Bleifreie Jagd

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Dr_R.Goatcabin
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Bleifreie Jagd

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Ich fand es ausreichend wichtig, auf das Thema noch einmal kurz gesondert einzugehen, da gerade Vergiftungen besprochen werden. Im Vorlauf seien frühere Beiträge aus "Nützlichkeit des Wolfes" angeführt.
Nina hat geschrieben: 11. Mär 2019, 17:24 Und welcher Beutegreifer jagt sonst regelmäßig im großen Stil und sichert damit anderen Aasfressern das Überleben durch die Kadaverreste?

Im Gegensatz zu den abgeschossenen Wildtieren der menschlichen Jäger sind die Kadaver der wölfischen Opfer gesund und bleifrei und führen nicht zum Tode der Mitnutzer:
Bleivergiftungen sind weltweit bei mindestens 23 Greifvogel- und Eulenarten, vor allem bei (fakultativ) Aas fressenden Arten, beschrieben. Nach aktuellem Kenntnisstand stellen Reste von Jagdmunition die nahezu ausschließliche Quelle für Bleivergiftungen dar. In Deutschland betrifft das Problem vor allem den Seeadler. Bei 215 in Deutschland tot gefundenen erwachsenen Seeadlern, die seit 1990 gefunden wurden, hatten 27% letale Bleiwerte. Hinzu kommen subletale Vergiftungen.

Langgemach, Kenntner, Krone, Müller, Sömmer: Anmerkungen zur Bleivergiftung von Seeadlern, Natur und Landschaft, 81. Jahrgang 2006 (Heft 6)
https://lfu.brandenburg.de/media_fast/4 ... e_blei.pdf
Bei geschossenen Tieren treten auch weitab des erkennbaren Schusskanals sehr hohe Bleiwerte auf (MORETH & HECHT, 1981; HECHT 1984, 2000; BGVV 1998). Dies betrifft alle Körpergewebe, da es für Splitter der mit großer Kraft in den Körper eindringenden Projektile außer Knochen praktisch kaum Widerstände gibt. Die Werte in völlig unauffälligem Gewebe können durchaus das 2000fache des lebensmittelhygienischen Grenzwerts betragen (LANGGEMACH 1995). [...] Im Lebensmittelmonitoring der Bundesrepublik Deutschland ist Wildfleisch das einzige Lebensmittel, bei dem "exorbitant hohe Bleiwerte" auftreten, die nur durch Geschosspartikel zu erklären sind (BGVV).

Langgemach, Kenntner, Krone, Müller, Sömmer: Anmerkungen zur Bleivergiftung von Seeadlern, Natur und Landschaft, 81. Jahrgang 2006 (Heft 6)
https://lfu.brandenburg.de/media_fast/4 ... e_blei.pdf
Bei Wasservögeln wird ein großer Teil nur angeschossen. In systematischen Untersuchungen wurden z. T. hohe Prozentzahlen von Individuen festgestellt, die Bleischrote von früherem Beschuss im Körper hatten (MOOIJ 1990), darunter auch viele nicht jagdbare Arten (AVERBECK et al. 1990 [...]). Überlebende sind in der Regel nach dem Schuss gehandicapt und werden von Greifvögeln bevorzugt erbeutet (vgl. z. B. LANGGEMACH & HENNE 2001). Sofern sie später an den Folgen der Verletzungen sterben, erfolgt dies oft weitab vom Ort des Beschusses. [...]
Auch bei Schalenwild wird nicht jedes angeschossene Tier gefunden.
[...] Werden solche Tiere vom Seeadler entdeckt, beginnt dieser dort zu fressen, wo der Tierkörper bereits eröffnet ist: an den Schussverletzungen, also dem Bereich mit der höchsten Bleibelastung.
[...]
Eine bisher wenig in Erwägung gezogene Bleiquelle ist die Jagd auf Raubsäuger. Die Jagdstrecken einiger Arten sind immens gestiegen, andererseits gibt es kaum noch eine Verwendung für die geschossenen Tiere und keinen Anreuz durch Prämien. Zumindest ein Teil dieser Tiere wird nicht vergraben oder anderweitig entsorgt, sondern verbleibt in der Landschaft bzw. auf einem Luderplatz.

