Interview mit Ilka Reinhardt

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Wolfsheuler
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Re: Interview mit Ilka Reinhardt

Beitrag von Wolfsheuler »

Wenn man es mal aus Sicht der Jäger betrachtet ist es aber auch nicht gerechtfertigt, dass Wölfe überall hinlaufen dürfen und einheimische Rothirsche auf Bezirke begrenzt werden, die in Bayern gerade mal 15 Prozent der Landesfläche ausmachen.
Wolfsheuler
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Re: Interview mit Ilka Reinhardt

Beitrag von Wolfsheuler »

In der Welt ist heute ein (sehr langer) Artikel über Wölfe in Deutschland.
Konkret geht es auch um den Konflikt mit Jägern und die Frage ob Wolf ins Jagdrecht soll.
http://www.welt.de/channels-extern/ipad ... hland.html

Ein paar Auszüge:
Witschikowsky scheint kein grosser Freund des Nabu zu sein.
Wie schätzt er die Haltung der Jäger ein? „Wenn die große Mehrheit der Jäger so wäre, wie manche Naturschützer ihnen unterstellen, hätten die Wölfe in der Lausitz keine Chance“, sagt Wotschikowsky. Der Nabu, schreibt er in einem offenen Brief, „hat sich von der sachlichen Argumentation verabschiedet und verfällt zunehmend in reine Klientelpolitik. Diese Klientel sieht im Wolf eine Art Heiligtum, das unter keinen Umständen angerührt werden darf. Dabei scheint ihm jedes noch so abwegige Argument recht.“ Der Verband führe einen „Privatkrieg“ gegen die Jäger und unterstelle ihnen andauernd, dass sie dem Wolf „sofort ans Leder“ wollten.
Franz Graf von Plettenberg ist dagegen nicht von des Jägers Wolfstoleranz überzeugt.
Es sind allerdings nicht nur Naturschutzfunktionäre, die Zweifel an der Wolfstoleranz der Jägerschaft hegen. Franz Graf von Plettenberg, Leiter des Bundesforstamtes Lausitz und damit schon von Berufs wegen Jäger, stöhnt, wenn man ihn auf diese Frage anspricht. Hochintelligente Leute, sagt er, legten ihren ökologischen Verstand ab, wenn sie in den grünen Rock schlüpften. Verstocktheit begegne ihm, wenn er auf den Versammlungen der Hegegemeinschaften über Wolf und Wild referiere. Mühselig sei die Überzeugungsarbeit und bisher noch nicht von Erfolg gekrönt.
Witschokosky hat viel über die Auswirkungen der Wölfe auf die Jagd geforscht
Mit Zukunftsprognosen ist Wotschikowsky allerdings vorsichtig. Die Faktenbasis seiner Schätzungen ist dünn und zu komplex die Beziehung zwischen Beutegreifern und Beutetieren. Die aus der Sicht der Jäger bislang relativ günstige Entwicklung kann darauf zurückzuführen sein, dass die Jagd bisher den tatsächlichen jährlichen Zuwachs der Schalenwildbestände nicht abgeschöpft hat, also Reserven in der Population steckten. Sind die aufgebraucht, könnte sich der Teil, den sich der Wolf holt, drastischer auf das auswirken, was dem Jäger bleibt. Beim Reh, der Hauptnahrung des Wolfes, müssen die Jäger jetzt schon empfindliche Einbußen hinnehmen
Gibt es denn dafür Belege, dass die Jäger weniger Rehe schiessen?
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SammysHP
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Re: Interview mit Ilka Reinhardt

Beitrag von SammysHP »

Gibt es denn dafür Belege, dass die Jäger weniger Rehe schiessen?
Keine Ahnung. Aber selbst wenn: Wäre das schlimm?
Lutra
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Re: Interview mit Ilka Reinhardt

Beitrag von Lutra »

Wenn weniger Rehe geschossen werden, bedeutet das nicht unbedingt, dass es weniger gibt. Aber es ist eigentlich logisch, dass die Rehe, die der Wolf frißt, nicht mehr vom Jäger geschossen werden können. Das ist aber der Allgemeinheit und speziell den Waldbesitzern auch Wurst.
Grauer Wolf

Re: Interview mit Ilka Reinhardt

Beitrag von Grauer Wolf »

Nein, der Wolf hat keinen Einfluß auf die Jagdstrecken, was immer auch einige Grünröcke in der Öffentlichkeit rumsalbadern:

http://www.d-w-v.de/artenschutzujagdanh ... en_NOL.pdf

Jede Klage der Jägerschaft wegen Minderung des Revierwertes oder gar "Schäden" oder, noch unverschämter, Forderungen nach deren Ersatz ist also schlicht an den Haaren herbeigezogen... Nur ist eben das Wild wie zu früheren Zeiten vorsichtiger geworden, so daß mehr Geduld und Stehvermögen dazugehört, zum Abschuß zu kommen...

