balin hat geschrieben:
@Kangal
Habe neulich auf Arte eine Dokumentation zu den Wanderzügen der Schaf- und Kuhherden in Spanien gesehen. Die Tiere werden über seit dem Mittelalter vorhandenen Treibwegen über mehrere hundert Kilometer aus dem Süden auf die sommerlichen Bergweiden so auf der Breite von Madrid getrieben.
Die hatten auch Herdenschutzhunde mit dabei. Wie klappt das da mit der territorialen Veranlagung der Beschützer? Die haben Tagesmärsche von deutlich über zehn km am Tag zu bewältigen. Da gibt es zwar noch keine Wölfe, bzw sie kommen gerade erst in der Nähe von Madrid an, aber die müssen ja auch durch Ortschaften und die Treibwege werden ja auch als Biotopverbund touristisch genutzt. Störungen gibt es also genug.
Oder, was natürlich auch möglich ist, die HSH arbeiten bei Temperaturen über 25C nicht. Könnte ja sein.

Du meinst die Transhumanz, die früher weit verbreitet war und in manchen Gegenden auch heute noch üblich ist. Wie es bei den Mastines in Spanien läuft, habe ich persönlich nicht gesehen, aber es wird nicht grundlegend anders ablaufen als bei ihren Kollegen im Kaukasus. Ich machs mir mal einfach und kopiere einen Teil meines Berichts aus dem Kangalforum:
Alljährlich im Frühjahr setzen sich tausende Schafe, begleitet von ihren Hirten und Hunden in Bewegung, um von der Steppe in Schiraki, nahe der aserbaidschanischen Grenze, Richtung Kaukasus zu ziehen. Sie legen dabei um die 250 km zurück, im Herbst geht das Ganze dann retour.
Die Transhumanz, der saisonale Wechsel zwischen Sommer - und Winterweiden, ist eine uralte Methode der Schafhaltung, nicht nur in dieser Region. Wenn also im Sommer das Gras der Steppe vertrocknet, die Temperaturen immer unangenehmer werden, ziehen Mensch und Tier in die kühleren und saftigeren Bergregionen. Kündigt sich dort der Herbst an, geht's zurück in die warmen Regionen im Süden.
Die Herden ziehen dabei durch Kachetien, über den knapp 3000 m hohen Abano - Pass, in die Hochtäler nach Tushetien, nahe der tschetschenischen Grenze.
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 5525n8.jpg
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 5525n7.jpg
Wir trafen die Hirten bei Dartlo (A), einem kleinen Bergdorf auf ca. 2300 m Höhe. Die erste Tagesetappe ging über ca. 15 km nach Omalo (B)
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 525n13.jpg
1250 Schafe werden hier von 7 Schutzhunden begleitet, Treib - oder Hütehunde gibt es, wie überall dort und in Asien, nicht.
Kühe und Pferde wandern extra, ohne Schutzhunde.
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 525n14.jpg
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 525n24.jpg
Fremde Fahrzeuge werden attackiert.
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 525n25.jpg
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 722n21.jpg
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 5722n3.jpg
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 737n16.jpg
Der fremde Pferdehirte wurde auch angegriffen, als er die Pass - Strasse entlangkam:
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 737n23.jpg
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 5737n9.jpg
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 5737n8.jpg
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 737n10.jpg
Er hat das dann mit der Peitsche geregelt und die Hunde so einigermaßen auf Distanz halten können. In so einer Situation sind die Hund nicht (!) abrufbar oder durch die Hirten zu beeinflussen. Diese versuchten das auch gar nicht.
Wir mußten uns die Hunde teilweise mit langen Knüppeln vom Leib halten, selbst nach Tagen war noch Vorsicht geboten, obwohl wir unmittelbar mit der Herde zogen.
Während der Zeit, an der ich dabei war, haben wir eine Ortschaft passiert. Die sehen dort so aus:
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 5722n6.jpg
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 5722n5.jpg
Das verlief ohne Zwischenfälle, die Dorfhunde blieben auf Distanz und die Schutzhunde waren im für sie fremden Revier (also dem der anderen Hunde) eher defensiv, solange nichts Fremdes in unmittelbare Nähe der Herde kam.
Übrigens auch typisch und wenn man, wie in Hessen und Hamburg nötig, mit Kangal und Kaukase einen Wesenstest machen will, ist man gut beraten, dies auf für den Hund fremdem Territorium durchzuführen, dann lassen sich die Boliden sogar relativ gelassen von fremden Hunden anpöbeln. Im eigenen Territorium würden sie kompromisslos angreifen und man würde mit Pauken und Trompeten durchrasseln.
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 5790n9.jpg
Samura erreicht mit den Kühen den Pass.
Szenenwechsel nach Anatolien (Sivas) - dort ist die Transhumanz nicht üblich.
In diesem kurzen Clip habe ich gefilmt, was passiert, wenn sich 2 geschützte Herden begegnen:
http://www.youtube.com/watch?v=ZtztQ0FZ ... gg&index=3
Man sieht gut die Arbeitsteilung der Hunde, nichts wäre dämlicher, als wenn sich die ganze Horde auf den vermeintlichen Gegner stürzen würde.
Auch hier, alles ohne irgendein Kommando der Hirten.
Auch das Einteilen der verschiedenen strategischen Positionen (einige Hunde bleiben bei der Herde, andere bilden einen Puffer zwischen "Angreifern" (hier sinds nur Hunde) und der Herde usw. wird von den Schutzhunden völlig eigenständig geregelt. Da ist nichts durch Menschen anerzogen oder vermittelt worden.
Ach ja und die Temperaturen waren da um die 40°, also die Kangals arbeiten noch bei Bedingungen, bei denen jeder hiesige Hund in kurzer Zeit kollabieren würde. Sengende Hitze, kaum Wasser, kein Schatten im Sommer, Eiseskälte (-20° und tiefer) mörderischer Wind und kein Windschatten im Winter.
http://files.homepagemodules.de/b117037 ... 8374n7.jpg
Dementsprechend sehen sie dann auch im Frühjahr aus, wenn sie nach und nach die lange Unterwäsche ausziehen.