Familienmitglieder

Über freilebende Wölfe in Deutschland.
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Nina
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Familienmitglieder

Beitrag von Nina »

“Viele Nutztierhalter denken mittlerweile ans Aufhören”, berichtete Heinrich Witthöft. “Jeder Wolfsriss ist für uns nicht nur finanziell, sondern auch emotional eine große Belastungsprobe, denn wir hängen alle an unseren Tieren. Sie sind schließlich Familienmitglieder und den Anblick von gerissenen Tieren vergisst keiner so schnell.”

Walsroder Zeitung, 10.02.2021: CDU-Landtagsabgeordnete Gudrun Pieper lädt zur Diskussionsrunde zum Thema Wolf, Heinrich Witthöft aus Wietzendorf äußert sich “Viele Nutztierhalter denken ans Aufhören” https://www.wz-net.de/lokales/viele-nut ... 3-21-.html
Wenn der Wolf ins Spiel kommt, haben alle ihre Tiere immer sooo lieb. Aber so ist das mit der Familie - die kann man sich bekanntlich nicht aussuchen, und die Nutztiere schon gar nicht. Vielen werden soooo liebgehabt, dass sie sogar eine Fernreise in sonnige Gefilde geschenkt bekommen; allerdings nur als Oneway-Ticket.

Niedersächsische Landkreise Emsland und Aurich als Drehkreuz für tierquälerische Schlacht-Tiertransporte in Drittländer:
Ausgemergelte Tiere, die tagelang in beengten Viehtransportern stehen und vor Durst brüllen. Vieh, das auf brutale Weise ohne Betäubung geschlachtet wird. Solche Verhältnisse prangern Tierschützer schon seit Jahren an. [...] Einige wenige allerdings gibt es, die trotz aller Kritik an den Transportbedingungen nach wie vor regelmäßig Exporte genehmigen - und die wegen ihrer Laissez-faire-Haltung ihre Landkreise zu Viehexport-Drehscheiben gemacht haben.
Erstmalig konnte ein Rechercheteam vom RBB und dem ARD-Mittagsmagazin einen Datensatz auswerten, der zeigt, welche Landkreise das sind. Die Recherchen belegen auch: Exporteure nutzen diese Schlupflöcher und bringen Rinder gezielt dorthin.
[...] In dreizehn dieser Länder wurden im Zeitraum von Januar 2019 bis Februar 2020 aus den Landkreisen insgesamt 33.440 Rinder verbracht. [...] Brisant ist, dass Tiere auch aus jenen Bundesländern über diese Landkreise verbracht werden, die explizit Exporte in die Tierschutz-Hochrisiko-Staaten ablehnen.

tagesschau, 16.07.2020: Tiertransporte Eine Qual - mit amtlicher Genehmigung https://www.tagesschau.de/investigativ/ ... e-107.html
Mal so zum Vergleich: Wölfe haben sich 2019 bundesweit gerade einmal 127 Rinder geholt.*

Jedes Jahr werden Hunderttausende Rinder, die auf den Höfen ihrer "Familie" vorzeitig verendet sind, feierlich und pietätvoll beigesetzt:

Anzahl verendeter Rinder in Deutschland, die in Tierkörperbeseitigungsanlagen entsorgt wurden:

2014: 527.721
2015: 547.713
2016: 579.111


Und Schweine als liebevoll umsorgte Familienmitglieder:
Nach der in Deutschland durchgeführten Studie stellte der Befund einer hochgradigen allgemeinen Auszehrung einen der häufigsten Hinweise auf länger anhaltende Leiden dar. Häufig waren auch chronische Erkrankungen des Bewegungsapparates (v. a. eitrige Gelenkentzündungen) oder der Haut (v. a. infizierte Bissverletzungen) festzustellen. [...] Der zitierten Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover zufolge waren bei 13,2 Prozent von insgesamt 485 untersuchten Mastschweinen und bei 11,6 Pro-zent von insgesamt 128 untersuchten Zuchtschweinen Befunde zu erheben, bei denen davon auszugehen war, dass sie mit länger anhaltenden erheblichen Schmerzen und/oder Leiden verbunden waren. [...] Nach der genannten Studie waren bei 61,8 Prozent der insgesamt 165 Schweine mit Anzeichen einer Tötung erhebliche Mängel bei der Betäubung und/oder Tötung festzustellen.

