Timber hat geschrieben:Ich habe verdeutlicht wieso MT6 und der Umgang mit ihm m.E. mehr Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit erregt hat, als der Fall in Sachsen seinerzeit. Nicht mehr und nicht weniger.
Genau genommen weißt du vermutlich rein gar nichts über die Umstände "in Sachsen seinerzeit", richtig? Eher wahrscheinlich ist, dass du über den Fall genauso wenig informiert bist wie der NDR auch.
Im Fall Sachsen war ein Wolf ein Wolf und ist immer noch ein Wolf, aber kein Stellvertreter für einen politischen Kampf zwischen Jagd und konservativer Landwirtschaft gegen eine moderne, nach ökologischen Aspekten ausgerichtete Naturschutzpolitik.
Das ist auch kein großes Kunststück, denn das Sächsische Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft liegt seit 1990 ununterbrochen in den Händen der CDU. Warum sollten Landwirte und Jäger gegen die Politik aufbegehren, durch sie sich am ehesten vertreten fühlen?
Der geringe Handlungsbedarf spiegelt sich schon am kaum ausgeprägten Interesse der sächsischen Jäger am Wolfsmonitoring wider.
So schrieb Ulrich Wotschikowsky am 26.09.2015:
Gegenüber etwa 2.181 Datensätzen, die von Lupus erhoben worden sind (ein Großteil davon durch Fotofallen),
stehen ganze 15 – in Worten fünfzehn! – Wahrnehmungen der Jäger. Das sind sieben Promille aller dokumentierten Wahrnehmungen.
Und nur eine einzige davon ist von der Jagdbehörde an Lupus weitergeleitet worden, wie es die Verordnung vorschreibt. [...] Von einer Mitarbeit am Wolfsmanagement kann in Sachsen keine Rede sein.
http://woelfeindeutschland.de/sieben-pr ... nach-oben/
Anders ist das in Niedersachsen. Der Kooperationsvertrag zum Umgang mit dem Wolf in Niedersachsen von 2011 zwischen dem Land Niedersachsen, vertreten durch FDP-Minister Sander und der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V., vertreten durch den Präsidenten der Landessjägerschaft und gleichzeitig CDU-Landtagsbageordneten Helmut Damman-Tamke, bekundet zwar in der Präambel "ein hohes Interesse daran, [...] Akzeptanz in der Bevölkerung für die Rückkehr des Wolfes zu gewinnen [...]", verlor sich in der Praxis aber offensichtlich zunehmend mit dem Regierungswechsel zu rot/grün im Jahre 2013.
Seitdem rangeln Landesregierung und Landesjägerschaft um die Meinungs- und Deutungshohheit zum Thema Wolf. Auffallend sind dabei die Antiwolf-PR-Aktionen aus Teilen der Jägerschaft, wie z. B. die Begegnung einer Dame mit Wölfen in Lopau 2015, die das Jägermagazin als "Jagd" auf die Frau deklarierte, worauf diese sich veranlasst sah, den Darstellungen der Jagdgazette öffentlich zu widersprechen.¹ Wenige Monate später präsentierte sich ein Jäger in diversen Medien, der sich nach eigenen Angaben nur durch einen Schuss in den Boden vor einem Wolfsangriff hatte retten können. Die Behörden widersprachen diesen Angaben.² Anfang 2016 berichtete ein Jäger/Wolfsberater über einen anderen Jäger/Jogger, der angeblich von zwei Wölfen angeknabbert worden sein sollte. Während der Wolfsberater die Geschichte u. a. in Hallo Niedersachsen im NDR im Interview äußerte, hatte der Jogger bereits Tage zuvor einer Amtsveterinärin zu Protokoll gegeben, dass die Verletzung durch einen Ast entstanden sein könnte.³
In Niedersachsen wird mit allen Mitteln - auf dem Rücken des Wolfs - darum gekämpft, die grüne Umweltpolitik bei der nächsten Wahl möglichst wieder loszuwerden. Dabei gleicht das ganze mittlerweile einem Lehrstück von PR- und Lobbyarbeit, die leider bekanntermaßen am Ende nur Partikularinteressen dient.
Zum Schluss sei gesagt, dass es in Sachsen neben dem getöteten blinden Wolf eine zweite "Entnahme"-Anordnung gegeben hat, die aber nicht realisiert werden konnte, wie Gesa Kluth am 26.06.2015 im Sächsischen Landtag berichtete:
Wir hatten in den letzten Jahren zwei Situationen, in denen wir damit konfrontiert waren, dass sich ein Tier auffällig verhalten hat. Wir haben die Genehmigung bekommen, es zu fangen. Eines haben wir 2008 gefangen. Das war ein viereinhalb Monate alter Welpe, der in Wittichenau durch die Vorgärten lief. [...]
Im November 2013 hatten wir noch einen Fall. Dazu muss man wissen, dass im Nochtener Rudel in dem Sommer Räude-Erkrankung war und die Welpen schon sehr früh erkrankten und sehr klein und abgekommen waren. Viele von denen sind auch gestorben. Einer von denen ist im November in einem Dorf unterwegs gewesen. Als wir vom Landkreis die Genehmigung bekamen, ihn zu fangen, hat er sich nicht mehr blicken lassen. Das ist manchmal leider so. [...]
http://newsletter.jagdnetz.de/system/as ... _06_15.pdf
¹
http://www.lausitz-wolf.de/index.php?id=1246
²
FC Wolf - der Faktencheck vom Wolfsportal des NLWKN: "Es trifft nicht zu, dass im April letzten Jahres ein Jäger nachts im Wald von einem Wolf offenbar angegriffen wurde und sich durch Einsatz einer Schutzwaffe verteidigen musste…
http://www.der-wolf-in-niedersachsen.de ... /#comments
³
http://www.umwelt.niedersachsen.de/download/103731