Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Themen über frei lebende Bären und Luchse in Europa (keine Gehegetiere).
Alpenwolf
Beiträge: 418
Registriert: 30. Mär 2015, 17:40

Re: Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Beitrag von Alpenwolf »

jurawolf hat geschrieben:Naja, dass das Rotwild-Management in den deutschen Nationalparks (und ausserhalb) zu wünschen übrig lässt, ist in der Fachwelt weitgehend unbestritten. Dass derartige Perversionen wie Fütterungen und Wintergatter nur gerade in den Nationalparks von Deutschland und Österreich vorkommen, zeigt eigentlich sehr deutlich, dass dies hauptsächlich einen jagdlich-kulturellen Hintergrund hat und keinen ökologischen.
In österr. NP wird nicht gejagt, sondern wildgemanaged, das Wild also gekeult. Richtig ist, dass in den DE-NP durch die Bank bis auf eine Ausnahme normal gejagt wird und damit die NP auch keinen nach den internationalen Standards ( IUCN II ) sind. Dort wo Rotwild ganzjährig in seinen Wintereinständen lebt wird selbstverständlich nicht gefüttert weder in AT noch in DE. Dort wo das Rotwild ganzjährig in seinen Sommereinständen lebt, muss gefüttert werden, da selbst der Weg in die ohnehin meist nicht mehr vorhandenen natürlichen Sommereinstände durch die Menschen verwehrt ist.

Selbst das Rotwild im an sich regulationsfreien Schweizer NP wird reguliert, wenn auch nicht im Park selbst, aber hart an seiner Grenze.

Somit ist alles relativ.
jurawolf
Beiträge: 967
Registriert: 5. Okt 2010, 23:32

Re: Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Beitrag von jurawolf »

Nein, nicht alles ist relativ.

Dass Rotwild reguliert wird, auch die Population des Schweizer Nationalparks (wenn auch ausserhalb seiner Grenzen), ist mir klar. Dass in den deutschen Parks Rotwild nur in Berchtesgaden gegattert wird, auch.

Du verwechselst aber leider Ursache und Wirkung. Klar sind die Wintereinstände des Rotwildes im Alpenraum beeinträchtigt. Die Erfahrungen in der Schweiz zeigen aber, dass trotzdem sehr ausgedehnte Wanderungen zwischen Sommer- und Wintereinständen vorkommen. Wenn dir beispielsweise das länderübergreifende Projekt zum Rotwild in Vorarlberg, Liechtenstein und Graubünden ein Begriff ist, dann weisst du, dass dort sehr schön aufgezeigt werden konnte, welchen Effekt Fütterung hat. In Graubünden, wo nicht gefüttert wird (ausser gemäss einem Notfütterungskonzept, welches diesen Namen auch verdient), wechselt 90% des Rotwildes zwischen Sommer- und Wintereinständen - wobei dort die Wintereinstände wohlgemerkt ebenso degeneriert sind wie anderswo. In Vorarlberg mit seiner systematischen Rotwildfütterung wechseln hingegen signifikant weniger Hirsche zwischen den jahreszeitlichen Einständen.

Die Fütterung ist also nicht etwa die notwendige Folge davon, dass die Wintereinstände fehlen, sondern die Ursache dafür, dass viele noch mögliche jahreszeitliche Wanderungen gar nicht mehr angetreten werden. Zudem ist sie auch eine Folge davon, dass man seitens von Teilen der Jägerschaft offenbar nicht dazu bereit ist, den Bestand auf die Lebensraumkapazität anzupassen.
Grauer Wolf

Re: Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Beitrag von Grauer Wolf »

jurawolf hat geschrieben:Zudem ist sie auch eine Folge davon, dass man seitens von Teilen der Jägerschaft offenbar nicht dazu bereit ist, den Bestand auf die Lebensraumkapazität anzupassen.
Weshalb wir dringend die Grauen brauchen... Ein ähnliches Problem gab es ja auch im Yellowstone inkl. weitreichenden Zerstörungen bei Sukzession und Biodiversität, ja selbst negativen Veränderungen der Topographie (Erosion von Flußufern).

