Luchse in Deutschland

Themen über frei lebende Bären und Luchse in Europa (keine Gehegetiere).
aka

Re: Luchse in Deutschland

Beitrag von aka »

Grauer Wolf hat geschrieben:
Miscanthus hat geschrieben:Jäger wollen Luchse jagen
http://www.mz-web.de/servlet/ContentSer ... 9744068535
Ein Grund mehr, daß alle Beutegreifer aus dem Jagdgesetz raus müssen (und nicht der Wolf rein), damit die Jäger endlich keinen legalen Zugriff mehr drauf haben...
Beutegreifer regeln sich selbst durch den Beutetierbestand.

Ja....ja...... :mrgreen:

manchmal anders als man denkt....

Luchs hat in unseren Breiten kaum ne`Chance in nenneswerten Populationen zu funktionieren, insbesondere im Tiefland. Ob er im Jagdgesetz
ist oder nicht.
Der Luchs verspeisst seine Beute im Zeitraum vom 2 - 7 Tagen, Das nächste Stück, was er reisst, kann er in Ruhe "angehen" - wenn es "nicht klappt",
ist "die Kammer" ja voll. Normaleweise legen sich die Tiere ein Paar Tage Pause wenn sie ein Stück gerissen haben. Normaleweise.
Wenn das Schwarzwild selten vorkommt. Beim hohen Bestand finden die Wildschweine seine Beute sehr schnell und verputzen die
Reste trotz der Proteste des eigentlichen Eigentümers. Das Schwarzwild selbst als Beute kommt eher selten infrage - die grösseren sind wehrhaft
und selbst nach der Erbeutung eines Frischlings muß sich die Raubkatze mit seiner Mutti auseinandersetzen. Risiko und Verluste steigen.
Das führt zu einem "Teufelskreis" = Der Luchs muß wesentlich mehr reissen als er frisst, Beutetierbestand wird ausgedünnt = mehr Mühe um
ein weiteres Stück zu reissen = Notwendigkeit großerer Jagdgebiete = Verdrängung der Artgenossen (männlichen).
Zusätzliche Probleme haben die Muttertiere, die während der Aufzucht in der Nähe des Nachwuchses jagen müssen und ohnehin nicht nur
für sich, sonder für 1 - 2 weitere Mäuler Beute machen.

Die gleiche Konkurenz hat der Luchs allerdings seitens Wölfe. Die könen ihm zwar oberhalb vom 600 M die Wildschweine vom Hals halten (recht wirksam), aber
weiter unten schafft auch der Wolf nicht wirklich die Wilschweinpopulation im Zaun zu halten. Aus unseren Wäldern ist auch die Vor - oder
Nachspeise des Luchses weitgehend verschwunden - Auerhahn, Birkhuhn, Haselhuhn usw.
jurawolf
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Re: Luchse in Deutschland

Beitrag von jurawolf »

danke aka, eine sehr schöne beschreibung und der beste beweis dafür, dass eine selbstregulation über die anzahl der verfügbaren beutetiere stattfindet.
Grauer Wolf

Re: Luchse in Deutschland

Beitrag von Grauer Wolf »

Daß die Selbstregulierung komplexer ist als eine einfache Zweierbeziehung, liegt auf der Hand. Aasfresser bilden da einen gewichtigen Co-Faktor... ;)
Ebenso liegt aber auf der Hand, daß die hiesigen Schwarzwildbestände durch Jahrzehnte der Mißwirtschaft und mangels großer Beutegreifer viel zu groß sind, so groß, daß sie nachhaltigen, schädlichen Einfluß auf die Umwelt haben.
Dazu mehr hier:
http://www.oejv-saar.de/index.php?id=28
jurawolf
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Re: Luchse in Deutschland

Beitrag von jurawolf »

zum schädlichen einfluss von schwarzwild auf die umwelt hätte ich gerne mal einen beleg. sowas habe ich noch nicht einmal vom wildtierfeindlichen ÖJV gehört.
Grauer Wolf

Re: Luchse in Deutschland

Beitrag von Grauer Wolf »