Langgemach, Kenntner, Krone, Müller, Sömmer: Anmerkungen zur Bleivergiftung von Seeadlern, Natur und Landschaft, 81. Jahrgang 2006 (Heft 6)
https://lfu.brandenburg.de/media_fast/4 ... e_blei.pdf
Der Bleieintrag ist auch einer der Gründe, warum meine Hunde absolut kein Wildfleisch zu fressen bekommen.
Dr_R.Goatcabin hat geschrieben: 11. Mär 2019, 17:31 Gleich wird ein Jägerlein kommen und Dich hinweisen, dass bleifreie Muni durchaus schon im Umlauf ist .. wenn freilich auch nicht ohne Widerstände. Und Verwirrung. ;)

https://www.jaegermagazin.de/jagdausrue ... rt-anders/
Nina hat geschrieben: 11. Mär 2019, 18:11 Demnach kann in den privaten Revieren in den meisten Bundesländern weiter fröhlich mit Blei geschossen werden.

Wie akut das Thema immer noch ist, beweist der aktuelle Streit um die Verwendung bleihaltiger Munition auf dem bleiverseuchten Schießstand in Waakhausen. Dort lagern 280 Tonnen Blei.
Ein echtes Problem für die Jäger aus Osterholz und Bremen. Denn auch sie nutzen die Anlage. "Ohne die Anlage könnten wir keine Jungjäger ausbilden. [...] Das ist die Voraussetzung für den waidgerechten Schuss, dass das bejagbare Wild mit dem ersten Schuss wirklich sicher tödlich getroffen werden kann. Und das ist die Grundvoraussetzung. Wenn wir das nicht mehr beherrschen, wenn wir das nicht können, dann dürfen wir die Jagd nicht ausüben."

buten un binnen, 01.02.2019: Streit um Schießstand in Worpswede https://www.butenunbinnen.de/videos/kon ... d-100.html
In den zuvor zitierten "Anmerkungen zur Bleivergiftung von Seeadlern" wird auch thematisiert, dass der Deutsche Jagdschutzverband schon 1993 zum freiwilligen Verzicht auf Bleischrot aufgerufen habe und es daher aus dessen Sicht keiner weiteren gesetzlichen Regelung bedarf. Der "Erfolg" dieses Aufrufs wird von den Autoren entsprechend zweifelhaft bewertet:
Der größte Teil der in Deutschland durch Blei vergifteten Seeadler starb allerdings nach dem ersten Aufruf. Allein in Brandenburg sind dies mehr als 30 Adler bei unbekannter Dunkelziffer. Ein abnehmender Trend ist bisher nicht erkennbar. Der Aufruf zum freiwilligen Verzicht hat sich also als nicht ausreichend erwiesen, zumal er sich nur auf einen Teil des Problems bezieht.

Langgemach, Kenntner, Krone, Müller, Sömmer: Anmerkungen zur Bleivergiftung von Seeadlern, Natur und Landschaft, 81. Jahrgang 2006 (Heft 6)
https://lfu.brandenburg.de/media_fast/4 ... e_blei.pdf
Und auch da wird die Nützlichkeit des Wolfes deutlich erkennbar - der tötet in "Bio-Qualität", ohne seine Umwelt und seine Mitgeschöpfe zu schädigen. Es bedarf nicht einmal einer nervenaufreibenden Diskussion mit ihm darüber.
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Dazu noch ein Paper, was ich soeben fand.

Martin et al. (2017): Hunting of roe deer and wild boar in Germany: Is non-lead ammunition suitable for hunting?
https://journals.plos.org/plosone/artic ... ne.0185029

Abstract
Hintergrund
Nicht bleihaltige Jagdmunition ist eine Alternative zu bleihaltigen Kugeln. Die Verwendung von Bleimunition kann zu einer starken Kontamination des Wildfleisches führen und somit ein Gesundheitsrisiko für die Verbraucher darstellen. Bei jeder Art von Munition für die Jagd ist die Endwirksamkeit von Kugeln ein Tierschutzproblem. Zweifel an der Wirksamkeit von bleifreien Kugeln für eine humane Tötung von Wildtieren bei der Jagd wurden diskutiert. Die Länge der Fluchtstrecke nach dem Schuss wurde zuvor als Indikator für die Leistung des Geschosses verwendet.

Zielsetzung
Das Ziel dieser Studie war es zu bestimmen, wie das Geschossmaterial (Blei oder Nicht-Blei) die beobachteten Fluchtentfernungen beeinflusst.

