Naturfuehrer hat geschrieben:Es werden ellenlage Kommentare verfasst, warum es so nicht gewesen sein kann - weitestgehend auf der Grundlage von Formulierungen in Zeitungen, die ihrerseits teils gar keine Primärquellen haben. Warten wir doch erstmal die DNA-Analyse ab, würde ich sagen.
Was bitteschön stört Dich daran, wenn sich Menschen umfassend über einen angeblichen "ersten" Wolfsangriff informieren, kritisch auf Fakten und Schwachstellen überprüfen, diese diksutieren, sich dann eine eigene Meinung bilden und diese äußern?
Mit der Behauptung, dass die Grundlage der herangezogenen Informationen "weitestgehend" auf Zeitungsberichten basiere, "die ihrerseits teils gar keine Primärquellen" hätten, liegst Du auf jeden Fall komplett falsch.
Die überprüften Formulierungen stammen stattdessen nahezu ausschließlich aus der Pressemitteilung der Polizei Rotenburg, die sehr wohl auf der Primärquelle basiert - nämlich der Aussage des Betroffenen, der den "Tathergang" - für den es außer ihm keine weiteren Zeugen gibt - dort zu Protokoll gegeben hat. Das Polizeiprotokoll wird für gewöhnlich vom Befragten gegengelesen und unterschrieben.
Die Polizei Rothenburg erläutert auf Nachfrage von CELLEHEUTE, dass sich der Vorfall nach Angaben des Opfers am Dienstagvormittag zwischen 9 und 10 Uhr ereignet haben soll. „Beamte der Polizeistation Tarmstedt haben am Mittwochmittag über Umwege davon erfahren und sofort recherchiert. Am Mittwochnachmittag um 15.55 Uhr erfolgte meine Pressemeldung anhand der Aussage des Opfers“, so der Sprecher. Zeugen gebe es keine.
CELLEHEUTE, 30.11.2018: Panik statt Aufklärung – Winser Wolfsgegner kritisieren „Realitätsverweigerer“ https://celleheute.de/panik-statt-aufkl ... rweigerer/
Und dies war der genaue Wortlaut der Pressemitteilung der Polizei Rotenburg:
Am Dienstagvormittag ist ein 55-jähriger Arbeiter der Gemeinde Bülstedt im Landkreis Rotenburg während der Pflege der Grünanlage am Friedhof in Steinfeld von einem Wolf gebissen worden. Der Mann habe während seiner Arbeiten am Zaun gekniet und mit seiner Hand nach hinten gefasst. Plötzlich stellte er fest, dass sie scheinbar von hinten gehalten wurde. Er blickte sich um und erkannte einen Wolf, der nach seiner Hand geschnappt hatte. Drei weitere Wölfe eines Rudels hätten die Aktion mit etwas Abstand beobachtet. Der 55-Jährige habe sich befreien und die Wölfe vertreiben können. Später habe sich der Mann mit leichten Verletzungen an seiner Hand in ärztliche Behandlung begeben.
Polizeiinspektion Rotenburg, 28.11.2018: POL-ROW: Gemeindearbeiter durch Wolf verletzt
https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/59459/4128715
Ob es für Dich persönlich plausibel erscheint, dass ein Mann an einem Zaun kniet, während seine Hand "scheinbar von hinten" von einem Wolf "gehalten" wird, bevor er sich zu diesem umdreht, musst Du Dir selber beantworten. Die Gründe, warum diese Darstellung für mich absurd klingt, habe ich dargelegt und belegt. Es steht Dir ja frei, ob Du das lesen möchtest oder nicht.
Der Hinweis auf die unterschiedliche Darstellung der Farben der angeblichen Wölfe stammt aus der Kreiszeitung, welche auf Rückfrage von Wolfsschutz Deutschland noch einmal bekräftigt hat, dass die Schilderung direkt durch den Betroffenen gegenüber Redaktionsmitarbeitern erfolgt sei:
Update: 29.11.18 – 17. Uhr. Telefonat mit Herrn Krüger, Autor des Artikels und Redaktionsleiter. Er bleibt bei seiner Version, dass Mitarbeiter der Kreiszeitung mit dem betroffenen Mann gesprochen hätten, und dieser von drei weißen und einem schwarzen Tier erzählt habe. Ausdrücklich verwies der Autor des Artikels darauf, dass überhaupt nicht von Wölfen die Rede gewesen sein sollte.
Wolfsschutz Deutschland, 28./29.11.2018: Mutmaßlicher Wolfsangriff auf Mann in Niedersachsen höchstwahrscheinlich ein Märchen
Fakt ist, dass viele Medien und allen voran die Wolfsbejagungs-Forderer diese zweifelhafte Geschichte wieder einmal dafür benutzen, um eine Stimmung zu erzeugen, die ein angeblich massives Problem mit Wölfen suggeriert. Auf dieser Schürung von Ängsten bauen die sofort einsetzenden "Löungsansätze" von Agrar- und Jagdverbänden sowie den ihnen zugeneigten Politikern auf, die Obergrenzen, Wolfsabschüsse und eine aktive "Verlangsamung" des Populationszuwachses per Jagdgewehr fordern.
Für den CDU-Abgeordneten und Präsidiumsmitglied des Deutschen Jagdverbandes Dammann-Tamke beispielsweise diene die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht der "Herstellung eines Sicherheitsgefühls vor dem größten heimischen Fleischfresser"¹.
Dabei scheint fraglich, ob ein kollektives Gefühl der Unsicherheit hinsichtlich des Wolfes überhaupt existiert, wenn wir einmal die ungebrochenen Umfragewerte zur Zustimmung der Bevölkerung zum Wolf betrachten:
2011: 79% (Forsa)
2014: 71% (Yougov),
2015: 80% (Forsa)
2017 : 74% (Linzer Market-Institut, Österreich)
2017 : 75% (gegen Abschüsse von Wölfen, haz-Umfrage)
2018 : 79% (Forsa)
Im österreichischen Lienz wurde der dringende Handlungsbedarf angesichts der 80%igen Zustimmung der Bürger von den Vertretern der Jagd und der Landwirtschaft konkretisiert:
„80 Prozent der Bevölkerung sind für den Schutz des Wolfes. Die müssen wir geistig umdrehen.“ Denn erst wenn Wölfe auch für Freizeitsportler, Touristen und Erholungssuchende eine Gefahr werden, könne ein Umdenken einsetzen. „Wir müssen der Bevölkerung ein Problem machen“, meint Lanschützer. Dafür sollten Viehhalter und Bauernstand eine PR-Maschinerie in Gang setzen. Eine Diskussionsteilehmerin schlug in die gleiche Kerbe: „Erst, wenn es den ersten Zwischenfall mit Wölfen und Spaziergängern gibt, wird ein Umdenken einsetzen.“
Tiroler Tageszeitung, 01.06.2018: Diskussion in Lienz: Den Wolf mit PR-Maschinerie bekämpfen https://www.tt.com/panorama/gesellschaf ... bekaempfen
Aber wer will sich schon gerne "geistig umdrehen" lassen? Daher sind kritisches Lesen, Hinterfragen, das Evaluieren verschiedener Quellen und die Diskussion jenseits der "Dauerberieselung in allen Medien" (CELLEHEUTE) aktuell wichtiger denn je.
¹
Deutscher Jagdverband, Pressemitteilung 07.11.2018: Umweltministerkonferenz soll Lösungen präsentieren
- siehe auch Wolfsmonitor, 10.11.2018: Gefühlsecht nur mit dem Jagdverband? https://wolfsmonitor.de/?p=15424