Wolfsschutz Deutschland hat aktuell zu dem Geschehen informiert und auch Fotos sowie einen Film des betreffenden Geländes, auf dem die Pferde gerissen worden sein sollen, veröffentlicht.¹ Zudem wurde auch das komplette Urteil des Oberverwaltungsgerichts² verlinkt:
Im Urteil 4 ME 199/20 vom 24.11.2020 nennt das OVG einen Schaden an den drei Pferden in Höhe von "einer Werteinbuße von 17.200 EUR" (Rd.-Nr. 26) und stellt fest:
"Eigentumsverletzungen in dieser Größenordnung können ersichtlich nicht mehr als geringfügig angesehen werden und überschreiten damit die Schwelle zu einem ernsten Schaden."
Der Rodewalder Rüde konnte selbst zwar genetisch an dem Riss nicht nachgewiesen werden, jedoch sei das Rissbild (Kehlbiss plus Verletzungen im Analbereich) bisher nicht anderweitig in Niedersachsen belegt, so dass hier eine spezielle Jagdtechnik unterstellt wird, die dem Rüden
"mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" zugeschrieben werden könne.
Wie sich aus Rd.-Nr. 21 ergibt, wurde die vom Niedersächsischen Umweltministerium pauschal unterstellte Befähigung zum Selbstschutz bei Pferden vom Antragsteller mit dem Argument in Frage gestellt, dass zum Beutesprektrum nordamerikanischer Wölfe Großtiere wie Bisons und Moschusochsen zählen würden. Das Oberverwaltungsgericht sieht hierfür das Fehlen von
"näheren Bezifferungen, Erläuterungen und Belegen, die für das vom Antragsteller suggerierte Ergebnis sprechen, dass nicht wolfssicher eingezäunte große Huftiere keine ausreichende Wehrhaftigkeit besitzen und daher für den Wolf zur leichten Beute werden".
Persönliche Anmerkung: Ob ich dem 4. Senat des OVGs mal die Leihgabe meines reich bebilderten Exemplars von Mech's "Wolves on the hunt" anbieten sollte? Das ist voller Bezifferungen, Erläuterungen und Belege von Wölfen, die Bisons und Moschusochsen angreifen...
Das Gericht sieht zudem keine zumutbare Alternative zur Ausnahmegenehmigung und damit der Tötung des Wolfes/der Wölfe. Laut Umweltministerium sei die flächendeckende Einzäunung von Rindern und Pferden mit wolfsabweisenden Zäunen nicht zumutbar, da sie nur mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden sei, wogegen der Antragsteller argumentiert habe, dass sich der Kostenaufwand im zumutbaren Bereich bewege
(ich tippe mal auf das Argument der vergleichsweise kosten- und aufwandsarmen Nachrüstung bestehender Zäune).
Diesem Argument wollte das Gericht jedoch nicht mehr folgen, da die schwerwiegendere Begründung in den örtlichen Verhältnissen der Region liege:
"In erster Linie hat er darauf abgestellt, dass wegen der teils sehr großen, aber oft durch Gräben kleinparzellierten Weideflächen von Rindern und Pferden in der betroffenen Region der Aufwand einer regelmäßigen Überprüfung der stromführenden Einzäunungen auf eventuelle Schwachstellen unverhältnismäßig groß sei." (Rd-Nr. 32).
What? Ein hütesicherer (nicht mal wolfsabweisender!) Elektrozaun ist nur ein hütesicherer Elektrozaun, wenn Strom drauf ist. Wenn kein Strom drauf ist, hat er die Hütesicherheit eines Bindfadens.
Eine regelmäßige (tägliche) Prüfung des Zustands der Pferde ist in den Leitlinien des Bundeslandwirtschaftsministeriums explizit gefordert:
Das Wohlbefinden der Pferde muss mindestens einmal täglich überprüft werden; das schließt die Gesundheit und – soweit erforderlich (s. u.) – das Haltungsumfeld ein. [...]
