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Re: Wölfe in der Lausitz

Verfasst: 6. Sep 2011, 08:37
von Ash
Die Wölfin von Romulus und Remus. Geri und Freki (ja, auch wenn die Namen nicht nett klingen ;)). Akela aus dem Dschungelbuch. Das waren jetzt die GANZ spontanen Einfälle zu positiv belegten Wölfen. Es gibt durchaus welche ;)

Re: Wölfe in der Lausitz

Verfasst: 6. Sep 2011, 09:22
von timber-der-wolf
Wolfsheuler hat geschrieben:Bedenklich ist nur, dass es 4 Übergriffe in einer Woche gab.
Und genau das ist doch der Beweis dafür, dass die Konditionierung auf leichte Beute bereits statt gefunden hat, weil unbelehrbaren Tierhalter, die ihre Schafe und Ziegen im Wolfsgebiet nach wie vor Tag und Nacht draußen lassen, an der Kette anflocken oder mangels ordentlicher Zäunung nicht schützen.
Andereseits darf man das ganze sicherlich auch nicht überbewerten. Unser Bombodromwolf hat auch Ende letzten Anfang diesen Jahres erbarmungslos zugeschlagen. Soweit ich das in Erinnerung habe, waren es wohl so an die 70 Stück Nutzvieh, vom Schaf bis zum Ren und Damwild (im Gatter). Und nun? Nun ist seit einem halben Jahr Ruhe. Die nun erfolgten Schutzmaßnahmen, insbesondere Zäunung, haben offensichtlich gewirkt.

Re: Wölfe in der Lausitz

Verfasst: 6. Sep 2011, 12:08
von Grauer Wolf
Ash hat geschrieben:Die Wölfin von Romulus und Remus. Geri und Freki (ja, auch wenn die Namen nicht nett klingen ;)). Akela aus dem Dschungelbuch. Das waren jetzt die GANZ spontanen Einfälle zu positiv belegten Wölfen. Es gibt durchaus welche ;)
Wenn Du so willst, ist auch Fenris positiv belegt, weil der nur "böse" wurde, weil er wegen seiner Stärke gefürchtet und letztlich gelinkt wurde...
Aber aus welchem Kulturkreis stammen diese Beispiele? Romulus und Remus aus der Gründungslegende des alten Roms, Geri und Freki samt Fenris gehören zum altnordischen Kulturkreis und Rudyard Kiplings Erzählungen spielen in Indien... Allenfalls letztere findet man als Jugendliteratur, meistens wohl als niedliches Komik, eher selten als originäre Erzählung...
Der Löwenanteil der Märchen und Sagen, die Kindern erzählt werden, stammen (resp. wurden zusammengetragen) dagegen aus der christlich/europäischen Kultur des 18. und 19. Jahrhunderts und da ist der Wolf alles, nur kein Sympathieträger... Ich würde das Kindern nicht antun und sie auf diese Weise geistig/seelisch verbiegen bis zur Gehirnwäsche und ihnen Angst vor der Natur und ihren Geschöpfen einimpfen... Respekt sollte man vermitteln, aber doch keine Angst...
Der richtige Ansatz wäre, z.B. auf indianische Mythen und Legenden zurückzugreifen, die den Wolf (aber z.B. auch den Bären und andere Tiere) als Mentor und Lehrer darstellen und in diese positiven, oft lehrreichen Überlieferungen objektive, kindgerechte Information mischen...
Z.B., warum wird der Wolf als Lehrer angesehen und verehrt? Weil aller Wahrscheinlichkeit nach die Menschen vom ihm durch Beobachtung den Wert der Zusammenarbeit bei der Jagd gelernt haben (Primaten jagen völlig chaotisch und unkoordiniert: "Die Affen toben durch den Wald, der eine macht den ander'n kalt..." ^^ ) etc... Als Erwachsener kann man dann die etwas kompliziertere Theorie der Co-Evolution studieren... :pleased:
Oder: Warum ist der Wolf ein Vorbild für's Leben? Z.B., weil er die Familie hochschätzt oder sich (gewöhnlich!) nie mehr aus der Natur nimmt, als er braucht...
Usw. usf. Man muß nur damit beginnen, im Kindesalter ansetzen und Kindergärtnerinnen und Großeltern, die Grimm's Märchen verbreiten, die Schwarte wegnehmen und ihnen damit so kräftig auf die Finger klopfen, daß es weh tut...
timber-der-wolf hat geschrieben:Die nun erfolgten Schutzmaßnahmen, insbesondere Zäunung, haben offensichtlich gewirkt.
Haben sie! Aber krieg das mal in alle Köpfe. Das dauert endlos... :grumpy:

Re: Wölfe in der Lausitz

Verfasst: 7. Sep 2011, 20:07
von Wolfsheuler
Was ist nur los?
Zweiter Wolfsangriff in 24 Stunden im gleichen Ort (Proschim, Südbrandenburg, Welzower Rudel?)
http://www.lr-online.de/regionen/weissw ... 26,3483499
Es war monatelang ruhig. Wie ist das zu erklären, dass jetzt jede Nacht etwas los ist?

Re: Wölfe in der Lausitz

Verfasst: 7. Sep 2011, 21:56
von Grauer Wolf
Lausitzer Rundschau hat geschrieben:Die Umzäunungen der Weideflächen der beiden betroffenen Proschimer Nutztierhalter entsprechen laut Butzeck nicht den Anforderungen in einem mit Wölfen besiedelten Gebiet: Sie sind zu niedrig und nicht tief genug in die Erde gegraben. Andrea Kapelle weiß das jetzt zwar, fühlt sich aber mit diesem Problem alleingelassen: „Man hätte uns Tierhaltern klarer sagen müssen, was auf uns zukommt und wie man sich jetzt richtig verhält.“
Wie bitte? :shocked: Einen auf unwissend machen? Die Problematik ist seit Jahren bekannt, x-fach durch die Medien gegangen und im Internet recherchierbar. Anstatt bis in die Nacht mit der Taschenlampe rumzufuhrwerken, hätte sie die Schöpsen besser eingestallt und die Tür verriegelt...
Sorry, aber der Wolf als Tierart ist ökologisch alleweil entschieden wichtiger als 5 Hobbyschafe. Also entweder fachgerecht sichern oder eben anderes Hobby suchen, wenn einem das zu aufwendig ist... Was da mit einer unglaublichen Naivität abläuft, kann man schon als "Wölfe anfüttern" bezeichnen, und wenn man argwöhnisch denkt, könnte man dahinter Absicht vermuten, um den Wolf auf breiter Basis in Mißkredit zu bringen...
Wolfsheuler hat geschrieben:Es war monatelang ruhig. Wie ist das zu erklären, dass jetzt jede Nacht etwas los ist?
Hmmm, Wölfe sind sehr kommunikativ. "Schafe im Sonderangebot" spricht sich m.E. rund. Was ich hier vielleicht etwas flapsig formuliert habe, hat einen ernsten Hintergrund. Ich bemerke oft, daß zwischen unseren Hunden Informationen hin- und herfließen, die offensichtlich nicht für uns Menschen bestimmt sind. Das geht so weit, daß einer unserer Hunde auf einen Nachbarhund feindseelig reagiert, den er vorher noch nie gesehen hat, mit dem aber Schwester oder Mutter sehr negative Erfahrungen machten. Hunde haben eine hohe Intelligenz, die quantitativ annähernd einem Kind vergleichbar ist, nur eben völlig anders gelagert. Und Wölfe sind garantiert nicht weniger intelligent (eher mehr) und wie alle im Verband jagenden Beutegreifer hervorragende Strategen und Kosten/Nutzen-Abwäger...
Wenn Bienen Lage und Entfernungen von Futterquellen präzise kommunizieren können, können das meiner (z.Z. wissenschaftlich nicht hart beweisbaren) Einschätzung nach Caniden schon lange... Die Intelligenz gerade von Beutegreifern wird m.E. immer noch total unterschätzt... Nicht sein kann, was nicht sein darf... :x

