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Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 9. Jan 2012, 14:00
von Grauer Wolf
LarsD hat geschrieben:Die spannende Frage scheint wirklich, wo man die Grenze zieht. Allein die individuelle Interpretation des Begriffs "Habituierung" hat hier im Forum ja schon eine beachtliche Spannbreite. Ich würde die Grenze dort ziehen, wo sich Wölfe wiederholt bei einer Entfernung von < 100 m nicht aus dem Staub machen, nachdem sie den Menschen wahrgenommen haben oder sich ihm dann sogar gezielt weiter nähern. Diese Tiere sollten dann nachhaltig erschreckt werden.
Wie sollte es auch anders sein... Jemand, der sich prinzipiell in der Natur fürchtet (Du glaubst gar nicht, wie viele das sind) wird schon auf große Distanz die "Muffen" kriegen, mit der ganzen Körpersprache Unsicherheit auch rüberbringen und sich subjektiv von einem Wolf in 100 m Entfernung bedroht fühlen. Jemand, der Wildniserfahrung hat, sieht's vielleicht völlig gelassen, wenn ein Wolf in 10 m Entfernung aus den Büschen tritt, mal neugierig rüberschaut und sich dann gemächlich trollt: War nett, dich zu sehen, schönen Tag auch noch... Auch das Temperament jeden einzelnen Wolfes ist eben unterschiedlich, je nach Persönlichkeit... Menschen und Wölfe, jeder einzelne einzigartig in seiner Sichtweise und Reaktion auf die Umwelt, da kann man nichts normen in punkto Habituierung, auch wenn Normung hierzulande ein Nationalhobby zu sein scheint.
Ich habe hier keine realen Erfahrungen mit Wölfen (wie auch, sind ja leider keine hier... :( ), aber ich mache ähnliche Beobachtungen an Füchsen. Der eine flitzt schon, wenn er mich aus 150 m Entfernung sieht, einem anderen stand ich schon in 5...7 m Entfernung gegenüber und wir musterten uns gegenseitig intensiv mit Augenkontakt. Dann spazierte er gemütlich (sic!) weiter, ich auch... War der jetzt habituiert? Wohl kaum. Er war einfach neugierig und aufgeschlossen und spürte wohl auch, daß ich ihm definitiv nichts wollte... Wenn's manchen Leuten nach geht, hätte ich mit einem Knüppel nach dem Kerlchen werfen müssen, weil er ja potentiell gefährlich sein könnte (Tollwut). Bei einer anderen Fuchsfamilie saß ich in vielleicht 20 m Entfernung gemütlich im Gras und schaute der Pelzbande über eine halbe Stunde beim Spielen zu, bis sie sich in meiner Gegenwart (ich saß ungedeckt da!) zum Schlafen niederlegte und mir langweilig wurde, weil schlafende Füchse nicht wirklich spannend sind. Die schauten nicht mal hoch, als ich aufstand... Habituierung? Auch hier imho ein klares nein. Nicht jede Annäherung hat gleich mit Habituierung zu tun. Dieses "könnte" entsteht oft genug nur aus irrationaler Angst in den Köpfen und Angst war schon immer ein sehr schlechter Ratgeber...
Habituierung entsteht nach meiner Definition z.B. dann, wenn falsch verstandene Tierliebe dazu verleitet, einen Wolf (oder ein anderes Tier) mit Leckerlis heranzulocken. Wohin das führen kann, haben wir bei dem Zwischenfall mit den beiden Kojoten gesehen, die eine junge Frau töteten (war's in den Appalachen?), während sie offensichtlich aggressiv Futter forderten...
Wenn ich den Bogen wieder auf Deutschland spanne, bedeutet Vermeidung von Habituierung, Futterquellen zu entziehen, also Nutztiere nachts einzustallen, zu behirten oder anderweitig zu schützen und in Dorfnähe gehören z.B. keine für Wölfe attraktiven Speisereste auf den Kompost. Das mag vorerst nicht bequem sein, sollte aber im Laufe der Jahre eigentlich zur Routine werden. Abschuß kann keine Lösung sein, denn er führt letztlich nur zu Problemen genauso wie bei den Füchsen: Das Zerschießen der Sozialstruktur mündet letztlich immer in Chaos mit all seinen Folgen (angefangen bei verstärkter Migration, endend beim Verlust eine Wurfes, weil die Ernährer tot sind). Weder ein toter Fuchs noch ein toter Wolf können etwas lernen und das Gelernte tradieren. Wer sich mit dem Wolf einrichten will, muß ihn erst mal begreifen und im Idealfall wie einer denken. Darauf kann man folgerichtig aufbauen, nicht auf wildem Aktionismus.

