Grauer Wolf hat geschrieben:
Was haben denn harte Zahlen und Statistiken mit Ideologie zu tun? *kopfschüttel*
Ich habe manchmal das Gefühl, wenn die Zahlen erheblich weniger dramatisch sind, als Interviews und Zeitungsberichte es mit Worten beschreiben und Wolfsgegner es gerne hätten, dann werden die auf einmal sehr unbequem... Das ist beim Thema Schweiz genauso: Ein Riesendrama um ein paar gerissene Schöpsen, die in der Menge der natürlichen Abgänge einfach als statistisch unbedeutend untergehen, als wär's der Untergang der zivilisierten Welt, Forderungen nach "der Wolf muß weg!"... Da könnte ich genausogut von "Ideologie" reden...
Sorry, aber 0,12% Verluste durch Beutegreifer sind unbedeutend...
Gruß
Wolf
Das kann ich versuchen, Dir zu erklären.
Du warst nach Deinen Aussagen 20 Jahre nicht im Urlaub - vielleicht ist das ein Grund, daß es Dir extrem schwerzufallen scheint, die Wolfsgeschichte komplex zu betrachten.
Du hast wahrscheinlich nie mit einem Hirten geredet, der außerhalb Deutschlands arbeitet. Dennoch beurteilst Du dessen Leben und Verhalten nach Deinem vergleichsweise satten Dasein. Und bevor Du Dich darüber wieder aufregst, im Vergleich zu einem Hirten in Tushetien oder in der Türkei führst Du ein sorgenfreies, sattes, abgesichertes Leben.
Ich kenne die Regelungen in der Slowakei nicht, deswegen nehmen wir ein Beispiel aus dem Kaukasus. Ein Hirte erzählte mir, daß er diesen Sommer 120 Schafe durch Wölfe verlor. Nun kann man wieder ein paar Zahlen heraussuchen und in's Keyboard hämmern, die besagen, daß dies ein Prozentsatz von 0,irgendwas des georgischen Schafbestandes ist, also "lächerlich". Der Hirte lachte darüber weniger. Er hat's auch nicht halb so gut, wie seine Kollegen in der Lausitz, deren vergleichsweise simpler Herdenschutz effektiver ist. Er kann keine Zäune auf den Bergwiesen ziehen, keine Flatterbändchen spannen und 2 Hunde in den Hochsicherheitstrakt packen, dann zu Hause vor'm Fernseher darauf vertrauen, daß alles gut gehen wird. Er hat nur seine Hunde, eine unübersichtliche Landschaft, Wölfe, die nicht im deutschen Stangenforst über Rotwild stolpern, sondern ausgehungert sind. Falls dem deutschen Kollegen mal ein paar Schafe gerissen werden, bekommt dieser den Schaden ersetzt, der Tusche darf sich einmal mit dem Finger über die Nase streichen. Ein Schaf hat einen Gegenwert von ca. 100 €, das ist dort eine Menge Geld und er muß mit den Schafen seine Familie ernähren, Schulgeld für seine Kinder zahlen usw.
Nun könntest Du argumentieren, das ist da eben so, war es schon immer und wird immer so bleiben. War es nicht, denn zu Sowjetzeiten durfte der Hirte Wölfe schiessen, die seine Herde attackierten, er bekam noch eine Prämie. Ist nun vorbei, wenn er schiesst, ist es illegal, kostet einige tausend Dollar, wenn er erwischt wird. Ich glaube, unter diesen Umständen würdest selbst Du weniger romantisieren.
Man kann nicht im deutschen Wohnzimmer sitzen und locker über andere Länder urteilen, wenn man davon aber auch gar keinen Plan hat.
Wo ich Dir zustimme, ist das Posieren und Degradieren des Wolfes zur Trophäe, wie im verlinkten Bild. Für mich auch ein trauriger Anblick.
Aber eben auch nur für uns, dem Wolf ist das herzlich egal, er ist tot.
Man kann nicht ein bißchen Herdenschutz light aus der Lausitz, dessen Verluste zudem noch finanziell abgesichert sind, mit anderen Regionen vergleichen, in denen es die Menschen ungleich schwerer haben. Trotzdem haben diese hier Gescholtenen den Wolf nie ausgerottet, leben seit Ewigkeiten mit ihm und brauchen sicher keine Ratschläge von Laien, deren Wissen über Wolf, Bär, Herdenschutz aus Büchern und Foren stammt und in deren Land es gerade mal ein paar Jährchen einige Wölfe gibt.