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Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe
Verfasst: 7. Feb 2013, 18:32
von Naturfuehrer
Bedeuten denn von Menschen geplante Waldkorridore und Wildbrücken etc. für Dich "intakte Natur"?
Sowas ist ja nun klassisches Wildlife Management - und das hat mit Natur nun wirklich sehr, sehr wenig zu tun.
Oder möchtest Du wirklich "intakte Natur" bei uns in Mitteleuropa sehen? Das würde ich dann tatsächlich vollständig dem Bereich "Träume" zuordnen.
Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe
Verfasst: 7. Feb 2013, 18:46
von Grauer Wolf
Naturfuehrer hat geschrieben:Bedeuten denn von Menschen geplante Waldkorridore und Wildbrücken etc. für Dich "intakte Natur"?
Sowas ist ja nun klassisches Wildlife Management - und das hat mit Natur nun wirklich sehr, sehr wenig zu tun.
Oder möchtest Du wirklich "intakte Natur" bei uns in Mitteleuropa sehen? Das würde ich dann tatsächlich vollständig dem Bereich "Träume" zuordnen.
"Intakt" ist relativ... Zumindest würde eine gründliche Vernetzung sich förderlich auf die genetische Diversität auswirken. Gerade Wolf, Luchs und Wildkatze würden davon profitieren.
Ansonsten, wie will man "intakte Natur" definieren? Strenggenommen existiert die hierzulande nur noch in wenigen Urwaldzellen in Privatbesitz, die über Jahrhunderte nicht angefaßt wurden. Will man mehr, dann muß man schon wenigstens bis Skandinavien reisen, wo es noch echte Wildnis gibt.
Oder man hält es mit Roderick Nash:
"Es gibt Wildnis nicht als eigentliches, materielles Objekt. Der Terminus beschreibt eine Eigenschaft […], die in einem bestimmten Individuum eine bestimmte Stimmung oder ein bestimmtes Gefühl erzeugt."
Dann findet man kleine Stückchen intakter Natur selbst noch im Stadtwald vor der Haustür, wenn man genau hinschaut...
Gruß
Wolf
Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe
Verfasst: 7. Feb 2013, 20:32
von Naturfuehrer
Grauer Wolf hat geschrieben:
Ansonsten, wie will man "intakte Natur" definieren? Strenggenommen existiert die hierzulande nur noch in wenigen Urwaldzellen in Privatbesitz, die über Jahrhunderte nicht angefaßt wurden. Will man mehr, dann muß man schon wenigstens bis Skandinavien reisen, wo es noch echte Wildnis gibt.
Da stimme ich Dir zu. Genaugenommen wird man selbst in Skandinavien kaum "Natur" im engeren Sinne finden. Übersäuerte Seen in Lappland z. B. sprechen da eine sehr deutliche Sprache... und von Deutschland will ich mal gar nicht reden - die meisten sogenannten "Urwaldzellen" sind tatsächlich ehemalige Hutewälder, also massiv genutzte / überprägte Bereiche, die für uns heute bloß irgendwie "natürlich" wirken. Ausnahmen wären vielleicht ein paar ganz steile Hänge und unzugängliche Täler, wo eine Nutzung nie rentabel war.
Wenn's aber keine tatsächliche "Natur" hier mehr gibt, dann hat das Auswirkungen auf den praktischen Artenschutz. "Manipulative Wildlife Management" ist gerade deshalb z. Zt. häufig die Methode der Wahl. Man darf sich halt nicht vormachen, da wäre irgendwas "natürlich" dabei. Keine besonders romantische Vorstellung, zugegeben. Aber die Profis sind der Bevölkerung in der Beziehung eh' meilenweit voraus.
Gruß, NF
Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe
Verfasst: 9. Feb 2013, 18:35
von Lone Wolf
@ naturfuehrer
dass es so etwas wie tatsächliche Natur kaum mehr gibt, heißt ja nicht zwangsläufig, dass es für alle Zeit so bleiben muss, mit den sogenannten Naturdynamikzonen in Nationalparks gibt es doch Ansätze in die richtige Richtung, nehmen wir z.B. die Sächsische Schweiz.
Man kann alles, man muss nur wollen, wir müssen es wollen... Überlässt man der Natur einen Teil unseres Landes, kommt sie zurück.
