Bleifreie Jagd

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Dr_R.Goatcabin
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Sonne et al. (2019): Time to ban lead hunting ammunition. Science Letters, DOI: 10.1126/science.aaz8150.

Excerpt (Google Translation)
Obwohl nachgewiesen wurde, dass Blei ein äußerst neurotoxisches und anhaltendes Element ist (1), wird es weiterhin in der Jagdmunition eingesetzt. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) untersucht derzeit das Risiko von aus Munition gewonnenem Blei für Wildtiere und Menschen. Die Ergebnisse werden jedoch einige Zeit in Anspruch nehmen (2). Einzelpersonen und Organisationen müssen - unabhängig von der Gesetzgebung der Regierung - unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um die Verwendung von Blei in Jagdmunition zu unterbinden. Die ECHA schätzt, dass jedes Jahr 35.000 Tonnen Blei in die Umwelt in Europa freigesetzt werden, davon 5.000 Tonnen in Feuchtgebieten (3). Das aus Munition gewonnene Blei hat bei den Vögeln der Region zu Leiden und Bevölkerungsrückgängen geführt (4, 5). Verluste durch Bleimunition kosten 1,1 Mrd. USD pro Jahr in Bezug auf den Verlust von Wildtieren und Artenvielfalt, die Gesundheit der Umwelt und die Sozioökonomie, gemessen an Krankenhausaufenthalten und dem Verlust von IQ (6). Die EU-Gesetzgebung ist jedoch selten, und nur Dänemark und die Niederlande haben ein vollständiges Verbot von Bleischüssen erlassen (7).
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

Immerhin ein kleiner Anfang:
Die Verwendung von Bleischrot bei der Jagd in Feuchtgebieten wird künftig EU-weit verboten. [...] Mit dem Verbot soll der massenhafte Tod vor allem von Wasservögeln durch Bleivergiftungen beendet werden. Nach Daten der Europäischen Chemikalienagentur ECHA sterben in jedem Jahr etwa 1,5 Millionen Wasservögel qualvoll an Überresten der Jagd. [...] Nach Daten der ECHA landen pro Jahr rund 5000 Tonnen Blei aus Schrotflinten in den ökologisch besonders sensiblen Feuchtgebieten wie Seen, Mooren oder Feuchtwiesen. Insgesamt gelangen in jedem Jahr sogar bis zu 21 000 Tonnen Blei durch Jagdmunition in die Umwelt.

Süddeutsche, 03.09.2020: EU verbietet Bleischrot-Munition in Feuchtgebieten https://www.sueddeutsche.de/wissen/blei ... -1.5020306
Frau Klöckner hatte sich dagegen bislang heftig gewehrt, soll nun aber beigegeben haben. Trotzdem handelt es sich erstmal nur um ein Bleiverbot light, das reichlich Schlupflöcher lässt und sich kaum kontrollieren lässt:
Um eine Mehrheit für ein Verbot zu errreichen, hat die EU-Kommission im Zuge der Verhandlungen erhebliche Zugeständnisse gemacht. So wurde die Pufferzone um Feuchtgebiete verkleinert, innerhalb derer ein Bleiverbot gilt. Auch auf das zunächst geplante komplette Besitzverbot für Bleimunition wurde verzichtet. Stattdessen soll es ein Mitführverbot bei der Jagd auf Wasservögel geben. Kritiker sehen hier ein Schlupfloch, weil die jetzige Regelung kaum zu kontrollieren sei.

Süddeutsche, 03.09.2020: EU verbietet Bleischrot-Munition in Feuchtgebieten https://www.sueddeutsche.de/wissen/blei ... -1.5020306
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

Schleichende Vergiftung: Auswirkungen bleihaltiger Jagdmunition

Bleihaltige Jagdmunition steht unter Beschuss. Wissenschaftlich belegt ist: Spuren davon können über die Nahrungskette in den menschlichen Körper gelangen. Ihre Reste belasten Gewässer und führen bei Greifvögeln zu einer schleichenden Vergiftung.
[...] Blei ist ein sehr starkes Gift. Es reichert sich im Körper an und führt sukzessive zu immer stärkeren Vergiftungserscheinungen. Es gibt keine verträgliche Menge an Blei. Schon kleinste Bleianteile im Körper haben negative Auswirkungen. Bei Greifvögeln zum Beispiel werden die Nerven geschädigt und es führt zum Abbau der Brustmuskulatur. Die Vögel fliegen dadurch schlechter. Nicht selten verenden sie qualvoll an Atemnot und Nährstoffmangel.

BR, 27.05.2020: Schleichende Vergiftung: Auswirkungen bleihaltiger Jagdmunition https://www.br.de/nachrichten/bayern/sc ... on,RzzuTYn
Dem gegenüber steht die Aussage:
Jäger halten an Bleimunition fest

[...] Mit bleifreier Munition sei die Tötungswirkung auf weitere Distanz oder bei stärkerem Wild nicht gegeben. Für Jäger sei "nicht ausschlaggebend, ob bleihaltig oder bleifrei", sondern "die Tötungswirkung", so Egbert Urbach, um "jegliche Tierquälerei zu vermeiden".

BR, 27.05.2020: Schleichende Vergiftung: Auswirkungen bleihaltiger Jagdmunition https://www.br.de/nachrichten/bayern/sc ... on,RzzuTYn
Durch Jagd indirekt herbeigeführte Nervenschädigungen, Abbau der Brustmuskulatur, Beeinträchtigung der Flugfähigkeit, qualvolle Atemnot und Tod durch Nährstoffmangel ... fallen dann nicht unter "jegliche Tierquälerei"?
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

Gestern im Bayerischen Rundfunk. Aus der Reihe "Unkraut". Bleimunition bedroht den Bestand der Steinadler.
Im Durchschnitt liegt der Bruterfolg bei gerade einmal 0,3 Junge pro Jahr und Paar. Das ist nicht viel. Die Jagd auf Steinadler ist aus gutem Grund verboten. Und trotzdem ist die Bleimunition der Jäger der größte Feind des mächtigen Greifvogels. Erst im März 2021 ist wieder einmal ein Adler an den Folgen einer Bleivergiftung verendet. [...] Vermutlich hat sich der Steinadler die Vergiftung durch das Fressen von Überresten eines mit Blei erlegten Wildes zugezogen. Ein schrecklicher Tod, wie David Schuhwerk vom Landesbund für Vogelschutz weiß: "Ja, also das ist wirklich richtig dramatisch. Das Blei wirkt ja auf ganz vielen Ebenen höchstgiftig - auf das Nervensystem, auf die inneren Organe, die versagen. Die Vögel können nicht mehr gescheit fliegen, können keine Nahrung mehr finden, magern ganz stark ab, haben verminderte Sinnesleistungen - also das ist wirklich ein quälender und elender Tod."
Auch andere Tiere sind durch Blimunition gefährdet, wie dieser Seeadler, der nach langem Kampf dem schleichenden Tod durch die Vergiftung erlegen ist.