Ansonsten ist der Artikel erfreulicherweise das, was ich bezüglich des Wolfes als neutral bis wohlwollend bezeichnen würde... Und über die Bemerkung von Graf von Plettenberg mußte ich schmunzeln: Er hat's mit wenigen Worten prägnant und bissig auf den Punkt gebracht... Gut so, der Mann! Solche Leute brauchen wir! :pleased:
Wolfsheuler
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Re: Interview mit Ilka Reinhardt

Beitrag von Wolfsheuler »

Das ind Zahlen von 2006, die nicht mehr unbedingt aktuell sind.
Grauer Wolf

Re: Interview mit Ilka Reinhardt

Beitrag von Grauer Wolf »

Wolfsheuler hat geschrieben:Das ind Zahlen von 2006, die nicht mehr unbedingt aktuell sind.
Das mag ja sein, aber der Beobachtungszeitraum ist lang genug, um eine seriöse Aussage zu treffen. Ich glaube nicht, daß sich der Trend kurzfristig ändert, nicht bei diesem Verhältnis von Wölfen zu Schalenwildbesatz...
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SammysHP
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Re: Interview mit Ilka Reinhardt

Beitrag von SammysHP »

Gleich der erste Absatz:
Für den Einfluss des Wolfes auf Schalenwild in Deutschland lässt sich noch keine allgemein gültige Aussage treffen. Wissenschaftliche Untersuchungen dieser Zusammenhänge stehen zwar zur Verfügung, weisen jedoch nur einen sehr begrenzten Beobachtungszeitraum auf und sind damit wissenschaftlich nur bedingt repräsentativ.
Und dem kann ich zustimmen. Dennoch sollten die Jäger "ausreichend" Wild zum jagen haben.
LarsD

Re: Interview mit Ilka Reinhardt

Beitrag von LarsD »

