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Re: Neues vom Bayernwolf
Verfasst: 31. Okt 2010, 12:38
von Ash
*seufz* Irgendwie sind die Bergvölker alle etwas anders drauf.. ich denke, der Bericht am 27. auf 3Sat (den ich übrigens ausgesprochen interessant und wunderbar gemacht fand, zum Beispiel auch den Teil, der die verendeten Schafe zeigte, die die Schweizer jedes Jahr aus Faulheit irgendwo "vergessen" und sterben lassen, und die verschiedenen Schafhalter in Spanien, Frankreich, Italien - "ja, es ist mehr Arbeit für uns, aber das ist halt so, der Wolf gehört hier ja auch her, so wie wir") zeigt da doch große Parallelen zu den nördlichen Nachbarn

Re: Neues vom Bayernwolf
Verfasst: 31. Okt 2010, 15:38
von balin
@ Grauer Wolf
Die Fragwürdigkeit der offenen Bergflanken ist in aller Munde, trotz Artenvielfalt auf den Bergwiesen.
Inwieweit es sinnvoll ist, Almen/Alpen durch Wald zu ersetzen möchte ich gerne nachweisen. Das Buch, das ich mir als Argumentationsgrundlage beschaffen möchte und werde ist dieses hier:
http://bergmagazin.wordpress.com/2010/06/07/545/
Inhaltsangabe gibt es hier:
http://www.vzsb.de/pdf/Ringler_2009_-_B ... mbuchs.pdf
Der Mann und das Team haben wesentliche Grundlagen für die Alpenkomvention erarbeitet. Es ist kollossal interessant, welche Stellung der Wolf zukünftig in den Bergregionen einnehmen kann und soll. Um da einen Hintergrund zu haben, ist dieses Buch eigentlich ein Muß.
Re: Neues vom Bayernwolf
Verfasst: 1. Nov 2010, 09:44
von Grauer Wolf
40 € bei Amazon... heftig...

Vielleicht kann ich's mir über eine Bibliothek ausleihen...
Nun ja, ich glaube, ich habe ein Problem damit, die Alpen immer nur als
Kulturland zu sehen. Ich kenne naturbelassene Berglandschaften resp. echte Wildnis in erster Linie aus Skandinavien, wo ich insgesamt ein paar Monate war. Wenn ich die natürliche Höhenstufung der Vegetation*) dort sehe, wo oberhalb der Baum- resp. Zwergweidengrenze nichts beweidet und schon gar nicht gemäht wird und die Bodenvegetation zu einem Großteil aus Ericaceen, Flechten und Moosen besteht, und das dann mit den "glatten", lawinenträchtigen Almen vergleiche, dann haben die Alpen kaum noch etwas natürliches, sondern etwas von einem einzigen, großen Landwirtschaftsbetrieb, in dem für den Wolf erst wieder Platz geschaffen werden muß, primär in den Köpfen der Menschen... Warum bis wirklich ins letzte Bergtal und auf den entlegensten Bergrücken noch Schöpsen getrieben werden müssen, das werde ich nie begreifen, zumal durch schlechte Witterungsbedingungen oder schlichtes Vernachlässigen jedes Jahr alleine in der Schweiz über 10.000 Schafe verlustig gehen, ganz ohne Wolf. Wieviele sind's im gesamten Alpenraum? Möglicherweise das 3-fache (ich hab da keine exakten Zahlen)?
Wie auch immer, wenn ich in diesem Zusammenhang dann das Gejammere um geringfügigste, zusätzliche Verluste durch Canis lupus und ggf. die Forderung nach Abschüssen betrachte, dann macht mich das, zivilisiert ausgedrückt, ziemlich ärgerlich...
Und ja, es ist natürlich meine subjektive Meinung als jemand, der tief in der Natur verwurzelt ist und der ausufernden Land- und Forstwirtschaft eher kritisch gegenübersteht, was ich offen zugebe...Ich werde im Zweifels-/Entscheidungsfall immer pro Wolf und contra Schaf argumentieren, denn der Mensch muß nicht
alles besitzen und nutzen...
*) In den Alpen ginge m.W. natürlicherweise eine geschlossene Walddecke je nach lokalem Klime bis auf 2500 m hoch.
