wildhund hat geschrieben:Diese Ansicht ist ehrenwert, aber eigentlich beschreibst Du hier genau das, was ein Wissenschaftler gerade NICHT tun bzw. sein sollte. Warum muss man Regen und Kälte spüren, um Wölfe zu erforschen? Das ist pure Forschungsromantik, aber doch nicht Dein voller Ernst?
Langsam, langsam, das war wohl ein klassisches Mißverständnis!
Regen und Kälte sind nicht etwa ein "romantisches" Muß! Damit war nicht anderes gesagt, daß Feldforschungarbeit keine Rücksicht aufs Wetter nehmen kann, und daß man dabei bis an die Grenzen des körperlich und seelisch verkraftbaren gehen muß.
wildhund hat geschrieben:Warum sollen wir Teil eines Rudels werden, wenn es darum geht, populationsbiologische und ökologische Erkentnisse über unserer heimischen Wölfe zu erhalten?
Das ist z.B. ein Ansatz, den Ian Mc Allister verfolgt, der bei seinen Beobachtungen neben, manchmal im Rudel selbst sitzt. Nur auf diese Weise, wenn einem die Tier vertrauen, sich aber keineswegs in ihren Tagesgeschäften stören lassen, lassen sich m.E. Einsichten gewinnen, die einem aus der Distanz immer verborgen bleiben. Ich bin mit dieser Ansicht also in durchaus guter Gesellschaft. In wie weit dieser Ansatz bei hiesigen Verhältnissen verfolgbar ist und Sinn macht, wäre zu prüfen. Das Problem ist, daß man sich hierzulande wohl kaum über Wochen in ein Rudel integrieren kann, ohne daß Neugierige das irgendwie mitkriegen, stören und dabei alles kaputtmachen. Wahrscheinlich ist unsere Landschaft dafür zu dicht besiedelt.
wildhund hat geschrieben:...aber gleiten nicht in wildromanische Betrachtungsweisen ab...
Wildromantische Ansichten wirst Du bei mir nicht finden, dazu weiß ich zu viel über das Leben draußen. Ein Wolfs-T-Shirt habe ich zwar, aber einfach, weil's mir gefällt

. Du glaubst gar nicht, wie nüchtern und pragmatisch ich draußen in der Wildnis bin (ich rede jetzt vom Hohen Norden, den ich kennen und lieben lernte, net vom Wald um die Ecke), denn traumtanzende Romantiker haben gute Chancen, im "JWD" (= rheinisch: janz weit draußen) ein Fall für die Bergrettung o.ä. zu werden. Ich bin alleine durch Gegenden gewandert, die "Otto Normalo" binnen 3 Tagen umgebracht hätten. Was mich aber nicht hinderte, solche Wanderungen zu genießen... Aber darum geht's hier ja nicht, sondern um Wölfe...
wildhund hat geschrieben:Meine Studenten, die bei mir Wildtiere erforschen wollen, kommen stets mit der gleichen Idee: "Wir wollen aber neben der Laborarbeit unbedingt auch Feldforschung machen. Das ist nachvollziehbar und spricht für sie. Es ist aber der völlig falsche Ansatzpunkt. Wissenschaft funktioniert so, dass man sich eine Problemstellung, eine unbeantwortete Frage heraussucht, die hier lauten könnte: "Woher kommen die deutschen Wölfe eigentlich und wie breiten sie sich in bislang unbesiedelte Gebiete aus?" Mei, was will ich denn da in der Kälte hocken und Notizen in mein Feldbuch krickeln? In der Verhaltensforschung sieht das anders aus, da muss ich raus zu den Tieren, genau.
So weit, so richtig. Die Vorgehensweise ist eine Frage der Themenstellung, das bestreite ich auch nicht.
wildhund hat geschrieben:Aber Teil eines Rudels zu werden und die Distanz aufzugeben ist nicht unbedingt immer die beste Wahl, aber das steht hier nicht zur Debatte.
Du schreibst "er ist kein Forschungsobjekt" und damit disqualifizierst Du Dich leider als Forscher. Genau das ist er für jeden Forscher, ein Forschungsobjekt.