Nachtrag: Danke für den Hinweis auf Spanien. Ich habe die entsprechenden Passagen gelesen und ehrlich gesagt, kommen die mir etwas spanisch vor.
The first attack occured on 25th June 1957 in the village of Vilare... A wolf attacked two 5-year-old boys that were walking along the road...

Auf einer Dorfstraße im Ort? Am hellichten Tag? Ein Wolf? Für mich zumindest zweifelhaft. Dazu die Bißmarken an Kopf, Brust und Beinen? Das kann genausogut, wenn nicht sogar wahrscheinlicher, ein wolfsähnlicher Streuner gewesen sein... Wie auch immer, nach 55 Jahren läßt sich das kaum noch klären...

Beuteangriffe waren das m.E. nicht, denn offensichtlich wurde nach den Berichten niemand angefressen. Wenn ich mir die Umstände betrachte, war das eher Provokation (laktiernde Wölfinnen? Bedrohung der Welpen? Da könnte eine Wölfin schon mal über ihren Schatten springen...) im Spiel und in einem Fall wohl auch eine massive parasitäre ErKrankung. Daß Wölfe sich wehren, wenn Hirtenhunde samt Hirten versuchen Welpen samt Mutter zu töten, fällt ja wohl unter Notwehr´und ist ihr gutes Recht... Mit den Zeugenaussagen ist das jedenfalls immer so eine Sache. DNA-Verifizierung gab es damals eben noch nicht. Nicht alles, was die Leute für Wölfe halten, ist auch einer, auch nicht in Spanien... Erlaube mir also, derartige Berichte zumindest cum grano salis zu sehen... ^^

Gruß
Wolf


PS.: Wie schon gesagt gibt's hier ziemlich viele Füchse. Was macht der Hobby-Hühner- und Entenhalter hier? Richtig: Er hat die Viecher eingezäunt (2 m Zaun), weil der Fuchs sich auf Mäuse beschränken soll. Über's Gehege gespannte Drähte verhindern auch gleich, das sich irgendwelche Greife bedienen... ;)


edit: Tipfehler beseitigt

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 9. Jan 2012, 16:27
von timber-der-wolf
Hallo Grauer Wolf,
Deine Bemühungen sind m.E. bei der Denke von Leuten des Jägerschlages "LarsD" alles "vergebene Liebsmühen". Einerseits werden grundsätzlich alle Presse- und sonstigen Berichte grundsätzlich angezweifelt, sofern sie nicht pro Jägermeinung sind, andererseits werden Berichte und fragwürdige Zeugenaussagen aus "grauen" Vorzeiten, die nicht mehr nachweis- und in den aller seltensten Fällen überhaupt belegbar sind, für bare Münze genommen ... eben gerade so wie es in die Jägermeinung passt ... ist übrigens sehr auffällig ... in bestimmten Jägerkreisen sehr verbreitet ... ;)

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 9. Jan 2012, 16:59
von LarsD
Grauer Wolf hat geschrieben: PS.: Wie schon gesagt gibt's hier ziemlich viele Füchse. Was macht der Hobby-Hühner- und Entenhalter hier? Richtig: Er hat die Viecher eingezäunt (2 m Zaun), weil der Fuchs sich auf Mäuse beschränken soll. Über's Gehege gespannte Drähte verhindern auch gleich, das sich irgendwelche Greife bedienen... ;)
Lass uns doch einfach beim Wolf bleiben ... ;-) Denn es macht Unterschiede, ob ich ein paar Hühner vor dem bejagbaren Fuchs, oder Schafe, Ziegen, Hunde, Rinder und Pferde vor dem derzeit nicht gebjagbaren Wolf schützen muss. Bislang klappt es halbwegs bei Schafen und Ziegen. Bei Hunden, Rindern und Pferden verschließt ein Teil der Leute die Augen, während gestandene Fachleute abwinken und in der Frage gleich resignieren. Uns fehlen nicht nur im Hinblick auf das Thema Habituierung, sondern auch bezüglich des Schutzes von Hund, Rind und Pferd schlüssige Konzepte, die auf Agieren ausgelegt sind. Wir lassen es laufen und hoffen. Konkrete, umsetzbare Ideen, um vorhersehbare Probleme zu minimieren?

