Jagdstrategien des Wolfes

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
Lutra
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Jagdstrategien des Wolfes

Beitrag von Lutra »

Nachdem der Winter sich nun scheinbar verabschiedet hat und kein Spurenschnee mehr zu erwarten ist, möchte ich mal meine Beobachtungen der letzten Jahre zur Diskussion stellen.

Mein „Streifgebiet“ liegt nicht im Kerngebiet eines Wolfsrudels, eher am Rand oder irgendwie dazwischen, ist etwas unklar. Wie ich in diesem Winter bei vorhandenem Schnee feststellen konnte, sind doch recht regelmäßig Wölfe da. Sie ziehen durch oder drehen eine Runde in meinem Gebiet und gehen wieder zurück dahin, von wo sie gekommen sind, einzeln, zu zweit, ein mal zu dritt.

In den vergangenen Jahren fand ich einige gerissene Rehe und konnte auch manchmal das Rißgeschehen durch Spuren im Schnee nachvollziehen. In keinem Fall wurde die Beute gehetzt. Es war immer ein Anpirschen und dann mit einigen Sätzen ein Zupacken ohne große Fluchtreaktion der Rehe.

Was noch zu beobachten war, dass die Wölfe den Fährten von Rehen und Damwild folgen. Dabei zieht das Wild durchaus ruhig und der Wolf läuft auch ruhig in dessen Fährte, um diese irgendwann, wenn es wahrscheinlich uninteressant wird, wieder zu verlassen und seine ursprüngliche Richtung wieder einzuschlagen. Dieses Verhalten machte manchmal das Verfolgen der Wolfsspuren etwas kompliziert, vor allem, wenn sie nicht so deutlich waren. Aus einer zielstrebigen geradlinigen Richtung bogen sie plötzlich 90° ab und man bekam es oft nicht gleich mit und verlor die Spur erst mal.

Da die Wölfe von Natur aus ein hohes Laufpensum absolvieren werden sie dabei scheinbar auch bei günstiger Gelegenheit eine Jagd einschieben, die manchmal zum Ziel führt, oft aber auch abgebrochen wird. Ich hatte es aber auch einmal, dass ein Wolf geradewegs durch den Wald gekommen ist, am Waldrand ein Reh gerissen hat und nach dem Fressen wieder in der gleichen Richtung von wo er gekommen ist zurück gegangen ist.

Das sind natürlich nur einzelne und wenige Beobachtungen, die nicht zu verallgemeinern sind. Es muß ja auch passen, dass man relativ zeitnah die Spuren und eventuell den Riß findet. Nun muß ich zugeben, dass ich nicht gerade die umfangreiche Literatur zum Thema habe und eher der Praktiker bin. Daher würde ich gerne mal Eure Meinungen dazu hören.

Die berühmte Hetzjagd im Rudel ist eventuell nicht die häufigste Jagdmethode, jedenfalls unter hiesigen Verhältnissen.
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Jagdstrategien des Wolfes

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Mein erwartbarer Beitrag dazu. :p

Mech et al. (2015): Wolves on the hunt: the behavior of wolves hunting wild prey. ISBN: 978-0-226-25514-9.


Leider nur so 160S, und viele Bilder (neben Farbaufnahmen) etwas kontrastarm in S/W. Ansonsten netter Einstieg und Überblick.

Weitere:

Gurarie et al. (2011): Summer movements, predation and habitat use of wolves in human modified boreal forests. DOI: 10.1007/s00442-010-1883-y.

Jȩdrzejewski et al. (2000): Prey Selection and Predation by Wolves in Białowieẓa Primeval Forest, Poland. DOI: 10.1644/1545-1542(2000)081<0197:PSAPBW>2.0.CO;2.

Kolenosky, George (1972): Wolf predation on wintering deer in east-central Ontario. DOI: 10.2307/3799065.

Kunkel & Pletscher (2001): Winter Hunting Patterns of Wolves in and Near Glacier National Park, Montana. DOI: 10.2307/3803105.