Re: Neues vom Bayernwolf
Verfasst: 1. Nov 2010, 12:05
von jurawolf
also, da muss ich schon etwas widersprechen. zwar gehöre ich auch den menschen, die meinen, der mensch müsse sich nicht jedes gebiet erschliessen und der natur muss eben wo möglich auch ihren freien lauf gelassen werden.
aber die alpen sind nun mal seit geraumer zeit ein verhältnismässig dicht besiedeltes gebirge. natürlich nicht so dicht besiedelt wie die flachlandregionen im umfeld, aber verglichen mit den meisten anderen gebirgen sind sie eben doch recht dicht besiedelt. somit war und ist es nur logisch, dass auch eine intensivere berlandwirtschaft betrieben wird, denn die menschen wollen ja schliesslich auch essen. früher, als import und export noch keine rolle spielten, war es recht einfach: die alpen wurden so intensiv genutzt, wie es eben zum überleben der menschen nötig. obwohl inzwischen bevölkerungszahl weiter gewachsen ist, werden heute in den alpen dank ertragssteigerungen und importen deutlich weniger flächen genutzt als noch vor 100 jahren. insofern hat sich der mensch tatsächlich bereits teilweise aus dem gebirge zurückgezogen, am stärksten ist diese entwicklung in italien (typisches beispiel dafür ist etwa der heutige nationalpark val grande im piemont).
diese entwicklung ist aber durchaus auch kritisch zu sehen, denn ist es (gerade auch ökologisch betrachtet) wirklich besser, die flächen vor ort aufzugeben und stattdessen einfach mehr zu importieren? ich finde nicht.
bezüglich lawinensicherheit ist es übrigens schon so, dass korrekt abgeweidete flächen grundsätzlich den besseren schutz bieten als unbeweidete flächen. kurzes gras liegt im winter nicht flach am boden, sondern steht noch und wirkt damit wie borsten. langes gras liegt dagegen und wirkt eher wie eine rutschbahn. klar ist aber auch, dass der beste lawinenschutz noch immer eine geschlossene walddecke ist. nur gibt es in alpen lokal durchaus ortschaften, über denen sich aufgrund der höhe kaum mehr eine walddecke ausbreiten kann (oder nur eine zu geringe, die sich oberhalb der waldgrenze lösende lawinen nicht aufhalten kann). die beweidung der alpen mit schafen als generelle lawinenschutzmassnahme zu verkaufen, ist also ebenso falsch wie zu sagen, dass schafe generell lawinen fördern.
noch zur waldgrenze: als faustregel kann gesagt werden, dass diese im durchschnitt auf 2000 m.ü.m. liegt. dabei gibt es aber einen schwankungsbereich, da in den nordalpen die waldgrenze deutlich tiefer (ca. 1800 m.ü.m.) liegt als in den südalpen und den inneralpinen tälern (höchte geschlossene wälder liegen auf gut 2400 m.ü.m., einzelbäume (zirbelkiefern und lärchen) im extremfall bis auf 2800 m.ü.m.). darüber schliesst eine geringe zwergstrauchzone an mit alpenrosen, zwergerlen usw., bevor dann die alpinen rasen beginnen. die übergänge sind natürlich fliessend. moose und flechten wie in skandinavien, sind in den alpen von natur aus eine viel seltenere erscheinung, die nur in den obersten zonen (>2800 m.ü.m.) wirklich dominant sind.
Re: Neues vom Bayernwolf
Verfasst: 1. Nov 2010, 13:17
von balin
Ich kenne die Entwicklung aus dem Zentralmassiv. Da wachsen manche Täler und die Terrassen einfach zu. Wenn man sich da durchschlägt, dann wundert man sich, wer die ganzen Steinmauern aufgeschlichtet hat. Das war früher mal ein dicht besiedeltes Gebiet. In manchen von den Geisterdörfern kann man keine Fahrzeuge benutzen. Nur ein paar Wochenendhäuser gibt es da.