Umwelt im allgemein genutzten Sinn ist vielleicht das falsch gewählte Wort... Aber wie soll man es nennen, wenn z.B. in den Wäldern die Sukzession geschädigt wird, die Sauen in die Städte und Dörfer eindringen, Äcker und Gärten verwüsten und letztlich, wie aus dem Verhältnis zum Luchs hervorging, auch Auswirkungen auf andere Tierarten bestehen, die bei normaler, ökologisch verträglichen Beständen nicht vorhanden wären, nicht in diesem Maß...
Schwarzwild gibt's bis in Großstadtnähe en masse, nicht en detail, und in meinem "Hauswald" stolpere ich praktisch am hellichten Tag über die Viecher...
...und über Jäger, die den Kofferraum des Kombis voller Eimer mit Mais haben! Auch Maisschläge mitten im Wald habe ich schon gefunden, schön versteckt abseits der Wanderwege... :grumpy:
Also ersetze von mir aus Umwelt durch Umfeld, aber das Problem wird davon nicht weniger. Man kann nicht Jahrzehnte die Sozialstrukturen zusammenschießen, weil man auf starke Tiere scharf ist, ohne unter dem Strich dafür zu bezahlen... Dazu noch die Vermaisung der Landschaft (die letzten 4...5 Jahre hat hier der Maisanbau massiv zugenommen und manchmal bleibt das Zeug bis in den Winter stehen...) und das Chaos ist komplett...

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Bei genauerem Hinsehen sieht man, daß die Natur hierlande ziemlich aus den Fugen ist...
jurawolf
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Re: Luchse in Deutschland

Beitrag von jurawolf »

wildschweine sind hochgradig förderlich für die sukzession in den wäldern und nicht schädlich!

schön fände ich einfach, wenn man der beute des wolfes ebenso viel respekt entgegenbringen würde wie dem wolf selbst. aber leider scheinen für manche wolfsfreunde pflanzenfresser v.a. schädlinge zu sein, während wölfe praktisch als gottheiten verehrt werden... :roll:
Grauer Wolf

Re: Luchse in Deutschland

Beitrag von Grauer Wolf »

Mit Wolfsfreund oder nicht hat das wenig zu tun, aber viel mit Ökologie und Gleichgewicht...
Zwar fallen Schäden im Wald im Vergleich zu den Schäden in der Landwirtschaft deutlich geringer aus. Dennoch verursachen Wildschweine zunehmend Fraßschäden an ungezäunten Kulturen (insbes. Eichensaaten). Bucheckern und Eicheln, die für die Naturverjüngung erforderlich wären, werden aufgefressen (insbesondere bei Sprengmasten). Eichen- und Buchennaturverjüngungen werden ausgerissen und die Wurzeln abgebissen.
aus http://www.baysf.de/de/home/unternehmen ... ejagt.html
Das deckt sich mit meinen Beobachtungen in hiesigen Waldgebieten. Immer wieder finde ich Stellen, da wurde nicht der "Boden belüftet", sondern das sieht aus wie ein Panzer-Übungsgelände. Nicht eine junge Eiche oder Buche kommt da über das Sämlingsstadium hinaus...

Allgemeines zum Thema Wildschwein-Schäden:
http://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/ ... erlin.html
http://www.rp-online.de/wissen/wiss-leb ... -1.2294373
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... weine.html

4 Links, die ich binnen ein paar Minuten fand...
Wildsauen mögen bei natürlicher Bestandsdichte :!: förderlich für das Ökosystem sein, bei 4...10-fach (je nach Quellen/Regionen/Lesart) überzogenen Beständen sind sie es nicht mehr, auch nicht hinsichtlich mittelgroßer Beutegreifer, wie "aka" anschaulich beschrieb...

Ein sehr eingängiges Beispiel für schwere Umweltschäden durch Schalenwild ist übrigens der Yellowstone Nationalpark, der vor der Wiederansiedlung von Wölfen von Unmassen Wapitis nahezu ruiniert wurde. Massiver Fraß an vielen Pflanzenarten plus dadurch bedingte Veränderungen in der Landschaft wirken sich nachhaltig auf die Artenvielfalt aus. Hier fiel fast 60 Jahre (wenn ich die Zahl jetzt richtig im Kopf habe) die Sukzession aus, Flußufer verödeten, waren mehr Erosion ausgesetzt, Artenschwund setzte ein. Erst der Wolf brachte wieder alles ins Lot, Wald und Uferböschungsgehölze haben wieder eine Chance. Nachzulesen im National Geographic Magazine...