Obwohl die Wölfe gerade erst anfangen, sich nicht nur das Land Brandenburg zu erschließen, wird hier schon bei den Entschädigungen gekürzt und ein Rechtsanspruch auf Entschädigung gleich rundweg abgelehnt. Im Vergleich zu anderen Regionen ist absehbar, dass uns die eigentlichen Konflikte erst noch ins Haus stehen. Und obwohl wir viele Hausaufgaben noch nicht erledigt haben, sollen es möglichst schnell möglichst viele Wölfe sein, die hier in der Landschaft leben? Wenn das schief geht, bezahlen viele Wölfe die gegenwärtige Blauäugigkeit mit dem Leben. Das kann nicht Sinn der Sache sein.

Viele Grüße

Lars

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 9. Jan 2012, 17:19
von CleanerWolf
@LarsD:
Nur damit ich das jetzt richtig verstehe - für ein konfliktfreies Miteinander müssen wir Wölfe bejagen? Oder wollen wir nicht viel eher Konflikte verhindern, um auf eine Bejagung verzichten zu können? Bedeutet "Konfliktvermeidung" nicht, dass BEIDE Seiten auf Gewaltanwendung verzichten?
Wie rechtfertigen Sie die präventive Bejagung von Wölfen zwecks Konfliktvermeidung gegenüber dem jetzigen Status, nämlich Einzelabschüsse bei verhaltensauffälligen Tieren?

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 9. Jan 2012, 17:59
von LarsD
CleanerWolf hat geschrieben:@LarsD:
Nur damit ich das jetzt richtig verstehe - für ein konfliktfreies Miteinander müssen wir Wölfe bejagen? Oder wollen wir nicht viel eher Konflikte verhindern, um auf eine Bejagung verzichten zu können? Bedeutet "Konfliktvermeidung" nicht, dass BEIDE Seiten auf Gewaltanwendung verzichten?
Wie rechtfertigen Sie die präventive Bejagung von Wölfen zwecks Konfliktvermeidung gegenüber dem jetzigen Status, nämlich Einzelabschüsse bei verhaltensauffälligen Tieren?
viewtopic.php?f=12&t=154&start=250#p5909

"Was die Bejagung von Wölfen selbst angeht, halte ich es mit dem, was tatsächliche Fachleute zu dem Thema zu Papier gebracht haben. Hier die Sichtweise der LCIE http://www.lcie.org/Docs/LCIE%20IUCN/CO ... 202002.pdf und deren Umsetzung im bisherigen Wolfs-Managementplan für Brandenburg: http://www.brandenburg.de/cms/media.php/2338/wmp_3.pdf "

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 9. Jan 2012, 18:31
von Grauer Wolf
LarsD hat geschrieben:Uns fehlen nicht nur im Hinblick auf das Thema Habituierung, sondern auch bezüglich des Schutzes von Hund, Rind und Pferd schlüssige Konzepte, die auf Agieren ausgelegt sind. Wir lassen es laufen und hoffen. Konkrete, umsetzbare Ideen, um vorhersehbare Probleme zu minimieren?
Bei Rindviechern ist "balin" viel kompetenter als ich und von Pferden weiß ich, daß sie vorne beißen, hinten treten und in der Mitte unbequem sind... :p