Methoden
Es wurden 1.234 Aufzeichnungen über das Schießen von Rehen (Capreolus capreolus) und 825 Aufzeichnungen über das Schießen von Wildschweinen (Sus scrofa) ausgewertet. Da das Geschossmaterial nicht als alleinige Ursache für die Variabilität der Fluchtentfernungen angesehen werden kann, wurden Wechselwirkungen anderer potenzieller Einflussgrößen wie Schussplatzierung, Schussentfernung mit Hilfe von bedingten Regressionsbäumen und zweiteiligen Hürdenmodellen analysiert.

Ergebnisse
Die Länge der Fluchtstrecke wird nicht durch die Verwendung von blei- oder bleifreier Munition mit Reh oder Wildschwein beeinflusst. Bei Rehwild wird die Länge der Fluchtstrecke maßgeblich von der Schusslage und der Jagdart beeinflusst. Durch Erhöhen der Schussentfernung wurde die Fluchtentfernung verlängert. Bei Wildschweinen wurde festgestellt, dass die Schussplatzierung und das Alter der Tiere einen signifikanten Einfluss auf die Länge der Fluchtentfernung haben.

Schlussfolgerungen
Die Länge der Fluchtentfernung kann als Indikator für eine ausreichende Schusseffektivität bei humanen Tötungen von Wildtieren in der Jagd verwendet werden. Es gibt bereits bleifreie Kugeln, die eine ebenso zuverlässige Tötungswirkung haben wie Bleigeschosse.
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

In einer Studie über mögliche Alternativen zur Bleimunition hat sich herausgestellt, dass auch andere Materialien nicht unproblematisch sind:
Wegen der Vergiftungsgefahr für Vögel und Umwelt ist die Jagd mit Bleischrot inzwischen in vielen Ländern stark eingeschränkt oder ganz verboten. Doch muss alternative Munition nicht unbedenklich sein, belegt ein Team der Technischen Universität München (TUM) in einer aktuellen Studie. Aufgrund ihrer ballistischen Eigenschaften galten Bleischrote bislang als optimale Munition für die Jagd auf Wasservögel. In die Kritik geriet dieses Material, als Bleivergiftungen bei Enten und Seeadlern beobachtet wurden, die die Schrotkugeln beim Gründeln oder mit der Beute aufgenommen hatten.

Inzwischen bieten die Munitionshersteller eine Reihe alternativer Jagdschrote an, die Eisen, Kupfer, Zink, Wolfram oder Wismut als deklarierte Hauptbestandteile enthalten. Ein Team der TU München um Prof. Dr. Axel Göttlein und Prof. Dr. Jürgen Geist kommt jedoch zum Ergebnis, dass einige der Alternativen für Gewässerorganismen sogar toxischer sind als die konventionelle Bleimunition.
[...] Wenn aus Umweltschutzgründen ein Verbot von Bleischrot gefordert wird, müssten nach aktuellem Wissensstand unbedingt auch die Metalle Kupfer und Zink für die Schrotherstellung verboten werden, so das Fazit der Studie. Da aber in der Natur sehr verschiedene Bedingungen der Wasserqualität mit den entsprechend angepassten Organismen vorkommen, seien unbedingt weitere Studien nötig, um Entscheidungen über Alternativen zu Bleischrot auf eine gesicherte Grundlage zu stellen.

Technische Universität München, 18.05.2018: Munition mit Risiken und Nebenwirkungen https://www.tum.de/nc/die-tum/aktuelles ... ils/34649/
Blei also schadet u. a. Enten und Seeadlern, während sich Kupfer und Zink schädlich auf Wasserorganismen wie Wasserflöhe auswirken. Nach meinem Verständnis von "Naturschutz" würde man die Jagd in den betroffenen Gebieten zunächst einmal so lange aussetzen, bis eine nachweislich naturverträgliche Alternative gefunden worden ist. Der Wolf ist dem menschlichen Jäger hier abermals überlegen, denn seine Jagdtechnik schädigt weder Wasser - und Greifvögel noch Wasserflöhe. Wenn sich jemand berechtigterweise das Etikett "anerkannter Naturschützer" verleihen dürfte, dann ja wohl der Wolf. :)
Redux

Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Redux »

Uran geht verbessert auch die Durchschlagskraft
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Die Nina wieder! Ich kann mich darauf verlassen, dass hierbei sowas von ihr noch nachgeschoben wird. :D

Prost! (*) :)
Bild

(Ich brauche als Limnolügner keine Studie, um Kupfer und Zink fürs Wasserleben bescheiden zu finden. Aber gut, dass das trotzdem noch mal hervorgehoben wurde; weiß eben doch nicht jeder.)

