Nützlichkeit des Wolfs

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
Lutra
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Re: Nützlichkeit des Wolfs

Beitrag von Lutra »

WT, Du fabrizierst gern so einfache, simple Erklärungen und schreibst so, als wären Deine Erkenntnisse das einzig Wahre.
Aber so einfach und simpel ist die ganze Sache leider nicht.
Die Räuber-Beute-Beziehung stellst Du z.B. als abwechselnd Überfluß und Hunger dar, als würde das sprunghaft wechseln. So einfach ist das aber nicht, zumal das nicht in einer Natur-, sondern in einer Kulturlandschaft stattfindet, die z.B. für Pflanzenfresser ein unnatürlich hohes und nährstoffreiches Nahrungsangebot bietet. Es spielt da auch hinein, wie hart die Winter werden, besonders beim Schwarzwild, wo ein sehr harter Winter eine starke Dezimierung nach sich zieht, stärker als alles andere. Harte Winter sind in den letzten Jahren selten, und auch da spielt wieder mit hinein, ob noch Maisreste auf dem Acker erreichbar sind oder Eichelmast in diesem Jahr war.
Es ist letzlich ein unendliches Geflecht von verschiedensten Einflüssen, wo der Spitzenprädator natürlich auch mit reinspielt und seine wichtigen Funktionen hat.
Jedenfalls ist es wohl äußerst unwahrscheinlich, dass Beutetiere plötzlich weg sind und hunderte hungrige Wölfe durch die Landschaft streifen und "Hunde von der Leine pflücken". Das sind Schauermärchen, die gern von bestimmten Interessengruppen breit gestreut werden.
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Nina
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Re: Nützlichkeit des Wolfs

Beitrag von Nina »

Hier mal wieder ein paar Fakten statt Schauermärchen:
Auf kurzfristige Schwankungen der Beutetierverfügbarkeit können Wölfe jedoch sehr wohl mit einer Änderung der Rudelgröße reagieren. [...] Bei plötzlicher Nahrungsknappheit, wenn Huftierbestände z.B. durch Krankheit oder strenge Winter einbrechen, können Wölfe nicht einfach mit einer Vergrößerung ihres Territoriums reagieren. Die benachbarten Wolfsrudel würden dies kaum hinnehmen. Der Mechanismus, mit dem Wölfe auf plötzliche Nahrungsknappheit reagieren, ist die Verringerung der Rudelgröße. Dies geschieht dadurch, dass weniger Welpen geboren werden und die Jungwölfe früher abwandern. Auch die Mortalitätsrate, insbesondere die der Welpen, steigt dann an. [...] In einer gesättigten Wolfspopulation grenzt ein Wolfsterritorium an das andere. Abwandernde Jungwölfe haben hier kaum eine Chance ein neues Rudel in einem unbesetzten Gebiet zu gründen, sondern müssen in der Regel darauf warten, dass eine Paarungsposition in einem bestehenden Rudel vakant wird. [...] In ungesättigten Wolfspopulationen, wie es sie heute in Europa zumeist gibt, tendieren Wölfe dazu, die wolfsfreien Gebiete (wieder) zu besiedeln. So lange es wolfsfreie, aber für Wölfe (aus Wolfsicht) geeignete Gebiete gibt, wird der Bestand anwachsen und sich ausbreiten, sofern der Mensch dies zulässt. Mit einem Ende des Populationswachstums ist erst mit Erreichen der Sättigung zu rechnen. Allerdings kann sich die Wachstumsrate bereits vorher abschwächen.

Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur Lebensweise, zum Status und zum Management des Wolfes (Canis lupus) in Deutschland, Ausschussdrucksache 18(16)313, Seite 9-10 https://www.bundestag.de/resource/blob/ ... b-data.pdf
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Nina
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Re: Nützlichkeit des Wolfs

Beitrag von Nina »

Mit der Frage nach der Nützlichkeit des Wolfs hat sich auch der Niedersächsische Landtag befasst. In einer Kleinen Anfrage wollte die FDP wissen, ob die Zukunft und die Vielfalt der niedersächsischen Kulturlandschaft vom Wolf abhängen.
[Frage der FDP:]1. Welche Bedeutung hat nach Kenntnis der Landesregierung der Erhalt der Wolfspopulation für die Biodiversität (bitte auch exemplarisch anhand von Beispielen darstellen)?
[Antwort der Landesregierung:]Der Wolf ist ein Spitzenprädator, der als solcher wichtige Funktionen im Naturhaushalt wahrnimmt.
Hätte er diese nicht, hätte er sich als Art nicht entwickeln und etablieren können. Insofern stellt die bloße Anwesenheit des Wolfes in Niedersachsen einen neuen Aspekt der Biozönose dar. Der Wolf greift in Teilen in die Wildbestände unserer Kulturlandschaft ein. Dabei kann es auch über die Fläche zu einer Verringerung des Verbiss- und Schäldrucks durch wiederkäuende Schalenwildbestände kommen. Beispielhaft für die mittel- bis langfristig positiven Auswirkungen auf das Ökosystem seien hier die Erfahrungen aus dem Yellowstone Nationalpark genannt.
Siehe dazu auch:
[...] und etliche andere Beiträge, die dieses belegen. Dass diese Beobachtungen nicht eins zu eins auf die niedersächsische Kulturlandschaft übertragbar sind, liegt auf der Hand. Entscheidend für die Betrachtung ist jedoch, dass Großprädatoren - und damit auch Wölfe - messbare positive Auswirkungen auf Ökosysteme haben können. [...]

