Wie die Altmark-Zeitung (Allgemeine Zeitung) heute berichtet, ist im niedersächsischen Eimke (wo gerissenen Schafen in einer als eine Art "Soldatenfriedhof" anmutenden "Gedenkstätte" in Form von 91 anonymen weißen Holzkreuzen gedacht wurde) schon wieder ein vermutlich illegal erschossener Wolf aufgefunden worden.
Dazu fiel mir spontan die wissenschaftliche Ausarbeitung von dänischen Wissenschaftlern der Universität Aarhus und des Naturhistorischen Museums in Aarhus ein, die in einer Stellungnahme hinsichtlich der "kryptisch überhöhten Sterblichkeit" (insbesondere durch illegale Tötungen) von Wölfen in Dänemark auch der Politik eine klare Mitverantwortung zugeschrieben haben: So könnten negative Aussagen der Umweltminister, ob nun beabsichtigt oder nicht, in der Bevölkerung den Eindruck erwecken, dass Selbstjustiz zur Problemlösung mehr oder minder geduldet sein könnte.¹ So hätten drei Umweltminister, Lea Wermelin (Sozialdemokraten), Jakob Ellemann-Jensen (Venstre = Liberale) und Esben Lunde Larsen (Venstre = Liberale) in ihren Amtsreden geäussert, dass es ihnen am liebsten gewesen wäre, der Wolf wäre niemals nach Dänemark zurückgekehrt. Dies könne, so die Wissenschaftler, von Teilen der Lokalbevölkerung dazu missverstanden werden, das "Problem" in die eigene Hand zu nehmen.In der Gemeinde Eimke hat ein Jäger bereits am Mittag des Silvestertages einen offenbar illegal abgeschossenen Wolf auf einem Acker gefunden. Das hat die Polizeiinspektion Lüneburg/Lüchow-Dannenberg/Uelzen am Monat mitgeteilt. [...] Womöglich also war das Tier bereits Tage vorher geschossen worden. [...] Umweltminister Olaf Lies reagierte auf AZ-Anfrage auf die Nachricht vom Abschuss des Wolfes in Eimke: „Für den Bereich gibt es derzeit keine gültige Ausnahmegenehmigung, einen Wolf zu töten. Wir müssen zunächst die weiteren Untersuchungen des Kadavers abwarten und schauen, was die Polizei ermittelt. Klar ist für mich persönlich aber auch: Wurde der Wolf tatsächlich illegal erschossen, dürfen wir das nicht einfach hinnehmen. [...] Wer sich nicht an diese Regeln hält, muss entsprechend zur Verantwortung gezogen werden. Selbstjustiz gegenüber dem Wolf dürfen und werden wir in Niedersachsen nicht zulassen.“
az online, 03.01.2022: UPDATE: Wolf illegal in Eimke getötet – Minister Lies: „Selbstjustiz nicht zulassen“ https://www.az-online.de/uelzen/stadt-u ... 13653.html
Darauf angesprochen, wies Lea Wermelin entschieden zurück, jemals zur Selbstjustiz aufgerufen zu haben und es in Zukunft zu tun. Sie bleibe aber dabei, dass es ihr lieber gewesen wäre, der Wolf wäre nicht nach Dänemark zurückgekehrt, "weil wir doch nur so ein kleines Land sind".¹Nicht nur die jeweiligen Haltungen, sondern auch undokumentierte Behauptungen wie z. B., dass der Wolf künstlich angesiedelt worden sei, erhalten immer wieder Unterstützung auch von Politikern, Ministern und anderen Meinungsbildnern (Sonne et al. 2019). Beispiele für eine negative Meinungsgestaltung, die unbeabsichtigt Zweifel an der Ernsthaftigkeit staatlicher Artenschutzbemühungen nährt, sind die Äußerungen der letzten drei Umweltminister in ihren Amtsreden, dass man es am liebsten gesehen hätte, wäre der Wolf nicht nach Dänemark zurückgekehrt. Diese Aussagen spiegeln eine vermutlich verbreitete politische Haltung wider, die - ob nun beabsichtigt oder unbeabsichtigt - zu der Wahrnehmung beitragen kann, dass die illegale Tötung von Wölfen selbst von den höchsten verantwortlichen politischen Instanzen nicht ernsthaft verurteilt werde.
Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi , H. P. Hansen, C. Munch Schrøder, P. Sunde, K. Olsen, 18.01.2021: Tiltag mod ulovlig efterstræbelse af ulv, Fagligt notat fra DCE – Nationalt Center for Miljø og Energi, Seite 9 https://dce.au.dk/fileadmin/dce.au.dk/U ... 021_05.pdf
In Deutschland sind inzwischen 71 illegale Wolfs-Tötungen dokumentiert, darunter 10 in Niedersachsen sowie 5 zusätzliche Abschüsse in Form von "Management-Maßnahmen", von denen vier auf die geheimen "Ausnahmegenehmigungen" des derzeitigen niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies zurückzuführen sind, deren Rechtmäßigkeit nicht abschließend juristisch geklärt ist.
Aber welche Äußerungen hat der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies getätigt, die entsprechende einschlägige Kreise der Bevölkerung als Ermunterung oder zumindest als Signal der Duldung illegaler Wolfstötungen gedeutet haben könnten? Eine kleine Auswahl zur diesbezüglichen individuellen Entscheidungsfindung:
Umweltminister Lies: Die Wolfs-Untergrenze ist längst überschritten
Rundblick - Politikjournal für Niedersachsen, 23.11.2021: Umweltminister Lies: Die Wolfs-Untergrenze ist längst überschritten https://www.rundblick-niedersachsen.de/ ... schritten/
Umweltminister Lies fordert erneut Obergrenze für Wölfe
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) hat noch einmal gefordert, die Menge der Wölfe zu begrenzen. Nach der Sommerpause will er ein Gutachten vorlegen.
Lies will damit die Frage klären, wie viele Wölfe Deutschland braucht, um die Population nicht zu gefährden. Eigentlich sei dafür der Bund zuständig - doch der mache es nicht, deshalb werde Niedersachsen selbst aktiv. Der Umweltminister blickt unter anderem auf Frankreich, wo Wölfe geschossen werden dürfen.
NDR, 20.08.2021: Umweltminister Lies fordert erneut Obergrenze für Wölfe https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f4568.html
Umweltminister Olaf Lies sieht Handlungsbedarf
[...] Im Jahr 2012 siedelte sich das erste Wolfspaar in Niedersachsen an, mittlerweile sind es dem Minister zufolge 36 Rudel mit mindestens 350 Tieren. „Diese Veränderung beunruhigt“, sagte Lies. Die Zahl der Nahbegegnungen und der Risse von Nutztieren werde weiter zunehmen. [...] Das Umweltministerium lässt zudem derzeit in einem Gutachten klären, wie viele Tiere für den Erhalt der Art erforderlich sind. Dann könnte eine Obergrenze für Wölfe definiert werden.
MK Kreiszeitung, 14.10.2021: Umweltminister Olaf Lies sieht Handlungsbedarf - Wolf ganz nah: Menschen in Niedersachsen berichten von 64 direkten Begegnungen https://www.kreiszeitung.de/lokales/nie ... 49786.html
Minister Olaf Lies: "Wir riskieren die Weidetierhaltung für den Wolf"
Deutschland hat ein Wolfsproblem. Immer mehr Weidetiere werden gerissen und immer öfter tauchen Wölfe in direkter Menschennähe auf. Wie soll es weitergehen? Ein Interview mit dem niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies. [...]
Herr Lies, gehen Sie noch unbeschwert im Wald spazieren?
Ich persönlich tue das. Aber ich glaube, das liegt eher daran, dass ich nicht weiter darüber nachdenke.
Und wenn jemand anderes Sie um Rat fragt?