Nach den großen Ferien ist es dann ziemlich menschenleer. Ich kann mir vorstellen, daß das in den Alpen auch in manchen Gebieten so kommen wird, wenn die Subventionen mal nicht mehr ausreichen. Aus wirtschaftlichen Gründen sind die Schafe jedenfalls nicht da oben. Bei Ferus gibt es einen Aufsatz, der die Bedrohung der Schafe durch den Wolf in den Kontext der anderen Bedrohungen setzt, denen die Schafhaltung ausgesetzt ist.
http://www.ferus.fr/wp-content/uploads/ ... tte_30.pdf
Wenn der Frost die Berge mal nicht mehr zusammenhält, dann muß es der Wald tun. Mal sehen, wo dann die Schafe und der Wolf stehen? Die Aussicht wird dann schlechter, aber man kann nicht alles haben!

Re: Neues vom Bayernwolf
Verfasst: 10. Nov 2010, 10:42
von Miscanthus
Wie erwartet, auch in der "Winterpause" brodelt es im Untergrund:
http://www.sueddeutsche.de/bayern/bayri ... -1.1021586
Re: Neues vom Bayernwolf
Verfasst: 10. Nov 2010, 13:13
von Miscanthus
BürgerForumlive
10. November 2010
Wir sind unterwegs zu Ihnen. Tilmann Schöberl diskutiert mit Bürgern aus Bayrischzell über das Thema:"Schützen oder schießen? Der Streit um Bayerns Wildtiere
Sendung: 10. November, 20.15 Uhr. Wiederholung der Sendung: 11. November, 2.45 Uhr [Bayerisches Fernsehen]
Re: Neues vom Bayernwolf
Verfasst: 11. Nov 2010, 08:26
von Miscanthus
Re: Neues vom Bayernwolf
Verfasst: 11. Nov 2010, 08:36
von SammysHP
Dass sich Politiker gerne mal aus der Öffentlichkeit raushalten, scheint zur Mode zu werden.
Gemeindechef Helmut Limbrunner fürchtet gar um negative Auswirkungen auf den Tourismus im Luftkurort.
Zumindest in der Lausitz ist ja genau das Gegenteil eingetreten.
Re: Neues vom Bayernwolf
Verfasst: 11. Nov 2010, 15:20
von Wolfsheuler
SammysHP hat geschrieben:
Dass sich Politiker gerne mal aus der Öffentlichkeit raushalten, scheint zur Mode zu werden.
Gemeindechef Helmut Limbrunner fürchtet gar um negative Auswirkungen auf den Tourismus im Luftkurort.
Zumindest in der Lausitz ist ja genau das Gegenteil eingetreten.
Man kann das ja nicht miteinander vergleichen. Die Lausitz oder die Gemeinde Rietschen haben durch den Wolf profitiert, da sie vorher sonst gar nichts zu bieten hatten. Der Wolf hat also schon irgendwie die Lausitz bekannter gemacht. Seinetwegen kommen mehr Leute dahin. Ob jetzt nach Bayrischzell mehr Leute kommen wegen einem Wolf, wage ich zu bezweifeln. Die haben ja auch eine ganz andere Sorte von Touristen.
Nun frage ich mich aber, was aus dem Wolfsbüro Lausitz wird, wenn irgendwann mal überall in Deutschland Wölfe leben. Oder zumindest in allen geeigneten Lebensräumen. Jetzt schon werden auch anderenorts Spurenexkursionen angeboten (Fläming, Ueckermünder Heide,...) Nur wenn ich irgendwann Wölfe vor meiner Haustür habe, fahre ich ja nicht mehr in die Lausitz. Vielleicht auch ein Grund, weshalb man zurückhaltend umgeht mit Wolfsvorkommen ausserhalb der Lausitz. Oder anders ausgedrückt: Ich fahre keine 300 Kilometer irgendwohin um zum Beispiel auf Spurensuche des Fuchses zu gehen. Das kann ich auch zuhause. Und wenn irgendwann der Wolf die gleiche Stufe erreichen sollte wie der Fuchs (in der öffentlichen Wahrnehmung), dann machen Spurenexkursionen in der sächsischen Lausitz weniger Sinn.
Ich hoffe aber, dass das Wolfsbüro seine Berechtigung behalten wird. Würde man nur überall in Deutschland in Sachen Wolf so gute Arbeit leisten wie dort.