Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
zaino
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Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Beitrag von zaino »

Hi, Leute,

da ich mich mehr in den Wäldern und weniger unter Menschen herumtreibe, C-bedingt, und ich kürzlich mehr über Wölfchen in Bayern gehört habe, stelle ich mal diese Frage in den Raum. Sie laufen ja recht weit so in einer Nacht. Bewegen sie sich da "konzentrisch" um ihr Kernrevier, machen sie Streifzüge, und wenn ja, wie groß sind die Kreise, die sie da ziehen?
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Zaino, Du weißt inzwischen genug über Wölfe, um Dir diese Frage selbst zu beantworten.

Da kein Wolfsgebiet auf der Welt aus einer homogenen, ebenen Gras- und Waldlandschaft mit ebenso homogen verteilten Beutetieren besteht, wird just aus Gründen der Vereinfachung ein Streifradius von ca. 8 km (200 km²) von einem imaginären Mittelpunkt aus angenommen, mit dem ein Wolfsmanagement arbeiten muss - ausgehend von Eckdaten, wo überall belegbare, zusammenhängende Nachweise von Wolfsaktivität vorhanden sind. Kein Territorium ist kreisrund, sondern passt sich Gelände, Beuteverteilung und -Dichte an.

Zum Zweiten gibt es für mich auch erstmal keinen Grund zur Annahme, dass das Territorium deutlich kleiner wäre, auch wenn sich da nur ein mühsames Eichhörnchen nähren muss. :) Zumindest fällt mir dazu auch aus der Literatur nichts ein.
Wenn Interesse besteht, kann ich mich mal um Karten bemühen, die da per GPS für Individuen erstellt wurden; davon gibt es mittlerweile ja schon einiges an Material.
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SammysHP
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Re: Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Beitrag von SammysHP »

Eine interessante Frage. Meistens ist das besenderte Tier Teil eines Rudels oder ein Einzeltier auf Wanderung. Gab es auch besenderte standorttreue Einzeltiere?

Ich kann mir vorstellen, dass es schon einige Unterschiede gibt. Soziale Interaktionen fallen weg, dafür ist vielleicht mehr Bewegung in den Randbereich.
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Die sozialen Interaktionen definieren sich ja eher im Kernbereich eines Territoriums, meinte ich, und nicht, wie weit der Wolf für seinen Snack wandern will. Generell aber wird das Bewegungsmuster wohl anders sein, ja.
Zur Frage besenderter standorttreuer Einzeltiere müsste ich auch mal graben, bin aber gewiss, dass da mindestens in den USA schon viele Daten erhoben wurden. Bei den ganzen Büchern mittlerweile kann ich das nur gerade nicht mehr auseinanderhalten, bei welcher Studie Einzelwölfe die Rolle spielten, und wo nicht. ^^

Nach kurzer Überlegung fällt mir hier Thiel's "Keepers of the Wolves" ein, wo sich mir der Eindruck ergab, dass da Einzelrüden besendert wurden - Mailman, Loafer, und andere. Ich schaue später da noch mal rein.
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zaino
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Re: Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Beitrag von zaino »

Danke, Sammy, für Dein Verständnis, dass es da Unterschiede geben könnte. Dass das Revier homogen und die Kreise wie mit dem Zirkel gezogen, hab ich nie angenommen.
Aber danke, dass mir die "dumme Frage" auch bestätigt wurde.
Ich habe halt nur eine imaginäre Karte über mein persönliches Lieblingsrevier gelegt, im Geiste, und überlegt, wie weit das Wölfchen herumzieht für einen Snack oder auf der Suche nach einem Gefährten womöglich?
Mit den 8 km kann ich schon was anfangen mit Karte und eigener Vorstellung. Ist weniger als ich dachte.
Und nein, das Einzeltier, um das es geht, ist standorttreu und eben nicht besendert.
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Generell sind die Territorien im Winter etwas ausgedehnter als im Sommer, wie diverse Autoren gezeigt haben (beispielsweise Brandell et al., 2020), und können zwischen 50 bis 350 km² variieren. Siehe auch WolfsWiki ( ;) ) DBBW:
In Mitteleuropa sind Reviergrößen von 100-350 km² Größe bekannt. In Gebieten mit sehr geringer Beutetierdichte wie z.B. in Nordsibirien und Nordkanada, aber z.T. auch in Skandinavien sind dagegen Territorien von über 1000 km² nachgewiesen.