(*) Kuehne et al. (2017): The Use of Copper Pesticides in Germany and the Search for Minimization and Replacement Strategies.http://www.librelloph.com/organicfarmin ... .1.66/html
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

Mir ist heute ein Artikel im NDR aufgefallen, der den Verzehr von Wildbret - auch den häufigeren - unkritisch als "gesund" bewirbt.
"Zum einen ist Wild sehr lecker, zum anderen ist es auch gesund, weil es nicht mit Hormonen belastet ist und es keine Antibiotika bekommen hat und bis zum Schuss ein gutes Leben hatte", sagt Gerken-Stamm, die schon lange ihren Jagdschein hat. "Und wenn man schon Fleisch isst, dann ist das wirklich eine gute Alternative zu diesen armen Masttieren." [...] Wildfleisch-Einsteigern empfiehlt sie Hirschkeule. Die komme Bio-Rindfleisch recht nah.

NDR, 20.10.2019: Die Hamburger Wildhändlerin https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/ ... ld170.html
Offenbar schaltet der NDR diese einseitigen Berichte jährlich:
Dabei sind Wildgerichte einfach zuzubereiten und darüber hinaus auch sehr gesund: "Wild ist arm an Fett und reich an Eiweiß und Eisen. Und das Wichtigste: von keinem Fleischskandal betroffen", betont Ulrike Grote, Jägerin und Hobbyköchin aus dem Kehdinger Land. Da sich Wildtiere natürlich ernähren und keine Fremdstoffe wie Hormone oder Medikamente in das Fleisch gelangen, gilt ihr Fleisch als weitgehend unbelastet.

NDR, 19.11.2018: Wildfleisch: Köstliches von Reh, Hirsch und Co. https://www.ndr.de/ratgeber/kochen/ware ... ch100.html
Dem gegenüber steht die Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung, welches von dem Verzehr von Wildfleisch aufgrund der Kontamination mit hochgiftigem Blei abrät:
Wildfleisch gehört zu den am höchsten mit Blei belasteten Lebensmitteln. Eine wesentliche Ursache dafür ist die bei der Jagd verwendete Bleimunition, die im geschossenen Wild Bleipartikel hinterlassen kann. In Abhängigkeit von der Geschossart dringen Geschossfragmente und kleinste Bleisplitter tief ins Wildbret ein und sind dort kaum erkennbar, so dass selbst eine großzügige Entfernung des Fleisches um den Schusskanal nicht immer ausreicht, um vergleichsweise hohe Kontaminationen des gewonnenen Fleisches zu vermeiden. Untersuchungen belegen, dass der Bleigehalt von Wildfleisch um ein Vielfaches höher sein kann als die für Fleisch von Rindern, Schafen und Schweinen in der EU-Verordnung zugelassenen Höchstgehalte für das Schwermetall. Ein Höchstgehalt für Blei in Wildbret ist in der Verordnung nicht festgelegt.
Blei ist schon in kleinen Mengen schädlich. Bereits bei geringen Konzentrationen im Körper kommt es zu negativen gesundheitlichen Effekten. Außerdem reichert sich Blei im Organismus an. Es kann die Blutbildung, innere Organe wie die Nieren sowie das zentrale Nervensystem schädigen und lagert sich in den Knochen ab.
[...] Lebensmittel, die hohe Bleigehalte aufweisen können, wie zum Beispiel mit Bleimunition erlegtes Wild, sollten daher nur in geringem Umfang verzehrt werden. [...] Das BfR empfiehlt daher, dass insbesondere Kinder bis zum Alter von sieben Jahren, Schwangere und Frauen im gebärfähigen Alter auf den Verzehr von mit Bleimunition geschossenem Wild verzichten.