Vor einigen Jahren besuchte ich Mexiko und Guatemala. Sieht man sich daselbst an, welch´intensive "Kulturlandschaft bis vor etwa 1000 Jahren dort bestanden haben muss, dichtes Netz an Städten, Siedlungen, Feldern und wie sich die Lage nach dem Untergang der Zivilisation entwickelte... Heute läuft man oft durch dichten Urwald mit einer intakten Tierwelt, will man die weniger bekannten Zentren der Kultur besuchen ... Wie auch immer, ich möchte ja keinen Abschied von der "Kulturlandschaft" , will keinesfalls zurück zu den Wurzeln. Ich möchte aber, dass wir die Rückkehr von Wolf, Luchs, Elch vielleicht Bär als Chance begreifen, anstatt immer reflexartig das Erschießungskommando zu rufen. Es muss doch möglich sein ein Netz an Naturparken zu schaffen auch Länderübergreifend die nicht schroff getrennt, so genannte Inseln sind. Meines Erachtens, nein das ist meine feste Überzeugung, wenn man die Tierwelt in Zukunft nicht nur in Zoologischen Gärten und Tierparks oder in Hegewäldern mit Schußwild begaffen will, müssen auch wir etwas von "unserem Land" zurückgeben. Wir fordern immer von anderen, dass sie seltene Tiere schützen, schimpfen auf die Chinesen mit ihren Arzneimitteln, deren Bestandteile solche Tiere wie Tiger und Schneeleopard dem Ende engegengehen lassen, regen uns über Brasilien auf und über die Umweltzerstörung in Afrika, drehen Dokus über die Vernichtung von Primaten in Indonesien und sind selbst nicht bereit, ein solch, im Vergleich dazu, geringes Risiko wie die Rückkehr des Wolfes zu dulden und ihm Lebensraum zu überlassen. Heuchelei könnte man das nennen. Noch einmal, nicht ist unmöglich, man muss nur wollen. Leider ist es so, dass aus meiner Beobachtung, vor allem ältere Menschen nicht mehr offen sind für neue Schritte in Richtung Natur- und Tierschutz, man trifft häufig Dogmatiker par Excellence, tausende Einwände, schaut man genauer hin gehts oft genug um´s Geld, um Besitz und Allmacht...
Mir fällt dann immer ein Zitat von Max Planck ein: Neue ... Ideen pflegen sich normalerweise nicht in der Weise durchzusetzen, daß ihre Gegner überzeugt werden oder sich als bekehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, dass die Gegner allmählich aussterben und dass die heranwachsende Generation von vornherein mit dieser vertraut gemacht wird“.
In diesem Sinne hoffe ich auf unsere Kinder und lenke auch meine Wertevermittlung für meine...
Grüße LW
Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe
Verfasst: 9. Feb 2013, 22:00
von Lutra
Selbstverständlich gibt es "Natur", selbst in den Wolkenkratzern, auch in unserem Inneren, wir sind von Unmengen von Mikroorganismen besiedelt. Auch in der Kulturlandschaft gibt es natürliche Zusammenhänge, naturnahe Bereiche. Aber das hat nun gerade mit dem Wolf nicht viel zu tun. Der braucht ja bekannterweise keinen Urwald und kommt gerade mit den "unnatürlichen" Zuständen (hohe Wildbestände) prima zurecht. Die Probleme hat der Mensch, mit seinem Weidevieh, was aber heute auch nicht mehr die Rolle spielt wie früher und das sich technisch durchaus besser schützen läßt als in früheren Zeiten, aber schlimmer noch sind die Probleme (zumindest für einige) im Hobbybereich. Da gibt es so eine Freizeitgestaltung, bei der der Wolf als Beutekonkurrent und unbequemer Störenfried auftritt.
Intakte Natur, z.B. unverbaute Flußläufe, Moore und anderes, was durch den Menschen in Größenordnungen zerstört worden ist und wird, ist für andere Arten lebenswichtig, aber nicht für den Wolf.
Wieder andere Arten benötigen eine bestimmte Kulturlandschaft (Großtrappe, Rebhuhn, Hamster), die sich heute so weit verändert hat (verändert wurde), dass sie auch in Bedrängnis kommen, aber wieder nicht der Wolf.
