Das Ganze ist doch wieder einmal nur eine weitere PR-Posse der Jagdszene nach dem alten Prinzip: Naturschutz ist böse, jagdfreie Zonen gehen ja mal gar nicht, natürlich Selektion ist grausam und nur die Jagd ist der einzig wahre Heilsbringer.
Wie wenig wissenschaftlich diese Haltung fundiert ist, beweist doch das bundesweite Totalversagen der Hobbyjagd als angeblich regulierendes (begrenzendes) Instrument auf die bundesweiten Wildschweinpopulationen:
Schon seit Jahren kämpfen Bauern und Jäger nahezu machtlos gegen die steigende Wildschweinplage in Mais- und Getreideschlägen an [...] Experten beziffern den Schaden, den Wildschweine auf deutschen Feldern anrichten, mit 17 Millionen Euro pro Jahr.
MDR, Schießen oder schützen? Sendung vom 14.12.2016
Was sollen die Vertreter der Jagd angesichts der offensichtlichen Ineffektivität also tun, um ihr Treiben vor einer seit Jahren kritischer werdenden Öffentlichkeit zu rechtfertigen? Man könnte die Ausbreitung der Wölfe als "Helfer" begrüßen und ihre Akzptanz in der Öffentlichkeit stärken. Stattdessen werden Schauermärchen à là Rotkäppchen & Co verbreitet und die Medien mit Anti-Wolf-PR geflutet.
Am meisten fürchtet man sich offensichtlich vor Naturschützern und Naturschutzkonzepten, die hauptsächlich auf einer natürlichen Regulierung basieren und der Bevölkerung
beweisen, dass die jetzige der Hobbyjagd als Regulativ weder notwendig noch zielführend ist.
Deshalb müssen diese Projekte öffentlich abgwertet, d. h. schlechtgeredet und die angebliche Alternativlosogkeit der Hobbyjagd aufgewertet werden. Das geschieht derzeit mit dem Naturschutzprojekt in der Döberitzer Heide.
Zunächst ist es dazu einmal wichtig, entscheidende Dinge zu verschweigenden: Die
bundesweite Zunahme der Wildschweinbestände. Stattdessen schiebt man die ganze bundesweite Problematik in die Richtung, dass sich die vorgeschobenen Ziele einer Bestandsreduzierung durch Hobbyjagd nur verwirklichen ließen, wenn die wenigen - im unteren einstelligen Prozentbereich liegenden - jagdfreien Gebiete auch noch bejagt werden dürften.
Dabei schafft man nicht einmal die Hausaufgaben in den eigenen Revieren.
Auffallend ist dabei immer wieder die Betonung, dass man auch ein anerkannter Naturschutzverein sei. Für eine sachliche Rechtfertigung dieses Status würde es sich allerdings anschicken, den Wert des Naturschutzprojektes Döberitzer Heide zu würdigen: Auf dem Areal leben mehr als 5.500 Tier- und Pflanzenarten, die zum Teil gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind oder auf der roten Liste stehen.¹
,²
Darunter befinden sich auch Feldhase, Wiedehopf und Steinschmätzer - um nur mal ein paar Arten zu nennen, die es ohne menschliche Prädatorenbejagung ja angeblich gar nicht mehr geben würde.
Wo ein Naturschutzprojekt das Gegenteil beweist, droht eine Diskussion über den allgemeinen Sinn und Nutzen der Hobbyjagd.
Also schiebt man das Wildschweinproblem, das die Hobbyjagd nicht zu lösen imstande ist, auf ein Naturschutzprojekt, das zudem auch noch die Rückkehr der Wölfe begrüßt, vor den Toren der Metropole Berlin liegt und seine Pforten für viele naturliebende Menschen öffnet und diese dazu einlädt, Natur zu erleben und übersie und von ihr zu lernen.
Um dem etwas entgegen zu setzen, setzt man offenbar lieber auf emotionale Vermenschlichung statt auf sachliche Wild- und Evolutionsbiologie.
So erklärt das Jagdmagazin "Outfox-World", dass sich die Vermehrung der Wildschweine zu einem
"kollektiven Selbstmord" entwickeln würde.