Will sagen: Der Wolf muß her, bundesweit, flächendeckend, wo ihm die Gegend zusagt und passende Rückzugsgebiete vorhanden sind... Er kann kein Allheilmittel sein, dazu ist die Situation im Vergleich zu echter Wildnis zu verfahren, aber ich schätze, der Forstmann wird sich freuen, wenn er einen tüchtigen Bundesgenossen bekommt, der ihm hilft, die überzogenen Schalenwildbestände wenigstens etwas unter Kontrolle zu bringen... ;)
balin
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Re: Luchse in Deutschland

Beitrag von balin »

Den Beitrag von aka zum Verhältnis Luchs - Wildschweine finde ich etwas problematisch. Ich könnte ja auch behaupten, die Wehrhaftigkit der Rinder und die damit verbundene Verteidgungsreaktion der Zweibeiner (Wegräumen des Kadavers und Vorsichtsmaßnahmen) würde zu einem vermehrten Reißen von Rindern durch Wölfe oder hier im übertragenen Sinne durch Luchse führen. Ist ein bißchen an den Haaren herbeigezogen. Die Ausdehnung des Revieres bei Nahrungsmangel ist unbestritten.
Wo haben das aber Wölfe und Luchse in Deutschland oder in Polen? In den menschenbestimmten Gebieten haben es sicherlich die Wildschweine etwas leichter, die sind ja unseresgleichen, sprich Allesfresser. Dort, wo aber die Fläche den Menschen überwiegt, ist diese Argumentation nicht so einfach haltbar. Ich behaupte mal, die Raubtiere, wie Luchs und Wolf stellen sich auf ihre Beute ein. Wenn sie jemand beim "Äsen" stört, dann sind es die Menschen"! Nicht etwa die Bachen! Das finde ich auch schriftlich wieder, weil, wie ich da gelesen habe, die Bachen nach Verlorengegangenen nicht suchen.
Woher soll da also bitteschön die Regulation der Luchspopulation durch die Wildschweine kommen?
Bestimmt nicht durch die zahlenmä#ßige Überlegenheit von Sus Scrofa!
Grauer Wolf

Re: Luchse in Deutschland

Beitrag von Grauer Wolf »

balin hat geschrieben:Den Beitrag von aka zum Verhältnis Luchs - Wildschweine finde ich etwas problematisch. Ich könnte ja auch behaupten, die Wehrhaftigkit der Rinder und die damit verbundene Verteidgungsreaktion der Zweibeiner (Wegräumen des Kadavers und Vorsichtsmaßnahmen) würde zu einem vermehrten Reißen von Rindern durch Wölfe oder hier im übertragenen Sinne durch Luchse führen. Ist ein bißchen an den Haaren herbeigezogen.
...
Ich behaupte mal, die Raubtiere, wie Luchs und Wolf stellen sich auf ihre Beute ein. Wenn sie jemand beim "Äsen" stört, dann sind es die Menschen"! Nicht etwa die Bachen! Das finde ich auch schriftlich wieder, weil, wie ich da gelesen habe, die Bachen nach Verlorengegangenen nicht suchen.
Woher soll da also bitteschön die Regulation der Luchspopulation durch die Wildschweine kommen?
Bestimmt nicht durch die zahlenmä#ßige Überlegenheit von Sus Scrofa!
Ich hab da lange drüber nachgedacht. Wildschweine sind ausgeprägte Aasfresser, die grundsätzlich nichts Eßbares "anbrennen" lassen... Ein Luchs hat einer Rotte Sauen, die den Duft eines gerissenen Rehs in die Nase kriegen, nichts entgegenzusetzen. Da kann er sich nicht halten. Zu Zeit der Jungenaufzucht könnte das tatsächlich problematisch werden und sich als Co-Faktor für die Luchspopulation herausstellen. (Der Mensch dürfte da, wo der Luchs seine Beute reißt und verzehrt, nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist dann doch dort, wo der übliche Passant nicht mehr hinkommt...)
Es gelten da imho ähnliche Voraussetzungen wie beim Geparden in Afrika, der am Riß auch sehr "verwundbar" ist und dem sehr oft die Beute abgejagt wird, nicht nur von konkurrierenden Großkatzen wie Löwe und Leopard, sondern eben auch von Hyänen... So mancher Gepardenwurf überlebt das nicht und verhungert... Die Tierarten sind andere, aber die Situation ist ähnlich, vergleichbar.
Von einer Regulation der Luchsbestände durch Wildsauen kann man m.M.n. nicht reden, ich denke, das wäre zu hoch gegriffen, aber eine zusätzliche Einflußgröße stellen die schon dar und wenn der Luchs regional sehr selten ist, könnte das ggf. eng für dessen Bestand werden... Hier hätten wir dann nicht den Fall einer Predators-Pit für die Beutetiere, sondern einer "Scavengers Pit" für den Beutegreifer...
aka

