Re: Wölfe in Brandenburg
Verfasst: 9. Jan 2012, 14:00
Wie sollte es auch anders sein... Jemand, der sich prinzipiell in der Natur fürchtet (Du glaubst gar nicht, wie viele das sind) wird schon auf große Distanz die "Muffen" kriegen, mit der ganzen Körpersprache Unsicherheit auch rüberbringen und sich subjektiv von einem Wolf in 100 m Entfernung bedroht fühlen. Jemand, der Wildniserfahrung hat, sieht's vielleicht völlig gelassen, wenn ein Wolf in 10 m Entfernung aus den Büschen tritt, mal neugierig rüberschaut und sich dann gemächlich trollt: War nett, dich zu sehen, schönen Tag auch noch... Auch das Temperament jeden einzelnen Wolfes ist eben unterschiedlich, je nach Persönlichkeit... Menschen und Wölfe, jeder einzelne einzigartig in seiner Sichtweise und Reaktion auf die Umwelt, da kann man nichts normen in punkto Habituierung, auch wenn Normung hierzulande ein Nationalhobby zu sein scheint.LarsD hat geschrieben:Die spannende Frage scheint wirklich, wo man die Grenze zieht. Allein die individuelle Interpretation des Begriffs "Habituierung" hat hier im Forum ja schon eine beachtliche Spannbreite. Ich würde die Grenze dort ziehen, wo sich Wölfe wiederholt bei einer Entfernung von < 100 m nicht aus dem Staub machen, nachdem sie den Menschen wahrgenommen haben oder sich ihm dann sogar gezielt weiter nähern. Diese Tiere sollten dann nachhaltig erschreckt werden.
Ich habe hier keine realen Erfahrungen mit Wölfen (wie auch, sind ja leider keine hier...

Habituierung entsteht nach meiner Definition z.B. dann, wenn falsch verstandene Tierliebe dazu verleitet, einen Wolf (oder ein anderes Tier) mit Leckerlis heranzulocken. Wohin das führen kann, haben wir bei dem Zwischenfall mit den beiden Kojoten gesehen, die eine junge Frau töteten (war's in den Appalachen?), während sie offensichtlich aggressiv Futter forderten...
Wenn ich den Bogen wieder auf Deutschland spanne, bedeutet Vermeidung von Habituierung, Futterquellen zu entziehen, also Nutztiere nachts einzustallen, zu behirten oder anderweitig zu schützen und in Dorfnähe gehören z.B. keine für Wölfe attraktiven Speisereste auf den Kompost. Das mag vorerst nicht bequem sein, sollte aber im Laufe der Jahre eigentlich zur Routine werden. Abschuß kann keine Lösung sein, denn er führt letztlich nur zu Problemen genauso wie bei den Füchsen: Das Zerschießen der Sozialstruktur mündet letztlich immer in Chaos mit all seinen Folgen (angefangen bei verstärkter Migration, endend beim Verlust eine Wurfes, weil die Ernährer tot sind). Weder ein toter Fuchs noch ein toter Wolf können etwas lernen und das Gelernte tradieren. Wer sich mit dem Wolf einrichten will, muß ihn erst mal begreifen und im Idealfall wie einer denken. Darauf kann man folgerichtig aufbauen, nicht auf wildem Aktionismus.
Nachtrag: Danke für den Hinweis auf Spanien. Ich habe die entsprechenden Passagen gelesen und ehrlich gesagt, kommen die mir etwas spanisch vor.
The first attack occured on 25th June 1957 in the village of Vilare... A wolf attacked two 5-year-old boys that were walking along the road...
Auf einer Dorfstraße im Ort? Am hellichten Tag? Ein Wolf? Für mich zumindest zweifelhaft. Dazu die Bißmarken an Kopf, Brust und Beinen? Das kann genausogut, wenn nicht sogar wahrscheinlicher, ein wolfsähnlicher Streuner gewesen sein... Wie auch immer, nach 55 Jahren läßt sich das kaum noch klären...
Beuteangriffe waren das m.E. nicht, denn offensichtlich wurde nach den Berichten niemand angefressen. Wenn ich mir die Umstände betrachte, war das eher Provokation (laktiernde Wölfinnen? Bedrohung der Welpen? Da könnte eine Wölfin schon mal über ihren Schatten springen...) im Spiel und in einem Fall wohl auch eine massive parasitäre ErKrankung. Daß Wölfe sich wehren, wenn Hirtenhunde samt Hirten versuchen Welpen samt Mutter zu töten, fällt ja wohl unter Notwehr´und ist ihr gutes Recht... Mit den Zeugenaussagen ist das jedenfalls immer so eine Sache. DNA-Verifizierung gab es damals eben noch nicht. Nicht alles, was die Leute für Wölfe halten, ist auch einer, auch nicht in Spanien... Erlaube mir also, derartige Berichte zumindest cum grano salis zu sehen...

Gruß
Wolf
PS.: Wie schon gesagt gibt's hier ziemlich viele Füchse. Was macht der Hobby-Hühner- und Entenhalter hier? Richtig: Er hat die Viecher eingezäunt (2 m Zaun), weil der Fuchs sich auf Mäuse beschränken soll. Über's Gehege gespannte Drähte verhindern auch gleich, das sich irgendwelche Greife bedienen...

edit: Tipfehler beseitigt