BR, Sendereihe Unkraut, 09.08.2021: Umweltsünden: Kein Kavaliersdelikt! https://www.br.de/mediathek/video/unkra ... 000729aa84
Die europäische Chemikalienagentur schätzt, dass in der gesamten EU mindestens 135 Mio Vögel von einer Bleivergiftung bedroht sind. Seit Jahren fordern Umweltschützer daher ein Verbot von Bleimunition. Doch die Jäger wollen es nicht hören. Jedes Jahr schießen sie in der EU etwa 19.000 Tonnen Blei in die Umwelt - ein toxisches Schwermetall, das über Wildfleisch auch beim Menschen landen kann. Es schädigt die Nerven, die Nieren und wird als krebserregend eingestuft. "Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat da auch ganz klare Empfehlungen herausgegeben. Es gibt Personengruppen, die wirklich besonders gefährdet sind. Das sind Kinder bis zu sieben Jahren, Schwangere und junge Frauen im gebärfähigen Alter; da wird wirklich empfohlen, kein Wildbret mehr zu essen, wenn man nicht wirklich weiß, dass es mit bleifreier Munition geschossen wurde."

BR, Sendereihe Unkraut, 09.08.2021: Umweltsünden: Kein Kavaliersdelikt! https://www.br.de/mediathek/video/unkra ... 000729aa84
Doch die Jäger wiegeln ab. Ein Vertreter des Jagdverbands:
"Es gibt Situationen, wo es nicht geht. Wenn man über das Tal schießen muss in den Gegenhang, dann weiß man, man braucht drei bis vier Stunden, bis man bergen kann. Und wenn dann drei bis vier Stunden das Wild leidet, weil keine Tötungswirkung eingetreten ist, des geht einfach nicht und dafür ist der Bayerische Jagdverband auch nicht zu haben."

BR, Sendereihe Unkraut, 09.08.2021: Umweltsünden: Kein Kavaliersdelikt! https://www.br.de/mediathek/video/unkra ... 000729aa84
Als ob der Abschuss mit Bleimunition immer sofort tödlich enden würde, hust. Für's Hobby vergiftet man halt großflächig die Umwelt; wo kämen wir da hin, wenn wir nicht mehr ins Tal schießen dürften und uns dafür ein Jagderfolg entginge. Dann doch lieber den Tod von Millionen Greifvögel in Kauf nehmen und die Umwelt für die Nachwelt nachhaltig vergiften.

Die Julia, die Julia - mauert wieder und Svenja Schulze feiert den faulen Kompromiss.
An Gewässern ist das Jagen mit Blei bereits für alle Jäger verboten. Ab 2023 gilt das Verbot auch für Feuchtgebiete - EU-weit - um den Eintrag des giftigen Schwermetalls in die Umwelt zu minimieren. Die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hätte dieses Gesetz gerne noch etwas hinausgezögert. Der Bundesumweltministerin Svenja Schulze hingegen geht es nicht weit genug. "Ich hätte es lieber gehabt, dass die Bleimunition so schnell wie möglich verboten wird. Aber ich kann jetzt auch mit diesem Kompromiss leben. Wichtiger ist, dass es jetzt endlich zu einem Verbot kommt, und dass endlich Blei bei der Jagd eingeschränkt wird, weil es eben so gefährlich ist."

BR, Sendereihe Unkraut, 09.08.2021: Umweltsünden: Kein Kavaliersdelikt! https://www.br.de/mediathek/video/unkra ... 000729aa84
Und gerade, weil es so gefährlich ist, reicht die biegsame, butterweiche Einschränkung nicht aus. Bisschen Bleiverbot, bisschen Klimapolitik, bisschen Agrarwende - wie kann die Menschheit so dämlich sein, ihre eigenen Lebensgrundlagen zu vergiften, zu zerstören, zu verbrennen?
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Nina hat geschrieben: 10. Aug 2021, 17:51 Bisschen Bleiverbot, bisschen Klimapolitik, bisschen Agrarwende - wie kann die Menschheit so dämlich sein, ihre eigenen Lebensgrundlagen zu vergiften, zu zerstören, zu verbrennen?
... Was meinst Du wohl, wie lange das schon bei dem bisschen Restverstand der Menschen wirkt? - All das Methylquecksilber, die Weichmacher, die nicht abgebauten Hormone, Pestizide, das Blei ... ?
Oder der alte Kifferwitz: (Zuviel) "Marihuana macht apathisch und gleichgültig!" - " ..... Mir doch egaaaaal ..."
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

Was soll man denn machen, wenn man immer und überall mit alternativen oder zumindest verwirrenden Fakten eingelullt wird?

Bei den Öffis wie dem NDR titelt man "Gut zu wissen" und verbreitet dann jede Menge Halbgares und Alternatives. Beispiel: "Warum wir öfter zu Wildfleisch greifen sollten": Studiogast ist ein Koch und "Wildfleischexperte".

Interessante These Nr. 1: Jäger müssen Rehe schießen, weil es keine Wölfe mehr gibt
[NDR-Moderator:] "Warum wir öfter zu Wildfleisch greifen sollten, darüber spreche ich gleich mit jemandem, der sich damit bestens auskennt, denn er ist Koch und kocht sehr gerne mit Wildfleisch. [...] Wildfleisch, welche Vorteile hat es denn im Vergleich zum Schweinefleisch oder zum Rindfleisch?"

NDR, Mein Nachmittag, 06.10.2020 aus der Rubrik "Gut zu wissen": Klimaschonend und gesund - warum wir öfter zu Wildfleisch greifen sollten https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 23848.html
[Koch und Wildfleischexperte:] "Naja, Wildfleisch hat den großen Vorteil, dass es einfach vorkommt hier, ohne dass wir es grossartig züchten müssen."

