Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
Martin
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Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Beitrag von Martin »

Ich möchte ein Thema zur Diskussion stellen, was meist nur beiläufig angesprochen wird. Es geht um das Querungsverhalten der Wölfe bei Autobahnen, breiten Straßen, Bahnlinien, auch Flüssen etc.

Zunächst mal bin ich immer wieder positiv überrascht, wie oft durch Sichtungen in neuen Gebieten gleichzeitig bewiesen wird, daß scheinbar unüberwindliche Barrieren gar nicht so große Probleme für Wölfe darstellen. Immerhin ist mir bislang kein überfahrener Wolf auf Autobahnen bekannt. Das bringt mich auch schon direkt zum Thema:

Autobahnen: Queren Wölfe oft, nur ausnahmsweise oder vielleicht sogar gar nicht die Autobahnen direkt, also ohne Durchlässe? Manche Strecken sind nachts nicht so stark befahren, so daß es wohl möglich erscheint. Ich vermute eher, daß die Wölfe fast nur die Durchlässe nutzen, also unter Brücken durch, über (Wild-)Brücken drüber und an Stellen, an denen Autobahnen untertunnelt sind. Vielleicht gibt es sogar ausreichend große Regenrohre, die genutzt werden. Autobahnen besitzen mehr von diesen Durchlässen, als man denkt.

Sonstige Straßen: Entweder wie bei Autobahnen, oder hier wahrscheinlich öfter direkte Überquerung. Soweit ich mich erinnere, gab es bei den überfahrenen Wölfen mindestens einmal (oder sogar öfter?) den Fall, daß das komplette Rudel die Straße direkt gequert hat und eines der letzten Jungtiere erwischt wurde. Die Jungtiere werden sofort den Eltern folgen ohne auf Verkehr zu achten. Laufen eigentlich beide Elterntiere vorweg? Gibt es eine Reihenfolge im Rudel bei Rudelwanderung?

Bahnlinien: Wahrscheinlich weitgehend unproblematisch, da Zugstrecken eher "Verkehrslücken" bieten wie Straßen. Hochgeschwindigkeitsstrecken weisen viele Tunnel auf oder sind gezäunt. Wobei die Schafsunfälle der Vergangenheit auch anderes gezeigt haben.

Flüsse: Schmalere Flüsse sicher völlig unproblematisch. Wie sieht es mit breiten Flüssen aus? Kommen die Wölfe gut mit der Strömung klar? Die Elbe ist hierzulande der bislang breiteste Fluss, der gequert wurde. Im Sommer führen die Flüsse oft nur wenig Wasser. Flüsse sind wohl das geringste Problem.

Falls euch noch andere Hindernisse einfallen oder euch Studien bekannt sind, gerne her damit :-)
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SammysHP
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Re: Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Beitrag von SammysHP »

Flüsse und normale Straßen sind normalerweise kein Problem. Die werden einfach durchschwommen bzw. überquert. Bei Autobahnen gibt es das Problem, dass meist Wildzäune aufgestellt sind.

Ich meine auch, mal etwas über die Nutzung von normalen Brücken durch Wölfe gelesen zu haben.
Gibt es eine Reihenfolge im Rudel bei Rudelwanderung?
Allgemein gesagt, nein.
nuno22
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Re: Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Beitrag von nuno22 »

Die meisten Jungwölfe waren alle vom Nochtener Rudel - 9 von 12 in der Lausitz - und sind auf der B 156 von Weisswasser nach Boxberg überfahren wurden, weil es dort zur Rennstrecke ausgebaut worden ist. Der Rendevous Platz ist realtiv dicht an der B 156, so dass die Jungtiere sicher auch einzelnd darüber gehen. Der Verkehr ist dort zwar nicht so hoch, eher nur zu den Zeiten, wo die Menschen zur Arbeit fahren oder von dort kommen.

http://www.wolfsregion-lausitz.de/chron ... on-woelfen

Die Wildschutzzäune sind kein Hinderniss, da springen die aus dem Stand drüber. Der junge besonderte Wolf Karl ist letztes Jahr auch mehrmals über die Autobahnen der Umgegend gelaufen. Es war auch Thema bei der Wolfstagung, dass sie offensichtlich lernen mit Verkehr umzugehen.
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SammysHP
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Re: Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Beitrag von SammysHP »