Aber was Hunde angeht, habe ich durchaus ein durchführbares, erprobtes Konzept, das ich Hundefreunden dringend ans Herz lege. Es beruht letztlich darauf, daß ein Hund eine feste, intensive Bindung an seinen Menschen entwickelt/hat, seinen Familienverband im Auge behält und nicht einfach auskneift, um Abenteuer zu suchen.
Ihr wißt, wie sehr ich meine Hunde liebe. Ich gönne ihnen soviel Freilauf und Spaß wie irgend möglich und habe selber meine Freude daran. Aber "hier" heißt "hier" (genauer genommen ist es ein kurzer Pfiff -> "herschauen!", falls sie gerade nicht in meine Richtung sehen, gefolgt von einem Sichtzeichen: Kein Gebrüll, daß die Eichkatzerln vor Schreck von der Eiche fallen, einfach nur etwas Körpersprache und ein Fingerzeig) und nicht "vielleicht später" oder "wenn's Bello gerade paßt", und in Wolfsland müßten sie bei Wanderungen abseits der Hauptwege eben an die 3 m-Langleine. Das läßt reichlich Raum zum schnobern, verhindert aber zuverlässig, abzugehen. Wenn ich querbeet laufe, mache ich das übrigens sogar hier im Rheinland, obwohl meine Hündin, die mich ständig begleitet, daran gewöhnt ist, zuverläßig abzuliegen, wenn ich arbeite; Das muß ich nicht nicht mal anordnen. Ich kann so die Umgebung beobachten, photographieren und muß nicht ständig ein Auge für meinen Hund haben (100%ige Zuverläßigkeit gibt es nicht!): Auch hier lauern nämlich Gefahren, denn eine verärgerte Wildsau ist ein gefährlicher Gegner für einen Hund, vielleicht gefährlicher als ein Wolf, denn Wolf und Hund haben eine gemeinsame Körpersprache, die Hunde, die im Rudel (!) sorgfältig sozialisiert wurden, auch verstehen! Wolf sagt körpersprachlich "grrr, mein Revier", Hund sagt "'tschuldigung, bin schon weg", schleicht sich und macht nicht auf "dicken Wilhelm". Denn dann zieht er garantiert den kürzeren. Und selbst wenn nicht, solche "Jagdszenen" müssen nicht sein, weil sie auch den Wolf in Verletzungsgefahr brächten, der vielleicht eine Familie zu versorgen hat.
Auf dem Weg müßten sie bei Freilauf eben dichter in meiner Nähe bleiben als hier üblich. Auch das läßt sich zuverläßig lehren. Aber das erfordert Aufmerksamkeit, immer (im Grunde ein unabläßiges "Learning by doing"), ist halt Mühe und viele, wenn nicht die meisten Hundebesitzer machen sich die nicht, sonst würde ich nicht jeden Tag jede Menge Hunde sehen, die Herrchen oder Frauchen schlicht den Stinkefinger zeigen, auf Tour gehen und 2...3 Stunden später gemütlich antapern (alles schon erlebt). Besonders auf dem Land wird das nach meinen Beobachtungen oft sehr wurschtig gehandhabt.
Also, in Wolfsland abends auf'm Dorf einfach mal raus vor die Tür in'n Acker zum *** schicken, keine Aufsicht, kein nix...? So geht das einfach nicht, letztlich auch nicht, wenn der Hund (ohne Wolf in der Nähe) in wildreichen Gegenden zuhause ist und Jagdtrieb zeigt. Da müssen die Menschen mit. Ist eh gesund vor dem Schlafengehen... ;)
Einen oder gar mehrere Hunde führen ist nun mal zu einem gewissen Maß Arbeit, Zeitaufwand (jeden Tag ein paar Stunden!) verbunden, das bedeutet Verantwortung für ein Familienmitglied, da geht kein Weg dran vorbei, was leider sehr viele vergessen, wenn sie sich "Bello" ins Haus holen und auf Wunder hoffen...

Gruß
Wolf


edit: verflixte Tipfehler... :x

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 9. Jan 2012, 20:48
von CleanerWolf
LarsD hat geschrieben: "Was die Bejagung von Wölfen selbst angeht, halte ich es mit dem, was tatsächliche Fachleute zu dem Thema zu Papier gebracht haben. Hier die Sichtweise der LCIE http://www.lcie.org/Docs/LCIE%20IUCN/CO ... 202002.pdf
Ist halt das übliche Zugeständnis an die Jägerlobby. Aber auch Experten sind nicht immer einer Meinung und auch Experten ändern ihre Meinung manchmal. Dieses Positionspapier ist mittlerweile fast 10 Jahre alt und auf der LCIE-Webseite offenbar nirgendwo verlinkt. Oder bin ich nur zu blöd zum suchen? Merkwürdig ist auch, dass die Autoren nicht genannt werden.
Auf jeden Fall machen mir die Punkte 2 und 6 unter "Hunting and Conservation" echte Bauchschmerzen, falls sie noch aktuell sein sollten. Diese Use-it-or-loose-it-Mentalität ist nicht mehr zeitgemäß und es sollte auch zu unserer Aufgabe gehören, sie aus den Köpfen der Leute herauszubekommen.
Tatsache ist jedenfalls, dass bei der Anhörung im sächsischen Landtag alle Experten (natürlich mit Ausnahme des LJV Sachsen) gegen eine Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht plädiert haben und da waren auch einige LCIE-Mitglieder dabei.
und deren Umsetzung im bisherigen Wolfs-Managementplan für Brandenburg: http://www.brandenburg.de/cms/media.php/2338/wmp_3.pdf "
Selbst unter dem Punkt "Populationsregulierung" kann ich das LCIE-Positionspapier nur mit viel Fantasie wiedererkennen, zumal die vom LCIE eng gesteckten Rahmenbedingungen für eine Bejagung ohnehin nicht auf absehbare Zeit aktuell werden dürften.

