Wie viel frisst ein Wolf (in Deutschland)?

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
jurawolf
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Wie viel frisst ein Wolf (in Deutschland)?

Beitrag von jurawolf »

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Grauer Wolf hat geschrieben:
Märkische Allgemeine hat geschrieben:...30 Tiere in der Region, führte der Damsdorfer Jäger Bodo Puschner am Freitagabend in Rietz an, fressen im Jahr rundgerechnet 45 Tonnen Fleisch...
Ergibt nach Adam Riese und Eva Zwerg 4,1 kg je Wolfsnase und Tag. Bißchen viel, wenn man plausible 3...4% des Körpergewichtes je Tag an Futterbedarf animmt... Aber da rundet man ja gerne a bisserl auf, wenn's ins Konzept paßt...
gemäss literatur kommen aber 4 kg pro tag für adulte wölfe aber hin, die zahl scheint mir nicht so hoch gegriffen. wobei ich aber nicht weiss, ob sich die zahl der 30 wölfe in der region nur auf adulte bezieht oder sich inkl. welpen versteht.
Grauer Wolf

Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von Grauer Wolf »

jurawolf hat geschrieben:gemäss literatur kommen aber 4 kg pro tag für adulte wölfe aber hin, die zahl scheint mir nicht so hoch gegriffen. wobei ich aber nicht weiss, ob sich die zahl der 30 wölfe in der region nur auf adulte bezieht oder sich inkl. welpen versteht.
Darüber kann man ja diskutieren... Mir erscheinen 4 kg, also 8...9% des Körpergewichtes sehr viel. Die Literaturwerte in Ehren, aber ich denke, es wird keiner die Wölfe vor und nach dem Essen gewogen haben. Die Beobachtungen der legendärten Großmahlzeiten liefen immer darauf hinaus, daß die Wölfe mangels Taschen oder Rucksäcken Futter im Magen zum Rendezvousplatz transportieren. Interessant wäre zu wissen, was der einzelne Wolf tatsächlich letztlich stoffwechselmäßig umsetzt.
Unsere Hunde (25 kg je Nase) erhalten bei körperlicher Anstrengung 500 gr. am Tag. Rechnet man das nach dem metabolischen Körpergewicht auf einen 50 kg Wolf hoch, so sind das 0,840 kg oder 0,84/50 oder 1,68% des Körpergewichtes. Gestehen wir den Grauen beim harten Leben im Freien den doppelten Bedarf zu, so landen wir tatsächlich bei 3...4%, sehr großzügig gerechnet 2 kg je Tag, die wirklich verbraucht werden... Ich glaube nicht, daß ich so sehr danebenliege... Ich denke mal, die 4 kg umfassen alles inkl. Abfällen, Verlusten und anderen 4-beinigen und geflügelten Kostgängern...
Wie auch immer, es ging mir um die Relationen. Da Gejammer der Jäger ist, wenn man wirklich nachrechnet, nur noch peinlich...

Gruß
Wolf
jurawolf
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Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von jurawolf »

die frage des nahrungsbedarfs wurde schon von einigen wissenschaftlern untersucht. werte unter 10% hat keiner festgestellt, den ich kenne, teilweise wurden gar werte bis gegen 20% ermittelt. die nutzung der kadaver durch andere tiere ist da nicht eingerechnet, sondern nur, was die wölfe effektiv gefressen haben. okarma hat dazu aber zumindest die hypothese aufgestellt, dass die verdauung der nahrung aber unvollständig ist, wenn sie in sehr grossen mengen aufgenommen wird (was bei wölfen bekanntlich der fall ist). wölfe wären in diesem fall also eher schlechte verwerter. okarma meint übrigens auch, dass der nahrungsbedarf lange zeit eher unter- als überschätzt wurde.
Grauer Wolf

Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von Grauer Wolf »