Mech, David (2009): Possible Use of Foresight, Understanding, and Planning by Wolves Hunting Muskoxen. DOI: 10.14430/arctic239.

Sand et al. (2008): Summer kill rates and predation pattern in a wolf–moose system: can we rely on winter estimates? DOI: 10.1007/s00442-008-0969-2.

Wikenros et al. (2009): Wolf predation on moose and roe deer: chase distances and outcome of encounters. DOI: 10.4098/j.at.0001-7051.082.2008.
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Wolfs-Theoretiker
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Re: Jagdstrategien des Wolfes

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo Lutra,
es ist schon eine Stunde nach Mitternacht, da ich immer noch nicht richtig müde bin, deshalb lese ich hier und da was im Forum.
Sehr schön Deine Schilderung vom Verfolgen der Spuren und so.
Habe in meiner Jugend viele Bücher über Raubtierjagt und viel über Wölfe gelesen, aber nicht nur, sondern war allgemein ab Biologie interessiert.
Also ich kann nur erzählen, was ich mir angelesen habe oder auf anderen Wegen in Erfahrung bringen konnte.
Mein Wissenschatz ist also mehr allgemeiner Natur und es ist kein Vergleich mit den vom Dr.R.G. angebotenen Buchtiteln.
Also es ist wohl so, daß die Wölfe eigentlich eine Hetzjagt nur durchführen, wenn sie Aussicht auf Erfolg verspricht, wenn sie ein krankes/altes/
oder ganz junges Tier in der Beutetiergruppe ausgemacht haben. Ansonsten ist der Wolf ein Anschleicher und versucht so lange wie möglich, unentdeckt, so nahe wie möglich an die Beutetiere heran zu kommen, um dann einen Überraschungsangriff durchzuführen. Was ihm aber oft
mißglückt, denn z.B. ein Reh-Sprung (kl.Gruppe Rehe) ist immer sehr wachsam und stets zum Absprung bereit. Sie fressen nicht wie die Schafe,
alle mit dem Kopf nach unten und dann marsch, nein es sind Selektiv-Äser und pflücken nur hier und da ein Wenig und beim Kauen haben die Rehe
den Kopf oben und sichern in alle Richtungen. Bei einer nicht zu identifizierenden Störung/Gefahr läßt das Reh einen Schrecklaut ertönen,
nun wissen alle Rehe, daß was im Busch ist und sind Fluchtbereit. Ist die Störung identifiziert, dann gibt das Reh eine kurzen Bell-Laut von sich,
damit weiß auch der Angreifer, daß er erkannt wurde und bricht das Anschleichen ab. Er dreht sich um und geht wieder seiner Wege, bis sich ihm
eine neue Gelegenheit zum Beute machen bietet. Im Rudel wird oft versucht das/die Beutetiere in die Zange zu nehmen,
was ähnlich schwierig ist wie das Anschleichen, denn in beiden Fällen spielt die Windrichtung eine große Rolle, die Wölfe greifen gegen den Wind an,
denn die Beutetiere haben sehr gute Nasen und Ohren, wenn sich nur ein Wolf aus dem Rudel beim Einzingeln in den Wind begibt, welcher in die
Richtung der Beutetiere weht oder ein Geräusch verursacht, dann kann die Jagd schon erfolglos enden, was bei den größeren Teil der Angriffe der
Fall ist. Also ein Wolf kann schonmal bis zu 14 Tagen hungern, aber dann muß er Beute machen oder wenn Welpen im Bau liegen, dann braucht die
Fähe ausreichend Nahrung um Milch zu produzieren. Oder bei grösseren Welpen muß feste Nahrung beschaft werden. Nicht umsonst verhungern
oder erfrieren die meisten Welpen, obwohl sie von Geburt an schon ein Fell haben. Das sehr oft nur wenige Tage alte Welpen sterben,
daß liegt auch an viele erfolglose Jagdversuche und der damit verbundenen längeren Abwesenheit vom Bau.
Nun ist es gut mit meinen Schilderungen und fast bereue ich es schon, daß ich soviel geschrieben habe, weil ich mich nicht kurz fassen kann.
Also machs gut und bis bald mal wieder.