DBBW 2021; https://dbb-wolf.de/mehr/faq/was-ist-ei ... oss-ist-es
Je nachdem, wie diszipliniert sich die dörflichen Gemeinschaften mit ihrem Müll verhalten, reichte es im bösen Falle nur mit dem Abstecher zwei Kilometer in die nächste Schlucht, um sich dort an den Tonnen bei den Schlacht- oder Hausabfällen gütlich zu tun. :dead: Aber das Thema hatten wir hier ja auch schon.

Auf den Punkt zur (nicht vorhandenen) homogenen Verteilung kam ich deswegen, weil Du "konzentrisches" Streifmuster eingeworfen hattest. Ganz heruntergebrochen: wenn Wölfchen seine Kernzone mitten in einem Tal hat, dann kraxelt er halt nicht jede Nacht spiralig spazierend den Berg hoch und runter. ^^
- Es sei denn, es werden bei euch öfter illegal Metamphetamine in den Vorflutern entsorgt. Was wissen wir schon, was so ein Wolf auf Koks anstellt?!
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Ich muss doch meine eigene Überlegung zur Größe des Territoriums für Einzeltiere in Frage stellen. Ich ging zunächst davon aus, dass (bei uns) die Dichte an Beutetieren in einem einmal abgesteckten Territorium eines Einzelwolfes auch für ein Paar, später auch etwas Nachwuchs reicht.

Nun denkt sich Wolf aber nicht "Ich will einmal 12 quengelige, laute Kniebeißer-Kinder haben!", und steckt sich danach die entsprechenden Feldgrößen ab. Wie verhält es sich tatsächlich, wenn Beutetiere in einem Gebiet langsam zu rar werden (aus welchen Gründen auch immer), das von anderen Territorien mit gleich starken Rudeln umschlossen ist?
Aus vielen Beobachtungen von Rudeln in den Nationalparks der USA sind inzwischen Wolfskriege überliefert, wo Familien ausgelöscht wurden. Wie flexibel aber verlaufen die Grenzen wirklich? Vor allem, wenn hierzulande wie erwähnt keine Not herrscht, Beute zu finden? Zu der Frage muss ich erst einmal passen. :/
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Lutra
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Re: Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Beitrag von Lutra »

Meine ganz persönlichen Überlegungen dazu. Es wird wohl auch ein Unterschied sein, ob der territoriale Einzelwolf sich bei uns hier in der Lausitz zwischen zwei Rudelterritorien zwängt oder wie in Bayern echt einsam irgendwo ein Gebiet gefunden hat, was ihm zusagt. Im ersten Fall muss er wohl eher vorsichtig sein mit weiten Ausflügen. Im zweiten Fall könnte ich mir durchaus vorstellen, dass er sehr weite Wanderungen unternimmt. Er ist ja auch auf Partnersuche.
zaino
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Re: Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Beitrag von zaino »

Tja, das wird noch spannend... geht um eine einfache Strecke von hm, maximal 30 km, über die ich rätsle.
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Nina
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Re: Dumme Frage? Wie groß ist der "Radius" eines standorttreuen Einzelwölfchens eigentlich?

Beitrag von Nina »

Naja, das vermeintlich große Interesse der Wölfe an Mülltonnen scheint in Deutschland ja eher eine Brandenburger Spezialität zu sein:
Dort wo sie nicht mit anderen Wölfen in Konflikt kommen, und dort wo viel Beute ist - also auch in den stadtnahen Wäldern rund um die Metropole Berlin.
Diese Entwicklung komme zwangsläufig, sagt Gregor Beyer vom Forum Natur Brandenburg: Hundert Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt ist der optimale Lebensraum der Wölfe, sagt er. Weidetiere, Mülltonnen und damit Essensreste: immer ein gedeckter Tisch. "Wäre ich Wolf, würde ich hier leben wollen", sagt Beyer.


rbb24, 03.11.2021: Wenn der Wolf bis fast ins Dorf kommt https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2 ... -2021.html
Leider interessiert es nur wenige Menschen, dass die gelben Säcke - nachts draußen stehend - häufig zur Todesfalle für nahrungssuchende Igel werden. Manchmal kann man am Abfuhrmorgen zudem beobachten, dass auch Elstern mit ihren Schnäbeln auf den Kostbarkeiten im gelben flattrigen Gewand einkloppen. Ansonsten sind die Straßen ab dem Abend vor dem Abfuhrtag mit gelben Säcken zugepflastert, aber die Wölfe waren trotz naher Nachbarschaft da noch nicht dran.
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