"Fakten" und Fakten

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Nina
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"Fakten" und Fakten

Beitrag von Nina »

Gerade haben mal wieder ein paar Weidetierhalter vor dem Niedersächsischen Landtag gegen die aktuelle Wolfspolitik demonstriert. Darunter auch der Vorsitzende des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung, der sich zuletzt im November vergangenen Jahres mit seinem Film "Echte Fakten über Wölfe" denn auch "rege Diskussionen bei Menschen aller Altersstufen" erhoffte. Wie es um die "Fakten" derzeit tatsächlich bestellt ist, ist allerdings leicht nachprüfbar - und erstaunt.
Für den Vorsitzenden des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung, Wendelin Schmücker, ist hingegen klar: "Die ungebremste Ausbreitung der Wölfe und die Untätigkeit der Bundespolitik fordern immer mehr Opfer."

NDR, 29.04.2022: Protest vor Landtag: Weidetierhalter gegen Wolfs-Ausbreitung https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... er102.html
Viele seiner Kollegen hätten längst aufgegeben. Weidetierhaltung gehe nur ohne den Wolf.

NDR, 29.04.2022: Protest vor Landtag: Weidetierhalter gegen Wolfs-Ausbreitung (Filmbeitrag) https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... er102.html
Immer mehr Wolfsopfer? Immer mehr Schäfer geben auf? Ernsthaft? Die Zahlen sprechen ein anderes Bild:
Obwohl die wachsende Wolfspopulation eine Gefahr für die Weidehaltung von Schafen bedeutet, hat die Zahl der Schafe und der Schafhalter in Niedersachsen zuletzt zugenommen. Insgesamt 987 Betriebe hielten im vergangenen Jahr fast 164.400 Tiere, von denen nahezu 50.000 im November unter einem Jahr alt waren. Die Anzahl habe damit im Vergleich zu 2020 um fast 6,0 Prozent zugenommen, berichtet das Landesamt für Statistik in Hannover in der neuesten Ausgabe der Statistischen Monatshefte. Die Zahl der Betriebe erhöhte sich ebenfalls im Vorjahresvergleich um 6,2 Prozent.

RTL, 06.04.2022: Zahl der Schafe in Niedersachsen nimmt zu https://www.rtl.de/cms/zahl-der-schafe- ... 49086.html
Die Risszahlen von Schafen gingen gleichzeitig um 56% zurück.
2020 wurden noch 1144 Schafe von Wölfen getötet. 2021 waren es 499 (56 % Rückgang).

Christian Meyer, Bündnis 90/Grüne, Pressemeldung Nr. 21 vom 13.04.2022: Herdenschutz wirkt – Deutlich weniger Nutztierrisse durch Wölfe https://landtag.christian-meyer-gruene. ... oelfe.html
So sind die überprüfbaren Zahlen. Da hilft leider auch kein Anti-Wolf-Promofilm, in denen echte Fakten durch individuell "erlebte Fakten" ersetzt werden:
„Mit der Dokumentation „Echte Fakten über Wölfe“ will der Förderverein der Deutschen Schafhaltung für Aufklärung sorgen: Der Verklärung setzen wir „erlebte“ Fakten entgegen – und die Einschätzung von Wolfsexperten.

Celler Presse, 22.11.2022: Schafhalter liefern mit Film „echte“ Fakten über Wölfe – Pünktlich zur UMK – Schmücker: „Koexistenz ist nur mit Regulierung möglich!“ https://celler-presse.de/2021/11/22/sch ... -moeglich/
Erlebte Fakten, klar...
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Nina
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Re: "Fakten" und Fakten

Beitrag von Nina »

Bei Niedersachsens "schlimmster Wolfsattacke" mit angeblich 70 toten Schafen, die der "Wolf" auch noch seltsam aufgestapelt hatte - mit den noch lebenden Schafen ganz oben auf dem Stapel, wie in dem vom Schäfer veröffentlichten Video zu sehen ist - wurde von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen nach Überprüfung nun als amtliches Feststellungsergebnis "kein Wolf" festgestellt. Ergebnis stattdessen: "Hund". Das Schreiben der Landwirtschaftskammer hat der Schäfer selbst auf Facebook gepostet.

https://www.facebook.com/photo.php?fbid ... =3&theater

Demnach setzten sie die "70" toten Schafe aus 17 toten, 3 verletzten und 7 verschollenen Schafen zusammen. Macht 27. Also knapp 70.

