Ende artgerechter Haltung

Über freilebende Wölfe in Deutschland.
Benutzeravatar
Nina
Beiträge: 1779
Registriert: 10. Feb 2016, 13:25

Re: Ende artgerechter Haltung

Beitrag von Nina »

Letztlich geht es um die Frage, ob und inwieweit der NDR von seinem Programmauftrag, der ihn zur objektiven Berichterstattung verpflichtet, mitunter abrückt und von seiner per Staatsvertrag festgelegten Rolle als neutraler Berichterstatter nicht auch die Grenzen zum aktiven Player in dem großen Spiel um die Meinungs- und Deutungshoheit überschreitet.

Ein Bericht über einen Schäfer, der Schafe durch den Wolf verloren hat und sich von einem Umzug in ein Gebiet, in dem ihm vom Deich- und Uferbauverband ein großer Stall mit ausreichend PLatz für seine Tiere zur Verfügung gestellt wird, mehr Schutz für seine Schafe erhofft, ist auch aus meiner Sicht einen Bericht wert.

Aber die Einbettung dieser Geschichte in eine tendenziöse Wortwahl wie "flieht vor dem Wolf" auf Boulevardpresse-Niveau ist angesichts der Faktenlage irreführend, da der Schäfer ja nicht von den Wölfen weg, sondern direkt in das Revier eines nachgewiesenen Wolfspaares hinein "flüchtet" und damit seine geäußerte Hoffnung, dass deshalb die "Wolfsangriffe mit dem Umzug aufhören", ad absurdum geführt wird.

Dass er nun einen ausreichend großen Stall zur Verfügung hat, um seine Schafe effektiv vor nächtlichen Wolfsangriffen schützen zu können, ist doch die eigentliche (sinnvolle) Kernaussage. So aber entseht der Eindruck, dass die Autorin des NDR den Sachverhalt als Aufhänger nutzt, um bei den Lesern eine Verknüpfung von "Mensch flieht" und "Wolf" in den Köpfen festzusetzen, obwohl von einer Flucht überhaupt nicht die Rede sein kann.

Dies wäre nicht zu beanstanden, wenn es sich um einen einmaligen Austreißer eines Autors handeln würde. Da sich diese Fälle in der derzeitigen Flut der Wolfsberichterstattungen des NDR aber langsam häufen, muss die Frage nach den Gründen und Absichten des NDR erlaubt sein.

Beispiel Leserbrief von Carsten Nowak vom Senckenberg Institut:

Die Landesregierung hat in einer Antwort auf eine mündliche Anfrage im Landtag zu dem Fall wie folgt Stellung genommen:

"Wie bewertet die Landesregierung die Aussagen von Dr. Carsten Nowak?

Dr. Carsten Nowak bezog sich auf die Darstellung des NDR. Diesen Darstellungen war vermeintlich eine Kritik der Staatssekretärin an der Bearbeitungsgeschwindigkeit durch das Senckenberg Institut zu entnehmen. Diese war aber in dem Interview mit dem NDR von der Staatssekretärin weder geäußert noch beabsichtigt worden (siehe: Vorbemerkung der Landesregierung). Dr. Nowak hatte seinen Kommentar bereits nach kurzer Zeit wieder zurückgezogen." *



Beispiel Angebliche Versäumnisse des Umweltministeriums im Fall "Gartower Knabberwolf":

Auch hier sah sich das Umweltministerium offenbar gezwungen, den Darstellungen des NDR zu widersprechen:

"Im letzten Absatz geht es um den Vorfall im Gartower Forst. Bezüglich der im Beitrag geäußerten Vorwürfe weist das Umweltministerium darauf hin, dass die Meldung keineswegs unbearbeitet blieb. Sowohl Ministerium als auch Wolfsbüro haben noch am selben Tag, nachdem die Landesjägerschaft am 6. Januar die Begegnung gemeldet hat, Rücksprache mit dem Wolfsberater gehalten. Zwei Tage später wurde zusätzlich eine Amtsveterinärin mit der Befragung des Joggers beauftragt. Nachdem der Bericht vorlag und ausgewertet war, wurde zwei Tage später die Öffentlichkeit über das Ereignis informiert." **