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 9. Jan 2012, 23:32
von LarsD
CleanerWolf hat geschrieben: Dieses Positionspapier ist mittlerweile fast 10 Jahre alt und auf der LCIE-Webseite offenbar nirgendwo verlinkt. Oder bin ich nur zu blöd zum suchen?
Mit blöd hat das sicher nichts zu tun. Auf der Startseite oben links auf "Policy support" klicken und dann ist es auf der sich öffnenden Seite gleich der erste Titel. Zudem ist das Papier im Anhang der "Guidelines for Population Level Management Plans for Large Carnivores" der LCIE aufgeführt. Auf der Startseite "Population Guidelines" anklicken, dann auf der Folgeseite den zweiten Titel. Ich kann nur empfehlen, die gesamte Arbeit im Stück zu lesen.
Auf jeden Fall machen mir die Punkte 2 und 6 unter "Hunting and Conservation" echte Bauchschmerzen, falls sie noch aktuell sein sollten. Diese Use-it-or-loose-it-Mentalität ist nicht mehr zeitgemäß und es sollte auch zu unserer Aufgabe gehören, sie aus den Köpfen der Leute herauszubekommen.


Diese "Use-it-or-loose-it-Mentalität" ist eigentlich eine Strategie, die wiederum ist eine Weiterentwicklung des tatsächlich nicht mehr zeitgemäßen "Käseglocken-Naturschutzes".
Selbst unter dem Punkt "Populationsregulierung" kann ich das LCIE-Positionspapier nur mit viel Fantasie wiedererkennen, zumal die vom LCIE eng gesteckten Rahmenbedingungen für eine Bejagung ohnehin nicht auf absehbare Zeit aktuell werden dürften.
Sie machen doch eigentlich einen informierten und durchaus kompetenten Eindruck. Haben Sie sich je die Mühe gemacht, einfach nur die Artikel 12 bis 16 der FFH-Richtlinie zu lesen? ( http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/sit ... 101-de.pdf ) Sollten Sie da Verständnisprobleme haben, helfe ich im Rahmen meiner Möglichkeiten gern weiter. Unsere Wölfe sind in Anhang IV dieser Richtlinie gelistet. Bevor sie dort nicht gestrichen und in den Anhang V aufgenommen wurden, wird es in Deutschland schlicht und ergreifend keine Bejagung von Wölfen geben. Wenn Sie sich dann auch nur oberflächlich mit dem Verfahren beschäftigen, das für diese Änderungen notwendig ist, erahnen Sie wahrscheinlich, was ich von verkrampftem Gezeter gegen die ach so böse "Jägerlobby" und der Hysterie wegen der angedachten Aufnahme des Wolfes ins Sächsische Jagdrecht halte. ;-)

