Dass Wildtiere Verletzungen erleiden und früher oder später diesen auch erliegen können, ist Bestandteil der Natur.
Genauso gut können sie Verletzungen ausheilen und ihr Wildtierleben weiterführen. Filmaufnahmen von Deutschlands ältester Wölfin "Einauge" belegten bereits 2005 eine Lahmheit und das Fehlen des rechten Auges. Trotzdem lebte diese Fähe mit diesen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen weitere acht Jahre und zog in dieser Zeit mindestens 42 Welpen auf. Ihre Obduktion ergab später, dass sie mindestens zweimal beschossen worden war.¹
Die
natürliche Mortalitätsrate von Wölfen kann zwischen 0% und 58% schwanken.² Leben und Sterben ist ein natürlicher Vorgang in der Natur - von daher erscheint mir der voreilige Ausruf nach einem Töten von Wildtieren bei jeglichen Anzeichen von Verletzungen und Krankheit als naturentfremdet und eher geprägt von der eigenen Angst vor Schmerz und Leid, die auf die Wildtiere beliebig projiziert wird oder instrumentalisierend projiziert werden soll.
Aus dem Bericht Bundesumweltministeriums vom 28.10.2015³:
Verletzte Wölfe haben ein erstaunliches Regenerationspotential. Im Rahmen des Monitorings wurden in Süd-Brandenburg mehrfach Wölfe nachgewiesen, die auf drei Beinen liefen und trotzdem erfolgreich Welpen aufzogen.
Auch die bekannte Wölfin "Einauge", die mindestens 42 Welpen aufzog, hatte gleich mehrere Handikaps. Sie humpelte und ihr fehlte das rechte Auge. Post mortem stellte sich heraus, dass sie in ihrem Leben zweimal beschossen worden war.
In dem Bericht wird festgestellt, dass das bloße Vorhandensein einer Verletzungs- oder Krankheitssymptomatik bei einem Wolf kein Eingreifen per se erfordert, sondern dass der Einzelfall beurteilt werden sollte.
Laut dem Kommentar von Klaus Bullerjahn auf "Wolfsmonitor" war die Schwere der Verletzung bei der ersten Sichtung im März 2016 zunächst nicht erkennbar:
Das Tier schien eine Laufverletzung zu haben, die aber auf Fotos nicht zu identifizieren war. Das Tier schien darüber hinaus noch relativ gut genährt zu sein, was aber im Winterhaar schwer zu beurteilen war. Dieser Wolf wurde danach mit einem ähnlichen Verhalten im April beobachtet [...]
Heute am 18. Mai wurde er wieder gesehen, stark abgekommen und nicht mehr in der Lage, sich über weitere Strecken zu schleppen. Sein Gewicht betrug noch ca. 15 kg.
http://wolfsmonitor.de/?p=3578
Dass der Grabauer Wolf aufgrund des letzten Befundes am 18.05.2016 durch einen Amtsveterinär letztlich eingeschläfert wurde, halte ich auch für vertretbar und nachvollziehbar.
Auffällig dagegen ist allerdings schon wieder die Allianz vom NDR (erwartungsgemäss in Person von Autorin Ulrike Kressel) und der Jägerschaft (Britta Habbe, Theo Grüntjens), die auf dem Rücken des eingeschläferten Wolfs beim NDR offenbar die nächste Kampagne gegen das grüne Umweltministerium fahren.
Laut Bericht des NDR beklagen Theo Grüntjens und Britta Habbe von der Landesjägerschaft Niedersachsen, dass die Meldung über einen verletzten Wolf vom Umweltministerium ignoriert worden seien, welches nicht reagiert und den Wolf sich selbst überlassen habe.⁴
Allerdings - aus dem selben NDR-Bericht⁴:
Achim Stolz, Sprecher des NLWKN, bestätigt, dass das Wolfsbüro Kenntnis über einen "lahmenden" Wolf gehabt habe. Er erklärt, dass viele Verletzungen nach einiger Zeit von selbst verheilen würden. Auch deshalb würden lahmende Wölfe nicht gleich betäubt und untersucht. Sofern sich der Wolf selbstständig bewegen könne, liege zunächst keine Voraussetzung vor, das Tier durch gezielte Nachstellung aufzusuchen, heißt es in der Stellungnahme. Grundsätzlich sei zudem der jeweilige Landkreis für die Einzelfallentscheidung zum Umgang mit einem verletzten Wolf zuständig.
Zudem sei, so Stolz, in einer Meldung der Landesjägerschaft Niedersachsen eine Besserung des Zustands des Wolfs beschrieben worden.
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f2512.html
Davon will Britta Habbe laut NDR-Bericht allerdings nichts wissen: "Eine "Entwarnung" sehe Habbe in dieser Mitteilung nicht."⁴
Herr Grüntjens dagegen betont, dass er Handlungsfähigkeit und -entschlossenheit bewiesen hätte: "Er hätte die Ausrüstung und die Befähigung gehabt, das verletzte Tier zu betäuben."⁴
Das erinnert stark an die Geschichte der "Gartower Knabberwölfe", als der Jäger und Wolfsberater - auch u. a. über den NDR - das grüne Umweltministerium am 13.01.2016 öffentlich beschuldigte, auf den vermeintlichen Wolfsangriff vom 25.12.2015 auf einen Jogger - der ebenfalls zur Jägerschaft gehört - nicht reagiert zu haben. Wie später herauskam, hatte die Landesjägerschaft selbst die Meldung erst am 06.01.2016 weitergereicht, worauf das Ministerium mit einer Befragung des "Betroffenen" durch eine Kreisveterinärin am 08.01.2016 sogar unverzüglich reagiert hatte.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das grüne Umweltministerium mal wieder gezielt in ein ungünstiges, und die Landesjägerschaft in Bezug auf den Wolf in ein besonders vorteilhaftes Licht gerückt werden soll - und der NDR zieht natürlich mit.
Es kommt, wie es kommen muss: Frau Kressel vom NDR versucht den Leser direkt auf ihre Meinung zu lenken, dass es dem Wolf besser täte, wenn er ins Jagdrecht aufgenommen würde⁴:
Und da Wölfe auch nicht dem Jagdrecht unterliegen, dürften sie nicht - wie andere verletzte Wildtiere - von Jägern erschossen werden. Dass der Wolf so streng geschützt ist, wurde dem jungen Rüden also zum Verhängnis.
Und in den Leserbriefen mutieren die härtesten Wolfsgegner plötzlich zu Tierschützern, die natürlich nur das Beste für ihre neu entdeckten vierbeinigen Lieblinge wollen - den Abschuss per Jagdwaffe...
¹ Vergl. Bloch/Radinger: "Der Wolf ist zurück. Was mache ich, wenn...?", 2015, BoD, S. 47
²
Bericht des Bundesumweltministeriums zum Wolf in Deutschland vom 28.10.2015, Seite 10,
http://www.bundestag.de/blob/393542/5e2 ... b-data.pdf
³
Bericht des Bundesumweltministeriums zum Wolf in Deutschland vom 28.10.2015, Seite 30,
http://www.bundestag.de/blob/393542/5e2 ... b-data.pdf
⁴
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f2512.html