Dass sich Wolfsgegner über eine derartige Berichterstattung freuen, ist sicherlich nachvollziehbar. Objektiv ist sie aber offensichtlich nicht und wird dem Programmauftrag in dieser Hinsicht auch nicht gerecht. Soll die Bevölkerung neutral informiert werden, um sich selbst ein Bild zu machen oder soll sie subtil in eine bestimmte Meinungsrichtung gedrückt werden? Es heißt nicht umsonst, dass dejenige, der die Medien habe, auch über die Macht verfüge. Im Sinne der Leser und Zwangsgebührenzahler kann das - ganz unabhängig von der Wolfsdiskussion - jedenfalls nicht sein.

* http://www.umwelt.niedersachsen.de/aktu ... 41124.html

** http://www.der-wolf-in-niedersachsen.de/
Grauer Wolf

Re: Ende artgerechter Haltung

Beitrag von Grauer Wolf »

Nina hat geschrieben:Letztlich geht es um die Frage, ob und inwieweit der NDR von seinem Programmauftrag, der ihn zur objektiven Berichterstattung verpflichtet, mitunter abrückt und von seiner per Staatsvertrag festgelegten Rolle als neutraler Berichterstatter nicht auch die Grenzen zum aktiven Player in dem großen Spiel um die Meinungs- und Deutungshoheit überschreitet.
Der ÖRR und objektive Berichterstattung? Der ist richtig gut. Danke für den Lacher! :lol:
Der ÖRR ist ein politikhöriger Staatsfunk, der sendet, was der Bürger hören soll, sonst nichts, keineswegs vertrauenswürdig. Nicht umsonst sitzen Parteichargen auf den wichtigen Sesseln...

Gruß
Wolf
Jan.Olsson@web.de
Beiträge: 394
Registriert: 24. Dez 2015, 11:31

Re: Ende artgerechter Haltung

Beitrag von Jan.Olsson@web.de »

Hallo Forum,

"nur" zur zusätzlichen Informationen, worüber oben/vorher berichtet wurde.

Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV –)
(Nicht amtliche Fassung) vom 31.08.1991, in der Fassung des Dreizehnten Staatsvertrages zur Änderung
rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 10. März 2010 (vgl. GBl. S. 307), in Kraft getreten am 01.04.2010

http://www.dvtm.net/fileadmin/pdf/gesetze/13._RStV.pdf

aus dem Rundfunkstaatsvertrag – RStV

II. Abschnitt: Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk - 16 - II. Abschnitt: Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

§ 11 Auftrag

(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebens-bereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.


(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.

Gruß Jan
Miscanthus
Beiträge: 1304
Registriert: 8. Okt 2010, 10:54

Re: Der Wolf in Vechta - langsam geht es los

Beitrag von Miscanthus »