Re: Wölfe in der Lausitz

Verfasst: 7. Sep 2011, 23:08
von Isegrim
Fakt ist, dass wir uns auf den Wolf in seinem Lebensraum, was auch unserer ist, einstellen müssen! Dazu gehöhrt auch der Schutz von Eigentum! Mitlerweile gibt es sehr gute Beispiele zum aktiven Herdenschutz. Die einzigsten Lösungen sind Herdenschutzhunde oder nächtliches Einstallen! Da die Wölfe sehr clever sind ist 1 Meter Elektrozaun kein Hindernis !Einfach nur Naivesverhalten der beiden Züchter!!!

Re: Wölfe in der Lausitz

Verfasst: 8. Sep 2011, 07:02
von Hajo
@ Grauer Wolf,
dem kann ich nur zustimmen,
hat eine unsere Hündinnen Zoff mit einem anderen Hund, reagieren die anderen ziemlich gereizt auf den Fremden Hund.
Obwohl sie nicht dabei waren.
Gruß

Re: Wölfe in der Lausitz

Verfasst: 8. Sep 2011, 08:53
von Grauer Wolf
Hajo hat geschrieben:@ Grauer Wolf,
dem kann ich nur zustimmen,
hat eine unsere Hündinnen Zoff mit einem anderen Hund, reagieren die anderen ziemlich gereizt auf den Fremden Hund.
Obwohl sie nicht dabei waren.
Also bin ich nicht der einzige, der das beobachtet. Was mir immer wieder auffällt ist, daß in der Verhaltensforschung im Bereich Kognition/Intelligenz an Caniden, insbesonderte Hunden, sich Wissenschaftler mal wieder als die großen Cracks feiern "Wir haben herausgefunden, daß..." und meine Frau und ich (wir haben seit über zwanzig Jahren Hunde) uns dabei nur ansehen und mit den Schulter zucken: "Das wissen wir schon lange..."
Die Verhaltensforschung täte gut daran, die Tiere nicht nur als Forschungobjekte von 8-17 Uhr zu sehen, sondern als beseelte, intelligente Lebewesen. Wenn man mit Hunden (u.u. auch mit Wölfen) lebt (sie nicht nur besitzt), jahrein, jahraus, 24 Stunden am Tag, mit ihnen ißt, mit ihnen schläft, mit ihnen in einem gemischartlichen Familienverband lebt, dann bekommt man einiges mehr mit als mancher Ethologe mit 2 Doktorgraden plus Professortitel (und das sage ich, obwohl ich selber einen "Dr." habe...) Es ist das m.E. durch die jahrzehntausende lange Co-Evolution verankerte, instinktive Wissen, das in "Hundemenschen" zum Vorschein kommt... Wenn man das einmal akzeptiert, akzeptiert man auch, daß Wölfe erheblich intelligenter sind, als manch einer ihnen zubilligen mag...
Imho betrachtet die klassische Verhaltensforschung die Wölfe zu sehr aus der Position eines Außenseiters, der nur beobachtet und Notizen macht, aber nicht Teil des Geschehens ist und so das meiste wahrscheinlich gar nicht mitbekommt...

Wie auch immer, die Wölfe sind jedenfalls offensichtlich in der Lage, haargenau festzustellen, ob sich ungeschützte Schafe, Ziegen o.ä. in Reichweite befinden. Und genau darauf müssen wir Menschen uns einstellen ohne gleich wieder nach Pulver und Blei zu schreien. Wir sind nicht alleine auf diesem Globus, da gibt es auch andere mit dem Recht auf Leben...

