Hallo Lutra, ich finde den Thread gut und wichtig. Und um hier mal wieder vom Marktplatz der Eitelkeiten der üblichen Selbstdarsteller zurück zum Thema zu kommen, schildere ich mal, wie es in meiner Region aussieht.
Zumindest optisch sind die Wälder hier noch in einigermaßen gutem Zustand, wobei wir hier neben einem Teil Fichten- und Kiefernmonokulturen auch viele strukturreiche Wälder haben. Einen ganz anderen Eindruck hatten wir allerdings, als wir kürzlich mal wieder ein paar Kilometer weiter nordöstlich nach Dömitz in Meck-Pommes gefahren sind. Sowohl die Allee-Bäume, die Obstbäume als auch die Waldränder, an denen wir vorbeikamen, wirkten licht, verdorrt und irgendwie ziemlich kränklich. Die Elbdeiche waren gelblich-braun statt grün.
Auf meinem Grund hatte ich eine (!) Fichte mit Borkenkäferbefall, der mir erstmal nur dadurch aufgefallen ist, dass die Spechte voller Begeisterung die Rinde abgeholzt haben. Darunter war dann das bekannte Fraßmuster zu erkennen. Die engagierte gefiederte Einsatztruppe hat offensichtlich ganze Arbeit geleistet, denn die übrigen Fichten wirken nach wie vor vital und gesund. Eine anfängliche Nadelbräune von innen nach außen nach dem Sommer 2018 ist wieder verschwunden. Den kahlen Totholzbaum haben wir als Insektenhotel stehenlassen.
Anders ist es bei den alten Eichen auf meinem Grundstück. Deren Kronen waren dieses Jahr auch eher licht, die Blätter irgendwie klein und schrumplig, nicht so sattgrün wir in vergangenen Jahren - und wir hatten kaum Eicheln. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als es eine ausgeprägte Mast gab, aus der in diesem Jahr unzählige Jungeichen herangewachsen sind, mit denen man einen ganzen Wald bestücken könnte, wenn man sie vereinzeln und auf eine größere Fläche verteilen würde. Wir haben erstmals Teile unserer Flächen einfach mal sich selbst überlassen und staunen, wie selbst unter den schwierigen Wetterbedingungen von ganz allein kleine Eichen, Fichten, Haselnüsse (rot + grün), Holunder, Ebereschen, Weißdorn, Pfaffenhütchen und Ahorn sprießen. Es bräuchte gar keine teuren Beflanzungsaktionen.
Leider dominiert in den Medien zur Zeit mal wieder die Darstellung von der Alternativlosigkeit, mit schweren Gerät - sogar mit der Bundeswehr - alle befallenen Bäume zu roden, den Boden zu verdichten, gar großflächig Chemie einzusetzen und dem Steuerzahler millionenschwere Aufforstungshilfen abzuringen - nur um dieselben Fehler erneut zu begehen.
Hier mal ein interessantes Plädoyer mit guten Gründen für den Verbleib von Totholz im Wald:
Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass Wälder nach einer Durchforstung anfälliger auf Sturm sind. [...]
Das Fällen von Käferbäumen bzw. das Zwangsnutzen von ganzen Käfernestern lässt kleine und grössere Lücken im Bestand entstehen, die mindestens die gleiche Wirkung haben wie eine Durchforstung. Solche Lücken setzen die angrenzenden Bäume einem neuen, veränderten Mikroklima aus (Sonneneinstrahlung, Trockenheit). Dies macht sie anfälliger gegenüber weiteren Stressfaktoren wie z. B. Borkenkäfern. Das Stehenlassen von verlassenen Käferbäumen stellt einen weniger abrupten Übergang von einem geschlossenen in einen lückigen Bestand dar.
Waldwissen.net, Beat Wermelinger, Christian Epper, Doris Schneider Mathis: Warum man tote Käferbäume stehen lassen sollte, 26.08.2010
https://www.waldwissen.net/waldwirtscha ... e/index_DE
Das Ausräumen befallener Bäume zum falschen Zeitpunkt kann unter Umständen sogar dem Borkenkäfer nützen, wenn das Fällen nach dessen Ausflug, aber vor dem Verlassen der natürlichen Fressfeinde wie Langbeinfliegen und Schlupfwespen erfolgt. Da die Fressfeinde verzögert in dem befallenen Baum aktiv werden, schadet die Rodung unter Umständen vor allem den noch in der Rinde vorhandenen Gegenspielern.
Zusammenfassung: Warum tote Käferbäume stehen lassen?
Sind Bäume erst seit ein paar Wochen vom Buchdrucker verlassen, gibt es verschiedene Gründe, diese stehen zu lassen:
- Das Fällen verlassener Käferfichten trägt nichts zur Bekämpfung bei.
- Die meisten natürlichen Feinde verlassen im Frühjahr die toten Käferbäume erst 1–2 Monate später als der Buchdrucker (...).
- Neue Bestandesränder sind empfindlicher auf Wind und Insektenbefall.
- Das Totholzangebot, speziell von Stammholz, wird zu Gunsten der xylobionten (holzbewohnenden) Fauna und Pilzflora gefördert.
Waldwissen.net, Beat Wermelinger, Christian Epper, Doris Schneider Mathis: Warum man tote Käferbäume stehen lassen sollte, 26.08.2010
https://www.waldwissen.net/waldwirtscha ... e/index_DE