NDR, Mein Nachmittag, 06.10.2020 aus der Rubrik "Gut zu wissen": Klimaschonend und gesund - warum wir öfter zu Wildfleisch greifen sollten https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 23848.html
[NDR-Moderator:] "Wir haben jetzt ein paar Punkte gesehen, warum Wildfleisch nachhaltiger ist. Warum ist es aus Deiner Sicht nachhaltiger?"

NDR, Mein Nachmittag, 06.10.2020 aus der Rubrik "Gut zu wissen": Klimaschonend und gesund - warum wir öfter zu Wildfleisch greifen sollten https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 23848.html
[Koch und Wildfleischexperte:] "Naja, also wir hätten ein Problem, wenn wir das Wildfleisch nicht jagen würden, weil sie einfach keine, weil das Reh hat keinen Fressfeind mehr. Und der Jäger macht eigentlich das, was vorher der Wolf gemacht hat. Und das bedeutet einfach, dass wir so der Natur sogar was Gutes tun, weil die Rehe, wenn sie nicht bejagt werden würden, würden uns den ganzen Wald abknabbern und wir hätten vielleicht keinen Wald mehr."

NDR, Mein Nachmittag, 06.10.2020 aus der Rubrik "Gut zu wissen": Klimaschonend und gesund - warum wir öfter zu Wildfleisch greifen sollten https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 23848.html
Fun Fact: Die erfolgreiche Rückkehr der Wölfe, und dass es "laut Jagdverband" schon "1800 Tiere" gäbe, was laut Filmbericht dazu führe, dass auch Menschen als "Beute nicht mehr ausgeschlossen" wären, ist nur einen Tag später Thema in der selben Sendereihe "Mein Nachmittag"¹. Am 06.10.20 müssen Jäger Rehe schießen, weil es keine Wölfe gibt und nur einen Tag später, am 07.10.2020, sind die Wölfe schon eine alles überrennende, menschenfressende Plage. Auch habe ich mal gehört, dass der Klimawandel mit Hitze und Dürre das größte Problem des Waldes wäre - und nicht das Reh, aber das ist vielleicht ja nur ein Gerücht. :roll:

Interessante These Nr. 2: Gegen Blei hilft Reden, ganz viel Reden (mit dem Jäger natürlich, mit wem denn sonst)
[NDR-Moderator:] "Und wenn ich jetzt beim Jäger zum Beispiel das Fleisch kaufe, [...] wenn man jetzt beim Jäger kauft, kann es natürlich auch sein, dass da Blei drin ist, von den Patronen. Worauf muss man da achten und wie groß ist das Risiko, dass man sich da vergiftet?"

NDR, Mein Nachmittag, 06.10.2020 aus der Rubrik "Gut zu wissen": Klimaschonend und gesund - warum wir öfter zu Wildfleisch greifen sollten https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 23848.html
[Koch und Wildfleischexperte:] "Also wichtig ist, dass man viel spricht, auch mit dem Jäger viel spricht. Weil das bessere Fleisch ist immer das, was vom Hochsitz geschossen wird.
Weil das Tier in der Situation erwischt wird, wo es entspannt ist und wo auch der Jäger entspannt zielen kann. Und es gibt da noch die Drückjagd, die brauchen wir tatsächlich in Deutschland auch, damit wir den Beständen so'n bisschen Herr werden. Da sind die Tiere gestresst und da schießt auch der Jäger nicht so, wie er vielleicht schiessen könnte. Das hat zur Folge, dass manchmal das Blei da sitzt, wo es eigentlich nicht hin soll. Und wenn man viel oder guten Kontakt zu seinem Jäger hat oder zu seinem Fachmann, dann sollte man eigentlich keine Probleme damit haben."

NDR, Mein Nachmittag, 06.10.2020 aus der Rubrik "Gut zu wissen": Klimaschonend und gesund - warum wir öfter zu Wildfleisch greifen sollten https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 23848.html
Und alle, die keine so guten Kontakte haben, sondern einfach nur Wildfleisch kaufen wollen, kriegen dann die ganzen Teile mit der höchsten Bleikonzentration?
Und wer kriegt dann die viel zahlreicheren Wildtiere angedreht, die auf Drückjagden erschossen werden, und bei denen deshalb "das Blei sitzt, wo es eigentlich nicht hin soll"?

Und morgen in der Rubrik "Gut zu wissen":

Wenn Sie gerne 'ne Fluppe schmöken, sich aber nicht sicher sind, ob Rauchen ungesund ist, ist es besonders wichtig, dass man viel spricht. Mit einem Vertreter der Tabakindustrie viel spricht. Wenn man viel oder guten Kontakt zu Vertretern der Tabakindustrie hat, dann sollte man auch keine Probleme mit dem Rauchen haben.




¹ NDR "Mein Nachmittag, 07.10.2020: Warum ist die Rückehr des Wolfes so problematisch? https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 23870.html
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

Alles Wissen oder Nur-Was-Vormachen - das ist beim Hessischen Rundfunk die Frage

Oh je - "Alles Wissen" mit Thomas Ranft im Hessischen Rundfunk: Ist Wildfleisch ökologisch und gesund? Spoiler: Fragen Sie den Jagdverband!

Öffentlich-rechtliche Desinformation gruseligster Art überraschte mich gestern beim Zappen. Eine Sendung mit dem vielsprechenden Namen "Alles Wissen" wollte der Frage auf den Grund gehen, ob Wildfleisch von Hobbyjägern wirklich ökologisch ist.
Wild aus heimischen Wäldern liegt im Trend. Und es scheinen ja auch tatsächlich einige Gründe dafür zu sprechen: Die Tiere leben in Freiheit und fressen einfach das, was ihnen die Natur anbietet. Außerdem müssen sie keine langen, stressigen Transportwege zum Schlachthof ertragen. Aber sind Reh, Hirsch und Wildschwein wirklich nachhaltiger und klimafreundlicher als Schwein und Rind?

