Freispruch Nr. 2: Im Zweifel für den Angeklagten
Die brandenburgische Justitia scheint da aber eine Augenbinde der ganz besonderen Art und ein Gummischwert zu besitzen. Die Waage hat jedenfalls ganz offensichtlich mächtig Schlagseite.
„Das war doch nicht das letzte Einhorn!“ - Gericht spricht Wolfsjäger frei – zum zweiten Mal
Blutiges Ende einer Treibjagd im Januar 2019 bei Rabenstein (Fläming). Laut Gesetz sind Wölfe streng geschützt, ihr Abschuss eine Straftat. Doch der Jagd-Veranstalter rief erst abends die Polizei.
BZ, 22.02.2023: „Das war doch nicht das letzte Einhorn!“ Gericht spricht Wolfsjäger frei – zum zweiten Mal https://www.bz-berlin.de/polizei/mensch ... weiten-mal
Warum eigentlich? Gab es zuvor vielleicht Diskussionen oder Unstimmigkeiten unter den Jägern, die etwas länger gedauert haben?
Jäger John M. (68) erklärte im Zeugenstand: „Beim Wolf waren keine Hundespuren. Der Angeklagte sagte mir, ich solle der Polizei von einem Kampf mit Hunden erzählen. Jäger müssten doch zusammenhalten.“
BZ, 22.02.2023: „Das war doch nicht das letzte Einhorn!“ Gericht spricht Wolfsjäger frei – zum zweiten Mal https://www.bz-berlin.de/polizei/mensch ... weiten-mal
Gesehen hat außer dem Schützen wohl auch niemand etwas, aber an den Geräuschen können manche Jäger offenbar - ganz Wetten-Dass-verdächtig - einen Hergang ganz genau ableiten.
Die Aussagen der Zeugen seien widersprüchlich gewesen. Teilweise bestätigten die Zeugen die Aussage des Angeklagten, obwohl sie den Vorfall nicht selbst gesehen hatten. Sie zogen aus den von ihnen akustisch vernommenen Geräuschen der laut bellenden Hunde ihre Schlüsse auf den Geschehensablauf.
JURA ONLINE, 30.06.2021: AG Potsdam zu erschossenen Wolf: Hat der Jäger in Notstand gehandelt? https://jura-online.de/blog/2021/06/30/ ... gehandelt/
Man hört also "mindestens" sechs Jaghunde und einen Wolf im Gerangel und kann sogleich eine genaue Aussage darüber treffen, wer wem in welchem Moment genau wohin geschnappt hat. Chapeau!
Zwischen mindestens sechs Jagdhunden und dem Wolf sei es dann zu „einer Auseinandersetzung“ gekommen. Mindestens ein Tier sei dabei durch den Wolf „so gefangen genommen, dass es hoch-, dass es weggeschleudert wurde“, sagte Mracsek.
Tagesspiegel, 21.02.2023: „Ich habe das allerbeste für die Tiere getan“: Jäger wegen Wolf-Abschuss erneut freigesprochen https://www.tagesspiegel.de/potsdam/pot ... 88052.html
Und der Schütze schießt vom Hochsitz aus in das balgende Gemenge und trifft den Wolf zielgenau in den Allerwertesten? Alle Achtung!
Der Angeklagte, das stand nach der Beweisaufnahme aus Sicht des Gerichts fest, hatte zunächst versucht, den Wolf zu verscheuchen, durch klatschen, rufen und einen Warnschuss. „Dann hat sich der Angeklagte entschlossen, die Hunde zu schützen, den Wolf gezielt zu erschießen.“ Richter Stephan Mracsek sagte, hätte der Angeklagte den Wolf absichtlich erlegen wollen, hätte er nicht einen derart komplizierten Schuss von hinten gewählt, sondern das Tier beim Vorbeistreifen von der Seite erschossen.