Ulrike hat geschrieben:Es gibt jetzt schon kaum jemand einen Cent mehr aus, für Fleisch aus artgerechter Haltung. Das ist so und wird sich auch bestimmt nicht ändern, wenn dieses Fleisch noch deutlich teurer wird, weil hohe Kosten für die entsprechenden Sicherungsmaßnahmen dazu kommen. Also wird die Art der Haltung eingestellt - weil sie kostenmäßig nicht mehr tragbar ist.
Das ist doch blanker Unsinn, den man so einfach nicht stehen lassen kann! Gerade in den letzten Jahren sind doch bei uns immer deutlichere Tendenzen zu erkennen, dass die Menschen sich endlich von dieser idiotischen „Geiz ist Geil“ und „es geht immer billiger“ Mentalität abwenden und bereit sind, für ein hochwertiges Produkt aus hochwertiger Erzeugung auch mehr auszugeben!
Bis wir da das Niveau erreicht haben, wie es in anderen Ländern und Kulturen bereits erreicht ist, wo man klaglos und ganz selbstverständlich für hochwertige Lebensmittel auch einen angemessenen Preis bezahlt, ist halt noch ein weiter Weg. Es mag auch in einem gewissen Maße vom Bildungsstand abhängen.
Es geht auch nicht nur um den Preis, es geht auch darum ein gewisses Verständnis und eine gewisse Ehrfurcht vor dem Tier herzustellen, das eben sterben muss, damit wir essen können. Fleisch ist eben viel, viel mehr als nur das in Folie eingeschweisste, wässrige Dingsda aus dem Discounter. Ja und dann kostet es halt auch ein paar Euro mehr, weil Herdenschutz betrieben werden muss! Das ist doch wohl akzeptabel! In Amerika gibt es sogar ein Label, das (ich hab´s jetzt nicht wörtlich parat) besagt: „Fleisch aus einer raubtierfreundlichen Gegend“. Ideen muss man halt haben, nicht immer nur stupides jammern!
Weiter: Tatsache ist doch, dass bis jetzt hat noch in keinem in Frage kommenden Land irgendjemand die Nutztierhaltung wegen der Wölfe aufgegeben oder aufgeben müssen! Weder in Kanada, noch in den USA, nicht in Italien, nicht in Spanien, auch nicht in Skandinavien, in den östlichen Ländern oder wo auch immer. Die Argumentationsschiene „wenn die Wölfe nicht abgeschossen werden, geht unser ganzer Berufszweig den Bach runter“ gehört eigentlich mittlerweile zum Standardrepertoire an Argumenten, die immer wieder gebetsmühlenartig abgeleiert werden. Gewiefte und gut organisierte „Interessengruppen“, ich lehne mich da jetzt mal aus dem Fenster und nenne da beispielhaft die Almbauern in Bayern, nutzen dieses Argument weidlich, plakativ und schon im Vorfeld aus, um davon abzulenken, dass sie eigentlich nur den Weg des geringsten Widerstandes gehen wollen. Die Wölfe weggeschossen zu bekommen (wenn dann mal welche da sind) ist halt einfacher und billiger als Herdenschutz zu betreiben! Da muss man in den Wirtshäusern und an den Stammtischen zeitig vorbauen!
Ulrike
Beiträge: 509
Registriert: 21. Jun 2015, 19:49

Re: Ende artgerechter Haltung

Beitrag von Ulrike »

Nein, das ist kein blanker Unsinn, das sind Tatsachen.

Wenn ein Schäfer mit 300 Schafen im Jahr Einnahmen von 24000 Euro erwirtschaftet und dann auch noch die entsprechenden Kosten für die Schutzmaßnahmen immer weiter in die Höhe gehen, wird das irgendwann so kommen.

Ein Schäfer hat schon jetzt einen Stundenlohn, der ungefähr der Hälfte des in Deutschland gezahlten Mindestlohns entspricht.
Benutzeravatar
Nina
Beiträge: 1779
Registriert: 10. Feb 2016, 13:25

Re: Ende artgerechter Haltung

Beitrag von Nina »

Der Herr vom "Wolfsmonitor" musste sich wohl auch einmal Luft machen und beschreibt das selbe Phänomen wie Miscanthus:
Was den immerfort öffentlich erklärten Willen zur erneuten Grundsatzdiskussion über den Wolf betrifft, kann ich mich außerdem des leisen Verdachts nicht erwehren, dass einige Nutztierhalter in Niedersachsen nur aus diesem Grund – nämlich genau dieser Phantomdiskussion – damit abwarten, die eigenen Tiere ausreichend zu schützen.

http://wolfsmonitor.de/?p=2611
Redux

Re: Ende artgerechter Haltung

Beitrag von Redux »

Ulrike hat geschrieben:Wenn ein Schäfer mit 300 Schafen im Jahr Einnahmen von 24000 Euro erwirtschaftet und dann auch noch die entsprechenden Kosten für die Schutzmaßnahmen immer weiter in die Höhe gehen, wird das irgendwann so kommen.