HR, Alles Wissen, Sendung vom 16.17.2021 Wildfleisch - ökologisch und gesund? https://www.ardmediathek.de/video/alles ... 8xNTc2NjE/


"Mehr Bio geht nicht"

Eine Jägerin und Metzgermeisterin darf Eigenwerbung betreiben und sagt gleich am Anfang über das selbst und von anderen Jägern geschossene Wildtier-Fleisch: "Mehr Bio geht nicht". Es sei "das beste Fleisch", das "man bekommen kann". Die Tiere hätten u. a. "keinen Stress". Die Jagdszene vor dem Sonnenuntergang, die - wie zu erwarten - heute mal nicht vom Jagderfolg gekrönt ist - wird von aufregender Musik untermalt. "Man muss ja auch sicher gehen, dass das Tier sofort tot ist, wenn man es schießt." Ja, ja, klar. Kein Wort von den grauenhaften Bildern und Szenen, die Nachsuche-Hundeführer in ihren Büchern beschreiben, kein Wort über die katastrophale letale Trefferquote bei Drückjagden von gerade einmal rund 30%. Hier wird Idylle pur gezeigt, und deshalb wartet man auf den Tötungsvorgang in Ton und Bild auch vergeblich: "Heute bringt die 35jährige nichts mit in ihre Metzgerei."

Immerhin hört man die Sprecherin sagen: "Es liegt nahe, dass Wild den besseren ökologischen Fußabdruck hat. Wissenschaftliche Studien dazu gibt es bisher aber nicht."

Das Thema Blei wird immerhin nicht ausgeklammert. Die gezeigte Jägerin verwendet nach eigenen Angaben natürlich kein Blei ("Blei belastet auch die Böden") und findet, dass man "heute eigentlich darauf verzichten sollte". Die Sprecherin betont, dass immer mehr Jäger auf Blei verzichten würden und klammert auch das debattierte EU-Verbot nicht aus. Aber dann folgen eben doch großzügig ausgelegte Empfehlungen:
"Wird dennoch mit Blei geschossen, sind bis zu fünf Mahlzeiten pro Jahr unbedenklich", sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung. Das gilt allerdings nicht für Schwangere und Kinder. Sie sollten jegliche Bleiaufnahme vermeiden."

HR, Alles Wissen, Sendung vom 16.17.2021 Wildfleisch - ökologisch und gesund? https://www.ardmediathek.de/video/alles ... 8xNTc2NjE/
Fünf Mahlzeiten? Und fehlt bei der Blei No Go-Gruppe nicht noch eine ganz entscheidende große Gruppe, nämlich alle Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter? Quasi die gesamte weibliche Bevölkerung diesseits des Klimakteriums?
Werden, wie bei der Allgemeinbevölkerung in Deutschland üblich, nur ein bis zwei Wildmahlzeiten im Jahr verzehrt, bestehe durch die Aufnahme von Blei aus mit Bleimunition gewonnenem Wildbret kein erhöhtes Gesundheitsrisiko,[/b] [...]."

Bundesinsitut für Risikobewertung, 20.03.2013: Bleimunition führt zu höheren Bleigehalten im Wildbret https://www.bfr.bund.de/de/presseinform ... 33069.html
Das BfR ist deshalb der Auffassung, dass jegliche zusätzliche Exposition gegenüber Blei vermieden werden sollte. Dies gilt für alle Personengruppen (Männer, Frauen und Kinder). Für Kinder unter 7 Jahren gilt diese Aussage in besonderem Maße, weil bei ihnen neurotoxische Effekte auftreten können, die die Entwicklung des Nervensystems beeinträchtigen. [...] Das BfR empfiehlt daher, dass insbesondere Kinder bis zum Alter von sieben Jahren, Schwangere und Frauen im gebärfähigen Alter auf den Verzehr von mit Bleimunition geschossenem Wild verzichten.

Bundesinsitut für Risikobewertung, 3. Dezember 2010: Bleibelastung von Wildbret durch Verwendung von Bleimunition bei der Jagd https://www.bfr.bund.de/cm/343/bleibela ... r-jagd.pdf
So weit, so schlecht. Die unterschiedlichen Werte, ob nun 1-2 oder 5-10 Wild-Mahlzeiten für Nicht-Kinder, Nicht-Schwangere und alle Nicht-Gebärfahigen denn nun "unbedenklich" sind, entstammen reinen Modell-Rechnungen ohne Einbeziehung der tatsächlichen im Fleisch befindlichen Bleigehalte. Außerdem ist es ohnehin problematisch, "unbedenkliche" Werte, so gering sie auch sein mögen, zu empfehlen:
In ihrem 2010 veröffentlichten Gutachten hat die EFSA neue Daten zur Bleiexposition der Bevölkerung in Europa und zur toxikologischen Wirkung des Schwermetalls systematisch ausgewertet. Aufgrund ihrer Modellrechnungen hält sie die für Blei international festgelegte, und jahrzehntelang angewendete vorläufig tolerierte wöchentliche Aufnahmemenge (PTWI) als Referenzwert für die gesundheitliche Risikobewertung nicht mehr für angemessen, um den Verbraucher ausreichend vor der Bleiexposition über Lebensmittel zu schützen. Neuere Daten belegen, dass bereits kleinste Mengen an Blei zu schädlichen Effekten im Körper führen können. Das heißt, es kann keine Dosis ohne Wirkung angegeben werden.

Bundesinsitut für Risikobewertung, 3. Dezember 2010: Bleibelastung von Wildbret durch Verwendung von Bleimunition bei der Jagd https://www.bfr.bund.de/cm/343/bleibela ... r-jagd.pdf
Lebensmittel, die hohe Bleigehalte aufweisen können, wie zum Beispiel mit Bleimunition erlegtes Wild, sollten daher nur in geringem Umfang verzehrt werden. [...] Die EFSA (2010) empfiehlt, die Exposition gegenüber Blei über den Verzehr von Lebensmitteln weiter zu reduzieren, da sie gegenwärtig ein gesundheitliches Risiko durch Blei für Säuglinge, Kinder und Feten (Exposition der schwangeren Frauen) für möglich hält. [...] Die Berechnungen [der empfohlenen unbedenklichen Verzehrsmengen] sind mit großen Unsicherheiten verbunden, da die Annahme einer vollständigen (100 %) effektiven Lebensmittelüberwachung unrealistisch erscheint, sodass Werte über den dann geltenden Höchstgehalten nicht auszuschließen sind und sich entsprechend höhere Mittelwerte ergeben würden.

