1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Themen, die den Wolf im Allgemeinen betreffen.
Lutra
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Re: 1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Beitrag von Lutra »

Meiner Meinung nach muß man sich doch nicht die Köpfe heiß reden über die absolute Zahl der Wölfe. Die wird man nie halbwegs genau nennen können. Dafür ist der Wolf viel zu heimlich und dabei noch viel zu bewglich, ein Wolf kann abends an einer Stelle gesehen werden und am nächsten Morgen 30km weg, ergibt dann zwei Wölfe.
Die Zahl der Rudel bzw. besetzten Territorien läßt sich dagegen relativ genau feststellen. Wenn man so will, kann man die ja dann mit einem Faktor hochrechnen, falls man unbedigt eine Gesamtzahl braucht. Die ist dann aber auch nur eine Schätzung, wie alle derzeit herumgeisternden Zahlen auch.
Wolfs-Theoretiker
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Re: 1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo Lutra,
Danke für Dein Feedback.
Deine Meinung ist auch meine Meinung, Du bringst es auf dem Punkt.
Doch wenn Zahlen durch den Raum(durchs Forum) schwirren,
dann reizt es mich einfach dem auf den Grund zu gehen,
deswegen meine Zahlen-Darstellungen.
Die Frage nach wieviel Wölfe sind es denn nun eigentlich in der BRD,
wird immer wieder auftauchen und wird wohl nicht zu beantworten sein.

Wenn nun von der Seite der Jägerschaft eine Zahl genannt wird(denn ganz unwissend sind die auch nicht),
dann ist eine Zahl da und die Wolfsexperten stehen im Regen(wie man so schön sagt).
Wenn dies auch noch zu einem Streitgespräch wird, dann denken unwissende Leute,
warum wird so ein Geheimnis daraus gemacht, lediglich die Jäger wissen bescheid.

@ Wasserwerker, wie Du sehen konntest, hat die Jägerschaft wohl ähnlich addiert wie ich,
ebend nur ein paar Wölfe aus der Zeit vor 2010 noch dazu genommen und sie kamen auf 1200.
Leider hatten sie die Sterberate nicht mit berücksichtigt, was in dem Fall ca. 180 bis 240 wären.
Aber wenn Du sagst: "tot oder lebendig", Wolf ist Wolf, dann liegt die Jägerschaft mit 1200 wohl richtig.

Grüsse

WT
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Nina
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Re: 1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Beitrag von Nina »

Man kann ja auch nicht auf das einzelne Individuum herunterbestimmen, wieviele Füchse, Wildschweine, Spatzen oder Fliegen es in Deutschland genau gibt. Schon deshalb ist diese Erbsenzählerei beim Wolf absolut lächerlich, zumal sich die Anzahl der Wölfe vor der eigenen Haustüre ja nicht erhöht, bei einer Territoriumsgröße von 250 km² - 350 km².

Welchen Schwachsinn das zur Folge hat und wie sich solche Dummheiten dann auch noch unreflektiert weiterverbreiten, hat Ulrich Wotschikowsky in einem Blogeintrag zur Sprache gebracht:
Auf nwzonline schreibt Simona Block, in Ostsachsen sollen mehrere Wolfsrudel auf 400 Hektar leben! 400 Hektar – das sind vier Quadratkilometer. [...] Einem aufmerksamen Journalisten hätte das auffallen müssen. Aber nein – einer schreibt vom anderen ab, ohne nachzudenken. Die absurde Zahl ist inzwischen in mehreren Printmedien aufgetaucht. Inzwischen sind es vier Rudel auf 400 Hektar…

Wolfsite - Wölfe in Deutschland, 21.05.2019: Sachsen - Mehrere Rudel auf 400 Hektar? http://woelfeindeutschland.de/sachsen-m ... 00-hektar/
Die Jäger haben ja schon arge Probleme, ihre eigenen Jagdstrecken zu überblicken - von wissenschaftlicher Erfassung ist das weit entfernt:
Hegeringleiter Johann Jütten sprach ernste Worte, als er zum Tagesordnungspunkt „Rehwildhegeschau“ überleitete. Jütten: „Es ist schier unmöglich, mit korrekten Zahlen aufzuwarten.“ Manche der Jäger hätten gar keine Streckenzahlen zur Verfügung gestellt, andere wiederum hätten Zahlen geliefert, die vollkommen unrealistisch und wenig Vertrauen erweckend seien. Jütten: „Weiß der Geier, wo solche Zahlen herkommen.“

Kölner Stadtanzeiger, 15.03.2011: Hegeringleiter sprach Tacheles https://www.ksta.de/jagd-hegeringleiter ... s-12461922
Oder die Damwildstrecken in Niedersachsen:
Zu beachten ist beim Damwild allerdings, dass es in den Vorjahren zu Doppelmeldungen in einem Landkreis kam, dies könnte einen Teil
des Rückgangs erklären.