Ein Schäfer hat schon jetzt einen Stundenlohn, der ungefähr der Hälfte des in Deutschland gezahlten Mindestlohns entspricht.
Zeit für die Herdenschutzflinte :!:
balin
Beiträge: 1314
Registriert: 10. Okt 2010, 06:53

Re: Ende artgerechter Haltung

Beitrag von balin »

Ich denke, den Streit kann man sich sparen. Der einzige Weg ist wirklich konsequenter Herdenschutz und das sollte auch so formuliert und durchgesetzt werden. Man muß der Politik den Vorwurf machen, daß sie da den Dingen nicht ins Auge schaut. Ein geschossener Wolf bringt mitnichten irgerndeine Lösung, sondern immer nur neue Probleme und Unfrieden. Es gibt nur die Alternativen entweder die Herden zu schützen oder die Wölfe wieder auszurotten. Ich glaube gerne, daß sich die Jäger da gerne einmischen wollen. Es ist aber die Bestimmung der Wölfe, Wild zu fressen. Dabei sollten wir es lassen. Die Schäfer und Weidehalter werden das Handwerk des Herdenschutzes lernen. Das ist letztlich billiger als auf die Illusion einer jagdlichen Strategie zu setzen. In Frankreich wurde mit viel Geld Jagd auf die Wölfe gemacht, mit dem Erfolg, daß die Nutztierverluste angestiegen sind.
Das waren lauter nutzlose Bauernopfer und man hätte die Energie besser in Herdenschutzprogramme gesteckt. Wie hierzulande wurstelt man in unserem Nachbarland zur Zeit lieber mit populistischen Maßnahmen anstatt sich auf fundierte fachliche Arbeit zu verlassen.
Man kann es wirklich besser machen und wir sollten aus den Fehlern anderer lernen.
Grauer Wolf

Re: Ende artgerechter Haltung

Beitrag von Grauer Wolf »

Redux hat geschrieben:Zeit für die Herdenschutzflinte :!:
Sicher, die übliche Lösung des Menschen: Einfach abknallen, was das Konto gefährdet oder eben auch die Bequemlichkeit! :x :x :x
Weshalb wohl sieht der Globus aus, wie er aussieht?

Gruß
Wolf

============ zusammengeführt ============
balin hat geschrieben:In Frankreich wurde mit viel Geld Jagd auf die Wölfe gemacht, mit dem Erfolg, daß die Nutztierverluste angestiegen sind.
Ist doch logisch für jeden, der sich a bisserl mit Wölfen auskennt... Manchmal habe ich das Gefühl, Menschen denken keinen Millimeter weiter, als der Flintenlauf reicht... :grumpy:

Ansonsten kann ich Deinen Ausführungen nur zustimmen...

Gruß
Wolf
Lutra
Beiträge: 2697
Registriert: 5. Okt 2010, 21:30
Wohnort: Pulsnitz

Re: Ende artgerechter Haltung

Beitrag von Lutra »

Der Niedergang des Schäferhandwerks hat doch erst mal gar nichts mit den Wölfen zu tun. Die Wolle deckt gerade so die Kosten fürs Scheren, mit dem Fleisch kann auch nicht ordentlich verdient werden. Es geht nur mit Subventionen irgendwelcher Art. Bis vor einigen Jahren gab es noch eine Mutterschafprämie, jetzt nur noch die flächenbezogenen Gelder. Wenn man da nicht Fördermittel für Naturschutz und Landschaftspflege abfassen kann, wirds nichts. Ist es gesellschaftlicher Wille, dass extensive Flächen durch Beweidung offen gehalten werden, aus Landschafts- oder Artenschutzgründen, müssen diejenigen, die das durchführen, auch ordentlich Geld dafür bekommen, inklusive Erschwerniszulage für Wolfsgebiete.
Antworten