Defekte oder unzureichende Einzäunungen, freiliegende Spiralen bei Torgriffen und Torfedern sowie die Verwendung von Stacheldraht und anderen Metalldrähten, ausgenommen gut sichtbare Elektrodrähte, sind tierschutzrelevant.
Bundesministeriumfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten, 09.06.2009, Seite 7 und 10 https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tie ... ltung.html
Der Argumentation des Gerichts, dass " der Aufwand einer regelmäßigen Überprüfung der stromführenden Einzäunungen auf eventuelle Schwachstellen unverhältnismäßig groß" sei, wäre noch der moderne Stand der Technik entgegen zu setzen: Es gibt bereits Produkte, die die Spannung ohne manuelle Tätigkeit genau kontrollieren, aufzeichnen, die Daten sammeln, auswerten und damit die Lückenlosigkeit der Hütesicherheit nachweisen können, ohne dass der Halter sich darum kümmern muss.
"So wird automatisch ein Weidetagebuch geführt und ein Nachweis der Hütesicherheit des Zauns erstellt. Der Tierhalter erhält so automatische eine Dokumentation über seinen Zaunzustand."
https://zaunmonitor.de/
Damit fiele auch auf, zu welcher Zeit jemand den Strom mutwillig abstellen würde. Und wenn schon 3 Jährlinge aus der Herde einen Wert von 17.200 € haben, wäre so ein Spannungsmessgerät mit einmaligen Anschaffungskosten im niedrigen dreistelligen Bereich und jährlichen Folgekosten im niedrigen zweistelligen Bereich sicherlich zumutbar, wenn nicht gar förderfähig.
Als langjähriger Pferdehalter hätte ich mir schon gewünscht, dass Richter einschließlich Gutachter ihr Urteil nach einer Ortsbegehung fällen. Die auf den Bildern von Wolfsschutz Deutschland sichtbare Einzäunung in Form von 2 Reihen Stacheldraht und eines darüber verlaufenden, kaum sichtbaren und nicht stromführenden dünnen Kunsstoffseils, plus eines "inneren" Zauns in Form eines einzelnen (!) schlecht sichtbaren, vermutlich stromführenden dünnen Kunsstoffseils (mit Leitern unbekannter Art) in 80cm Höhe für Großpferde (!), befestigt an mobilen Metallstäben, stehen aus meiner Sicht nicht im Einklang mit den Leitlinien des Bundesumweltminsteriums. Der äußere Stacheldraht ist an dünnen Holzpfeilern befestigt, die z. T. schräg stehen und damit von zweifelhafter Standfestigkeit auszugehen ist. Aus eigener Erfahrung weiß man, dass das Holz immer zuerst im Boden verrottet, womit der ganze Pfahl instabil wird und irgendwann von jetzt auf gleich kippt. An einer Stelle sieht es aus, als würde der Pfahl nur noch durch den Zaun vor dem Umfallen gehalten werden. Soll so der ausreichende "Standard" aussehen?
Übrigens heißt es auch im Merkblatt der Landwirtschaftskammer Niedersachsen" zum Herdenschutz:
Geflechtzäune jeglicher Art sowie Stahl- und Stacheldrahtzäune sind für Pferde tierschutzrelevant und dürfen für deren Einzäunung keinerlei Verwendung finden. Mobile Zaunsysteme bieten für Pferde keine ausreichende Hütesicherheit [...]."
Landwirtschaftskammer Niedersachsen: Merkblatt für die Errichtung eines Herdenschutzzauns für Pferde gemäß der Richtlinie Wolf, Stand Dezember 2020, Punkt 5 https://pferde-land-niedersachsen.com/i ... ktuell.pdf
¹
Wolfsschutz Deutschland, 08.12.2020: Schießbefehl Rodewaldrudel: Niedersachsens Weg in die Lobbykratie https://wolfsschutz-deutschland.de/
²
Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz: Naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Tötung eines Wolfs,
OVG Lüneburg 4. Senat, Beschluss vom 24.11.2020, 4 ME 199/20 http://www.rechtsprechung.niedersachsen ... l&max=true