Landesjagdbericht Niedersachsen 2017/2018, Seite 81 https://www.ljn.de/fileadmin/dateien/lj ... _18Web.pdf
Zudem dürfte bei den Zahlen der Jäger auch eigene Interessen eine Rolle spielen:
Jäger sind gemessen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland eine sehr kleine Gruppe. (...) Das heißt, 99,6 % der Bevölkerung sind Nichtjäger. (...) Die Einstellung gegenüber Wölfen ist bei dieser Interessensgruppe negativ ausgeprägt, im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung, die positiv eingestellt ist. (...) Dabei wurde deutlich, dass Jäger und Jagdrechtsinhaber im Oberlausitzer Wolfsgebiet den Jagdwert ihrer Reviere durch die Wölfe geschmälert sehen. Sie befürchten, der Jagdertrag würde geringer, der Erlebniswert beeinträchtigt, die Jagd schwieriger, manche Wildart fast oder gänzlich ausgerottet. (...) Dabei stehen häufig finanzielle Erwägungen im Vordergrund. (...) Generell scheint der Wissensstand zum möglichen Einfluss von Wölfen auf Schalenwildbestände sowie zu Feindvermeidungsstrategien von Schalenwild gering zu sein. (...) Das deckt sich mit den Ergebnissen der Akzeptanzstudie (KACZENSKY 2006). Sie zeigte insbesondere bei den Befragten, die Wölfen negativ gegenüberstehen, eine geringe Bereitschaft, Informationen anzunehmen.

BfN-Skript 201, Bundesamt für Naturschutz, I. Reinhardt, G. Kluth: Leben mit Wölfen Leitfaden für den Umgang mit einer konfliktträchtigen Tierart in Deutschland, 2007, S. 91-92 https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/docume ... ipt201.pdf
Über die Hälfte der in der Oberlausitz befragten Jäger glaubt offenbar nicht, dass sich ihre jagdlichen Vorstellungen mit der Anwesenheit einer Wolfspopulation vereinbaren lassen (GÄRTNER & HAUPTMANN 2005). Der Wolf stellt das Selbstverständnis der Jäger in Frage. Jäger reklamieren für sich, dass sie in der Kulturlandschaft die verloren gegangenen Beutegreifer ersetzen müssen. Sie leiten daraus ab, dass die Jagd eine wichtige Funktion bei der Kontrolle desSchalenwildes erfülle. Die Rückkehr der Beutegreifer führt zu einer deutlichen Verunsicherung nicht nur bei der Basis.

BfN-Skript 201, Bundesamt für Naturschutz, I. Reinhardt, G. Kluth: Leben mit Wölfen Leitfaden für den Umgang mit einer konfliktträchtigen Tierart in Deutschland, 2007, S. 96 https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/docume ... ipt201.pdf
Wolfs-Theoretiker
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Re: 1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo Nina,
schönen guten Abend.
Ja, muß auch Dir Recht geben, denn wenn grade mal was aktuell ist,
dann werden gerne Artikel umgemodelt, ein etwas anderer Wortlaut,
aber es werden Zahlen ohne zu überlegen(nachzurecherchieren) übernommen,
weil man ja auch schnell noch "seinen" Artikel unterbringen will, wenn möglich auf der ersten Seite.

Ja da kann ich Dich nur lobend erwähnen, denn Deine Recherchen sind mehr als ausführlich.

ja wenn Du aus den 400 Hektar 4 km² machst,

dann will füge ich noch hinzu:" ca. 250 km² entspricht in etwa den Seitenlängen 15,5 Km x 16 Km ".

weil Zahlen einfach Spaß machen:" ca. 350 km² entspricht etwa den Seitenlängen 18,5 Km x 19 Km ".

Das sind in etwa die Territoriumsgrössen für jeweils 1 Rudel, je nach Beutetierbestand,

weil viel Lust zum Laufen hat der Wolfrüde nur wenn er auf Brautschau und Habitatssuche ist(bis zu 75 Km pro Tag/Nacht).

Wenn er erfolgreich ein Rudel mit Frau und Kinder gebildet hat,

dann macht er normaler Weise tägl. ca. 30 Km um seine Bereichsgrenzen abzulaufen und dabei zu Markieren,

bei den 250 km² und den von mir genannten Seitenlängen, das macht er in 2 Tage oder Nächte. :pleased:

es kann sein, daß er bei 350 km² und den genannten Seitenlängen,

vielleicht etwas schneller läuft um es auch in 2 Tagen zu schaffen oder er ist bequem und macht es in 3 Tagen. ;)


Dies nur mal zur Kenntnis der Leute, welche 4 Rudel auf 400 Hektar unterbringen.


Danke für Deinen Beitrag.

Grüsse

WT
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Re: 1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo an Alle,

ich glaube noch nicht mal die Politiker holen sich aktuelle Zahlen vom https://www.dbb-wolf.de
denn wie soll ich denn die Zahlendarstellung verstehen?
Da werden mit 73 Rudel und 30 Paare sowie 3 Einzeltiere, die Zahl der Wölfe in der BRD dargestellt.