Gruß
Wolf
harris
Beiträge: 820
Registriert: 27. Dez 2011, 00:47

Re: Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Beitrag von harris »

Grauer Wolf hat geschrieben:
harris hat geschrieben:..und bei ca. 85 Luchsen sind wir nicht weit von 100 (wie vorher geschätzt) entfernt... ^^
Jungtiere, die das erste Lebensjahr nicht vollendet haben, werden nicht gezählt. Er machte auch keinen Sinn, die Fluktuationen durch Verlust im ersten Lebensjahr wären sehr hoch. Bei Wölfen ist's übrigens nicht anders...
Daß die Jägerschaft Welpen und Kitten gerne mitzählen möchte, liegt auf der Hand. So kann man herrlich angebliche Überpopulationen beklagen und Abschuß fordern.

Gruß
Wolf
Ich habe wenn es dir aufgefallen ist nur die Daten aus dem Link genommen. Und das ist das offizielle Untersuchungsergebnis. Da hat kein Jäger gerechnet.
Alpenwolf
Beiträge: 418
Registriert: 30. Mär 2015, 17:40

Re: Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Beitrag von Alpenwolf »

jurawolf hat geschrieben:Nein, nicht alles ist relativ.

Die Fütterung ist also nicht etwa die notwendige Folge davon, dass die Wintereinstände fehlen, sondern die Ursache dafür, dass viele noch mögliche jahreszeitliche Wanderungen gar nicht mehr angetreten werden. Zudem ist sie auch eine Folge davon, dass man seitens von Teilen der Jägerschaft offenbar nicht dazu bereit ist, den Bestand auf die Lebensraumkapazität anzupassen.
Die natürlichen Wintereinstände des Voralberger Rotwilds wären die Rheinauen. Nachdem die nicht mehr vorhanden sind und auch verkehrstechnisch schwer erreichbar wären, bleibt die Frage offen, wo denn die Wintereinstände ( außer den schälgefährdeten Vorlagen sein ) sein sollten.

Dass die Vorarlberger Rotwildbestände zu hoch sind, ist sehr richtig. Ein großer Teil des Problems sind allerdings Pächter deren Reisepass ein weißes Kreuz auf rotem Grund ziert. :mrgreen:
jurawolf
Beiträge: 967
Registriert: 5. Okt 2010, 23:32

Re: Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Beitrag von jurawolf »

harris hat geschrieben:Ich habe wenn es dir aufgefallen ist nur die Daten aus dem Link genommen. Und das ist das offizielle Untersuchungsergebnis. Da hat kein Jäger gerechnet.
Jep, weiss ich. Das ändert nur nichts daran, dass sich die Zahlen im völlig normalen, erwarteten Rahmen bewegen und nicht mit den "Horro-Szenarien" einiger Waidgensossen übereinstimmen.

Alpenwolf hat geschrieben:Die natürlichen Wintereinstände des Voralberger Rotwilds wären die Rheinauen. Nachdem die nicht mehr vorhanden sind und auch verkehrstechnisch schwer erreichbar wären, bleibt die Frage offen, wo denn die Wintereinstände ( außer den schälgefährdeten Vorlagen sein ) sein sollten.
Das Bündner Rotwild hat genau diese Rheinauen auch nicht mehr (bzw. nur noch die Resten davon), und trotzdem unternimmt es saisonale Wanderungen und findet geeignete Wintereinstände. Zum Beispiel an südexponierten Lagen. Das wäre in Vorarlberg nicht anders zu erwarten.

Alpenwolf hat geschrieben:Dass die Vorarlberger Rotwildbestände zu hoch sind, ist sehr richtig. Ein großer Teil des Problems sind allerdings Pächter deren Reisepass ein weißes Kreuz auf rotem Grund ziert. :mrgreen:
Dessen bin ich mir voll bewusst, aber das machts nicht besser :mrgreen:
Alpenwolf
Beiträge: 418
Registriert: 30. Mär 2015, 17:40