Der vermeintliche "Wolf" wurde also mal wieder voreilig gebrandmarkt. Hier mal ein paar schöne Beispiele, was die Schreiberlinge und Niedersachsens oberster Umweltpolitiker sich da wieder vorschnell einfallen liessen:
Schäfer erlebt bisher schlimmste Wolfs-Attacke in Niedersachsen

[...] „Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass uns noch immer das geeignete rechtliche Instrumentarium fehlt, sagte Olaf Lies. Der Wolf ist kürzlich ins Jagdrecht aufgenommen worden. Die Ampel-Koalition habe Regelungen für ein regionales Wolfsmanagement in Aussicht gestellt.
„Ich fordere dringend die bundesrechtliche Umsetzung“, so Lies. Sonst drohe die Stimmung in den besonders betroffenen Regionen vollends zu kippen.


Land und Forst, 31.05.2022: Schäfer erlebt bisher schlimmste Wolfs-Attacke in Niedersachsen https://www.landundforst.de/landwirtsch ... sen-567447
Verheerende Blutattacke tötet mehr als 70 Schafe – Bauer äußert Verdacht

Über 70 tote Tiere: In Niedersachsen haben mutmaßlich Wölfe eine Schafsherde angeriffen. Die Aufnahmen des Schäfers zeigen das Ausmaß des Angriffs.


t-online, 31.05.2022: Verheerende Blutattacke tötet mehr als 70 Schafe – Bauer äußert Verdacht https://www.t-online.de/tv/nachrichten/ ... sert-.html
Nachdem zahlreiche Schafe in Berge im Landkreis Osnabrück mutmaßlich von Wölfen gerissen wurden, prüft das niedersächsische Umweltministerium den Vorfall. [...] Am Wochenende haben mutmaßlich Wölfe auf einer Weide zwischen Berge und Herzlake nach Angaben des niedersächsischen Umweltministeriums 16 Schafe getötet. Zähle man die ungeborenen Lämmer mit, seien mindestens 25 Tiere den Rissen zum Opfer gefallen. Darüber hinaus würden noch mindestens sechs Lämmer vermisst. Schäfer Kai Mithöfer spricht davon, dass er mindestens 70 Tiere verloren hat. Zudem seien 18 Lämmer in den Tagen nach dem Wolfsangriff tot geboren worden. Wenn die Ergebnisse der DNA-Analyse vorliegen und es tatsächlich ein Wolf war, dann wäre es der folgenschwerste Vorfall in Niedersachsen. [...] Schäfer Mithöfer wird den Anblick vom Wochenende so schnell wohl nicht los: Als er auf die Weide kam, wo die Schafe zur Landschaftspflege eingesetzt werden, fand er zahlreiche Schafskadaver vor, berichtet er. Auch einige schwer verletzte, aber noch lebende Tiere waren darunter. "Das war unfassbar, was ich da gesehen habe, so etwas habe ich noch nicht mitgemacht", sagte er dem NDR in Niedersachsen.

NDR, 01.06.2022: Mutmaßliche Wolfsattacke: NABU rät zu besserem Herdenschutz https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... fe694.html
Dass Wölfe Beute vergrabn, war mir geläufig. Dass sie ihre Beute "aufstapeln", kam mir gleich etwas seltsam vor. Und ich frage mich: Ob die Medien jetzt das aktuelle amtliche Feststellungsergebnis der Landwirtschaftskammer ähnlich plakativ aufgreifen und ausführlich daüber berichten werden?
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