Da werden aus den 146 Rudel-Eltern und den 60 verpaarten, sowie den 3 Einzelwölfen eine Zahl von 210 Wölfen gebildet(einer gerundet ist ok.)

Was ich bemängele sind a) es sind noch die Zahlen aus 2017/18 und b) wo sind der Vorjahresnachwuchs und der Jahresnachwuchs,

welches zusammen ca. 399 Wölfe sein können. :D

https://wolfsmonitor.de/?p=17257

Grüsse

WT
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Re: 1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Beitrag von TheOnikra »

Wolfs-Theoretiker hat geschrieben: 23. Mai 2019, 00:23 Was ich bemängele sind a) es sind noch die Zahlen aus 2017/18 und b) wo sind der Vorjahresnachwuchs und der Jahresnachwuchs,
a) Weil es Messungen sind und keine Prognosen. Die Messungen werden ein Jahr lang gemacht und später im Herbst nach dem die Ergebnisse ausgewertet wurden, veröffentlicht.
Das dauert einfach seine Zeit bis die Ergebnisse von allen Bundesländern abgeglichen wurden vermute ich. Wer weiß was es da noch an Schwierigkeiten gibt. Bis dahin sind das halt die aktuellen Zahlen.

b) Zum Zeitpunkt April 2018 gibt es für gewöhnlich noch keine Welpen, die Jährlinge sind ja noch nicht erwachsen und 2 Jährige die im Rudel verblieben sein könnten sind nicht bekannt.
Wolfs-Theoretiker
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Re: 1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Beitrag von Wolfs-Theoretiker »

Hallo TheOnikra,
schönen guten Tag auch.
Habe das was Du geschrieben hast verstanden.
Was mir auffiel ist ebend. das da zum Ausdruck gebracht wird, daß in Deutschland mindestens 210 Wölfe leben,
damit ist nach oben alles offen, denn in den Vorjahren hat es doch reichlich Nachwuchs gegeben,
warum werden die nicht mitgezählt, wird bewußt oder unbewußt nur eine so geringe Zahl von 210 genannt.

Grüsse

WT
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Re: 1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Beitrag von TheOnikra »

Wolfs-Theoretiker hat geschrieben: 23. Mai 2019, 11:08 Hallo TheOnikra,
schönen guten Tag auch.
Habe das was Du geschrieben hast verstanden.
Was mir auffiel ist ebend. das da zum Ausdruck gebracht wird, daß in Deutschland mindestens 210 Wölfe leben,
damit ist nach oben alles offen, denn in den Vorjahren hat es doch reichlich Nachwuchs gegeben,
warum werden die nicht mitgezählt, wird bewußt oder unbewußt nur eine so geringe Zahl von 210 genannt.
210 ist eben die Anzahl der erwachsenen bzw. geschlechtsreifen Wölfe. Beim günstigen Erhaltungszustand von 1000 Wölfen bezieht sich eben auf alle Wölfe die Repoduktion eben auch bereiben bzw. wenigstens können. Deshalb wird diese Zahl Angegeben.
Die Gesamtzahl enthält dann wie gesagt keine Welpen sondern die dazu gewordenen Jählinge. Wie Lutra auch schrieb ist die genaue Zahl viel schwieriger zu ermitteln. Es kann gar nicht aus jedem Rudel die genaue Anzahl an Wölfen bestimmt werden. Die Territorien schon!
=>Alles was darüber hinausgeht: 73 Rudel und 30 Paare sowie 3 Einzeltiere
sind im Prinzip Schätzungen und hier mal eine sehr gut fundierte Schätzung
http://woelfeindeutschland.de/wie-viele-woelfe/
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Nina
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Re: 1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Beitrag von Nina »

Lutra hat geschrieben:Dafür ist der Wolf viel zu heimlich und dabei noch viel zu bewglich, ein Wolf kann abends an einer Stelle gesehen werden und am nächsten Morgen 30km weg, ergibt dann zwei Wölfe.
Das sehe ich genauso. Zumal die Reviergrößen der menschlichen Jäger meist nicht größer sind als 75 bis maximal 150 ha.
Ein Wolfsrudel gegen 100 Jäger
Das kann nach Angabe der Wolfsexperten dazu führen, dass ein einziges Wolfsrudel sein Territorium mit mehr als 100 Jägern teilen muss.


Spektrum, 30.04.2019: Arche Truppenübungsplatz https://www.spektrum.de/news/truppenueb ... ur/1638618
Auch das wäre ein weiterer denkbarer Erklärungsansatz, warum die Zahlen zwischen Jagdverbänden und Wissenschaftlern auseinanderliegen.
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Dr_R.Goatcabin
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Re: 1.000 Wölfe in Deutschland, und dann???

Beitrag von Dr_R.Goatcabin »

Neue Habitatabschätzung für den Wolf; siehe viewtopic.php?p=44110#p44110.
"Though this be madness, yet there is method in 't ..."
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