Bundestagsdrucksache 19/1756 vom 19.04.2018: Tierschutzrelevante Befunde aus Verarbeitungsbetrieben für tierische
Nebenprodukte
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/017/1901756.pdf
Müssen wir bei den Puten als Familienmitgliedern demnächst von "häuslicher Gewalt" sprechen?
Animal Rights Watch (ARIWA) veröffentlicht heute neues, grausames Videomaterial aus zwei Putenmastanlagen von Europas größtem "Putenerzeuger" und Deutschlands einflussreichstem "Geflügel"-Lobbyisten. Die Bilder aus zwei Standorten des Unternehmens in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zeigen Puten, die totgeknüppelt oder mit einem Bolzenschneider getötet werden; Puten, die langsam und qualvoll sterben; Puten, die wie Fußbälle zum Schlachttransport getreten werden und denen Arbeiter zum Spaß die Schwanzfedern ausreißen. All das ist Alltag, nicht nur hier. [...] Mit einem Knüppel prügeln Arbeiter auf kranke und schwache Puten ein. Mit zertrümmertem Schädel und hilflos flatternd leiden die Tiere noch minutenlang. [...] Auch beim sogenannten "Ausstallen", dem Verladen für den Transport zum Schlachthof, zeigen die Aufnahmen, wie zahlreiche Tiere brutal getreten und in den wartenden LKW geworfen werden. Arbeiter bewerfen sich zum Spaß mit Schwanzfedern, die sie den Puten ausgerissen haben. Andere Arbeiter versuchen Tieren, die den Weg zum Schlachthof nicht mehr schaffen, noch in den Masthallen den Hals mit einem Bolzenschneider zu durchtrennen. Schwer verletzt, werden die Tiere einem minutenlangen Todeskampf überlassen.

Finanznachrichten, 02.02.2021: Alltägliche Gewalt gegen Tiere bei Europas größtem Putenerzeuger https://www.finanznachrichten.de/nachri ... er-007.htm
Nochmal zum Eingangszitat: “Viele Nutztierhalter denken mittlerweile ans Aufhören”, wegen des Wolfs, wohlgemerkt. Aber bei dem Satz für sich denkt man nur: Ja, bitte, bitte, setzt es auch in die Tat um.. Eure Familienmitglieder würden es danken. Die mit Fell, Borsten und Federn auf jeden Fall.


* DBBW, Bericht zu Prävention und Nutztierschäden 2019 https://www.dbb-wolf.de/mehr/literatur- ... erschaeden
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Nina
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Re: Familienmitglieder

Beitrag von Nina »

Die derzeitigen Witterungsverhältnisse bedeuten für viele Lämmer den Tod durch Erfrieren, da die Lammzeit aus wirtschaftlichen Gründen (saisonal höhere Preise zur Schlachtzeit) oft in die Wintermonate gelegt wird. Bei Stallhaltung eher unproblematisch, bei Freilandhaltung ohne Witterungsschutz tödlich.
Bereits am Sonntag (6. Februar) berichten die Tierschützer von „Arche90“ aus Dortmund über „halb erfrorene und fast verhungerte“ Lämmer, die sie auf einer Weide in Castrop-Rauxel entdeckt haben. Weil sie dort bereits im Frühjahr 2020 tote und kranke Tiere gefunden hatten, behalten die Tierretter um Gaby Beyer die Situation weiter im Blick.
Denn schon länger soll der Schäfer seine rund 50 Tiere nicht artgerecht halten. Durch den Winter-Einbruch in NRW wird die Lage für die schutzlos auf der Weide gehaltenen Tiere zunehmende dramatisch. Denn wenn sie nicht in einen Stall gebracht werden, sind die neugeborenen Tiere dem Wetter schutzlos ausgeliefert. Die Lämmer haben noch kein ausreichend dichtes Fell, das sie vor Minusgraden schützt.