Bundesinstitut für Risikobewertung: Bleibelastung von Wildbret durch Verwendung von Bleimunition bei der Jagd
Stellungnahme Nr. 040/2011 des BfR vom 3. Dezember 2010
https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/bleibe ... r-jagd.pdf
Sehr interessante und ausführliche Einblicke gibt das Protokoll einer Tagung des Bundesinstituts für Risikobewertung zu dem Thema:
Was passiert, wenn man sehr hoch belastetes Fleisch isst? Bei der ESFA gab es einen Wert von 769 mg/kg; im Lebensmittel-Monitoring fanden wir einen Wert von 288 mg/kg; bei einer Aufnahme von 150 g Fleisch sind das immerhin 43 bzw. 115 mg, damit überschreiten wir die Grenzwerte der ESFA um das 1.000-3.000fache. Sie können sich ganz leicht ausmalen: Wenn Sie solche Stücke häufiger essen, dann kann eine Vergiftung auftreten. Den einmaligen Verzehr halte ich für unproblematisch, außer bei Kindern, Schwangeren und Stillenden.

Dr. Gerhard Heinemeyer, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Die Exposition des Verbrauchers mit Blei S. 23, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Blei wird nach der Aufnahme zu weit über 90 % in den Knochen abgelagert.

Dr. Gerhard Heinemeyer, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Die Exposition des Verbrauchers mit Blei S. 26, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Es gibt einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an Wildbret im Handel, der die Grenzwerte für Nutztiere überschreitet. Obwohl dieser Wert für Wild nicht anzuwenden ist, ist er natürlich von Bedeutung. [...] Auch wenn wir die entsprechenden Organe, z. B. Pansen, Leber, Lunge, Herz etc., herausnehmen, so gibt es doch Bereiche, die dicht an die wertgebenden Bestandteile des Wildbrets herankommen. Ein Radius von 20 cm ist bei einem Stück Rehwild eine Strecke, die je nach Platzierung des Treffers den Tierkörper und die Keule, Rücken, Schulter oder das Blatt betrifft. Wir kennen Veröffentlichungen aus dem internationalen Bereich, wo man solche Untersuchungen zum Teil experimentell durchgeführt hat, und zwar an euthanasierten Schafen und Ziegen, die anschließend beschossen wurden. Man kann ganz deutlich sehen, dass partikuläres Blei zum Teil in einem Abstand von bis zu 45 cm um den Schusskanal herum gefunden wurde.

Dr. Niels Bandick , Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Fleischhygiene bei der Jagd S. 35, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Das größte Tierschutzproblem bei der Jagd, meine Damen und Herren, liegt aber nicht im Patronenlager, sondern im Zeigefinger des Schützen. So lange der gerade bleibt, haben wir kein Tierschutzproblem.

Professor Dr. Thomas Richter, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, Nürtingen-Geislingen : Bleifrei und Tierschutz, Seite 40, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es keinen Sinn macht, das Blei- oder auch das Antimonproblem durch den vermehrten Einsatz anderer, möglicherweise ökotoxikologisch bedenklicher Spurenelemente zu lösen. Kupfer ist ein ökotoxikologisch äußerst bedenkliches Element; darüber hinaus gibt es Schrotpatronen mit abgereichertem Uran. Ballistisch ist das sicherlich sehr gut, aber ob wir unsere Landschaft mit abgereichertem Uran bepflastern müssen, das bezweifle ich.

Dr. Jens Utermann, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau: Aspekte des Boden- und Grundwasserschutzes, Seite 48, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

Abschließend möchte ich auf den sehr interessanten Punkt "Risikokommunikation" eingehen. Offensichtlich hat das Bundesinstitut für Risikobewertung nach seinen ersten sehr kritischen Empfehlungen ordentlich Feuer von den einschlägigen Interessenverbänden bekommen:
Ich würde gerne noch eine Anmerkung zu der von Ihnen ausgeführten Risikokommunikation machen. Es hat schon ein gewisses Gewicht, wenn das BfR am 19. September 2011 eine Mitteilung herausgibt, dass der Verzehr von Wildfleisch für Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch und Kinder ein gesundheitliches Risiko darstellt.
Diese Mitteilung hatte in der Tat böse Briefe und die Frage zur Folge, ob Wild überhaupt noch ein verkehrsfähiges Lebensmittel sei. Es bedurfte des Einsatzes verschiedener Verbände und fachlich hochversierter Organisationen, um dieses Missverständnis auszuräumen.