jagderleben.de hat geschrieben:...Das heißt aber nicht, dass er diese Menge auch frisst. Jens Karlsson, Wolfsforscher in Schweden, geht davon aus, dass ein Wolf pro Tag etwa 2 Kilogramm verzehrt und mit dieser Mahlzeit alle seine Lebensäußerungen bestreiten kann: also Körpertemperatur erhalten, verdauen, weite Strecken laufen, jagen, Welpen aufziehen - alles, was zum Leben gehört und immer Brennstoff braucht, sprich: Nahrung. Demnach würde ein Reh sogar eine ganze Woche für einen Wolf reichen.
...
aus http://www.jagderleben.de/praxis/wildku ... wolf_.html
also immerhin einer Jagdseite. Die Analyse liest sich halbwegs schlüssig, deckt sich einigermaßen mit meinem theoretischen Ansatz über das metabolische Körpergewicht (Der Hund ist biologisch nichts anderes als Canis lupus).
Es gilt einfach zu unterscheiden zwischen metabolischem Nahrungsbedarf und tatsächlich erlegter, lebender Beute (wenn man seriös bleiben will), die der Autor der Seite erst einmal mit 5.4 kg je (Lausitzer) Wolf und Tag ansetzt und sich dabei auf die Werte von Mech bezieht. Nur machte Mech seine Analysen im winterlichen Nordamerika, wo die Bedingungen ungleich härter sind und auch die Wölfe größer und schwerer. Imho sind für die ostdeutschen Wölfe tatächlich höchstens 4 kg lebende Beute anzusetzen, aber eben inklusive aller Abfälle und Kommensalen, wie weiter unten auf der Seite auch geschlossen wird.
Interessant ist dann auch die flächenbezogene Analyse im letzten Kapitel. Angesichts der Tatsache, daß die Jägerschaft kaum in der Lage ist, das Schalenwild auf einem ökologisch erträglichen Bestand zu halten, komme ich zu dem Schluß, daß für beide, Wölfe und menschliche Jäger, mehr als genug da ist und jegliche Jammerei reines Lobbytum resp. Politikum, das einer genauen Analsyse nicht standhält und nur dem Zweck dient, irgendwann Wölfe legal vor die Büchse zu bekommen...
Der Mensch will halt grundsätzlich alles nur für sich und ist nicht bereit, mit den Tieren zu teilen (scheint eine immanente Charaktereigenschaft zu sein: Der egoistische Affe läßt grüßen), selbst dann, wenn er selber dabei nichts verliert. Und selbst wenn die Jagdstrecken zurückgingen, ich darf daran erinnern, das heutzutage die Jagd nur Hobby ist und nicht Lebensnotwendigkeit wie bei den Beutegreifern!

Nachtrag: Werte von bis zu 20% des Körpergewichtes beruhen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf der Beobachtung, daß Wölfe am Riß sehr große Mengen Futter verschlingen können, um sie wegzutransportieren und am Rendevouzplatz den Welpen und "Kindermädchen" vorzuwürgen oder für schlechte Zeiten zu bunkern. Mit Nahrungsaufnahme im Sinne von Kalorienzufuhr hat das nichts zu tun. Aber so entstehen Legenden... Selbst 10% sind heftig und imho auf "Heißhunger" nach langen Hungerperioden zurückzuführen.
Die Hypothese von Okarma, daß Wölfe schlechte Futterverwerter sind, halte ich für eben das, eine Hypothese und zwar eine gewagte. Tatsächlich kann sich ein Beutegreifer, der zudem vorzugsweise in kalten Regionen lebt, daß nicht leisten und die Verwertung von Knochen zeigt, daß das Verdauungssystem von Canis lupus sehr aggressiv ist (wenn auch nicht so sehr wie z.B. das von Hyänen) und selbst das letzte Erg aus der Nahrung rauszieht. Gestützt wird das imho durch die lange Verweildauer der Nahrung im Verdauungstrakt, was auf hohe Ausnutzung hindeutet.

Gruß
Wolf
jurawolf
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Re: Wölfe in Brandenburg

Beitrag von jurawolf »

Grauer Wolf hat geschrieben:aus http://www.jagderleben.de/praxis/wildku ... wolf_.html
also immerhin einer Jagdseite.
aber aber, dass du etwas glaubst, was von jägern stammt, ist mir ja völlig neu :mrgreen:

die hypothese von okarma sagt nur, dass der wolf nicht alles verwerten kann, wenn er grosse mengen nahrung auf einmal aufnimmt, weil der verdauungstrakt damit mühe hat. das ist nicht so abwegig, da auch bei anderen tieren beobachtet.

wobei der wolf etwa im vergleich zum luchs dennoch deutlich grössere mengen an nahrung auf einmal aufnehmen kann, nicht nur wegen der grösseren körpergrösse, sondern auch relativ betrachtet. deswegen scheinen wölfe ihre risse weniger konsequent nutzen zu können als luchse. während der luchs täglich an den riss zurückkommen muss, kann der wolf seinen nahrungsbedarf direkt nach dem kill für ein paar tage decken und wenn er dann mal zurückkommt, ist von weiteren essern natürlich schon mehr verwertet, als wenn der luchs zum ersten mal zurückkomt. wobei dies hier nur am rande erwähnt sei, da es ja nicht direkt was mit dem nahrungsbedarf zu tun hat.

zum nahrungsbedarf noch eine andere quelle, die sich auf verschiedene untersuchungen stützt, und sagt: "Mindestens 3,25 Kilogramm Fleisch braucht ein Wolf täglich, sonst fällt sein Energiebudget ins Defizit" (Der Wolf - Ein Raubtier in unserer Nähe). gestützt ist diese zahl zwar auch auf studien aus nordamerika, allerdings nicht gerade aus den nördlichen gebieten, sondern aus minnesota (also daten von mech). die dortigen timberwölfe wiegen als adulte tiere aber nicht viel mehr als unsere, sprich zwischen 35 und 55 kg. die winter sind dank des kontinentalen klimas aber in der tat härter. nahmen die wölfe durchschnittlich weniger als 3.2 kg fleisch pro tag zu sich, schrumpfte das rudel. eine langzeitstudie ebenfalls aus minnesota, wo mehrere rudel redaiotelemetrisch überwacht und beoabchtet wurden und wo konsequent jeder kill rasch erfasst wurde, zeigte, dass pro wolf und tag gar 5 kg gefressen wurden.
aka

Re: Wie viel frisst ein Wolf (in Deutschland)?