Das finde ich schon schwieriger. Wir alle kennen inzwischen die Bilder von Wölfen, die sich Menschen bedenklich nähern. Auf jeden Fall muss man sich also überlegen: Wie reagiere ich im Fall der Fälle?
[...] Warum setzen Sie sich so sehr für ein verändertes Wolfsmanagement ein?
Die jetzige Entwicklung kann so nicht weitergehen. Wir riskieren den Fortbestand der Weidetierhaltung. Das können wir uns nicht leisten. Durch sie haben wir ein unglaubliches Mehr an Artenvielfalt. Und Weidetiere sind unverzichtbar, damit unsere Kulturlandschaft überhaupt gepflegt bleibt.
agrarheute, 18.05.2021: Minister Olaf Lies: "Wir riskieren die Weidetierhaltung für den Wolf" https://www.agrarheute.com/politik/mini ... olf-581285
Angriff im Kreis Osterholz: Umweltminister verspricht Wolfsabschüsse
[...] Für den Abschuss wird es eine Ausnahmegenehmigung geben, sagte Lies. [...] In der betroffenen Küstenregion gibt es laut Lies zwei Rudel. Je Rudel könne ein Tier getötet werden. Dadurch sollen die Wölfe lernen, dass der Mensch eine Gefahr ist und so zurückgedrängt werden.
NDR, buten un binnen, 11.12.2021: Angriff im Kreis Osterholz: Umweltminister verspricht Wolfsabschüsse https://www.butenunbinnen.de/nachrichte ... t-100.html
Auch Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) ist für eine Obergrenze. Benötigt werde ein Grenzwert, bis zu welcher Zahl der Wolf in der Kulturlandschaft akzeptiert werde. Liege die Zahl über der Akzeptanzgrenze, müsse der Bestand reguliert werden.
MK Kreiszeitung, 31.08.2021: Wölfe in Niedersachsen: Schafhalter schlagen Alarm – „Schutz unmöglich“ https://www.kreiszeitung.de/lokales/nie ... 52513.html
Gibt es schon zu viele Wölfe? - Politik streitet über Management
[...] Minister Lies setzt jetzt auf die Unterstützung niedersächsischer Jäger. Wie viele Wölfe wegen ihres problematischen Jagdverhaltens derzeit zum Abschuss freigegeben sind, verrät das Ministerium nicht.
HAZ, 01.01.2021: Gibt es schon zu viele Wölfe? - Politik streitet über Management https://www.haz.de/Nachrichten/Der-Nord ... Management
Wolfs-Untergrenze längst überschritten, der Bund handele nicht, Niedersachsen müsse "selbst aktiv werden, die angeblich hohe Zahl der Wölfe würde "beunruhigen", Frankreich dürfe auch schiessen, unbeschwerte Waldspaziergänge seien nur möglich, wenn man "nicht nachdenke", Wölfe gefährdeten die Weidetierhaltung und den Artenschutz und das gepflegte Erscheinungsbild unserer Kulturlandschaft, es bestehe "Handlungsbedarf", je Rudel könne ein Tier getötet werden, verspricht Wolfsabschüsse, es brauche eine "Akzeptanzgrenze", es gebe zu viele Wölfe, man setze auf "die Unterstützung der niedersächsischen Jäger" und einzelne Entnahmen würden zukünftig sowieso nicht mehr ausreichen...Landtag: Abschuss von Wölfen soll einfacher werden
Einzelne Entnahmen von Tieren, die Probleme verursachen, würden in Zukunft nicht mehr reichen, sagte SPD-Umweltminister Olaf Lies.
NDR, 18.02.2021: Landtag: Abschuss von Wölfen soll einfacher werden https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f4454.html
Wie wolfsablehnende einfache Gemüter aus den Reihen der Hobbyjäger wohl auf dieses Framing des Umweltministers reagieren mögen?
¹ DR, 10.02.2021: Danske ulve ramt af 'kryptisk høj' dødelighed: Ministre beskyldes for medansvar - Forskere kritiserer ministre for indirekte accept af selvtægt https://www.dr.dk/nyheder/regionale/mid ... skyldes#!/