Den Rest der unsinnigen Tiraden gegen Jäger lasse ich mal außen vor ...
Grauer Wolf hat geschrieben:Ein gutes Beispiel für Inkompetenz bis hin zur völligen, wildbiologischen Ahnungslosigkeit ist z.B. die nach wie vor akribische Bejagung des Fuchses, deren Unsinnigkeit längst wissenschaftlich belegt und deren Unmenschlichkeit offensichtlich ist, da ohne Rücksicht auf Verluste unter den Welpen und auf soziale Strukturen auf Fähen und Rüden geballert wird (Anmerkung: Der Fuchsrüde ist maßgeblich an der Aufzucht der Welpen beteiligt!). Das ist zwar grundsätzlich ein anderes Thema, paßt aber insofern, daß es offensichtlich immer noch Usus ist, verhaßte Beutegreifer gleich welcher Art ggf. auch illegal zu bejagen... nein... zu vernichten!
Warum fordert ausgerechnet der NABU, dass das Verabreichen von Medikamenten an Wildtiere zukünftig zu unterlassen sei? Die Frage habe ich mir seinerzeit gestellt, weil ich ehrlich nicht wusste, wer wann Medikamente an Wildtiere verabreicht. Anabolika für Hirsche? Die banale Erklärung lieferte dann unfreiwillig ein Mitarbeiter des NABU-Bundesverbandes, der wissen wollte, ob sich die durch die Tollwutimpfung erworbene Immunität maternal übertragen lässt. Sprich: Ob die Fuchsmama nach der (Schluck)-Impfung ihre Immunität gegen das Tollwutvirus auf ihre Welpen überträgt. Hintergrund der Frage war pure Verzweiflung, weil Füchse höchst effektiv die ansonsten erfolgreichen Schutzbemühungen für Bodenbrüter konterkarieren. Jetzt spreizt Du Dich hier mit Phrasen wie "völliger wildbiologischer Ahnungslosigkeit". Genau die attestierst Du Dir mit solchen Postings selbst! Man kann selbstverständlich vor den Effekten des menschlichen Handelns in der Landschaft die Augen ganz fest verschließen. Man kann aber auch versuchen, Emotionen aus dem Spiel zu lassen und das Ganze rational zu beurteilen. Letzteres empfiehlt sich bei Fuchs und Wolf gleichermaßen. Beide sind bei Bedarf ganz prima Kulturfolger, die aus dem, was wir ihnen in der Landschaft bieten, ganz clever das Beste machen. Aber bleiben wir mal beim Fuchs.
Gesetzt den Fall, die Politik würde auf Deine (aus meiner Sicht unsinnigen) Forderungen eingehen und die Bejagung des Fuchses arg einschränken bzw. ganz verbieten ... Was käme da am Ende bei raus? Die natürliche Regulation der Fuchspopulation? Ganz sicher! Aber wie und auf welchem Niveau? Spannende Frage! Und komm mir jetzt bitte nicht mit Lotka-Volterra und den Mäusen! :mrgreen: Falls Du doch in Versuchung gerätst, schau Dir deren dritte Regel an und beziehe Staupe und Räude in die Überlegungen mit ein. Denn neben den Zeigefingern der ach so bösen Jäger haben Viren und Milben einen gerne unterschätzten Einfluss nicht nur auf die Fuchspopulation. Wenn Du den Jägern bei der Bejagung "Unmenschlichkeit" vorwirfst ... ist das jämmerliche Sterben von Füchsen an Räude und/oder Staupe "menschlicher"? :dead:
Aber bleiben wir einfach objektiv. Nicht nur in dem Revier, in dem ich jage, haben Räude und Staupe im Jahr 2009 die Fuchspopulation sehr effektiv ausgedünnt. In dem Jahr habe ich fünf Füchse geschossen, von denen drei akut an Räude erkrankt waren. Im Jahr 2010 habe ich neun Füchse geschossen. Im Jahr 2011 sind es bislang bereits zehn, von denen 9 in den letzten beiden Wochen erlegt wurden. Die Population erholt sich demnach sehr schnell von solchen Seuchenzügen. Schneller, als das die Populationen von Kiebitz, Uferschnepfe oder Großem Brachvogel können, die selbst bei moderaten Populationsdichten des Fuchses schon arge Probleme mit dem Nachwuchs haben. Will man denen in der Kulturlandschaft unter die Arme greifen, kommt man an einer effektiven (!) Fuchsbejagung nicht vorbei. Sollten Dich diesbezüglich Zweifel plagen, wende Dich vertrauensvoll an die Vogelschutzwarte Brandenburg. Dort kümmert man sich rührden um die letzten Großtrappen und verdankt die Erfolge der letzten Jahre nicht zuletzt der großflächigen fuchsicheren Einzäunung von Wiesenflächen.
Um nicht völlig vom Toppic abzukommen ... Die sich in Deutschland gegenwärtig erfolgreich etablierende Wolfspopulation ist für Staupe und Räude mindestens so empfänglich wie die Fuchspopulation. Glaubt man den Beteuerungen, dass sich die Wolfspopulation noch mitten im "genetischen Flaschenhals" befindet, sind Verluste unter den Wölfen durch Räude und Staupe eine mittlere Katastrophe. Ein Ausdünnen der Fuchspopulation durch eine effektive Bejagung ist dann auch ein effektiver Schutz der noch zu wenigen Wölfe. Denn Letztere können sich erneuten Seuchenzügen von Staupe und Räude in ihren Einstands- bzw. Streifgebieten kaum entziehen.
Das soll für den Moment genügen. Denk mal ganz unbefangen darüber nach.

Viele Grüße

Lars
Grauer Wolf

Re: Interview mit Ilka Reinhardt

Beitrag von Grauer Wolf »

Daß die Räuber-Beute-Beziehung durch Lotka-Volterra nur oberflächlich beschrieben werden können, habe ich nie bestritten. Das Gesamtgefüge der Natur ist zu kompliziert, als daß man das mit ein paar Differentialgleichungen präzise beschreiben kann. Ein Ansatz über die Chaostheorie wäre da wohl eher angebracht...

