Alpenwolf hat geschrieben:Können sie mir dann erklären, warum seit einigen Jahren die JägerInnenzahlen in Mitteleuropa relativ stark zunehmen ( vor allem durch Frauen mittleren Alters mit urban-, akademischen Hintergrund)? Stürzen da nun weitere Vorurteile in sich zusammen?
Vielleicht haben diese Leute auch weniger Vorurteile und Angst und moechten einfach gesuenderes Fleisch essen? Und dieses selbst erlegen?
Machen immer mehr Leute, die selbst erlegtes Wild zu dem ueblichen Fleisch wie Gefluegel, Rind oder Schwein essen, welches sie mittlerweile auch vom normalen Landwirt beziehen, statt mit Medikamenten vollgepumptes Fleisch aus dem Supermarkt zu essen. Ist zumindest ein haeufiger Grund, den ich von Leuten im Bekanntenkreis hoere, die ploetzlich mit der Jagd anfangen, ohne durch Vater oder Opa an diese gefuehrt zu werden.
Wer den Wolf hasst und ihn toeten will, braucht sich wohl kaum die Kosten und Muehe der Pruefung machen, dazu kann man den Wolf ganz einfach ueberfahren, wie in Deutschland ja auch schon gemacht wurde.
micha hat geschrieben:Hirsche bemerken den Menschen viel früher als der Mensch den Hirsch, und laufen dann sofort weg. Bei Wildschweinen muss man vorsichtig sein wenn sie Frischlinge haben. Im Zweifelsfall darf man nicht zu dicht rankommen, oder man muss ein bischen Lärm machen, dann laufen sie weg. Nein, vor denen braucht man keine Angst haben. Außerdem sind Hirsche und Wildschweine keine Fleischfresser, das ist ein entscheidender Unterschied.
Ist das mit den Hirschen in Deutschland wirklich so, dass sie immer weglaufen? Auch vor, waehrend und nach der Brunft? Ich frage nur, weil ich mit Hirschen in Nordamerika komplett andere Erfahrungen gemacht hab. Von Baeren, Woelfen oder Pumas hab ich gegen mich gerichtete Aggressionen noch nicht erlebt, bei drei Begegnungen mit jeweils einem Hirschbullen und einer Hirschkuh, die vermutlich irgendwo im Gras ein Kalb liegen hatte, von dem ich nichts wusste, sah das anders aus. Bei einem Zwischenfall mit einem Bullen dachte ich wirklich, in zwei Sekunden bin ich tot.
Egal um welches Wildtier es sich handelt, egal ob es Fleischfresser ist oder nicht, auf Grund seiner Groesse koennen und sind sie jederzeit fuer Menschen eine Gefahr. Ein Angriff hat selbst bei Fleischfressern nicht immer den Grund, potentielle Beute zu fressen.
Da entscheidet man deutlich zwischen einem defensiven Angriff und dem predatorischen Angriff. Vor ein paar Monaten ist in der Region in der ich Lebe ein Jaeger von einem Grizzly getoetet worden, der erste toedliche Angriff seit Jahren. Ploetzlicher Schneesturm in den Bergen, kaum Sicht, der Jaeger war alleine unterwegs, folgt einem unuebersichtlichen Pfad, kommt um eine Ecke hinter der eine Grizzlymutter mit Jungem einen Hirsch getoetet hat, der Grizzly toetet ihn in Sekunden, weder Mutter noch Nachwuchs fressen am Jaeger.
Ansichten wie 'Kein Fleischfreser = keine Gefahr' sorgen hier in Nordamerika jedes Jahr fuer unzaehlige, vermeidbare Unfaelle, bei denen Pflanzenfresser Menschen schwer verletzen oder toeten. Der vermeintlich 'freundliche' Hirsch reagiert bei Annaeherung und Ueberschreiten der Toleranzschwelle eben nicht mit Flucht, sondern rennt jemanden um und trampelt ihn (gezielt!) zu Boden. Die niedliche aussehenden Dirckhornschafe reagieren auch oefter mit Angriffen auf zu nah stehende Autos oder attackieren Menschen, die sie anfassen. Elche sind bei der Verteidigung ihres Nachwuchses unheimlich aggressiv und greifen wie Hirsch auch unvermittelt immer wieder Menschen und Autos an. Einfach weil sie sich bedroht fuehlen und diese Gefahr abwehren wollen.
Egal um welches Wildtier es sich handelt, einfach nah rangehen, weil es bei Sichtung nicht mit Fucht reagiert, ist immer falsch. Egal ob Fleisch oder Pflanzenfresser. Unterschaetzen sie nie die Gefahr von Wildtieren. Was nicht heisst, dass man vor allen Wildtieren Angst haben muss. Kann und darf man aber.
micha hat geschrieben:Diese Einschätzung teile ich nicht.