Ruhr24, 14.02.2021: Tierquälerei im Ruhrgebiet: „Halb erfrorene und fast verhungerte“ Lämmer – Tierschützer schlagen Alarm https://www.ruhr24.de/ruhrgebiet/dortmu ... 01054.html
Bei Temperaturen um die null Grad und weniger haben neugeborene Lämmer, die ohne Witterungsschutz zur Welt kommen, kaum eine Überlebenschance, wie ein trauriges Beispiel aus Schramberg gerade wieder unschön zeigte. Zwei Lämmer einer Wanderschafhaltung verendeten schon in der Nacht ihrer Geburt auf der schneebedeckten Weide. [...] Um den steigenden Bedarf an Lammfleisch durchgehend beliefern zu können, lassen Schafhalter ihre Schafe zeitlich so befruchten, dass diese auch im Winter Lämmer zur Welt bringen. Leider zeigt die Erfahrung vor allem bei der Wanderschafhaltung, dass Schäfer ihren hochträchtigen Mutterschafen anscheinend nicht immer ausreichenden Schutz zum Ablammen bieten und deshalb die frischgeborenen Jungtiere auf der Weide bei Frost oder Regen elend erfrieren. [...] Der Landestierschutzverband lässt Beschwichtigungen von Seiten der Schafhalter, dass bis zu 30 % Lammverluste normal seien, nicht gelten. „Eine derart hohe Todesrate bei neugeborenen Lämmern ist alarmierend und nicht hinnehmbar. [...]."

Die neue Welle, 09.01.2015: Lämmern droht der Tod durch Erfrieren https://www.die-neue-welle.de/karlsruhe ... -erfrieren
Der Rechtsstreit um nach dem Kältetod von 200 Schafen im Ostallgäu zieht sich in die Länge. Nachdem der Schäfer Beschwerde gegen ein faktisches Berufsverbot eingelegt hat, muss sich nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München mit der Schafherde befassen. [...] Der Schäfer betrachtet den Tod seiner Tiere nach eigenen Angaben als "natürliche Auslese".

Merkur, 27.02.2010: 200 Lämmer erfroren: Streit um Schafherde spitzt sich zu https://www.merkur.de/lokales/regionen/ ... 35673.html
Bei Winterlammung im Freien treten bei jungen Lämmern Todesraten von 30% bis 50% auf, die leider von vielen Schafhaltern toleriert werden (v.a. von Berufsschäfern). [...] Die Schafhalter legen aber vielfach immer noch die Lammzeit in den Winter. Die Tierhalter profitieren dann von den höheren Preisen für Lammfleisch im Frühjahr. Daher sieht man im Winter immer wieder, dass nur wenige Wochen alte Lämmer und sogar neugeborene Lämmer (u. a. kenntlich an der roten Nabelschnur) bei eisigen Minusgraden und Schnee in den Herden im Freien gehalten werden. Dies ist eklatant tierschutzwidrig. Neugeborene Lämmer, die sich bei Frost im Freien befinden, leiden erheblich. Ihnen droht in vielen Fällen der Kältetod.

Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung e.V., Dr. Hilmar Tilgner: Winterlammung von Schafen - Geringe Kältetoleranz und Kältetod neugeborener Lämmer. Tierschutzrechtliche Einordnung. Maßnahmen der Bundesländer, März 2016, S. 1-2https://agfan.org/wp-content/uploads/20 ... r-2016.pdf
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Nina
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Re: Familienmitglieder

Beitrag von Nina »

Betäubungsloses Kupieren und Kastrieren bei Lämmern durch den Halter ist gewöhnlich und erlaubt

Als die betäubungslose Kastration von Ferkeln auch in den Medien in den Fokus geriet, waren Empörung und Druck auf die Regierung groß. Das gleiche Schicksal der Lämmer findet dagegen kaum Beachtung.
Kastration

Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 Tierschutzgesetz ist das Kastrieren von unter vier Wochen alten Bocklämmern ohne Betäubung erlaubt, sofern kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt. In diesem Fall darf die Kastration von sachkundigen Personen durchgeführt werden.


LAVES: Empfehlungen für die ganzjährige und saisonale Weidehaltung von Schafen, Seite 25-26 http://www.jade-weser.de/Portals/0/Down ... 090305-940
Ein Veterinär muss erst bei vier Wochen alten und älteren Lämmern hinzugezogen werden. Beim Abschneiden der Schwänze erst ab dem 8. Tag - als ob das Schmerzempfinden erst ab vier Wochen bzw. 8 Tagen ausgebildet würde...
Kupieren der Schwänze

Das Kupieren des Schwanzes erfolgt in der Regel durch Aufsetzen eines mit einer Spezialzange gespreizten Gummiringes zwischen zwei Wirbeln oder mittels einer Kupierzange. Diese Vorgehensweise ist nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 Tierschutzgesetz bei unter acht Tage alten Lämmern ohne Betäubung erlaubt. Der Eingriff muss von sachkundigen Personen durchgeführt werden.
[...] Wird zu kurz kupiert, besteht die Gefahr eines Mastdarmvorfalles.

LAVES: Empfehlungen für die ganzjährige und saisonale Weidehaltung von Schafen, Seite 25-26 http://www.jade-weser.de/Portals/0/Down ... 090305-940
Außerdem können die Schafe bei zu kurz kupierten Schwänzen keine Fliegen mehr von Anus, Vulva und Umgebung abwehren.

Bei einem Fall aus der Schweiz hat der Halter schwer erkrankte Lämmer kupiert und kastriert.
«Statt sie jedoch zu erlösen, kupierte er die schon grösseren Tiere. Auch hatte er sie ‹gegümmelt›.» Beim Kupieren wird der Schwanz abgeschnitten, beim «Gümmeln» die Hoden abgebunden, um die Tiere zu kastrieren. Die Tiere hätten nur noch gezittert und aus dem Maul geschäumt. Die Studentin und ihre Familie suchten das Gespräch mit dem Schafzüchter. Seine Aussage, es liege in der Natur, dass gewisse Tiere nun mal «verrecken» würden, brachte die Studentin und ihre Familie zum Schaudern. Daraufhin wandten sie sich an den Tierschutzverein.

FM1Today, 30.04.2020: «Er hätte die Tiere einfach verrecken lassen» https://www.fm1today.ch/ostschweiz/stga ... -137754139
Die Tiere wurden später von einem Tierarzt eingeschläfert.
In Deutschland ist es Schafhaltern laut Tierschutzgesetz derzeit erlaubt, den Lämmern bis zu einem Alter von acht Tagen den Schwanz ohne Betäubung oder die Gabe von Schmerzmitteln zu kupieren. [...] In der Praxis werden traditionell die Mehrzahl der weiblichen Lämmer kupiert sowie Bocklämmer, die für die Zucht in Frage kommen. Historische Schriftstücke lassen vermuten, dass bei Mutterschafen der Schwanz bereits seit dem 14. Jahrhundert gekürzt wird. [...] Eine nicht unwesentliche Rolle für das Kupieren von Böcken dürfte mitunter auch die Ausstellungskondition spielen, da die Keulen bei einem kurzen Schwanz wesentlich ausgeprägter erscheinen. [...] Nach den ersten Ergebnissen dieser Studie deutet es sich an, dass das Kupieren des Schwanzes bei Lämmern teilweise mit nicht unerheblichen und tierschutzrelevanten Problemen verbunden ist. Die Standardmethode führt dabei scheinbar zur höchsten Belastung für die Lämmer. [...] Damit kann zusammenfassend gesagt werden, dass die praxisübliche Kupiermethode wohl eine schmerzhafte Belastung für die Lämmer darstellt und die Tiergerechtheit von Alternativen – wie Schmerzmitteleinsatz oder größere Länge – weiter analysiert werden muss. Außerdem muss dringend untersucht werden, welche Folgen ein Verzicht auf das Kupieren für Tiere und das erforderliche Management unter unseren Produktionsbedingungen hätte und welches Ausmaß des Kupierens überhaupt nötig ist, um die befürchteten Hygieneprobleme bei Kupierverzicht zu vermeiden.