Krankheiten gehörten schon immer zu den Co-Regulatoren in der Natur. Problematisch wird es, wenn der Mensch eingreift. Die langjährige Problematik der Tollwut war zum Beispiel weitgehend hausgemacht. Die ständige Bejagung der Füchse führte durch die Zerschießung des komplizierten Sozialgefüges des Rotfuchses zu verstärkter Migration und damit zur Verbreitung der Krankheit, die dann erst in den letzten Jahren durch massive Impfkampagnen eingedämmt werden konnte. Es würde mich keinesfalls wundern, wenn im Fall Staupe bei einer gründlichen Untersuchung ähnliche Verhältnisse zum Tragen kommen.
Meine Anmerkung bezüglich Grausamkeit bezog sich, wie man im Zitat leicht sieht, auf die Bejagung der Füchse auch während der Zeit der Jungenaufzucht. Die Tötung von Fähen führt logischerweise zum Tot der Welpen. Daß der Tod des Rüden ebenso katastrophale Nachwirkungen hat, ist weitgehend unbekannt oder wird gefließendlich ignoriert. Landläufig gilt die Meinung, daß der Rüde zwar die Fähe belegt, sich aber dann aus dem Staub macht und sich nicht um den Nachwuchs schert. Das ist allerdings definitiv falsch, denn ähnlich wie der Wolfsrüde kümmert sich der Fuchsrüde um Fähe und Nachwuchs und schafft einen Großteil der Beute herbei. Fällt diese Unterstützung weg, wird es für den Rest der Fuchsfamilie eng. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, daß durch die Bejagung "Ehegemeinschaften" zerschossen werden, da Rüde und (Alpha-)Fähe (in dicht besiedelten Gebieten überschneiden sich die Reviere von einem Rüden mit denen von mehreren Fähen, von denen eine dominant und Partnerin ist) oft ein Leben lang zusammenbleiben. Die Sozialstruktur der Füchse ist zwar nicht mit der der Wölfe identisch, allerings recht ähnlich.
Eigentlich müßten Füchse, wenn man sie schon unbedingt bejagen will, eine Schonzeit für die Zeit der Trächtigkeit und Welpenaufzucht haben, bis die Jungen selbständig sind. Das dürfte ploitisch allerdings kaum durchzusetzen sein, weil es der Jägerschaft nicht opportun ist.
Was den beklagten Vogelschutz angeht, sollte mal drüber nachgedacht werden, daß sich Füchse zum größten Teil von Kleinnagern und Regenwürmern ernähren gefolgt von Früchten aller Art. Schon Kaninchen und Hasen werden selten gegriffen, Vögel spielen nach den Kotuntersuchungen so gut wie keine Rolle. Und wieso ist das Leben von Uferschnepfen und Großtrappen mehr wert als das eines Fuchses? Diese und andere Vogelarten wurden/werden selten aufgrund der Lebensraumzerstörung durch den Menschen (Industrie, Landwirtschaft, Straßenbau, Zersiedelung), nicht durch den Einfluß von Beutegreifern. Wenn sie dann bei extrem ungünstigen Umständen in einen "Predator Pit" fallen, liegt auch hier wieder die Schuld logischerweise fast immer beim Menschen.

Literatur:

Michel C. Klymuik, Der Rotfuchs und seine Artgenossen, Vetetinärmedizinische Fakultät der Uni Gießen
Thomas A. M. Kaphegyi, Untersuchungen zum Sozialverhalten des Rotfuchses (Vulpes vulpes L.), Inaugural-Dissertation
zur Erlangung der Doktorwürde der Forstwissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg

Was mein Verhältnis zu Jägern angeht, nun, so ist es geprägt von unzähligen Quellen/Berichten in den Medien und eigenen Erlebnissen (die bis zu Drohung und Nötigung reichten). Wenn ich das nächste mal nach einer Gesellschaftsjagd wieder einen ausgerissenen Fuchsschwanz finde (ich kann nur beten, daß der Fuchs dabei wirklich tot wahr. Es gibt auch Berichte von Augenzeugen, da wurde dem noch lebenden Fuchs der Schwanz ausgerissen), dann können wir das Thema gerne weiterdiskutieren.
Wie ich mal sagte, dem ökologisch denkenden Jäger, der in den großen und kleinen Beutegreifern von der freilebenden Katze bis hin zum Wolf "Kollegen" sieht (und z.B. auch Fallenjagd und Ausbildung von Hunden an der lebenden Ente, Katze oder Fuchs ablehnend gegenübersteht), reiche ich gerne die Hand (ich esse auch gerne Wild), aber sonst...? Tonfall und Wortwahl in den gängigen Jagdforen (ja, ich habe mal reingeschaut) verursacht bei mir allenfalls blankes Entsetzen...
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