Die Zukunft der ("deutschen") Wölfe hängt alleine davon ab, in wie weit wir es tolerieren, dass er uns in bestimmten Bereichen Schwierigkeiten macht.
Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe
Verfasst: 10. Feb 2013, 13:49
von Naturfuehrer
Lutra hat geschrieben:Selbstverständlich gibt es "Natur"
"Natur" - ja.
Natur ohne Anführungszeichen - die gibt's bestenfalls als individuell konstruierte "Wirklichkeit" (heißt: im Kopf).
"Da draussen" geht der Trend schon lange zum Mangagement dessen, was wir eh' seit langem geprägt haben. Und genau das prophezeihe ich für die Spezies Wolf in Deutschland. Wenn's
gut läuft...
Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe
Verfasst: 10. Feb 2013, 17:05
von Lutra
Naturfuehrer hat geschrieben:
Natur ohne Anführungszeichen - die gibt's bestenfalls als individuell konstruierte "Wirklichkeit" (heißt: im Kopf).
Was verstehst Du unter Natur?
Natur nicht mit Naturlandschaft verwechseln, die gibts in Deutschland wirklich so gut wie gar nicht mehr. Wenn es keine Natur mehr gäbe, gäb es uns auch nicht mehr.
Selbstverständlich versuchen wir auf alle möglichen Arten, die Natur zu unseren Gunsten zu beeinflussen (in ihr rumzupfuschen). Leider schlägt sie all zu oft zurück.
Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe
Verfasst: 11. Feb 2013, 08:55
von joswolf
Wenn ich so lese 180 Woelfe und in ein par Jahre 400 bis 500 denke ich das man schoen am traumen ist. Auch wenn ich lese Zitat"deutschland hat 12 (bestätigt) bis 18 (vermutet) rudel, die sich letztes jahr fortgepflanzt haben. bei diesen zahlen ist ein bestand von gegen 180 tieren durchaus realistisch." ist das doch nicht Realitisch.
Wir hatten 2011 12 Rudel mit nachwuchs und letztes Jahr hatten nicht alle Welpen. Also sicher keine 18 Rudel. Es gibt 48 Erwachsenen Woelfe die bekannt sind. Lass es dann 50 sein und noch ein par rumstreifende neue Einwanderer und vielleicht mit 10x5=50 Welpen wovon nach dem Winter schaetze 35 ueberleben. Dann noch die Jungwoelfe von letztes Jahr und davor die warscheinlich am Wandern sind und das nicht alle ueberleben. Aber dann komme ich doch ueber die 130 bis 140 Woelfe. Das wird nich viel schneller steigen und wenn das die kommende Jahre richtung 200 wird, dann kommen auch mehr Risse und Unfaelle und wo ich Angst vor habe ist das wenn die Zahl ueber die 200 kommt mann sich langsahm fragt ob die immer noch geschutzt werden mussen. Ich denke also das bei 250 ueberall in grosseren Deutsche Waelder ein par sind und mann gehoert hat von Schafrisse und das die Grenze erreicht ist und man den Schutzstatus runter stuft. Und dann werden wenn die Woelfe nicht aufpassen die erste Anfragen kommen um "problem Woelfe" zu erschiessen.
Jos
Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe
Verfasst: 11. Feb 2013, 10:15
von jurawolf
jos, wölfe lassen sich ebenso wenig zählen wie alle anderen tiere. auch ein rehwildbestand lässt sich unmöglich zählen, selbst wenn manche jäger und förster was anderes glauben. ein bestand lässt sich abschätzen und die entwicklung anhand verschiedener beobachtungen (fallwild etc.) nachvollziehen. mehr nicht.
deshalb lässt sich der deutsche wolfsbestand nicht zählen, in dem man einfach die minimale anzahl der in den rudeln bekannten wölfe addiert. das ist hanebüchen. auch in anderen ländern werden wolfsbestände nicht im eigentlichen sinne gezählt, sondern geschätzt. beispiel frankreich, wo es die winterlichen inventuren gibt, die ja immer in berichten veröffentlicht werden. dort werden die tiere in den bekannten rudelgebieten gezählt, die aktuellen zählungen liegen irgendwo um 80. der effektive bestand wird aber von der selben behörde, die diese durchaus professionellen zählungen macht, auf etwa 250 geschätzt. die schätzung von wolfsbeständen geschieht meistens mit einer recht einfachen formel, die in den unterschiedlichsten ländern angewendet wird (frankreich, schweden, italien, usw.): bestand = anzahl rudel x 10.