Bundesinsitut für Risikobewertung, 3. Dezember 2010: Bleibelastung von Wildbret durch Verwendung von Bleimunition bei der Jagd https://www.bfr.bund.de/cm/343/bleibela ... r-jagd.pdf
Und da liegt die Krux:
Blei ist ein toxikologisch bedenkliches Schwermetall, das für den Menschen keine physiologische Bedeutung hat und bereits in kleinsten Mengen zu schädlichen Effekten im Körper führen kann. Daher kann keine Dosis ohne Wirkung oder „ungefährliche Aufnahmemenge“ angegeben werden. Blei ist somit immer als unerwünschte Kontamination anzusehen. Es reichert sich im Organismus an, kann die Blutbildung, innere Organe wie die Nieren sowie das zentrale Nervensystem schädigen. Zudem lagert es sich in den Knochen ab.

Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES): Wildfleisch frei von Blei und Keimen?
Chemische und mikrobiologische Untersuchungen im LAVES (2021)
https://www.laves.niedersachsen.de/star ... 73576.html
Wildfleisch und die daraus hergestellten Erzeugnisse können besonders viel Blei enthalten, wenn das Wild mit bleihaltiger Munition erlegt wurde. Beim Aufprall verformen oder zerlegen sich die Geschosse. Es lösen sich kleinste Partikel und feinste Splitter, die tief in das Fleisch eindringen und kaum oder gar nicht zu erkennen sind. Insbesondere im Gewebe in der Nähe des Schusskanals, aber auch in größerer (gegebenenfalls bis zu 45 Zentimeter) Entfernung sind teilweise noch sehr hohe Bleimengen nachweisbar.

Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES): Wildfleisch frei von Blei und Keimen?
Chemische und mikrobiologische Untersuchungen im LAVES (2021)
https://www.laves.niedersachsen.de/star ... 73576.html
Lebensmittelsicherheit kann selbst durch eine Beprobung nicht gewährleistet werden:
Die Analytik von Blei in Wild ist für das Untersuchungslabor immer eine besondere Herausforderung, weil die Bleipartikel auch bei intensiver Zerkleinerung des Probenmaterials ungleichmäßig verteilt sind. Bei Stichprobenuntersuchungen werden stark schwankende Messwerte festgestellt. Je nachdem, ob ein Bleipartikel bei der Einwaage erfasst wurde oder nicht. [...] Bislang ist kein zulässiger Höchstgehalt für Blei in Wildfleisch oder daraus hergestellten Erzeugnissen festgelegt. Eine rechtliche Beurteilung erfordert daher immer eine toxikologische Abschätzung, bei der unter anderem die Verzehrsmenge zu berücksichtigen ist. Für Wild-Produkte liegen derartige Daten jedoch meist nicht vor, sodass jede Beurteilung eine komplexe Einzelfallentscheidung darstellt. Dabei kann immer nur die untersuchte Probenmenge betrachtet werden. Wegen der inhomogenen Verteilung der Bleipartikel ist auch keine Übertragung auf eine gesamte Charge möglich.

Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES): Wildfleisch frei von Blei und Keimen?
Chemische und mikrobiologische Untersuchungen im LAVES (2021)
https://www.laves.niedersachsen.de/star ... 73576.html
Untersuchungsergebnisse des LAVES: Blei in 41 von 43 Proben
In 41 der 43 untersuchten Proben konnte Blei nachgewiesen werden. In etwa der Hälfte der Proben lag der Bleigehalt dabei unter 0,1 mg/kg. Diese Menge ist in Fleisch von Schweinen, Rindern, Geflügel oder Schafen zulässig. In 20 Proben wurden jedoch deutlich höhere Gehalte größer als 1 mg/kg festgestellt, davon sechs Proben mit Blei-Mengen größer als 10 mg/kg.
11 Proben (26 Prozent) wurden beanstandet, davon drei (sieben Prozent) sogar als gesundheitsschädlich. Die Blei-Gehalte dieser drei Proben lagen bei 98, 231 und 363 mg/kg.


Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES): Wildfleisch frei von Blei und Keimen?
Chemische und mikrobiologische Untersuchungen im LAVES (2021)
https://www.laves.niedersachsen.de/star ... 73576.html
Vertrauen Sie doch einfach Ihrem Jäger... Dort wird immer ganz genau, transparent und gewissenhaft gerabeitet:
Von den in den Jahren 2018 bis 2021 untersuchten 43 Proben wiesen 24 Proben Kennzeichnungsmängel auf. Dazu zählten unzureichende Bezeichnungen, fehlende Angaben der einzelnen Wildtierarten im Zutatenverzeichnis, fehlende oder falsche Angaben des Fleischanteils, fehlende oder falsche Angaben des Mindesthaltbarkeitsdatums oder fehlende beziehungsweise fehlerhafte Angaben zu Zutaten, Zusatzstoffen und weiteren Pflichtangaben. Insbesondere bei Bezeichnungen mit „Wild“ - wie zum Beispiel Wildbockwurst oder Wildmettwurst, die auch unter Verwendung von Schweinefleisch hergestellt wurden - fehlte der Hinweis auf eine Mitverarbeitung von Schweinefleisch in der Bezeichnung.

Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES): Wildfleisch frei von Blei und Keimen?
Chemische und mikrobiologische Untersuchungen im LAVES (2021)
https://www.laves.niedersachsen.de/star ... 73576.html
Nicht nur in Niedersachsen:
Die Verbraucherzentrale warnt jedoch: Wild wird oft mit bleihaltiger Munition gejagt. Blei kann also auch in das Fleisch übergehen. Das Schwermetall kann für Mensch und Tier bereits in geringen Mengen schädlich sein. [...] Besonders in der Weihnachtszeit steht Wildfleisch hoch im Kurs. Es gilt als besonders natürliche und gesunde Delikatesse. Die Stimmung trübt eine aktuelle Untersuchung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Demnach enthielten rund Dreiviertel der 75 untersuchten Wildwurstwaren Bleirückstände. Sechs Proben wurden als „nicht zum Verzehr geeignet“, eine Probe sogar als „gesundheitsschädlich“ eingestuft.
Wildschweinprodukte waren dabei tendenziell stärker belastet als solche von Reh oder Hirsch. „Während beispielsweise für Fleisch von Rind und Schwein EU-weite Höchstgehalte für Blei gelten, gibt es solch einen Grenzwert für Wildfleisch bislang nicht. Das ist problematisch“, erklärt Tina Hanke, Fachberaterin für Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Thüringen.