Viele Grüße

Lars

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 10. Jan 2012, 11:25
von CleanerWolf
LarsD hat geschrieben: Mit blöd hat das sicher nichts zu tun. Auf der Startseite oben links auf "Policy support" klicken und dann ist es auf der sich öffnenden Seite gleich der erste Titel. Zudem ist das Papier im Anhang der "Guidelines for Population Level Management Plans for Large Carnivores" der LCIE aufgeführt. Auf der Startseite "Population Guidelines" anklicken, dann auf der Folgeseite den zweiten Titel. Ich kann nur empfehlen, die gesamte Arbeit im Stück zu lesen.
Danke für den Hinweis, ich hatte nur unter "Publications" geguckt.
Diese "Use-it-or-loose-it-Mentalität" ist eigentlich eine Strategie, die wiederum ist eine Weiterentwicklung des tatsächlich nicht mehr zeitgemäßen "Käseglocken-Naturschutzes".
Das ist Ihre Meinung, die in Ihren Kreisen vermutlich auch geteilt wird und der sich die LCIE derzeit notgedrungen beugen muss, aber meinen Beobachtungen nach setzt sich vor allem unter der jüngeren Generation die Erkenntnis durch, dass Natur um ihrer selbst willen geschützt werden sollte. Innerhalb des Vereins ist mir jedenfalls Niemand bekannt, der sich von seiner/ihrer Wolfsschutzarbeit letztendlich irgendeinen wirtschaftlichen Profit erhofft.
Wenn der "pragmatische" Ansatz des Wolfsmanagments davon ausgeht, dass Wölfe erst dann von Jägern akzeptiert werden, wenn sie bejagt werden dürfen, ist das leider ne verdammt blöde Zwickmühle. In diesem Fall scheisse ich auf die Akzeptanz durch die Jäger.
Sie machen doch eigentlich einen informierten und durchaus kompetenten Eindruck. Haben Sie sich je die Mühe gemacht, einfach nur die Artikel 12 bis 16 der FFH-Richtlinie zu lesen? ( http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/sit ... 101-de.pdf ) Sollten Sie da Verständnisprobleme haben, helfe ich im Rahmen meiner Möglichkeiten gern weiter. Unsere Wölfe sind in Anhang IV dieser Richtlinie gelistet. Bevor sie dort nicht gestrichen und in den Anhang V aufgenommen wurden, wird es in Deutschland schlicht und ergreifend keine Bejagung von Wölfen geben. Wenn Sie sich dann auch nur oberflächlich mit dem Verfahren beschäftigen, das für diese Änderungen notwendig ist, erahnen Sie wahrscheinlich, was ich von verkrampftem Gezeter gegen die ach so böse "Jägerlobby" und der Hysterie wegen der angedachten Aufnahme des Wolfes ins Sächsische Jagdrecht halte. ;-)
Danke für die Belehrung, aber soweit ist mir die Theorie bekannt. Bis vor kurzem war es auch noch Theorie, dass einzelne Bundesländer nicht die rechtliche Grundlage hätten, abweichend vom Bund streng geschützte Tierarten wie den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen... dann kam die Föderalismusreform.

Ich hätte da eine Frage, die sich mir schon lange aufdrängt: Wenn also durch die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht auch auf längere Sicht nur Pflichten aber kaum Privilegien auf die sächsischen Jäger zukommen, warum setzt man sich dann so derart vehement dafür ein und versucht es allem "verkrampftem Gezeter" zum Trotz mit aller Macht durchzuprügeln?
Widerspricht das nicht völlig der modernen Use-it-or-loose-it-Strategie? Möchte man lediglich entgegen dem hysterischen Widerstand sämtlicher Natur- und Artenschutzverbände aufopferungsvoll den Wolf hegen und pflegen, oder erhofft man sich möglicherweise doch eine zeitnahe Lockerung des Käseglocken-Wolfsschutzes?

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 10. Jan 2012, 14:02
von balin
Wenn die Jagd auf die Wölfe als Instrument angesehen werden will, dann braucht man sich wirklich nur die Vorgänge in den USA anzusehen. Von barbarisch über verhalten bis vorsichtig wird man von Idaho über Montana bis Minnesota jede Stufe beobachten können. Minnesota kommt erst dieses Jahr, aber dort wird die Hirschsaison von der der Wölfe getrennt.
Man wird da auch feststellen können, welche Ziele wirklich erreicht werden. Wyoming kommt ja dann auch noch dazu, wo die Nationalparkregionen wegen der exzessiv erlaubten Wolfsjagd um ihren Ruf und ihre Touristen bangen.
Oregon , Washington und seit neuestem Kalifornien sind stolz auf ihre ersten Wölfe. Es kann leicht sein, daß es Entwicklungen geben wird, die eine öffentliche Jagd auf diese Tiere wieder ausschließen werden. Das unselektive Rumgeballere richtet nämlich unter Umständen mehr Schaden an als es nützt. Alleine die aus dem Verkehr gezogenen Halsbänder verursachen unmittelbar und mittelbar dermaßen Schäden, daß alleine dadurch schon der Nutzen einer von normalen Jägern betriebenen Wolfsjagd leicht wieder aufgehoben werden kann. Wir werden hoffentlich noch genauer die Folgen der diesjährigen Wolfsjagden studieren können. Für Montana wird das wohl noch einigermaßen funktionieren, IDFG ist aber wohl weder fachlich noch ideologisch in der Lage, neutrale Daten zu liefern.
Also, wer von Wolfsjagd redet, möge sich bitte von den dortigen Gegebenheiten ein Bild machen. Auch ohne Wolfsjagd stagniert der Wolfsbestand seit drei Jahren. Es ist ein Zustand erreicht, der auch ohne Jagd relativ stabil ist.