Re: Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Beitrag von Alpenwolf »

jurawolf hat geschrieben:
Das Bündner Rotwild hat genau diese Rheinauen auch nicht mehr (bzw. nur noch die Resten davon), und trotzdem unternimmt es saisonale Wanderungen und findet geeignete Wintereinstände. Zum Beispiel an südexponierten Lagen. Das wäre in Vorarlberg nicht anders zu erwarten.
Dazu muss man schon erwähnen, dass Graubünden die dreifache Fläche von Vorarlberg aufweist und der Rotwildbestand nur etwas höher
als der in Vorarlberg ist. Es gibt also relativ nur etwa ein Drittel des Rotwildes. Rotwild stellt sich im Winter grundsätzlich und logischerweise auf die Sonnseiten und nicht in den Schatten. Kommt es aber dort zu Massierungen sind die Schälschäden unausweichlich, egal ob Wirtschafts- oder Schutzwald. Fütterungen dienen daher genau dem Zweck dies zu verhindern, wo es verhindert muss. Das macht wegen der Komplexität und der hohen Kosten niemand gerne, sondern ist ein mehr oder weniger sinnvoller Kompromiss.

Erwähnt sei noch, dass Rotwild in geringen Quantitäten alpin auch in geeigneten Hochlagen, also über der Baumgrenze überleben kann. Mancherorts wird auch genau da gefüttert, das mit dem Nachteil von langen Anfahrtswegen und hohen Schneeräumungslosten, soferne das Gebiet gering lawinengefährdet ist.
jurawolf
Beiträge: 967
Registriert: 5. Okt 2010, 23:32

Re: Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Beitrag von jurawolf »

Der wesentlich dichtere Rotwildbestand in Vorarlberg ist ja genau das Problem. Wenn man sich solche unnatürlichen Bestände hinzüchtet, muss man logischerweise füttern, wenn man zugleich noch Wirtschafts- oder Schutzwälder haben möchte. Dass solche Bestände nebenbei noch ganz andere Probleme verursachen, ist auch klar, die Tuberkule lässt grüssen... Graubünden zeigt sehr gut, wie viel Rotwild die heutigen Lebensräume noch vertragen. Ein Winterbestand von 15'000 Stück ist auf dieser Fläche die Obergrenze.

Die Lösung auch für Vorarlberg lautet nicht Fütterung, sondern angepasste Bestände und Winterruhe.

Alpenwolf hat geschrieben:Erwähnt sei noch, dass Rotwild in geringen Quantitäten alpin auch in geeigneten Hochlagen, also über der Baumgrenze überleben kann. Mancherorts wird auch genau da gefüttert, das mit dem Nachteil von langen Anfahrtswegen und hohen Schneeräumungslosten, soferne das Gebiet gering lawinengefährdet ist.
Ja, durchaus. Es gibt ja einige bekannte Beispiele von Hochgebirgshirschen in den Alpen, die ob der Baumgrenze überwintern. An windexponierten oder steilen Hänge ohne Schnee finden sie auch im Winter genug Futter.
Alpenwolf
Beiträge: 418
Registriert: 30. Mär 2015, 17:40

Re: Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Beitrag von Alpenwolf »

jurawolf hat geschrieben:
Die Lösung auch für Vorarlberg lautet nicht Fütterung, sondern angepasste Bestände und Winterruhe.
Auch Graubünden hat einen "Notfütterungsplan" und im übrigen auch erhebliche Waldschäden durch das Rotwild.
jurawolf
Beiträge: 967
Registriert: 5. Okt 2010, 23:32

Re: Luchs-Auswilderung im Harz bereitet Jägern Sorgenfalten

Beitrag von jurawolf »

Wie gesagt, Graubünden hat einen Notfütterungsplan, das habe ich ja selber schon geschrieben. Einerseits ist es zwar ein Plan, der diesen Namen tatsächlich verdient und der nur alle paar Winter, wenn diese wirklich ausserordentlich streng sind, zur Anwendung kommt. Andererseits ist auch dieser Plan hauptsächlich Psychologie und dient der Beruhigung der Menschen. Ob er dem Wild viel bringt, bezweifeln sogar die Verantwortlichen.

Die Schäden im Wald durch Rotwild sind auch im Kanton Graubünden eine Realität, das ist so. Interessanterweise gibt es aber bei uns auch Kantone mit tieferer Wilddichte, aber erheblich mehr Verjünungsproblemen.

http://wslf.ch/dienstleistungen/publika ... f/6992.pdf
Antworten