ABG-Net, Verbraucherzentrale Thüringen, 17.12.2021: Wildbret nicht ohne Risiko https://www.abg-net.de/aktuelles/nachri ... ne-risiko/
Nee klar, : "Mehr Bio geht nicht!" :roll:
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

Hessischer Rundfunk: (Du musst nicht)Alles Wissen, Teil II
Am nächsten Morgen - ihr Kühlhaus ist trotzdem nicht leer. Die Metzgermeisterin arbeitet mit mehreren Jägern zusammen. Und Wildfleisch wird immer beliebter. [...] Am begehrtesten ist Wildschwein mit rund 21.000 t. (Quelle: Deutscher Jagdverband DJV). "Man würde das auch sofort hier am Fleisch sehen, wenn das Tier krank wäre, das dann an der Farbe, man würde es am Geruch erkennen." Was mit bloßem Auge nicht erkennbar ist - Trichinen bei Widschweinen. Deshalb wird immer eine Probe veterinärmedizinisch untersucht. Trichinellen sind kleine Fadenwürmer, die beim Menschen eine Infektionskrankheit hervorrufen können, die meist mit Magen-Darm-Symptomen beginnt. Dieses Fleisch ist unbelastet und kann verarbeitet werden. Heute will Katharina ihren Bruder beliefern, der ist Koch [...].

HR, Alles Wissen, Sendung vom 16.17.2021 Wildfleisch - ökologisch und gesund? https://www.ardmediathek.de/video/alles ... 8xNTc2NjE/
Lustig, wenn man eine durch den Wild-Fleischverzehr verursachte Krankheit dahingehend herunterspielt, dass man nur die Symptome beschreibt, mit der die Krankheit beginnt. Und hier nun die ganze ungeschönte Wahrheit
Die Arten der Gattung Trichinen, auch Trichinella genannt, gehören zu den Fadenwürmern (Nematoden). Insgesamt sieben, sich untereinander sehr ähnlich sehende Arten sind für den Menschen infektiös, die wichtigste davon ist Trichinella spiralis. [...] Für den Menschen spielen hierbei vor allem Schweinefleisch vom Hausschwein und Wildschwein eine Rolle, für im Handel erworbenes Schweinefleisch gilt dies in Deutschland wegen der Trichinenuntersuchung nicht mehr. [...] Trocknen oder Pökeln des Fleisches tötet die Trichinen jedoch nicht ab. [...] Eine Ansteckung kann nur durch die Aufnahme von Trichinen-haltigem Fleisch erfolgen und ist nicht von Mensch zu Mensch möglich. [...]Die intestinale oder enterale Phase kann unbemerkt verlaufen, bei stärkerem Befall kann es wenige Tage nach der Infektion unter anderem zu Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und Fieber kommen. In der extraintestinalen Phase können nach etwa einer Woche unter anderem hohes Fieber, Muskelschmerzen, Muskelsteifheit, Lidödem und Gesichtsödem, weiterhin Hautausschlag, Blutungen unter den Nägeln, Bindehautentzündung, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Atembeschwerden und Schluckstörungen, trockener Husten, punktförmige Hautblutungen und Schleimhautblutungen und schmerzhafte Bewegungsstörungen der Augenmuskeln sowie eine erhöhte Anzahl der eosinophilen Granulozyten im Blut (Bluteosinophilie) und eine erhöhte Aktivität von Muskelenzymen auftreten. Gefährliche Komplikationen können zum Beispiel Herzmuskelentzündung (Myokarditis) bzw. Herzrhythmusstörungen, Gehirnentzündung (Enzephalitis), Lungenentzündung (Bronchopneumonie), Blutvergiftung (Sepsis), Kreislaufversagen, Nebenniereninsuffizienz, psychotische Zustände, Koma und Krampfanfälle sowie weitere neurologische Symptome sein.

enmedi, Trichinen (Trichinella) https://www.emedi.de/parasiten/trichinen.html
Mmmm, luftgetrocknete Wildschwein-Salami vom Jäger um die Ecke... :shocked: Wie der Bruder der Jägerin erklärt, reicht auch ein rosa anbraten:
"Heute könnte man zum Beispiel auch das Wildschwein-Filet oder den Wildschwein-Rücken rosa braten, weil es im Gegensatz zu früher weniger Schadstoffe in dem Fleisch gibt. Die Kühlketten sind heute besser. D. h. das Fleisch wird eher gekühlt und dadurch ist es nicht mit Bakterien so mehr kontaminiert." [...] [Sprecherin:] Sieht sehr lecker aus. [...] Unser Fazit: Wild liegt im Trend, ist regional, nachhaltig und gesund. Da es aber nicht unbegrenzt verfügbar ist, wäre weniger Fleisch, dafür aber ab und zu Wild, eine gute Alternative.

HR, Alles Wissen, Sendung vom 16.17.2021 Wildfleisch - ökologisch und gesund? https://www.ardmediathek.de/video/alles ... 8xNTc2NjE/
Wildfleisch ist knapp? Typischer Verkäufer-Trick:
Der Trick mit der Knappheit

Es ist einer der ältesten Verkaufstricks: Zu behaupten, die Ware sei knapp.
[...] Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU sieht solche Warnungen eher nüchtern. "Das ist einer der ältesten Marketing-Tricks der Welt. Sobald eine Knappheit suggeriert wird, kaufen die Kunden eher." [...] Marketing-Experte Thorsten Henning-Thurau von der Universität Münster [...] "Das ist kein Ansatz, mit dem man langfristige Geschäftsbeziehungen aufbaut." Denn das sogenannte Hard-Selling sorge beim Verbraucher für Stress und negative Emotionen. "Das kennt man aus alten Verkäuferschulungen. Mit kundenorientiertem Marketing hat das nichts zu tun."

n-tv, 07.09.2015: Der Trick mit der Knappheit https://www.n-tv.de/ratgeber/Der-Trick- ... 37681.html
Das gilt insbesondere für Ware, die keiner haben will:
Jäger werden ihr Wildfleisch nicht mehr los