Diese sonderbare Erklärung gilt aber offensichtlich nur für die jagdfreien Zonen. Die Wildschweine würden "im Kampf gegen den Hungertod" nun "Gärten zerwühlen" und den Landwirten "die Aussaat vom Acker" fressen³. Als ob es diese Problematik in den überwiegend bejagten Gebieten des Landes nicht gäbe - wie realitätsfern muss man sein, um die Schäden in Höhe von 17 Mio. Euro bundesweit und jährlich derart auszublenden?
Man nutzt offenbar die Aufmerksamkeit um den Wolf dazu, ein mindestens sechs Jahre altes Thema wieder einmal aufzuwärmen, um gegen den Naturschutz, der sich nicht über die Jagdwaffe definiert, zu wettern. Bereits 2011 gab es einen aus deutlicher Jäger-Sicht verfassten Bericht in der Märkischen Online-Zeitung, in dem vor den Gefahren angeblich rund um die Döberitzer Heide verendeter Wildschweine gewarnt wurde. Die Jäger wollten ihre Aufgabe "an der Seite der Veterinäre noch besser erfüllen" und die "Maßnahmen fachlich und kompetent begleiten". In der Umgebung der Döberitzer Heide würden Wildschweine "kräftig und nachhaltig gejagt". ⁴
Was Outfox-World übrigens im Jahr 2017 als schwarzwildlichen "kollektiven Selbstmord" bezeichnet, las sich in der MOZ am 02.06.2011 so:
Der lange und sehr kalte, schneereiche Winter des letzten Jahres und eine vorangegangene sehr dürftige Eichelmast führten vermutlich dazu, dass die Schweine abmagerten und an verschiedenen Erkrankungen wie dem diphterie-ähnlichen Erreger verendeten.
http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/974108/
Das ist kein kollektiver Selbstmord, wie dieses Phänomen völlig naturfremd vom Jagdmagazin bezeichnet wird, sondern
natürliche Selektion, die letztendlich gesunde Wildbestände hervorbringt und eine Artenvielfalt, die durch Anpassung an verschiedenste äußere Einflüsse entstanden ist.
So stoppt der Geländewagen auf seinem Weg durch die Kernzone an einem kleinen Gatter, an dem das Skelett eines Wildschweins liegt. Das Tier hat vermutlich den Winter und die damit verbundene Nahrungsknappheit nicht überstanden. Auf der anderen Seite des Waldes lugt ein zweiter Eber hervor. „Toll, der sieht richtig gut aus“, sagt Nitschke und freut sich.
http://www.pnn.de/potsdam/973898/
Im Dezember 2016 gab es trotz Krankheiten und der angeblich "kräftigen und nachhaltigen Bejagung" im Land Brandenburg immer noch so viele Wildschweine, dass sich das Land Brandenburg nunmehr offenbar genötigt sieht, eine Abschussprämie in Höhe von EUR 20,- pro geschossenem Wildschwein auf Steuerzahlerkosten zu berappen.⁵
Der nun genannte Grund für die Vermehrung der Wildschweine:
Der 2011 prophezeite große Seuchenzug, der angeblich von der Döberitzer Heide ausgehen sollte, ist also ausgeblieben. Und die menschlichen Jäger waren in der eigenen Zielsetzung der Bestandsreduzierung derart erfolglos, dass sie jetzt mit 20 Euro pro Wildschwein gelockt werden sollen.
Auch hier - der Wolf würde helfen, unentgeltlich - und trotzdem wettern die Jagdkreise immer wieder gegen den Wolf und wollen auch ihn unbedingt bejagen.
Das ist kein Naturschutz, sondern Eigennutz auf Kosten des Naturschutzes.
¹https://
www.sielmann-stiftung.de/fileadmin/user ... rsion_.pdf
²
http://www.doeberitzerheide.de/saeugetiere/
³
http://www.outfox-world.de/blog/sauen-v ... ebiet.html
⁴
http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/974108/
⁵
https://kommunal.de/artikel/wildschweine/