dass diese formel so falsch nicht ist, zeigen die beispiele aus schweden, wo eine zählung aufgrund der topographie (recht flach und gut zugänglich) und der sicheren schneelage im winter verhältnismässig gut anwendbar ist, zumindest besser als in mitteleuropa. die zahlen dort zeigen, dass die formel ganz gut zutrifft. dies ist dort aber nicht so, weil etwa die nordischen rudel grösser wären, dem ist nicht so. deren grösse liegt im winter meist bei etwa 5 wölfen, 10 tiere sind schon eine riesen ausnahme. die dortige rudelgrösse liegt durchaus im rahmen der deutschen oder französischen. und zur erinnerung: sogar das einzige schweizer wolfsrudel umfasst bereits 8 wölfe. die schweden zeigen aber schön, dass auf jedes rudel fast ein weiteres paar ohne nachwuchs kommt und noch einige einzeltiere. die beiden letzten kategorien sind es, die in deutschland wohl stark unterschätzt werden.
dass in nur 12 rudeln nachwuchs bestätigt wurde, heisst nicht, dass es nur dort nachwuchs gegeben hat. wenn ich mir die berichte etwa aus den gebieten in brandenburg anschaue, wo es 2011 sicher noch nachwuchs gegeben hat, glaube ich nicht, dass es dort 2012 fast überall an welpen fehlt. das von lars erwähnte fehlende bzw. viel dünnere monitoring scheint mir schon viel eher ein plausibler grund zu sein. also haben wir im absoluten minimum 12 reproduzierende rudel, wahrscheinlich aber eben doch einige mehr. damit ist eine bestandeszahl von bis zu 180 tieren keinesfalls unrealistisch.
und zum wachstum der population:
eine wolfspopulation wächst gut und gerne 30-40% jährlich, wenn sie platz hat. dies in deutschland der fall, wo es noch geeignete, aber unbesiedelte lebensräume zu hauf gib. die paar wenigen verkehrtote und vielleicht ein paar wenige fälle der wilderei können das wachstum aber kaum deutlich bremsen. denn alleine um den aktuellen bestand zu stabiliseren, müssten ca. 50 wölfe jährlich aus der population entnommen werden, was aber selbst bei pessimistischer schätzung bei weitem nicht der fall ist.
um, ausgehend von der heutigen oben geschätzten populationsgrösse, bis in 5 jahren 400 bis 500 wölfe zu haben, wäre ein jährliches wachstum von 20% ausreichend. das ist alles andere als unrealistisch, sondern beachtet das natürliche populationswachstum abzüglich verkehrtote und illegale tötungen wohl ganz gut.
Re: Die Zukunft unserer "Deutschen" Wölfe
Verfasst: 11. Feb 2013, 12:02
von joswolf
Es gab letztes Jahr nach warscheinlichkeit keine 12 Rudel mit Welpen. Und 12 x 10 kommt doch auch auf meine geschaetzte Zahl. Das hochrechnen ist auch nur pi mal Daumen. Beim Nabu geht man von die 47 erwachsenen aus und dann rechnete ich schon mit ein par mehr und die Wurfe mal 5 weil viel mehr nicht vom Wurf ueberig geblieben ist nach dem ersten Winter. Die Rudel in der Lausitz werden sehr gut beobachtet und das Management wird da nicht von Jaeger osw gemacht. Wenn die ein Rudel am Randevousplatz sehen mit Welpen gibt es nicht noch einige mehr die man uebersehen hat. Also ich meinerseit's gehe von diesen Schaetzungen aus und die Geruchte von es mussen mehr da sein nimm ich dann nicht so ernst.
Ich glaube dann doch die Biologen und Nabu die da direkt vor Ort forschen. Und ich gehe dann also von diese Zahl aus die ich genannt habe, da sind schon die nicht bestaetigte Wanderwoelfe mit drinn.
Jos