Re: Luchse in Deutschland

Beitrag von aka »

@balin
Nicht etwa die Bachen! Das finde ich auch schriftlich wieder, weil, wie ich da gelesen habe, die Bachen nach Verlorengegangenen nicht suchen.
Hier würde ich ein Experiment empfehlen. Die Wildschweine sind flächendeckend vorhanden - dürfte also nicht so schwierig sein. Man nehme im Frühjahr
einen Hund und sucht eine Bache mit Frischlingen. Am besten eine etwas ältere, noch besser eine Familie mi 2-3 Bachen und einer Horde Wildschweinkinder.
Die lassen sich ohne Probleme finden. Der Hund soll dann die Rolle des Luchses übernehmen und sich einen Frischling schnappen. Nur zum spielen natürlich -
wir wollen uns mit mit dem Tierschutz nicht verderben. Wenn der Hund jung und dumm ist, tut er das auch.
Wenn man keinen Hund hat, kann man auch allein versuchen so ein Wutz zu fangen. Die beissen zwar wie die Biester aber was tut man nicht
für die Wissenschaft...... Dann sehen wir weiter.... Ob die Bache danach sucht oder nicht.

Die Problematik Luchs - Wildschwein darf auch nicht losgelöst von der Zeit betrachtet werden. Das sind Dinge, die nicht von heute auf Morgen passieren
und sind mitunter nicht auf Anhieb greifbar - feststellbar - nachvollziehbar

@grauer wolf
Das deckt sich mit meinen Beobachtungen in hiesigen Waldgebieten. Immer wieder finde ich Stellen, da wurde nicht der "Boden belüftet", sondern das sieht aus wie ein Panzer-Übungsgelände. Nicht eine junge Eiche oder Buche kommt da über das Sämlingsstadium hinaus...
das sieht manchmal schlimmer als es ist. Problematisch ist es an trocknen (felsigen) Standorten, wo die Gefahr besteht, dass die Humusschicht
augewaschen wird. Problematisch für die Forstleute - nicht für den Wald an sich - ist fast vollständiges Wegputzen von Eicheln und Bucheckern.
Plus das ebenfalls erwähnte heraussreissen und zerkauen der Setzlinge. Hier ist in erster Linie das Material aus den Baumschulen betroffen -
Ursache unbekannt - vermutlich Düngung mit Mineralstoffen, die die Pflanzen schmackhaft macht.
Im allgemeinen überwiegt im Wald der "positive" Einfluss. Auf den Wald. Nach dem Motto "nur zuviel ist ungesund".
Der Einfluss auf die anderen Waldbewohner - Stichwort Bodenbrüter - kann es schon anders aussehen.

Die Wildschweinschwemme scheint mit komplexen Ursachen zusammenzuhängen - nicht nur Jäger und Mais. Da spielen u.a das Klima -
geringere Frischlinssterblichkeit - und diverse antropogene Einflüsse eine Rolle.



@jurawolf

danke aka, eine sehr schöne beschreibung und der beste beweis dafür, dass eine selbstregulation über die anzahl der verfügbaren beutetiere stattfindet.
Man darf nich vergessen, dass es nur bei den "spezialisten" funktioniert - ist sonst in unseren Breiten ziemlich verwaschen - der Luchs hätte z.B
wesentlich mehr Beutetiere (Rehe) in jeder gehölzreichen Agrarlandschaft als in bewaldeten Höhenlagen - auch die Konkurenz seitens der
Aasfresser ist da (insbesondere im Winter) geringer als oben - trotzdem passt es ihm - auf Dauer - kaum.
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