Tagesspiegel, 21.02.2023: „Ich habe das allerbeste für die Tiere getan“: Jäger wegen Wolf-Abschuss erneut freigesprochen https://www.tagesspiegel.de/potsdam/pot ... 88052.html
Klingt für mich widersprüchlich. Seltsamerweise hatte der Wolf keine Hundehaare im Fang und keine Bissspuen, wie die Tierpathologin bescheinigt:
Und dass der Richter dem Schützen eine Überforderung bescheinigt, macht diese Sache mit der Jagd an sich aus meiner Sicht auch nicht gerade vertrauenswürdiger. Die Kombination aus Überforderung und Schusswaffengebrauch erscheint mir nicht unbedingt als eine sichere Verbindung.
Die Jagd habe in einem Gebiet stattgefunden, in der zuvor bereits Wölfe gesehen worden seien, so Mracsek. Dies sei dem Angeklagten aber nicht mitgeteilt worden, und auch nicht, wie er sich hätte verhalten müssen, wenn er auf einen Wolf trifft. „Er hat dann zum ersten Mal in freier Wildbahn eine Wolf gesehen“, sagte der Richter. „Es war für ihn überraschend.“ [...]
Er sei „ganz offensichtlich überfordert gewesen“.
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Überraschung und Überforderung schützen vor Strafe? Oh Justitia! Oder liegt es auch ein ganz kleines bisschen an einer gewissen Einstellung Wölfen allgemein gegenüber?
Die Jagd habe in der Paarungszeit der Wölfe von Januar bis März stattgefunden, zu einem Zeitpunkt, in dem diese besonders aggressiv seien.
Tagesspiegel, 21.02.2023: „Ich habe das allerbeste für die Tiere getan“: Jäger wegen Wolf-Abschuss erneut freigesprochen https://www.tagesspiegel.de/potsdam/pot ... 88052.html
Und auf die Aussage des Verteidigers, es habe sich ja nicht um "das letzte Einhorn" gehandelt, sondern dass der Wolfsbestand in Brandenburg "gesättigt" sei, pflichtete der Richter laut BZ bei:
Richter Stephan Mracsek verwies ebenfalls auf „den starken Anstieg“ der Wolfsrudel im Land. Sein Urteil: Der Freispruch vom Juni 2021 war korrekt.
BZ, 22.02.2023: „Das war doch nicht das letzte Einhorn!“ Gericht spricht Wolfsjäger frei – zum zweiten Mal https://www.bz-berlin.de/polizei/mensch ... weiten-mal
Was soll der brave, sich an Gesetze haltende Bürger daraus lernen? Dass wir mit Justitias Milde rechnen können, wenn wir mutwillig zukünftig alles zerstören, was uns persönlich ganz subjektiv zahlenmäßig als "zuviel vorhanden" erscheint? Und werden demnächst auch andere einer Staftat Angeklagte freigesprochen, wenn das Auseinanderpuzzeln des Gemengelages unterschiedlicher Zeugenaussagen zu mühsam erscheint?
Im Prozess gaben Zeugen unterschiedliche Versionen an, wie der Vorfall genau abgelaufen war. „Bei der Jagd handelt es sich um ein dynamisches Geschehen“, sagte Richter Stephan Mracsek am Dienstag im Gerichtssaal. Eine „Zerlegung in diverse Wahrnehmungen“, insbesondere nach vielen Jahren, erscheine nicht geeignet, die Basis für die Verurteilung des Angeklagten zu sein. [...]
Es gebe auch eine Reihe von Indizien, die gegen die Version des Angeklagten sprechen würden. Letztendlich sei die Situation nicht mehr nachstellbar.
Tagesspiegel, 21.02.2023: „Ich habe das allerbeste für die Tiere getan“: Jäger wegen Wolf-Abschuss erneut freigesprochen https://www.tagesspiegel.de/potsdam/pot ... 88052.html
Ich fand die Schilderungen eigentlich recht plastisch. Immerhin scheint der
Staatsanwalt da etwas motivierter zu sein.
Na, hoffentlich! Damit wir den Glauben an Justitia auch zukünftig nicht aufgeben müssen! Auch nicht in Brandenburg...