[Frage der FDP:]7. Welche Tier- und Pflanzenarten sowie Biotoptypen könnten von einer Ausdehnung der Wolfspopulation profitieren?
[Antwort der Landesregierung:] Profitieren können alle Pflanzenarten und Pflanzengesellschaften, die einem übermäßigen Äsungsdruck durch freilebendes Schalenwild unterliegen; das gilt in besonderem Maße für Wälder und deren Verjüngung. In der Folge entstehen ökologische Nischen, die vielen anderen Tierarten zugutekommen.

Landtagsdrucksache 18/5233, 29.11.2019: Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung:
Hängen die Zukunft und die Vielfalt der niedersächsischen Kulturlandschaft vom Wolf ab?
https://www.landtag-niedersachsen.de/nilas/
Erklärbär
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Re: Nützlichkeit des Wolfs

Beitrag von Erklärbär »

Beispielhaft für die mittel- bis langfristig positiven Auswirkungen auf das Ökosystem seien hier die Erfahrungen aus dem Yellowstone Nationalpark genannt
.

Wenn das ein ernstzunehmender Text und kein völlig oberflächliches Pamphlet wäre, würde es diese Aussage einschränken und präzisieren.

Ob der Wolf bei uns einen positiven Einfluss auf das Ökosystem hat, lässt sich jedenfalls nicht schlussfolgern aufgrund völlig anderer Bedingungen.

Wir leben hier auch nicht in einem Nationalpark, sondern ganz überwiegend in einer Kulturlandschaft.

Wenn es positive Auswirkungen hier gäbe, wäre schon längst was Wissenschaftliches dazu publiziert. Dass es das noch nicht gibt, ist reichlich armselig. Wenn man dann so argumentieren will wie oben.

Das Gegenteil scheint eher der Fall: Jetzt sind die Biber gerade dabei, die Fehler der Flurbereinigung vor 40 Jahren rückgängig zu machen, schon werden sie dummerweise von den Wölfen gefressen.

(Mysłajek et al. (2019) The best snacks for kids: the importance of beavers Castor fiber in the diet of wolf Canis lupus pups in north-western Poland. Ethology Ecology & Evolution 31: 506-513)

https://www.freundeskreiswoelfe.de/bibe ... pennahrung
Mit diesen „Biberteichen“ schafft der Biber wichtigen Lebensraum für viele Pflanzen, Fische, Amphibien, Insekten und Vögel.
https://www.deutschewildtierstiftung.de/wildtiere/biber

Die Reduktion der Biberbestände wirkt sich negativ auf die Fischbestände und wiederum auf den vom Aussterben bedrohten Kormoran aus. Die Wölfe als Ökokiller. Warum nicht? Als Allheilmittel taugen sie sicherlich nicht. Der Vergleich mit Yellowstone ist unter wissenschaftlichen Aspekten untragbar und bestenfalls als völlig naiv zu bezeichnen.
Will you walk out of the air, my lord?
Erklärbär
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Re: Nützlichkeit des Wolfs

Beitrag von Erklärbär »

Und hier noch ein besonderes Leckerli für die Anhänger der Wolf=gut für's-Ökosystem-These:
Eigentlich sollten die großen Raubtiere vom Löwen bis zum Wolf die Ökosysteme, in denen sie leben, stark formen. Aber die Natur hält sich nicht immer an die Spielregeln.
Im Fernsehen und in populärwissenschaftlichen Zeitschriften entfesselte die Geschichte von Raubtieren und ihrem Einfluss auf Ökosysteme allerlei Fantasien. Die Top-Prädatoren – von Wölfen in Nordamerika bis hin zu Löwen in Afrika und Dingos in Australien –  sollen Populationsgröße und Verhalten anderer Arten regulieren und die gesamte Nahrungskette bis hinunter zu den Pflanzen durch ihre Position in der so genannten trophischen Kaskade entscheidend prägen...
Doch gerade im prominenten Fall von Wolf und Dingo stellten in den vergangenen Jahren mehrere Studien diese Rolle der Top-Prädatoren in Frage.
/quote]

https://www.spektrum.de/news/raubtiere- ... te/1281663

Einen schönen 2. Advent wünscht allen ForistInnen der Erklärbär
Will you walk out of the air, my lord?
Wolfs-Theoretiker
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Re: Nützlichkeit des Wolfs