Beitrag von aka »

Das ist hier wie am Stammtisch.....oder Frühschopppen..... :mrgreen:
Je abstruser die Theorien desto lustiger......

Würde vorschlagen im ersten besten Wildgehege anzurufen und fragen was die Tiere so täglich verspeisen und was an den Knochen rausgeschaft wird
- das gibt besseren Anhaltspunkt als der Blödsinn mit 500 Gramm Hundefutter als Maß der Dinge.

prost ! Zum Wohl !
jurawolf
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Re: Wie viel frisst ein Wolf (in Deutschland)?

Beitrag von jurawolf »

aka hat geschrieben:Würde vorschlagen im ersten besten Wildgehege anzurufen und fragen was die Tiere so täglich verspeisen und was an den Knochen rausgeschaft wird
das ist die wohl unprofessionellste aller aussagen in diesem thread bisher. den nahrungsbedarf eines wolfes in gehegen mit wildlebenden wölfen zu verlgeichen ist wie der bekannte vergleich zwischen äpfeln mit birnen.
Grauer Wolf

Re: Wie viel frisst ein Wolf (in Deutschland)?

Beitrag von Grauer Wolf »

aka hat geschrieben:Würde vorschlagen im ersten besten Wildgehege anzurufen und fragen was die Tiere so täglich verspeisen und was an den Knochen rausgeschaft wird
- das gibt besseren Anhaltspunkt als der Blödsinn mit 500 Gramm Hundefutter als Maß der Dinge.
Dir ist schon klar, daß Gehege-Wölfe erheblich weniger Aktivität zeigen als "meine" Hündin (oder sonst irgendein Hund, der körperlich gefordert wird), die mich täglich bei der Arbeit begleitet und pro Tag selten unter 3...4 Stunden und weniger als 10...15 km unterwegs ist?
Und was glaubst Du wohl, warum ich das metabolische Körpergewicht ansetze und einen 100%igen Aufschlag für die Belastungen in der Wildnis vorsehe?
Mein physiologischer Ansatz (Hund und Wolf sind biologisch eine Art!) ist nicht annähernd so dumm, wie Du ihn hier darstellst, und die Zahlen entsprechen im großen und ganzen z.B. denen von Jens Karlsson und anderen Wolfsforschern... ^^
Stammtische überlasse ich anderen, z.B. den Wolfsgegnern, die den Nahrungsbedarf von wilden Caniden oft maßlos überschätzen und was von 10 kg pro Tag faseln... :p

Gruß
Wolf
balin
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Re: Wie viel frisst ein Wolf (in Deutschland)?

Beitrag von balin »

Die Sportmediziner werden uns die Antwort geben können. Bei der Tour de France zahlt jedes menschliche Wesen mit in etwa dem Wolf vergleichbaren Gewicht drauf. Soviel, wie da geleistet wird, kann man garnicht essen. Wen einer mal gemessen hat, welchen Kalorienverbrauch ein Schlittenhund bei registrierter Leistung so zustande bringt, und der hat normalerweise kein Blutdoping, dann kann man den Wolf doch relativ gut abschätzen. Aus meiner aktiven sportlichen Zeit habe ich erstaunlichen Nahrungsbedarf in Erinnerung. Von der Hälfte bis zum Doppelten war da kein großer zeitlicher Abstand. Das war einfach von der Belastung abhängig. Tagesbedarf eines etwas vor unserer Zeit lebenden Holzfällers etwa 8000 kal, wir bringen es auf etwa 2000.
Bei mir vielleicht etwas mehr. Wenn man die durchschnittliche Laufleistung eines Wolfes oder besser eines Rudels einmal ermittelt hat, ist der Rest eigentlich nur eine Rechenaufgabe. Von den Hunden her weiss man doch über die Effektivität der Verdauung der Caniden fast das Maximum und wenn sie einen Hund mal auf das Laufband stellen, dann läßt sich der Rest auch klären. Ich behaupte, wir wissen das Wesentliche schon lange und brauchen es nur auf den Wolf umzurechnen.
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Amarok
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Re: Wie viel frisst ein Wolf (in Deutschland)?

Beitrag von Amarok »

jurawolf hat geschrieben:gemäss literatur kommen aber 4 kg pro tag für adulte wölfe aber hin, die zahl scheint mir nicht so hoch gegriffen ...
So ist es, dass ist ein realistischer Wert. Dabei muss man sich vor Augen halten: 4 kg/Wolf/Tag auf 20.000 - 30.000 ha. Natürlich bleibt dabei die Beutetierverteilung auf der genannten Fläche unberücksichtigt.
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