Die Jäger sollen jagen, werden aber das Wildfleisch nicht los. Aufgrund der Corona-Krise sind die Kühlhäuser voll und leeren sich nicht. [...] Die Jäger stecken in der Klemme: Sie sollen Rehe und Hirsche schießen, damit in den Wäldern die jungen Bäume wachsen können. Wegen der drohenden Afrikanischen Schweinepest müssen sie Wildschweine erlegen. Doch wohin mit dem Wildfleisch?
[...] Seitdem wegen der Corona-Pandemie die Gaststätten in Deutschland geschlossen sind, wird nur noch wenig Wildbret verkauft. „Die Gastronomie ist der Hauptabnehmer in Deutschland”, sagt Präsident des Deutschen Jagdverbands (DJV), Volker Böhning. Die Wildhändler nehmen bundesweit kaum noch etwas ab. [...] Die Preise, die derzeit für Wild erzielt werden können, sind einem anderen Händler zufolge generell auf die Hälfte oder ein Drittel des üblichen gesunken. Je Kilogramm Reh oder Rotwild erhalte der Jäger einen statt drei Euro, für Wildschwein 50 Cent.[/b] [...] In Deutschland gibt es laut DJV mehr als 388.000 Jagdscheininhaber, davon nur rund 1000 Berufsjäger. Die meisten Jäger erfüllten ehrenamtlich einen gesellschaftlich relevanten Auftrag und verdienten Unterstützung. „Auf keinen Fall dürfen sie für die Mülltonne jagen”, mahnte Böhning.

Nordkurier, 25.04.2020: Jäger werden ihr Wildfleisch nicht mehr los https://www.nordkurier.de/mecklenburg-v ... 75004.html
Förster rufen zum Kauf von Wildfleisch auf

[...] Vorerst müssten die Jäger das Wildbret allerdings notgedrungen weiterhin im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis los werden. Wenn das nicht möglich ist, werde es schwer, die von den unteren Jagdbehörden vorgegebenen Abschussquoten zu erfüllen, sagt der Göttinger Jäger Engelhardt. "Denn keiner will Wild schießen und das Fleisch dann wegwerfen."[/b]

Süddeutsche, 29.04.2020: Förster rufen zum Kauf von Wildfleisch auf https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ ... -99-873172
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

Hessischer Rundfunk: Du musst nicht(Alles Wissen) Teil III

Blutliebende Rare-Wildschweinsteak-Liebhaber und Fans von Wildschwein-Rohwurst und luftgetrockneter Schwarzwild-Salami genau hingeschaut: Zur halbrohen Wildsau gibt's noch ein paar Kilo Würmer gratis dazu - liegt ja voll im Trend - und jetzt ganz neu: Wildschwein mit Eiern zum Selbstzüchten von Würmern im eigenen Körper - Mehr Bio geht jetzt aber wirklich nicht! :mrgreen:
Fredrik Alfredsson und seine Jagdkollegen erschossen ein Wildschwein, dessen Bauchraum Massen von großen, hellen Würmern aufwies. "Das ist das Ekligste, was ich jemals zu Gesicht bekommen habe, sagt Frederik gegenüber dem Jaktjournalen [...] Gustav Averhed, Staatsveterinär der Statens Veterinärmedicinska Anstalt in Uppsala, hat sich die Bilder angeschaut. "Es handelt sich tatsächlich um große Würmer, die zu einer Form der Spulwürmer gehören. Meist bekommt man sie nicht zu Gesicht, solange der Bauchraum gschlossen ist. Menschen können sich durch die Eier infizieren. Deshalb ist auf strikte Hygiene zu achten, damit es bei der Entfernung der Eingeweide nicht zu einer Kontamnation kommt.

Jaktjournalen, 01.12.2021: Fann fullt med vita jättemaskar i vildsvin https://www.jaktjournalen.se/fann-fullt ... -vildsvin/
Warninweis: Den Link mit dem Foto nicht unmittelbar nach einer Mahlzeit anklicken. :mrgreen:

Nun aber zurück zum Blei:

Beiträge in Sendungen wie die (Du musst nicht)Alles Wissen gleichen eher einem Image-Werbespot denn einem gut recherchierten, wenn denn überhaupt einem eigens recherchierten Bericht. Die Frage, ob das Wildfleisch denn nun ökologisch sei, beantworten eine Jägerin, Zahlen vom Jagdverband, der Jägerin ihr Bruder und eine dem Bruder der Jägerin seinem Restaurant einen Besuch abstattende Ernährungsberaterin. Unabhängiger können verschiedene Quellen nicht voneinander sein. :lol:

Die junge Jägersfrau, die mit schickem Mascara auf den hochgebogenen Wimpern und spannungsgeladener Musik im Sonnenuntergang auf den Hochsitz zum Wildtieretöten steigt, erscheint mir nicht repräsentativ, wenn ich die vorwiegende Alters- und Geschlechterstruktur der Jägerschaft in meiner Region zum Vergleich heranziehe. Das scheint leider auch für ihre Haltung pro bleifreie Munition zu gelten.
Die Weltgesundheitsorganisation listet das Schwermetall unter den zehn der für Menschen gefährlichsten Stoffe. Aus gutem Grund also verbannen Europas Politiker Blei aus dem Alltag: Farben, Buntstifte, Benzin und Wasserleitungen – muss alles bleifrei sein. Selbst das traditionelle Bleigießen zum Jahreswechsel ist seit zwei Jahren in der EU verboten. Doch ein Gebiet ist noch immer schwer belastet: die Jagd. [...] Jährlich feuern Jäger in Europa mindestens 600 bis 700 Millionen Schrotpatronen ab. Nach Berechnungen der Europäischen Chemikalienagentur Echa gelangen so jedes Jahr 18 000 bis 21 000 Tonnen Blei in die Umwelt. Das bedeutet Abermillionen oft kleinster giftiger Partikel, die eine tödliche Gefahr für Tiere sind. Und damit auch für Menschen, wenn sie diese verzehren.

Spektrum, 22.06.2020: Wird bleihaltige Jagdmunition endlich verboten? https://www.spektrum.de/news/naturschut ... en/1744688
Allein in den ökologisch besonders sensiblen Feuchtgebieten landen EU-weit in jedem Jahr rund 5000 Tonnen Blei aus Bleischrot-Munition, die Menschen bei der Jagd auf Enten, Gänse, Schwäne und andere Wasservögel abfeuern. Als Schwermetall baut sich Blei dort nur langsam ab. Im Sediment der flachen Uferzonen von Gewässern, die regelmäßig für die Jagd genutzt werden, kommt es über die Jahre so zu enormen Konzentrationen der Munitionsreste. Flachwasserzonen in einigen Jagdgebieten gleichen oft mehr Sondermülldeponien als intakten Gewässern. Bis zu 400 Schrotkörner fanden Wissenschaftler in seichten Uferbereichen einiger europäischer Gewässer pro Quadratmeter.