Badische Bauern Zeitung, 05.01.2017: Lämmerkupieren – (k)ein Problem? https://www.badische-bauern-zeitung.de/ ... in-problem
Wenn man so mit Familienmitgliedern umginge... Die Lämmer-Kastrierzange gibt's in jedem gut sortierten Landfachhandel. Ich stelle mir gerade die Gattin vor, die in der Tür mit dem edelstahlglänzenden Werkzeug in den Händen frohlockt: "Hallo Schatz, ich hätte da eine Methode, mit der Deine Keulen wesentlich ausgeprägter erscheinen würden..." :shocked:
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Familienmitglieder

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Ich stimme in dieser Sache ja grundsätzlich(*) stets zu; hat hier nur alles nichts mehr mit dem Wolf zu tun.

(Vegetarier und Veganer werden ob ihrer Ablehnung all dieser ganzen kranken Sch**** gerne als "radikal" verschrien, während der Rest der Bevölkerung die Schultern zuckt und sich denkt "Ach, .. Hauptsache 's schmeckt." Was ist hier radikaler ....?)
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Nina
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Re: Familienmitglieder

Beitrag von Nina »

Hat sehr wohl was mit dem Wolf zu tun: Weil der Wolf gern für sämtliche Probleme verantwortlich gemacht wird, sind für eine realistische Einschätzung Vergleiche mit sonstigen Sterblichkeitsraten und -gründen elementar. Angesichts wiederholter emotionalisierender Kampagnen wie im Eingangspost zitiert, die monokausal den Wolf beschuldigen, am Rückgang der Weidetierhaltung und vielfacher Aufgabe von (klein-)bäuerlichen Betrieben maßgeblich beteiligt zu sein, lässt sich diese offensichtliche Schieflage mit Zahlen und Fakten korrigieren und auf der Waage wieder zurechtrücken: In welchem Maß ist der Wolf tatsächlich beteiligt? Und, - da sich die ihm unterstellte "Schwere der Grausamkeit" schlecht in Zahlen fassen lässt - wo siedle ich seine Missetaten auf einer "Grausamkeitsskala" im Verhältnis zu dem üblichen (menschengemachten) Ungemach an, das strukturell gewollt ist und gängig praktiziert wird?

Beispiel:
Niedersachsens Schafhalter besaßen den Angaben zufolge 2018 insgesamt 233.685 Schafe. Demnach sind im vergangenen Jahr rund 0,13 Prozent des Schafbestandes im Bundesland Opfer von Wolfsangriffen geworden. Die Zahl der totgeborenen Schafe liegt laut Landvolk um ein Vielfaches höher. [...] Der Referent für Tierzucht und Tierhaltung beim Niedersächsischen Landvolk, Klaus Gerdes, erläuterte: „Je nach Rasse und Jahr haben wir jährliche Lämmerverluste von jeweils fünf bis zehn Prozent infolge von Schwergeburten, Totgeburten, lebensschwachen Lämmern und so weiter.“