Dass sie rüberspringen könnten, ist klar. Die Frage ist, ob sie es auch wirklich machen. Waren bei den Autobahnüberquerungen WIldzäune?
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Jens
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Re: Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Beitrag von Jens »

Ich denke nicht, das Wölfe den Wildzaun an Autobahnen überspringen (immerhin sind die 1,80 m Hoch), sondern sie werden immer versuchen unten durch zu kommen oder eine Lücke suchen. Auch nehmen Wölfe nachweislich normale Brücken, Durchlässe und Wildquerungen an.
Lutra
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Re: Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Beitrag von Lutra »

Der "Karl" ist bei seinem Ausflug Richtung Jüterbog ein ganzes Stück am Wildzaun lang und dann über eine Straßenbrücke über die Autobahn, so wurde jedenfalls damals berichtet.
jurawolf
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Re: Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Beitrag von jurawolf »

generell lässt sich sagen, dass verschiedene raubtierarten sich weniger stark durch verkehrswege behindern lassen als etwa schalenwild wie hirsche oder rehe. gerade der luchs überwindet praktisch jedes hinderniss problemlos und lässt sich kaum auf wildbrücken leiten. der wolf wiederum überspringt wildzäune wohl eher seltener, lässt sich durch autobahnen aber nicht völlig von seinen wanderungen abhalten. der baltische wolf in den alpen zeigt dies ebenso wie die alpenwölfe in den pyrenäen.

Martin hat geschrieben:Autobahnen: Queren Wölfe oft, nur ausnahmsweise oder vielleicht sogar gar nicht die Autobahnen direkt, also ohne Durchlässe? Manche Strecken sind nachts nicht so stark befahren, so daß es wohl möglich erscheint. Ich vermute eher, daß die Wölfe fast nur die Durchlässe nutzen, also unter Brücken durch, über (Wild-)Brücken drüber und an Stellen, an denen Autobahnen untertunnelt sind. Vielleicht gibt es sogar ausreichend große Regenrohre, die genutzt werden. Autobahnen besitzen mehr von diesen Durchlässen, als man denkt.
generell benutzen alle grossräuger übergänge wesentlich lieber als unterquerungen. zum wolf liegen mir da keine daten vor, aber tiere wie rehe, hirsche und auch hasen lassen sich praktisch gar nicht durch unterführungen lenken. schon alleine, dass feldhasen eine unterquerung annehmen, muss diese gegen oben weitgehend offen (>10m platz gegen oben) und sehr breit (einige dutzend meter) sein. rohre werden nicht angenommen. kleines raubwild dagegen ist weniger anspruchsvoll, marder und auch füchse nehmen z.b. unterquerungen lieber an. beim wolf befürchte ich dagegen eher, dass er unterquerungen meidet. dies ist jedoch nur eine annahme meinerseits.

Martin hat geschrieben:Laufen eigentlich beide Elterntiere vorweg? Gibt es eine Reihenfolge im Rudel bei Rudelwanderung?
kurz und knapp gesagt: eindeutig nein. es hinlänglich wiederlegt, das die eltern (früher alphas) immer voraus gehen und es ist heute sogar klar, dass die eltern nicht mal immer die tiere sind, die bestimmen, welcher weg gewählt wird.

Martin hat geschrieben:Bahnlinien: Wahrscheinlich weitgehend unproblematisch, da Zugstrecken eher "Verkehrslücken" bieten wie Straßen. Hochgeschwindigkeitsstrecken weisen viele Tunnel auf oder sind gezäunt. Wobei die Schafsunfälle der Vergangenheit auch anderes gezeigt haben.
falsch gedacht, bahnstrecken sind wesentlich gefährlicher als gedacht. auf (nicht gezäunten) bahnstrecken ereignen sich nämlich im verhältnis zur verkehrsdichte überproportional viele wildunfälle verglichen mit strassen. man kann sich dies zurzeit fast nur damit erklären, dass die grosse unregelmässigkeit des zugsverkehrs dafür sorgt, dass das wild diese gefahr weniger gut einschätzen kann (eine halbe stunde ist völlige ruhe, bis aus dem nichts mit 200 km/h ein zug durchrast; auf der strasse ist der verkehrsfluss dagegen konstanter und langsamer).

