Abschließend möchte ich auf den sehr interessanten Punkt "Risikokommunikation" eingehen. Offensichtlich hat das Bundesinstitut für Risikobewertung nach seinen ersten sehr kritischen Empfehlungen ordentlich Feuer von den einschlägigen Interessenverbänden bekommen:
Ich würde gerne noch eine Anmerkung zu der von Ihnen ausgeführten Risikokommunikation machen. Es hat schon ein gewisses Gewicht, wenn das BfR am 19. September 2011 eine Mitteilung herausgibt, dass der Verzehr von Wildfleisch für Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch und Kinder ein gesundheitliches Risiko darstellt.
Diese Mitteilung hatte in der Tat böse Briefe und die Frage zur Folge, ob Wild überhaupt noch ein verkehrsfähiges Lebensmittel sei. Es bedurfte des Einsatzes verschiedener Verbände und fachlich hochversierter Organisationen, um dieses Missverständnis auszuräumen.
Anmerkung aus dem Publikum zum Vortrag von Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 52, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Dementsprechend vorsichtig wurde offensichtlich verbal zurückgerudert.
Welche Risikokommunikation brauchen wir beim Thema Bleibelastung im Wildbret?
Aufgrund unserer Daten und Risikobewertungen wissen wir, dass für den Durchschnittsverzehrer kein zusätzliches Gesundheitsrisiko besteht. Für die von uns definierten Vielverzehrer, also für die Menschen, die fünf bis zehn Wildmahlzeiten im Jahr zu sich nehmen, verweisen wir auf mögliches Gesundheitsrisiko. Zu dieser Gruppe der Menschen mit einem möglichen Gesundheitsrisiko zählen insbesondere Kinder und Schwangere sowie Frauen mit Kinderwunsch. [...]
Die Betroffenen sollen so informiert werden, dass sie zu sachlich begründeten, nicht zu ideologischen Entscheidungen finden. Außerdem wollen wir überzogene Handlungen, sprich voreilige Verbotsforderungen etc., vom Grundsatz her vermeiden. [...] Wir wollen mit unserer Kommunikation eine emotional aufgeheizte Stimmung dieser öffentlichen Diskussion vermeiden und den Boden für eine sachliche Entscheidung auf der Basis solider wissenschaftlicher Daten bereiten.
Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 49-51, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Darauf gibt es zwei interessante Anmerkungen aus dem Publikum, denen die BfR-Ausführungen wohl etwas herumgeeiert vorkommen:
Sie sprachen von einer Extremposition, die Sie vermeiden wollten: das Verbot von bleihaltiger Munition. Ich denke, das ist keine Extremposition, sondern das ist die einzig logische Schlussfolgerung, wenn ich daran denke, dass man Blei als Auswuchtgewicht bei Autos EU-weit verboten hat, obwohl 99,9 % recycelt und die übrigen 0,1 % sicher nicht genutzt wurden. Wenn Sie sagen, negative Schlagzeilen wollen wir vermeiden, dann entgegne ich: Das sind keine negativen Schlagzeilen, sondern es handelt sich um eine Aufklärung des Konsumenten, die positiv gesehen werden sollte. Anstelle der Bereitstellung von Kochrezepten zur Wildzubereitung sollte man lieber aufklären, wie das Wildfleisch ausgewählt wird.
Anmerkung aus dem Publikum zum Vortrag von Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 52, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Als Antwort darauf wird die Gesundheitsgefahr durch Blei nur noch auf Risikogruppen beschränkt und in allen anderen Fällen ökologischen Aspekten untergeordnet, die aber gar nicht zur Debatte stehen:
Wir haben gesagt, dass es bestimmte Risikogruppen gibt, die beim Verzehr von Wild, das mit Bleimunition erlegt wurde, ein erhöhtes Risiko haben; sie sollten sich darauf einrichten, entsprechend wenig oder gar nichts zu verzehren. Für alle anderen gilt: Wild ist ein ökologisches Lebensmittel; es produziert weder zusätzliche Treibhausgase noch müssen wir für seine Aufzucht Nahrungsmittel verwenden.
Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 51, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Die zweite Anmerkung aus dem Publikum scheint mit der Antwort wenig zufrieden und bringt es auf den Punkt:
Es kann nicht sein, dass Sie eine ernsthafte Aufklärung darüber machen wollen, wie man bleihaltiges Wild zubereiten soll und die Aufnahme von Blei vermeidet: Das kann keine ernsthafte Diskussion sein, die von Ihrem Institut ausgehen sollte. Einen zweiten Punkt möchte ich betonen: Ihre Stellungnahme läuft darauf hinaus, dass bleihaltiges erlegtes Wild unbedenklich ist, solange man es nicht isst. Wenn der Durchschnittsverzehrer nur ein bis zwei Portionen pro Jahr zu sich nimmt, dann ist das für ihn in der Tat unbedenklich, aber auch nur deshalb, weil er praktisch keines isst. Mit dieser Auskunft kann ich mich als Verbraucher aber schwer zufrieden geben.
Anmerkung aus dem Publikum zum Vortrag von Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 51, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Ob den kritischen Publikumsbeitrag die darauf folgende Antwort des BfR wohl überzeugen konnte?
Wir haben derzeit relativ wenig Daten, die uns darüber Auskunft geben, wie hoch der Eintrag an Blei in das verzehrte Stück Wildfleisch tatsächlich ist. Um diesen Anteil geht es, und wir sind mit unseren Aussagen dem Vorsorgeprinzip eigentlich schon sehr weit gefolgt. Niemand bestreitet, dass das Wild generell relativ hoch mit Blei belastet ist. Dennoch ist das Risiko immer abhängig von der aufgenommenen Menge. Als Wildliebhaber kann man durchaus bestimmte geringe Mengen zu sich nehmen, ohne dass etwas passiert.
Jürgen Thier-Kundke, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin: Risikokommunikationsstrategien zur Bleibelastung in Wildbret, Seite 51, Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.- 4. November 2011 in Berlin https://www.bfr.bund.de/cm/350/gesundhe ... gsband.pdf
Fazit: "Bleihaltiges, erlegtes Wild ist unbedenklich, so lange man es nicht isst". Oder mit anderen Worten: Wild ist generell relativ hoch mit gsundheitsschädlichem Blei belastet, aber das wollen wir lieber nicht so laut sagen.
Übrigens: Der Deutsche Jagdverband beziffert das Wildbretaufkommen allein für das Jagdjahr 2017/18 auf
€ 266.389.621,-