Anmerkung aus dem Publikum zum Vortrag von Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 52, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Dementsprechend vorsichtig wurde offensichtlich verbal zurückgerudert.
Welche Risikokommunikation brauchen wir beim Thema Bleibelastung im Wildbret?
Aufgrund unserer Daten und Risikobewertungen wissen wir, dass für den Durchschnittsverzehrer kein zusätzliches Gesundheitsrisiko besteht. Für die von uns definierten Vielverzehrer, also für die Menschen, die fünf bis zehn Wildmahlzeiten im Jahr zu sich nehmen, verweisen wir auf mögliches Gesundheitsrisiko. Zu dieser Gruppe der Menschen mit einem möglichen Gesundheitsrisiko zählen insbesondere Kinder und Schwangere sowie Frauen mit Kinderwunsch.
[...] Die Betroffenen sollen so informiert werden, dass sie zu sachlich begründeten, nicht zu ideologischen Entscheidungen finden. Außerdem wollen wir überzogene Handlungen, sprich voreilige Verbotsforderungen etc., vom Grundsatz her vermeiden. [...] Wir wollen mit unserer Kommunikation eine emotional aufgeheizte Stimmung dieser öffentlichen Diskussion vermeiden und den Boden für eine sachliche Entscheidung auf der Basis solider wissenschaftlicher Daten bereiten.

Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 49-51, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Darauf gibt es zwei interessante Anmerkungen aus dem Publikum, denen die BfR-Ausführungen wohl etwas herumgeeiert vorkommen:
Sie sprachen von einer Extremposition, die Sie vermeiden wollten: das Verbot von bleihaltiger Munition. Ich denke, das ist keine Extremposition, sondern das ist die einzig logische Schlussfolgerung, wenn ich daran denke, dass man Blei als Auswuchtgewicht bei Autos EU-weit verboten hat, obwohl 99,9 % recycelt und die übrigen 0,1 % sicher nicht genutzt wurden. Wenn Sie sagen, negative Schlagzeilen wollen wir vermeiden, dann entgegne ich: Das sind keine negativen Schlagzeilen, sondern es handelt sich um eine Aufklärung des Konsumenten, die positiv gesehen werden sollte. Anstelle der Bereitstellung von Kochrezepten zur Wildzubereitung sollte man lieber aufklären, wie das Wildfleisch ausgewählt wird.

Anmerkung aus dem Publikum zum Vortrag von Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 52, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Als Antwort darauf wird die Gesundheitsgefahr durch Blei nur noch auf Risikogruppen beschränkt und in allen anderen Fällen ökologischen Aspekten untergeordnet, die aber gar nicht zur Debatte stehen:
Wir haben gesagt, dass es bestimmte Risikogruppen gibt, die beim Verzehr von Wild, das mit Bleimunition erlegt wurde, ein erhöhtes Risiko haben; sie sollten sich darauf einrichten, entsprechend wenig oder gar nichts zu verzehren. Für alle anderen gilt: Wild ist ein ökologisches Lebensmittel; es produziert weder zusätzliche Treibhausgase noch müssen wir für seine Aufzucht Nahrungsmittel verwenden.

Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 51, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf

Die zweite Anmerkung aus dem Publikum scheint mit der Antwort wenig zufrieden und bringt es auf den Punkt:
Es kann nicht sein, dass Sie eine ernsthafte Aufklärung darüber machen wollen, wie man bleihaltiges Wild zubereiten soll und die Aufnahme von Blei vermeidet: Das kann keine ernsthafte Diskussion sein, die von Ihrem Institut ausgehen sollte. Einen zweiten Punkt möchte ich betonen: Ihre Stellungnahme läuft darauf hinaus, dass bleihaltiges erlegtes Wild unbedenklich ist, solange man es nicht isst. Wenn der Durchschnittsverzehrer nur ein bis zwei Portionen pro Jahr zu sich nimmt, dann ist das für ihn in der Tat unbedenklich, aber auch nur deshalb, weil er praktisch keines isst. Mit dieser Auskunft kann ich mich als Verbraucher aber schwer zufrieden geben.