Wolfstheoretiker
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Re: Jagdstrategien des Wolfes

Beitrag von Erklärbär »

Moin Wolfstheoretiker,

deswegen gehen Wölfe ja gerne auf Schafe los, weil das für sie ökonomischer ist und ungefährlich, bisher jedenfalls. Das ist ja der Grund, warum es bei uns schwierig bis unmöglich werden dürfte, mit einer sich nach wie vor stark anwachsenden Population von Wölfen zusammenzuleben.

Gruß Erklärbär
Lutra
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Re: Jagdstrategien des Wolfes

Beitrag von Lutra »

Erklärbär hat geschrieben: 1. Mai 2019, 08:18 Moin Wolfstheoretiker,

deswegen gehen Wölfe ja gerne auf Schafe los, weil das für sie ökonomischer ist und ungefährlich, bisher jedenfalls.
Da hast Du recht. Wenn die Schafe ungeschützt oder schlecht geschützt dastehen tun das die Wölfe.
Lutra
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Re: Jagdstrategien des Wolfes

Beitrag von Lutra »

Hallo Wolfstheoretiker!
Das stimmt schon alles mit der Aufmerksamkeit der Rehe. Wenn sie nicht so gute Sinne hätten, könnten sie nicht mit Beutegreifern gemeinsam existieren. Es ist aber so, dass nicht alle Rehe (betr. auch andere Beutetiere) gleich sind. Zum einen sind sie in ihrer Jugend noch unerfahren, zum anderen im Alter etwas tüterich, wie wir auch, aber auch in ihren besten Jahren sind nicht alle gleich aufmerksam und haben unterschiedlich gute Sinnesleistungen. Und da setzen eben die Beutegreifer an und lesen aus. Natürlich erwischt der Wolf auch gesunde und fitte Beutetiere, wenn sie gerade mal nicht so aufgepaßt waren.
Ein Vorteil des Wolfes ist sicher seine gute Kondition, dass er eben ohne Probleme zig km hintereinander weg zurücklegt. Dabei Wird ihm öfter Beuteduft in die Nase steigen, er geht mal kurz ran, ob sich eine Gelegenheit ergibt, und wenn nicht, geht er eben weiter. Das habe ich auch festgestellt bei meinem Spuren verfolgen. Der Wolf hat mir gezeigt durch kurzes Abbiegen von seinem Kurs, wo die Einstände der Wildschweine waren. Da hat er immer mal ne Kontrolle gemacht.
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Dr_R.Goatcabin
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Re: Jagdstrategien des Wolfes

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Hier passt das vielleicht, .. wer genug Schokolade und Kaffee parat hat, sich da durchzuarbeiten. ^^

viewtopic.php?f=18&t=2445&start=20#p39421
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Re: Jagdstrategien des Wolfes

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo Erklärbär,
guten Morgen und danke für Dein Feedback. Irgendwie schön, daß am 1.Mai, aus einem Mittwoch ein Sonntag geworden ist.
Heute sind auch Bäume gefährlich, gehe nicht zu nahe heran, denn die Bäume schlagen aus. Also ich bleibe heute den Bäumen fern.
Kleiner Spruch hierzu:

"Ich liebe lange Sonntagsmorgenspaziergänge.
Ich war schon im Bad, bin am Kühlschrank vorbei
und jetzt auf dem Weg auf die Couch".