Hier bin ich auf gar keinen Fall Deiner Meinung. Mir ist durchaus bekannt, daß im rein klassischen Ansatz intellektuelle Distanz gefordert und (in diesem Fall) der Wolf als "Objekt" betrachtet wird, Anthropomorphismus als Todsünde gilt. Ich befürworte aber den moderneren Ansatz, die Grenze zwischen den Arten
maßvoll zu überschreiten. In der Verhaltensforschung (und diese interessiert mich primär, die ökologische Wechselwirkung in der Kulturlandschaft erst in zweiter Linie) kann ich m.E. ein Tier nur dann verstehen resp. versuchen, es zu verstehen, wenn ich mich in
seine Welt begebe und ansatzweise lerne, auf diese Weise meine Umwelt zu sehen und zu denken. Mein Wahlspruch (auch im Umgang mit meinen Hunden) lautet: Man muß einen Teil seines Menschseins aufgeben und diesen Teil durch Elemente von Canis lupus (mit oder ohne "f.") ersetzen. Nur so lassen sich Einsichten gewinnen, die dem reinen, distanzierten Betrachter von außen entgehen. Das ist ein Ansatz, über den man sehr konträr debattieren kann, zugegeben. Aber es geht nun einmal nicht nur darum, sich ein oberflächliches Bild von einem Tier zu machen, sondern
von ihm zu lernen. Und genauso, wie ich im Laufe vieler Jahre sehr viel
von meinen Hunden lernte, so viel kann man auch
vom Wolf,
vom Fuchs oder einer anderen Tierart lernen, der man sich gewidmet hat. Erst langsam lernt die Wissenschaft, daß emotionelle Involvierung eben keine Todsünde ist, sondern einfach ein neuer, ergänzender Weg, der allerdings nicht jedem offensteht. Wer zu sehr rein intellektuell denkt und agiert und sich emotionellen Erkenntnissen nicht öffnen kann, dem wird dieser Weg verschlossen bleiben. Erkenntnisse über das Seelen- und Gefühlsleben von Tieren lassen sich aber nur so gewinnen, denn Gefühle lassen sich nicht in Zahlen fassen. Das mehrfach beobachtete "Broken Heart Syndrom" ist mit klassischer Herangehensweise z.B. nicht zu erklären und selbst Größen wie Konrad Lorenz wären daran gescheitert resp. haben es gar nicht erst versucht.
wildhund hat geschrieben:Charles Darwin, unbestritten einer der größten Naturforscher, hat unzählige Vögel und andere Lebenwesen geschossen und konserviert...
Darwins Erkenntnissuche mit der Flinte wäre heutzutage unmöglich, denn sie stammt aus einer Zeit, als man Tiere als reine instinktgesteuerte Automaten betrachtete, die keine Gefühle, keine Seele haben und keinen Schmerz fühlen können, und die man sie nach Belieben sammeln könnte.
wildhund hat geschrieben:Was treibt ihn denn sonst an, etwas das viele Geld?
*lach* Na das wohl kaum...
wildhund hat geschrieben:Das tun viele Jäger und Naturromantiker, mit all ihren kuriosen Fehleistungen bei der Interpretation von Naturphänomenen. Das wäre ja gar nicht schlimm, wenn es nicht um den Erhalt der Naturvielfalt ginge und man dafür nicht gesicherte Erkentnisse über dieses Phänomen und seine Ursachen bräuchte.
Hier liegt m.E. der Denkfehler, aber auf beiden Seiten. Eine intuititve Herangehensweise muß zwingend auch mit Sachkenntnis gepaart sein, sonst ist es, richtig bemerkt, sehr schnell reine Naturromantik nach dem Motto "Wie hab ich die Wölflein so lieb". Wer jedoch bereit ist, zusätzlich und gleichberechtigt zu akademischem Wissen (ich lese z.B. auch Dissertationen u.ä.), Intuition gepaart mit scharfer Beobachtunggabe zuzulassen, profitiert m.E. von einem Synergieeffekt, erhält also mehr als die Summe der Einzeldisziplinen.
Da ganze ist sehr vielfältig und im Grunde kaum im Forenrahmen auszudiskutieren. Das ist eher was für lange Winterabende mit etlichen Flaschen Wein...
Caronna hat geschrieben:hier wird das Wort Moral biw Ethik angeführt! nur was bedeuten beide Begriffe!
na ja, für mich ist beides nicht allgemein verbindlich!
Mir graust teilweise vor der christlichen Moral!
Du gehst wie selbstverständlich davon aus, daß ich
christliche Ethik/Werte meine. Falscher könntest Du kaum liegen!
Mit Ethik und Moral meine ich hier universelle Werte, die auf der Achtung vor dem Leben, dem Kreislauf des Lebens und dem Gleichgewicht der Dinge basieren. Das hat nichts esoterisches, es wird nur heutzutage einfach vergessen.
Gruß
Wolf
edit: Typo