daß selbst die Jägerkollegen offensichtlich zweifeln). Daß ein paar Schafe draufgehen, liegt in der Natur der Sache, und wenn man diese Vorfälle hinterfragt, stößt man immer wieder auf den gleichen Befund: Unzureichender oder gar kein Schutz. Dieses Problem ist und bleibt menschengemacht. Es wäre hanebüchen, die Wölfe für den Mist büßen zu lassen, den Menschen aus Unkenntnis, Fahrläßigkeit oder schlichtem Geiz begehen.
Die Dame, die dieses Machwerk geschrieben hat, sollte, wie alle Hasenfüße, zuhause bleiben, wo ihr bestimmt nichts passieren kann. Der Text ist
scheinbar sachlich geschrieben, bedient aber mit wohlgesetzten Worten wieder einmal nur diffuse, irrationale Ängste:
Das ist eine Assoziation darauf, dass Isegrim leichte Beute bevorzugt – junges und altes Wild, Schafe. Warum sollte er vor einem Kleinkind zurück schrecken? Ist das wirklich Schwarzmalerei?
...
Müssen wir Menschen uns vom Wolf wirklich reglementieren lassen? Gehen wir seinetwegen nicht mehr im Wald spazieren, Pilze suchen? Lassen wir die Kinder nicht mehr auf der Wiese hinterm Haus spielen?
Diese Denkweise zeugt von einer unfaßbaren Naturferne. Wer sich vom Wolf einschränken läßt, hat es nicht anders verdient. Die Zivilisation ist unendlich gefährlicher. Kinder sind nicht wegen ein paar Wölfen in potentieller Gefahr, sondern wegen menschlicher Zeitgenossen, vom KInderschänder bis zum Straßenverkehr! Selbst Nachbars Bello ist rein statistisch eine größere Gefahr.
Und die Dame vergißt eines:
52,6% Rehe
21,3% Rothirsch
18,3% Wildschein
1,9% Damwild
3,9% Hasenartige
0,75% Nutzvieh (im wesentlichen tatsächlich Schafe)
Aggressives Verhalten gegen Menschen: NULL
Das sind
Fakten. Rotkäppchen ist ein Märchen und wurde zu einer Zeit niedergelegt, als es hier gar keine Wölfe mehr gab. Dieses Märchen hat einen moralisch-gesellschaftlichen Hintergrund und nichts, aber auch gar nichts mit Canis lupus zu tun. Wer solche Märchen für bare Münze nimmt, hat imho den Schuß nicht gehört und glaubt wahrscheinlich auch noch an den Weihnachtsmann und den Osterhasen.
Ich hoffe, daß in meinem neuen Wohnumfeld der Wolf nicht lange auf sich warten läßt. Ich freue mich drauf und werde mich garantiert nicht von hasenfüßigen Schreiberlingen davon abhalten lassen, meine Waldwanderungen inkl. der Arbeit draußen zu machen. Im Gegenteil, der Wolf wird dann hoffentlich Bestandteil meiner Arbeit werden. Nur habe ich den Verdacht, daß er mir alles, aber wirklich
alles an Geduld abverlangen wird.
Nach einer Legende der Heiltsuk heißt es, daß sich der Wolf nur dem bereitwillig in voller Schönheit zeigt, dem er etwas mitzuteilen hat. Und da ist was wahres dran...
Gruß
Wolf