Anmerkung aus dem Publikum zum Vortrag von Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 51, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Ob den kritischen Publikumsbeitrag die darauf folgende Antwort des BfR wohl überzeugen konnte?
Wir haben derzeit relativ wenig Daten, die uns darüber Auskunft geben, wie hoch der Eintrag an Blei in das verzehrte Stück Wildfleisch tatsächlich ist. Um diesen Anteil geht es, und wir sind mit unseren Aussagen dem Vorsorgeprinzip eigentlich schon sehr weit gefolgt. Niemand bestreitet, dass das Wild generell relativ hoch mit Blei belastet ist. Dennoch ist das Risiko immer abhängig von der aufgenommenen Menge. Als Wildliebhaber kann man durchaus bestimmte geringe Mengen zu sich nehmen, ohne dass etwas passiert.

Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 51, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf


Fazit: "Bleihaltiges, erlegtes Wild ist unbedenklich, so lange man es nicht isst". Oder mit anderen Worten: Wild ist generell relativ hoch mit gsundheitsschädlichem Blei belastet, aber das wollen wir lieber nicht so laut sagen.
Übrigens: Der Deutsche Jagdverband beziffert das Wildbretaufkommen allein für das Jagdjahr 2017/18 auf € 266.389.621,-
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Erklärbär »

Du zitierst halt wieder mal so, dass es zu Deiner Ideologie passt.

Man könnte z.B. auch so zitieren:
Für Erwachsene (ohne Schwangere) mit durchschnittlichem (Normalverzehrer) oder hohem Wildbret- Verzehr (Vielverzehrer) ist die zusätzliche Aufnahme an Blei über Wildfleisch gegenüber der Gesamtaufnahme an Blei über alle anderen Lebensmittelgruppen toxikologisch unbedeutend.
https://www.bmel.de/DE/Wald-Fischerei/0 ... hosse.html

Oder hier:
Aus der sogenannten Verzehrstudie des BfR ergibt sich, dass eine gesundheitliche Gefahr durch die Bleibelastung im Wild nur in Jägerhaushalten oder bei Vielverzehrer und dort nur für die Risikogruppe gebärfähige Frauen und Kinder besteht.
Dann bleibt das Blei doch überwiegend bei den Verursachern. :lol:

Im Übrigen gibt es etliche andere Lebensmittel, von denen man als Risikoperson (z.B. Schwangere, Stillende, Kinder) nicht allzuviel verzehren sollte wie z.B. Leber, bestimmte Fischsorten, Alkohol.

Das BfR ist übrigens auch nicht immer ernst zu nehmen, die hatten schon vor dem Verzehr von Basilikum gewarnt.

Mein Fazit: Die übliche Panikmache. Nina eben. Aber sich über meine berechtigten Warnhinweise zum Wolfsrisiko lustig machen...
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Nina hat geschrieben: 21. Okt 2019, 16:00
Fazit: "Bleihaltiges, erlegtes Wild ist unbedenklich, so lange man es nicht isst". Oder mit anderen Worten: Wild ist generell relativ hoch mit gsundheitsschädlichem Blei belastet, aber das wollen wir lieber nicht so laut sagen.
Übrigens: Der Deutsche Jagdverband beziffert das Wildbretaufkommen allein für das Jagdjahr 2017/18 auf € 266.389.621,-
Frage an Radio Eriwan: ist Wildbret für den Verzehr unbedenklich?

Antwort: Im Prinzip ja, aber ...

:D
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Erklärbär »

[…], wollte noch einen Link editieren:

https://schillipaeppa.net/2016/10/10/ba ... nt-page-1/

@Lutra/Sammy: Meinen vorletzten Beitrag bitte löschen, ist wohl beim Abschicken was schiefgegangen. Dopplung.

Noch was zum Thema Blei:
Im Rahmen des Lebensmittel-Monitorings werden bundesweit jährlich Hunderte Lebensmittelproben tierischer und pflanzlicher Herkunft auf den Gehalt bestimmter toxischer Elemente untersucht. Blei wurde dabei in etwa 7 % der Putenfleischproben nachgewiesen, bei Schokolade und Spinat betrug dieser Wert über 90 %. Überschreitungen der Höchstgehalte an Blei wurden bei einigen Gemüsearten sowie bei Reis festgestellt. Die Höchstgehalte an Cadmium wurden bei 13 Spinat-, 11 Knollensellerie- und zwei Putenfleischproben überschritten. Quecksilber wurde vor allem in Reis, Fisch und Krebstieren festgestellt, wobei sich bei Shrimps und Nordseekrabben eine abnehmende Tendenz zeigt.
https://www.dge.de/wissenschaft/ernaehr ... kapitel-4/

[…]
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