Kreiszeitung Wochenblatt, 29.03.2019: Zahl der Nutztier-Risse durch Wölfe zuletzt deutlich rückläufig https://www.kreiszeitung.de/lokales/nie ... 99744.html
Wenn nun der Wolf mit 0,13 % gerissener Schafe für die Aufgabe der Weidehaltung verantwortlich gemacht wird, die Sterblichkeitsrate von Lämmern bei Weidehaltung mit geplanter Lammzeit im Winter aber sogar mit 30% - 50% als "normal" angegeben und hingenommen wird, ist dieses Argument der Wolfskritiker nicht mehr tauglich.
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Familienmitglieder

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Achso. Nur das Beispiel besonders breitgetreten. :/
Wie ja schon mehrmals aufgeführt wurde, muss der Wolf für so manches herhalten. Wie so generell bei sonst allen, die sich nicht mit Verleumdungsklagen wehren können.

...

Was nützt aber solche Argumentation, wenn es grundsätzlich um Instinkte und Überzeugungen geht (wobei ich unterstelle, das längst nicht jedem klar ist, welch künstlich-vorangestellte Behauptungen er da als "Argument" wider den Wolf anbringt)? Jedes durch den Wolf gekrümmte Härchen am Schaf versteht der Wutbauer als Angriff gegen sich selbst, in doppelter Weise - die Bestie Wolf und Bestie Staat (linksgrüner Gutmenschen in der Landesstadt).
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Familienmitglieder

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

"Aber Nina, all diese Vermenschlichung von Tieren ist doch einfach nicht zulässig, und so naturfern!"

*liest Bekoff und Godfrey-Smith, schaut daweil Vorträge von Kotrschal*

..."Oh."
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Nina
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Re: Familienmitglieder

Beitrag von Nina »

Immerhin, vom Wolf getötete Schafe erhalten ein kriegsgräberähnliches Denkmal:
Holzkreuze in Eimke erinnern an tote Schafe durch Wolfsrisse.
Die Bürgerinitiative für wolfsfreie Dörfer Nord-Ost-Heide hat auf einer Wiese 91 Holzkreuze und ein großes Kreuz aus Birkenstämmen aufgestellt.

az-online, 26.10.2020: „Wir werden unsere Pläne schmieden“ - Eimke: Bürgerinitiative kündigt schärfere Maßnahmen gegen Wölfe an https://www.az-online.de/uelzen/suderbu ... 27569.html
Wer dagegen nicht vom Wolf gerissen, sondern lediglich "offenbar in der eisigen Kälte erfroren" und "von Krähen zerhackt und teils aufgefressen" wurde, während die Mutterschafe "verzweifelt blökten", bekommt wohl kein medienspektakelförderndes Denkmal:
Als sie in der vorigen Woche am Ortsrand von Stöcken unterwegs war, sah sie auf einer Weide mehrere tote Lämmer. Einige Tiere waren offenbar in der eisigen Kälte erfroren. Mehrere Kadaver waren von Krähen zerhackt und teils aufgefressen worden. [...] Fast jeden Tag entdeckte die Oetzenerin weitere Kadaver auf der Weide. „Bis Mittwoch dieser Woche habe ich 15 bis 19 tote Lämmer gezählt“, berichtet sie die AZ und muss dabei mit den Tränen kämpfen.

az-online, 21.02.2021: Augenzeugin ist entsetzt - Viele tote Schafe auf Weide am Ortsrand von Stöcken https://www.az-online.de/uelzen/rosche/ ... 11559.html
Auf diese Rinder wartet jedenfalls nicht der Kältetod:
Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) musste sich im Landtag Fragen über einen Rindertransport in die Westsahara stellen. Das NDR Magazin Panorama 3 zweifelte die Einhaltung des Tierschutzes an. [...] Die Rinder waren aus dem Landkreis über Tausende Kilometer in die Westsahara transportiert worden. [...] Besonders viele Exporte kommen aus den Landkreisen Aurich und Emsland. Allein im Landkreis Emsland wurden seit Oktober mehr als 2.300 Rinder in Drittstaaten verschifft. Zielorte sind zum Beispiel Algerien und Ägypten - Länder, die von der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" als tierschutzrechtliche Hochrisikogebiete bezeichnet werden. Zudem dauern die Transporte lang, weil die Tiere per Lastwagen und Schiff transportiert werden. Der Tierschutz sei auf der Reise nur noch schwer zu kontrollieren. "Vier Pfoten" spricht von einem "rechtsfreien Raum".