Naja, Wetter spielt auch mit. Ha,Ha,Ha

Doch nun zurück zum Wolf, ja Du siehst es vollkommen richtig, eine offene Weidetier-Haltung wird in Zukunft so gut wie unmöglich werden.
Bei geeignetem Herdenschutz, werden sich die Überfälle auf Nutztiere etwas eindämmen lassen, aber auch dies wird nicht von langer Dauer
sein, denn der Wolf wird lernen sich unter dem Zaun durchzugraben ohne auch nur einen Draht zu berühren.
Er wird lernen, daß man die Schafe nur richtig erschrecken muß, also wenn die Schafe sehr eng eingezäunt sind,
dann rennen sie in Panik gegen den Zaun und biegen ihn um und laufen raus, nicht alle versteht sich, aber Einige können sich die Wölfe dann
außerhalb des Zaunes einsammel oder so. Ich bin Theoretiker und ohne etwas Phantasie geht da nichts, fast alles ist möglich.
Naja, das Thema wird wohl noch einige Zeit im Raum stehen, ich meine hierzu ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Wenn dem Staat die Sache zu unbequem und zu teuer wird, dann wird es sicher eine für alle Beteiligten Regelung geben.
Denn was da bis jetzt läuft, ist nur ein Troffen auf einen heißen Stein. Es zischt kurz und der Dampf vermischt sich mit der Luft,
also heiße Luft oder so. Was ist eigentlich mit mit den nicht gewerbemäßig gehaltenen Nutztieren, ich meine Hobby-Tierhaltung.
Wir halten zur Zeit auch noch zwei Kamerunschafe. Sie bekommen ihr Gnadenbrot bei uns, eine Erbschaft vom Schwiedervater.
Um ehrlich zu sein, ich hänge nicht an den Tieren, aber die Schwiegermutter schon, es ist schließlich was von ihrem verstorbenen Mann.
Ich habe nichts gegen Wölfe, bin aber auch nicht unbedingt für Wölfe, denn ich möchte ungern die Reste unserer Schäfchen mit der Schubkarre einsammeln und vergraben. Nein, was ich meine ich will nichts erstattet bekommen, aber andere Hobby-Züchter, egal ob Schafe, Ziegen, Lamas,
Strauße, Rinder oder Ponys, was bekommen die, selbst wenn die Zäune alle den Regeln entsprechend sind oder waren.
Das Thema ist noch nicht abgeschlossen und es wird noch einige politische Debatten geben, ich möchte dazu keine Stellung nehmen,
weil es mich nicht betrifft und ich bin hier im Forum auch nur, weil mich die Lebensweise der Wölfe schon immer interessiert hat.

Also in dem Sinn, noch eine schönen Mai-Feiertag

Wolfstheoretiker

PS. Wenn Dir mein Schreiben nicht gefällt, dannn schiebe es in den Reiswolf. :mrgreen:
ef8ec1d6f2d8f958dc4ec7a0afc82bf76232.jpg
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Re: Jagdstrategien des Wolfes

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo Dr_R.G.
danke für Dein Feedback.
wenn man nun keine Schokolade hat,
geht das auch:
popcorn.gif
Ich weiß nicht ob schon bekannt,
aber echt mutig ist ein Mann,
wenn er schwer angetrunken um 4 Uhr in der Früh nach Hause kommt,
seine Frau mit dem Besen in der Hand, in der Eingangstür auf ihn wartet.
Wenn jetzt der Mann sagt,
Hallo Schatz bist Du schon am Putzen oder willst Du gerade nochmal wegfliegen?

Weitehin schönen 1. Mai

Wolfstheoretiker
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Re: Jagdstrategien des Wolfes

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo Lutra,
auch an Dich ein Danke für Dein Feedback.
Ja die Wölfe kennen in ihrem Habitat die Einstände der Beutetiere genau und überprüfen regelmäßig,
ob da alles i.O. ist(ob jemand verletzt oder krank, bzw. gerade beim Gebären ist etc...)
die Nachschau bei den Wildschweinen ist hauptsächlich,
wegen eventueller Frischlings-Angebote, denn so ein Frischling schnappt man sich und ist weg,
bevor die Bache so richtig in Fahrt kommt.
Weil das heißt auch für einen Wolf,
nimm die Beine in die Hand und lauf was das Zeug hergibt.
flucht.gif
weiterhin schönen 1.Mai-Feiertag

Wolfstheoretiker
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