Respekt und Angst sind aber zwei unterschiedliche Dinge.
micha hat geschrieben:1. Weil er viel kleiner ist als die Wölfe, die ich mit eigenen Augen gesehen habe.
Das sind persoenliche Erfahrungen.
micha hat geschrieben:2. Weil er sehr scheu ist und den Menschen meidet. Von Angriffen eines Luchses auf Menschen habe ich noch nie gehört. Man liest in letzter Zeit dass Wölfe tagsüber in der Nähe von Siedlungen gesichtet wurden. Beim Luchs wäre das undenkbar.
Und das ist der Punkt, wo sich persoenliche und andere/allgemeine Erfahrungen trennen. Ich habe bisher zwei Luchse gesehen, die voellig unterschiedlich reagierten. Einer war scheu, der andere nicht. Dann sehe ich hier in der Gegend Meldungen wie diese hier in zig Medien (links wahllos aus den ersten google Ergebnissen):
http://www.huffingtonpost.ca/2013/02/20 ... 28301.html
Dann sogar, dass ein Luchs durchs Fenster in ein Haus schaut und sich dabei filmen und fotografieren laesst:
http://www.cbc.ca/news/canada/calgary/s ... -1.1303970
Was ist nun 'das richtige' bzw 'natuerliches' Luchsverhalten?
micha hat geschrieben:Was für ein anderes Wildtier sollte mich denn angreifen? Nein, diese Gefahr sehe ich nur beim Wolf.
Michael
Wie bereits gesagt, zig Tiere sind auf Grund ihrer Groesse von daher schon eine Gefahr fuer den Menschen. Und ein Angriff kann aus ganz banalen Gruenden wie Gefahrenabwehr erfolgen. Und auch eine zertruemmerte Huefte oder eine zerrisene Arterie im Bein sind nicht gerade prickelnd, beides Dinge, die mir bekannten Menschen passiert sind, die Hirsche halten. Ich sage das nicht, um zu sagen, diese Tiere sind gefaehrlicher als der Wolf. Viele Wildtiere sind genau so gefaehrlich wie der Wolf, weil sie uns in vielen Belangen, aber gerade koerperlich ueberlegen sind. Und bei der Verteidigung von Leib und Leben vor einer angenommenen Gefahr ist es egal, ob das Tier Schnitzel oder Salat ist.
Was den Wolf angeht, hier mal ein Video einer Wolfsbegegnung die ich hatte. Ausgewachsener, alter Ruede. Im Hintergrund kann man meinen Hund auf dem Ruecksitz schnaufen hoeren, von dem der Wolf mit Sicherheit wusste, dass er da ist, wie ich sichtbar am Fenster.
Ganz objektiv betrachtet, wo sehen sie da eine reale Gefahr? Das Woelfe gefaehrlich fuer den Menschen werden koennen, wuerde ich nie bestreiten und ich bin mir der potentiellen Gefahr fuer mich bewusst. Der Grund warum ich nicht ausgestiegen bin, um zum Beispiel viel bessere Bilder in Augenhoehe zu machen, ist der, dass ich dieses Tier kenne und weiss, dass er sofort geflohen waere, wenn ich die Tuer geoeffnet habe. Das Klicken der Tuer bei einem Abstand von 50m reicht, wie ich aus Erfahrung weiss. Die Aufnahmen sind vom Abend, etwa 19:30 Uhr, morgens zwischen 7-9 Uhr hatte ich dieses Tier mit fuenf weiteren Mitgliedern (im Moment der Aufnahme auf der Beifahrerseite) bereits zu Fuss aus etwa 200m Entfernung fotografiert und dann zehn Stunden gewartet, ob sie noch mal bei Licht aufstehen und weiterziehen. Wobei mir dann diese Aufnahme gelang.
https://www.youtube.com/watch?v=9iQWpR_Jkpc
Das dieser Ruede mich ohne mit der Wimper zu zucken platt machen kann, ist mir bewusst. Aber ich denke jeder Hundebesitzer, der seinen Fiffi mal laenger als 5 Minuten beobachtet hat, kennt Verhalten, wie er es da sieht. Aggression oder Nervositaet sehe ich keine. Dass sowas nicht jedermanns Sache ist, weiss ich auch. Allein weil schon zig Menschen Angst vor Hunden haben, die um ein weites kleiner sind. Beim Wolf steht da niemand der ihn an der Leine hat, zurueckpfeifft oder sagt 'Der tut nichts!'.
In der Regel verhalten sich Woelfe ebenso, wie sie es von Hirschen erwarten. Wer auf sich bemerkbar macht, sieht in der Regel wenig Woelfe. Und wenn doch, heisst es noch lange nicht, dass sofort ein Angriff erfolgt. Genauso wenig wie beim Baeren zum Beispiel.
Zwischen natuerlichem Respekt vorm Wolf und Angst (haben 'muessen'), liegen denke ich aber noch einige Unterschiede.