NDR, 19.02.2021: Otte-Kinast will Tiertransport in die Sahara prüfen https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... te144.html
Und dann cruisen da noch ein paar Tausende unfreiwillige Kreuzfahrer durchs westliche Mittelmeer:
Nur wenige Wochen alte Kälber aus der gesamten EU werden regelmäßig nach Katalonien gebracht, um dort gemästet zu werden. Anschließend werden sie als Jungbullen unter anderem in den Nahen Osten verbracht - per Schiff. Auf solchen Schiffen herrschen aktuell katastrophale Zustände für die Tiere. [...] Zwei Tiertransportschiffe mit mehr als 2.500 Rindern an Bord liegen derzeit vor der Küste Zyperns fest bzw. kreuzen jetzt im westlichen Mittelmeer. Die Schiffe sind bereits wochenlang mit den Rindern unterwegs. [...]
In Nordspanien werden die Tiere etwa ein dreiviertel Jahr lang gemästet und dann u.a. per Schiff in den Nahen Osten oder andere arabische Staaten transportiert. Endstation sind häufig arabische Schlachthöfe, in denen die Tiere auf brutale Weise betäubungslos geschächtet werden. [...] Bildmaterial, das dem SWR vorliegt, zeigt, dass tote Tiere regelmäßig über Bord geworfen werden. Untersuchungen der Europäischen Kommission bestätigen die Missstände. Bei mehreren Überprüfungen 2019 Jahr wurden gravierende Mängel auf diesem und anderen Schiffen festgestellt. Im Prüfbericht heißt es wörtlich: "…das Tränkesystem war defekt, die Futtertröge waren leer, die Rinder waren schwach und untergewichtig, sie waren verschmutzt mit Urin und Fäkalien, das Belüftungssystem hat in Teilbereichen nicht so funktioniert wie es sollte…" [...] Wie die spanischen Behörden jetzt mit dem Schiff und ihrer Ladung verfahren, ist noch ungewiss. Wahrscheinlich werden die kranken Tiere entladen und vor Ort notgetötet.

mdr, 24.02.2021: Tragödie auf dem Mittelmeer - Lebende Rinder seit zwei Monaten auf Transportschiff eingepfercht https://www.mdr.de/brisant/tiertranspor ... r-100.html
Würde man das "Nutztier" fragen, für welchen Tod es sich lieber entscheiden würde..., würde es wohl den zügigen Tod durch wölfischen Kehlbiss auf der heimischen Weide vorziehen.
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Nina
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Re: Familienmitglieder

Beitrag von Nina »

Verstörende Bilder, auch ganz ohne Wolf:
Die toten Schafe geben Experten Rätsel auf. Ließ der zuständige Tierhalter die Herde verhungern? Der Landkreis Vorpommern-Greifswald ermittelt.

Ostsee-Zeitung, 27.02.2021: Grausiger Fund im Naturpark Usedom: 15 tote Schafe auf Vogelschutzinsel Werder https://www.ostsee-zeitung.de/Vorpommer ... sel-Werder
15 Schafe sind auf der Naturschutzinsel Werder im Naturpark Usedom tot aufgefunden worden. Es wird vermutet, dass die Tiere verhungert sind, wie der Pressesprecher des Landkreises Vorpommern-Greifswald am Samstag mitteilte. [...] Der Landschaftsnutzer, der die Insel bewirtschaftet, behaupte, die Tiere gehörten nicht ihm. Der Landkreis sieht den Mann aber auch als Finder in der Pflicht, sich um die Tiere zu kümmern [...]. Die Schafe seien nicht angemeldet gewesen und hätten keine Ohrmarken getragen.