bei bahnschienen gilt als faustregel (die natürlich nicht 1 zu 1 in die realität übertragen werden kann), dass mehr als zwei parallele gleise von rehen und anderen wildtieren kaum mehr überquert werden. wobei dies natürlich nur beschränkt für tiere wie füchse gilt und den wolf dürfte dies nach meiner einschätzung weniger stören. aber eben, es gibt wild, für welches mehrere parallele schienen ein grosses problem sind.
nuno22
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Re: Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Beitrag von nuno22 »

Lass es mich so sagen, der Wolf findet immer seinen Weg. Aufgrund seiner Physis springt er aus dem Stand über 1,80 m. Habe ich selbst gesehen. Wenn es einfacher ist, unten durch zu gehen, macht er das auch. ich möchte nur sagen, er lässt sich durch nichts aufhalten.
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SammysHP
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Re: Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Beitrag von SammysHP »

nuno22 hat geschrieben:Aufgrund seiner Physis springt er aus dem Stand über 1,80 m. Habe ich selbst gesehen.
Sicherlich bei Gehegewölfen. Da gibt es tausende Beispiele, z.B. Roy aus dem Osnabrücker Zoo. Diese Wölfe sind an Zäune gewöhnt, schließlich sehen sie diese jeden Tag, und werden mit der Zeit mutiger und testen aus, was man damit machen kann.

Anders bei freilebenden Wölfen (wo du das sicherlich noch nicht gesehen hast). Für diese ist das nämlich ein Hinternis, welches sie lieber versuchen zu umgehen. Sonst könnte man jeglichen Weidezaun (die zwar auch nicht ein Allheilmittel sind, aber dennoch recht zuverlässig) ja sein lassen.
Martin
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Re: Querungsverhalten von Verkehrshindernissen

Beitrag von Martin »

jurawolf hat geschrieben:generell benutzen alle grossräuger übergänge wesentlich lieber als unterquerungen. zum wolf liegen mir da keine daten vor, aber tiere wie rehe, hirsche und auch hasen lassen sich praktisch gar nicht durch unterführungen lenken. schon alleine, dass feldhasen eine unterquerung annehmen, muss diese gegen oben weitgehend offen (>10m platz gegen oben) und sehr breit (einige dutzend meter) sein. rohre werden nicht angenommen. kleines raubwild dagegen ist weniger anspruchsvoll, marder und auch füchse nehmen z.b. unterquerungen lieber an. beim wolf befürchte ich dagegen eher, dass er unterquerungen meidet. dies ist jedoch nur eine annahme meinerseits.
Das unterschiedliche Verhalten verschiedener Tiere überrascht mich. Es scheint, daß kleinere Tiere Unterführungen annehmen, größere eher meiden. Große Talbrücken kann man dann wohl nicht mehr als Unterführung ansehen. In unseren Mittelgebirgen gibt es unzählige davon, was wahrscheinlich die wichtigsten Durchlässe darstellt, solange es kaum Grünbrücken gibt.
Lutra hat geschrieben:falsch gedacht, bahnstrecken sind wesentlich gefährlicher als gedacht. auf (nicht gezäunten) bahnstrecken ereignen sich nämlich im verhältnis zur verkehrsdichte überproportional viele wildunfälle verglichen mit strassen. man kann sich dies zurzeit fast nur damit erklären, dass die grosse unregelmässigkeit des zugsverkehrs dafür sorgt, dass das wild diese gefahr weniger gut einschätzen kann (eine halbe stunde ist völlige ruhe, bis aus dem nichts mit 200 km/h ein zug durchrast; auf der strasse ist der verkehrsfluss dagegen konstanter und langsamer).
Das ist auch die Erklärung, warum auf weniger stark befahrenen Straßen vergleichsweise viel mehr Unfälle passieren als auf stark befahrenen. Auf der stark befahrenen Strecke auf meinem Arbeitsweg durch den Wald ist mir in all den Jahren so gut wie kein Wild vor das Auto gelaufen. Ab einer gewissen Verkehrsdichte stellen die meisten Wildtiere das Wechseln ein. Vielleicht findet dann zu Nachtzeiten trotzdem noch Wechsel statt.
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