Das Leid der Linghedswölfin

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Nina
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Das Leid der Linghedswölfin

Beitrag von Nina »

Als eine (fadenscheinige) Begründung für die Forderung nach einer Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht in Deutschland wird ja gerne das Argument "Tierschutz" bemüht, weil ein Jäger den Wolf bei Verkehrsunfällen dann sofort erschiessen könnte, anstatt eine veterinärmedizinische Untersuchung einschließlich kompetenter Prognosestellung abzuwarten.

Das Tierschutzproblem der Jagd an sich wird dabei aber immer wieder ausgeblendet. Das entsetzliche Leid der Linghedswölfin in Schweden ist ein Beispiel dafür. Nachdem die Wölfin sich im Frühjahr 2020 angeblich zu wenig scheu in der Gegend von Linghed in der Gemeinde Falu gezeigt hatte, genehmigte die Bezirksregierung Dalarna die "Schutzjagd" auf die gesunde Wölfin. Am 29. April 2020 wurde die Wölfin aber lediglich angeschossen. Weil man nach drei Tagen vergeblicher Nachsuche keine Spur der Fähe mehr fand, wurden sowohl die Suche als auch die Schutzjagd eingestellt. Ende August 2020 wurde die Wölfin wieder gesichtet, als man das auf drei Beinen humpelnde Tier am Rand einer Schafkoppel verscheuchen konnte.

Anfang Dezember 2020 wurde die Fähe dann von einer Fotofalle aufgenommen - stark lahmend, aus der mehr als 7 Monate alten Schusswunde blutend, stark abgemagert und mit Räude befallen. Die Bezirksregierung beschloss, die Spur der Linghedswölfin - dieses Mal aus "Tierschutzgründen" - abermals aufzunehmen. Die Fähe wurde am 31.12.2020 per Kopfschuss getötet - 8 Monate, nachdem sie bei der "Schutzjagd" schwerstverwundet worden war.

Die Obduktion durch Statens Veterinärmedicinska Anstalt, SVA, ergab, dass der Oberarmknochen des rechten Vorderbeins komplett zertrümmert war. Das Bein war funktions- uns belastungsunfähig und muss starke Schmerzen über den langen Zeitraum verursacht haben. Die vollkommen abgemagerte Fähe hatte noch Hautreste, vermutlich eines Elchkadavers, den sie wohl gefunden haben muss, im Verdauungstrakt. Ihr Körper wies kahle Stellen und entzündete Hautpartien auf, die höchstwahrscheinlich auf einen Räudebefall zurückzuführen waren.

Jakt & Jägare, 11.01.2021: Linghedsvargen hade troligtvis skabb https://www.jaktojagare.se/kategorier/v ... -20210111/

Dazu fiel mir wieder ein Artikel im GEO-Magazin ein, der ein Problem benennt, das in den Medien sonst eher nicht so in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wird.
"Jeder Schuss ein Treffer"? Weit gefehlt: In unseren Wäldern sterben zahllose Tiere, weil sie von Jägern nicht richtig getroffen wurden. [...] Denn wie ein Reh stirbt, wissen wir nicht. Der Jäger ist oft allein mit seinem Opfer. Toten Tieren sieht man kaum an, wie lange sie leiden mussten. Und die, die im Verborgenen starben, zählt niemand. [...] Aus Tierschutzsicht noch weit problematischer sind „schlechte“ Treffer. Also Schüsse, die wahllos am Körper große Wunden reißen. Ins Bein, in die Lunge, in den Bauch, in Ober- oder Unterkiefer.

Selbst mit heraushängendem Gedärm können panische Tiere noch Hunderte Meter weit flüchten, um sich zu verstecken. Je nach Schwere und Art der Verletzung verenden die Tiere dann qualvoll innerhalb von Stunden oder sogar Tagen. Noch schlimmer: Sie werden vom Jäger aufgestöbert, flüchten erneut und sind wieder unauffindbar. Oder sie verhungern, weil sie nicht mehr fressen können. Oder sie werden von unkontrollierten Hunden gestellt und zerrissen.


GEO, 04.11.2020: Jagd - Unterschätztes Tierschutzproblem: Zehntausende Rehe verenden qualvoll nach dem Schuss https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit ... e-verenden
Oder sie müssen wie die Linghedswölfin 8 Monate mit einer nicht mehr heilenden Beinfraktur überleben, Nahrung suchen und erbeuten usw.
Fazit von GEO-Autor Peter Carstens übrigens:
Ein Kollege von Ulrich Umbach, der Nachsucheführer Bernd Krewer, schrieb in seinem Buch Über Hirsche, Hunde und Nachsuchen: „Wenn es den ‚Tierschützern’ gelänge, einen viel beschäftigten Schweißhundeführer ‚umzukrempeln’, wären wir einen Tag später die Jagd endgültig los. Es muss sich vieles im Tun und Lassen der Jägerei ändern, wollen wir vor der immer kritischer werdenden Bevölkerung bestehen und von ihr das Mandat für den Fortbestand unserer Jagd bekommen.“

An diesem Befund hat sich auch zwei Jahrzehnte später nichts geändert: Wer derart kapitale Tierschutzprobleme erzeugt, braucht sich über mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung nicht zu wundern.


GEO, 04.11.2020: Jagd - Unterschätztes Tierschutzproblem: Zehntausende Rehe verenden qualvoll nach dem Schuss https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit ... e-verenden
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