RTL, 28.02.2021: 15 tote Schafe auf Naturschutzinsel Werder geborgen https://www.rtl.de/cms/15-tote-schafe-a ... 12777.html
Wenn so etwas ans Licht kommt, sind die Wolfsempörten seltsamerweise immer ganz still.
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Nina
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Re: Familienmitglieder

Beitrag von Nina »

Bei Meldungen wie diesen wird bestenfalls von Surplus Killing geredet; beliebter ist natürlich das Wort Blutrausch.
26 Lämmer im Emsland mutmaßlich vom Wolf gerissen - Die Auswertung der DNA-Proben läuft noch. Laut niedersächsischem Umweltministerium wurden 2020 etwa 1.100 Tiere gerissen.

NDR, 09.03.2021: 26 Lämmer im Emsland mutmaßlich vom Wolf gerissen https://www.ndr.de/nachrichten/info/26- ... 14890.html
Keine Info über das Problem mit den späten Kälteeinbrüchen, einkalkulierten Lämmerverlusten von bis zu 50% oder den Herdenschutzstatus der mutmaßlichen 1.100 gerissenen Nutztiere etc. Wenig Information, dafür aber emotionalisierende Bilder.

Keine Bilder gibt es dagegen von diesen - ganz anderen - Dimensionen. Und hier wird nicht aus (Überlebens-)Instinkt gehandelt, sondern vorbeugend und aus rein wirtschaftlichem Kalkül. 76.000 auf einen Streich, "mit Kohlendioxid ausgegast"
Nach einem Ausbruch der Geflügelpest hat in einer Geflügelhaltung im Kreis Plön am Montag die Tötung von etwa 76.000 Legehennen begonnen. Die beiden Ställe werden mit Kohlendioxid ausgegast, wie ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums sagte. Dieser Vorgang werde am Abend beendet sein. [...] Durch die Tötung der Tiere soll verhindert werden, dass sich das Virus weiter ausbreitet.

n-tv, 08.03.2021: 76.000 Hühner im Kreis Plön getötet https://www.n-tv.de/regionales/hamburg- ... 09711.html
Gibt es in Niedersachsen auch. Hier sollen Wildtiere (Wildvögel) die eigentlichen Missetäter sein, aber selbst das Friedrich-Loeffler-Institut hegt daran Zweifel:
Die Behörden haben im Landkreis Cloppenburg 21 Geflügelpest-Ausbrüche registriert. Mehr als 300.000 Tiere mussten getötet werden, meist Puten. Oft trifft es Betriebe in Garrel und Bösel. Weshalb?
Einer Theorie zufolge wird die Geflügelpest von Wildvögeln in die Region gebracht und dann durch Aerosole mit dem Wind in die Ställe getragen. Davon geht auch der Zentralverband Deutsche Geflügelwirtschaft (ZDG) aus. [...] Die für Tierseuchen zuständigen Wissenschaftler vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) halten das für unwahrscheinlich. Ihren Untersuchungen zufolge sind die Viren, die in den jüngst betroffenen Beständen gefunden wurden, in hohem Maße identisch, sagte Vizepräsident Franz J. Conraths dem NDR. Dementsprechend müsste ein einziger Wildvogel für den Seuchenzug im Landkreis Cloppenburg verantwortlich sein. Conraths und seine Kollegen gehen vielmehr davon aus, dass Menschen das Virus von Stall zu Stall verschleppt haben.

NDR, 26.02.2021: Geflügelpest im Raum Cloppenburg: Stalldichte das Problem? https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... st758.html
Beim Surplus Killing stellt der Mensch ja wohl wirklich alles andere in den Schatten, auch den Wolf.
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