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo Lutra,
benutze mal als Zitat etwas von meinen eigenen Sätzen.
Ich habe nirgendwo geschrieben, daß die Perioden, gemeint sind die Auf- und Abschwankungen von Beute- und Räuberpopulation nach Lotka-Volterra in kurzen Zeitabständen erfolgt. Dafür habe ich zur näheren Info etwas verlinkt.
Ich habe zu der aktuellen Beutetier-Populationen gesagt, daß sie so groß sind, daß es die bis jetz vorhanden Räuber es nicht
schaffen können, daß da eine Selbstregulierung eintritt. Und zu Pflanzen und Wald habe ich auch einen Link veröffentlicht.
Ich kann Dir auch versichern, daß ich keiner Interessengruppe angehöre, ich vertrete hier und auch anderstwo nur meine
Meinung. Ich bin nur Theoretiker, aber ich vertraue den Naturgesetzen. Ich habe keine besonderen Erkenntnisse,
welche ich hier kundtue. Allgemein sind meine Äußerungen auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse aufgebaut oder es sind
die Erfahrungen aus meinem privatem oder beruflichem Leben.
Wolfs-Theoretiker hat geschrieben: 7. Dez 2019, 00:25
Ja es ist ein Schauerscenario, was ich hier so schreibe, aber es soll auch nur ein Denkanstoß sein.

In Bezug auf Lotka und Volterra(als Beispiel ist zwar der Fuchs, aber super erklärt und leicht verständlich)
und den Pflanzenbestand der Wälder, sowie ob die Jagd noch not wendig ist, zwei Links.

www.biologie-schule.de/lotka-volterra-regeln.php

www.fvss.de/assets/media/jahresarbeiten ... illing.pdf
Grüsse, WT
"Die Natur betrügt uns nie. Wir sind es immer, die wir uns selbst betrügen." Jean-Jacques Rousseau
Lutra
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Re: Nützlichkeit des Wolfs

Beitrag von Lutra »

Erklärbär hat geschrieben: 7. Dez 2019, 22:58 Und hier noch ein besonderes Leckerli für die Anhänger der Wolf=gut für's-Ökosystem-These:

https://www.spektrum.de/news/raubtiere- ... te/1281663
Danke! Dieser Artikel bestätigt meine Meinung, besonders zu WT´s Vereinfachungen.
Ich weiß allerdings nicht, ob Du ihn komplett gelesen und verstanden hast.
Lutra
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Re: Nützlichkeit des Wolfs

Beitrag von Lutra »

Wolfs-Theoretiker hat geschrieben: 7. Dez 2019, 00:25
Ja es ist ein Schauerscenario, was ich hier so schreibe, aber es soll auch nur ein Denkanstoß sein.
.....
www.fvss.de/assets/media/jahresarbeiten ... illing.pdf

Grüsse, WT
Du entwirfst ein Schauerszenario mit Hunde-von-der-Leine-pflücken und Angriff auf Menschen vor Hunger, obwohl gerade Dein zweiter Link dieses nicht rechtfertigt.
Du gehörst sicher nicht direkt einer Interessengruppe an, läßt Dich aber von diesen Gruppen stark beeinflussen.
Erklärbär
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Re: Nützlichkeit des Wolfs

Beitrag von Erklärbär »

Lutra hat geschrieben: 8. Dez 2019, 06:31
Erklärbär hat geschrieben: 7. Dez 2019, 22:58 Und hier noch ein besonderes Leckerli für die Anhänger der Wolf=gut für's-Ökosystem-These:

https://www.spektrum.de/news/raubtiere- ... te/1281663
Danke! Dieser Artikel bestätigt meine Meinung, besonders zu WT´s Vereinfachungen.
Ich weiß allerdings nicht, ob Du ihn komplett gelesen und verstanden hast.
Bitte, gern geschehen! So what? Gib doch mal Butter bei die Fische, woher soll ich wissen, was in Deinem Kopf so abgeht?
Will you walk out of the air, my lord?
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bravo
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Re: Nützlichkeit des Wolfs

Beitrag von bravo »

Hallo WT,

erstmal vielen Dank für deine ausführliche Antwor! Ich werde mir das Ganze nachher nochmal genau zu Gemüte führen und mir die Links von dir in Ruhe anschauen. Scheinbar bin ich dann doch nicht so ganz korrekt informiert...
Die Leute sagen immer, Die Zeiten werden schlimmer! Die Zeiten bleiben immer, Die Menschen werden schlimmer.
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