Wenn Usern auf ernstgemeinte Kommentare einschließlich Begründungen und Quellenangaben als einzige Antwort einfällt, mittels Trump-Vergleichen, Smiley-Lawinen oder alberner Klassenbucheinträge aus der konstruktiven Debatte auszusteigen, sagt das in erster Linie etwas über die Verfasser derartiger Ergüsse aus.
Die niedersächsische Amtsveterinärin Birgit Mennerich-Bunge hat ihre Erfahrung mit dem Konflikt zwischen Wolfsgegnern und Wolfsbefürwortern wie folgt skizziert:
Die dem Wolf ablehnend gegenüberstehenden Parteien sind besonders laut zu vernehmen, was verständlich ist, da ihnen der strenge Schutz des Wolfes das Gefühl der Machtlosigkeit vermittelt. Die lokale Presse nimmt diese Stimmung auf und berichtet entsprechend.
Leider ist die sachliche, proaktive und breitgefächerte Öffentlichkeitsarbeit seitens zuständiger Behörden nicht im gleichen Maße professionalisiert. Die Meinungsbildung wird damit überwiegend der lokalen Presse und den sozialen Medien überlassen. Darin dominieren emotionale Begriffe wie „Blutrausch“ oder „brutales Reißen unschuldiger Lämmer“. [...] Der Wolf wird auf lokaler Ebne regelmäßig als ein blutrünstiges, nahezu übernatürlich befähigtes Raubtier dargestellt, das nicht kontrollierbar ist.
Birgit Mennerich-Bunge: Muss der Wolf Respekt lernen? Erfahrungen aus Niedersachsen, Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle
25. Jahrgang – 2 / 2018, Seite 2 https://www.elli-radinger.de/wp-content ... lernen.pdf
Dieses Muster lässt sich mit dem Sputnik-Vergleich von vier (!) durch ein Wildtier gerissenen Lämmern mit der Szene aus einem Kriegsfilm über ein Szenario, bei dem im zweiten Weltkrieg an einem Tag rund 5.000 Alliierte durch Minen und diverse Waffengeschütze ums Leben kamen, kaum besser beschreiben.
Ein einziger Wolfsriss hat also die verheerende Schlagkraft von Stacheldrahtbarrieren, Artilleriebeschuss, Maschinenfeuergewehren und Minensprengsätzen. Kein Wunder, dass die Menschen aus "Cuxhaven in der Nordheide" ihre Kinder nicht mehr mit dem Fahrrad in den Wald lassen möchten - D-Day ist überall. Bei soviel vom Wolf ausgehender geballter Kriegsgewalt gehen die faktentechnischen Schwächen - etwa, dass Schafe keine Schäfer sind und Cuxhaven auch nicht in der Nordheide liegt, schon mal unter.
Wikipedia ist grundsätzlich ein Medium, das man vorsichtig handhaben muss, weil es besonders anfällig für Manipulationen ist, da sich dort jeder beteiligen kann. Ich selbst beziehe mich daher nur in absoluten Ausnahmefällen auf Wikipedia (z. B. Einwohnerzahlen von Land XY) , was harris in seinem Eifer leider gar nicht mitbekommen hat.
Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie schwierig es ist, selbst heute einen "Wolfsangriff" zu verifizieren, wenn er auf einer bloßen Behauptung beruht, steigt die Skepsis mit zunehmender geographischer und zeitlicher Entfernung.
In Schweden etwa listet die Seite "Vargfakta" ("Wolfsfakten") beispielsweise den angeblichen Wolfsangriff auf den Jäger in Boize 2015 immer noch unter den Fakten und bezieht sich als Quelle auf das Magazin "JÄGER". Da der jüngste Fall in Steinfeld ja nun als der "erste" Wolfsangriff gehandelt wird, sind sich mittlerweile wohl auch die Medien einig, dass der angebliche Wolfsangriff auf den Jäger 2015 in Wahrheit keiner war.
Wenn man sich die jüngeren Ereignisse in der Wikipedia-Liste anschaut, fällt auf, dass diese vor allem Länder wie Russland, Ukraine, Weißrussland, Iran, Türkei, Kirgisistan, Kasachstan und Aserbaidschan betreffen - also nahezu ausschließlich Länder, in denen Wölfe regulär bejagt werden und in denen auch Jagdreisen auf den Wolf für deutsche Jagdtouristen angeboten werden. Wenn wir also unterstellen, dass diese Angriffe tatsächlich stattgefunden haben, scheint die Bejagung als ein äußerst ungeeignetes Mittel, Wolfsangriffe zu verhindern. In den geschützten Populationen Europas hat es dagegen in den letzten 40 Jahren keine tödlichen Wolfsangriffe auf Menschen gegeben.