Spektrum, 22.06.2020: Wird bleihaltige Jagdmunition endlich verboten? https://www.spektrum.de/news/naturschut ... en/1744688
Die Folgen dieser Bleiverseuchung sind dramatisch. Mehr als eine Million Wasservögel sterben in jedem Jahr nach Schätzungen der EU-Kommission an den Hinterlassenschaften der Jäger einen langsamen und qualvollen Tod. Die Vögel nehmen die winzigen Bleischrote beim Gründeln im flachen Wasser auf oder picken sie gezielt vom Grund, weil sie die Giftkügelchen für kleine Kiesel halten, die sie natürlicherweise als Magensteinchen zur Förderung ihrer Verdauung schlucken. Krämpfe, Koordinationsstörungen, Erbrechen, Flugunfähigkeit und schließlich der Tod sind die Stationen einer Bleivergiftung für viele Vögel.

Spektrum, 22.06.2020: Wird bleihaltige Jagdmunition endlich verboten? https://www.spektrum.de/news/naturschut ... en/1744688
Blei ist aber nicht nur ein Problem für Wasservögel, sondern auch für die Tiere, die sich von ihnen ernähren. Und nicht nur in Feuchtgebieten, auch in Wald, Feld und Wiese wird mit Blei geschossen. Auf kleinere Tiere mit Schrot; auf Reh, Wildschwein und Hirsch mit Kugeln. »Sobald Blei verwendet wird, taucht es auch irgendwann in der Nahrungskette auf und führt dann als hochtoxisches Schwermetall zu negativen Konsequenzen in der Nahrungskette«, sagt der Wildtoxikologe Oliver Krone vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin.

Spektrum, 22.06.2020: Wird bleihaltige Jagdmunition endlich verboten? https://www.spektrum.de/news/naturschut ... en/1744688
Jagdverbände sagen »Ja, aber«

Grundsätzlich stehe man hinter einem Ende der Nutzung von Bleischrot in Feuchtgebieten, versichert der Generalsekretär des europäischen Jagd-Dachverbands Face, David Scallan. »Wir unterstützen die schrittweise Abschaffung, wenn dies in einer für Jäger und Behörden verständlichen Weise geschieht.«
[...] Konkret kritisiert der Lobbyverband, der sieben Millionen Jäger vertritt, eine zu weitgehende Definition von Feuchtgebieten und damit des Gebiets, in dem das Verbot gelten soll. Auch das Verbot in einer vorgesehene Pufferzone um Feuchtgebiete herum lehnt Face ab. Der Jägerverband fordert zudem eine längere Übergangsfrist für die Umstellung auf bleifreie Munition als die von der Kommission ursprünglich geplanten 18 Monate. Dies sei nötig, weil es in einigen Ländern bisher gar keine Einschränkungen für Bleimunition gebe. »Bis zu 70 Prozent der Schrotflinten in Polen, Irland und Rumänien müssten getestet und möglicherweise für Stahlschrot umgerüstet werden«, argumentiert Scallan.

Spektrum, 22.06.2020: Wird bleihaltige Jagdmunition endlich verboten? https://www.spektrum.de/news/naturschut ... en/1744688
Europas Naturschützer vermuten dahinter die Lobbyarbeit von Jagdorganisationen und Munitionsherstellern. »Es ist beispiellos, dass wissenschaftliche Empfehlungen so brutal missachtet werden«, kritisiert Ariel Brunner vom Vogelschutz-Dachverband Birdlife International in Brüssel.

Spektrum, 22.06.2020: Wird bleihaltige Jagdmunition endlich verboten? https://www.spektrum.de/news/naturschut ... en/1744688
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Nina
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Re: Bleifreie Jagd

Beitrag von Nina »

Empfehlenswert ist zu dem Thema auch noch ein Kommentar im Magazin Spektrum:
In Jagdmunition gehört kein Gramm Blei

[...] Seit vielen Jahren verfolgen die Europäische Union und die Weltgesundheitsorganisation eine Null-Blei-Strategie: Wo immer es geht, muss das Supergift verbannt werden. Es gibt kein Blei in Benzin, in Farbe, in Buntstiften mehr. Nur in der Jagd gibt es das weiterhin. Auch nach dem jetzigen Verbot von Bleischrot in Feuchtgebieten. Dieses fragwürdige Privileg der Jagd ist nur ein Beispiel dafür, wie entkoppelt die Jagdpraxis gegenüber den geänderten Ansprüchen und Werten der Gesellschaft ist.

Spektrum, 03.09.2020: In Jagdmunition gehört kein Gramm Blei https://www.spektrum.de/kolumne/in-jagd ... ei/1765180
Das hat auch Folgen für die Akzeptanz der Jagd. Mit ihrer Verzögerungstaktik haben die europäischen Jagdverbände nämlich das Gegenteil von umweltpolitischer Glaubwürdigkeit bewiesen. Schon im Jahr 2004 unterzeichneten sie eine Vereinbarung mit dem Zusammenschluss der nationalen Vogelschutzverbände BirdLife International. Diese Selbstverpflichtung sah vor, den Bleischrotgebrauch spätestens 2009 auslaufen zu lassen. Nun, elf Jahre zu spät, jammern sie über eine zu kurze Übergangsfrist. Das ist lächerlich und entlarvend zugleich.

Spektrum, 03.09.2020: In Jagdmunition gehört kein Gramm Blei https://www.spektrum.de/kolumne/in-jagd ... ei/1765180
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hält es ähnlich. Sie versuchte, zunächst zehn, zuletzt dann wenigstens ein weiteres Jahr über die ohnehin großzügige zweijährige Übergangsfrist hinaus herauszuschinden.
Klöckners Argumentation im ganzen Abstimmungsprozess ist derart bizarr, grotesk und unfundiert, dass man darüber lachen könnte, wäre die Sache nicht so ernst. Bleifrei = Tierquälerei, bleifrei schützt invasive Arten, bleifrei beraubt Jäger ihrer Möglichkeiten – das sind nur drei Beispiele ihrer Begründungen.
[...] Gegen zahlreiche Gutachten wedelt sie mit einem Schießtest aus der Jagdzeitschrift »Wild und Hund« als Beleg für ihre steilen Thesen.

Spektrum, 03.09.2020: In Jagdmunition gehört kein Gramm Blei https://www.spektrum.de/kolumne/in-jagd ... ei/1765180
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