Re: Wölfe in der Lausitz

Verfasst: 8. Sep 2011, 11:39
von nuno22
Deinem letzten Post muss ich dir voll und ganz zustimmen - anderen auch, aber gerade der trifft es voll auf den Punkt. Genau dass ist der Punkt, Forscher schauen irgendwie immer von Außen, statt im Gemischtartigen Rudel zu leben. Da bekommt Dinge Hautnah mit. Ich lebe nun im Moment mit 7 Wolfshunden zusammen, davon 5 high content Tieren. Sie schlafen auf meinen Sofa, gehen abends um 20.30 Uhr schlafen in meinem Wohnzimmer und stehen morgens gegen 8 Uhr +- auf. Selbst die 3 5,5 Monate alten Jungtiere. Was ich da an Verhalten in den letzten Monaten erleben durfte, habe ich in noch keinem Buch gefunden. Super spannend.

Zu den vermehrten Wolfsangriffen. Jetzt kommt die Zeit, wo es immer mehr werden wird, da die Anzahl der Wölfe beträchtlich gestiegen ist. Und Wölfe lernen schnell. War es in den letzten Jahren vergleichsweise ruhig, entwickeln sich jetzt unter Umständen "Problemwölfe" aus Sicht der Aussenstehenden... Es sind keine Problemwölfe, denn wenn 5 Schafe doof in der Ecke stehen und nicht geschützt sind, dann liegt es auf der Hand, dass Wölfe daran schnell lernen. Als ich letztes Jahr in der Lausitz mit Stefan Kaasche unterwegs war, hat er mir da schon Häuser und Höfe gezeigt, wo Wölfe über den Zaun reingesprungen waren und mal geschaut haben, was es da so gibt.

Wölfe, die nicht bejagt werden, werden sich mutiger entwickeln. Dass ist wie mit der Hundezucht, vepaarst du nur offene freundliche Tiere, bekommst du solche Welpen. Verpaarst du scheue, bekommst du scheue. Die Gene der deutschen Wölfe verändern sich in offenenere Gene, die sich dann im Verhalten ihrer Welpen als offenere Tiere wiederfinden - mit all den vorsehbaren Problemen. Ich kann immer wieder nur auf das Essay von Hermann Hesse Der Wolf von 1907 verweisen. Dies macht es anschaulich, nur umgekehrt, weil bei uns die Wölfe nicht gejagt werden: http://www.kafejo.com/hesse/wolf/derwolf.htm

Christian


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Man sollte bitte schön die Kirche mal im Dorfe lassen, nur weil jemand 5 oder eben wenige Schafe hält, muss er sich nicht gleich einen Herdenschutzhund anschaffen. Bei manchen habe ich das Gefühl, dass sie gar nicht wissen, was es für eine Verantwortung ist, solch einen Hund zu haben... Und wenn ich eine Handvoll Schafe quasi als Haustiere habe, habe ich vielleicht gerade Angst vor großen Hunden. Noch leben wir in einer Gesellschaft, die es uns ermöglicht relativ frei zu leben und selbst zu bestimmen, was wir machen wollen oder nicht. Ein wolfssicheren Zaun kann ich mittragen, aber bei Anschaffung von großen eher aggressiven Hunden, da hört der Spass auf. Man könnte meinen, die sind quasi wie ein Zaun ohne leben, immer nett zu allem und nur böse zum Wölf. Dass es viel Arbeit bedeutet, sie groß und heftig sind, und teuer im Unterhalt, darüber macht sich keiner Gedanken. Es ist ein Tier. Ich kenne einige, die Herdenschutzhunde habe - da kommt kein Fremder auf das Grundstück, dafür muss der Hund erstmal weggeschlossen werden. Diese Tiere nehmen ihre Aufgabe sehr Ernst, aufpassen.

Also alles bitte immer in Relation sehen.

Christian

Re: Wölfe in der Lausitz

Verfasst: 8. Sep 2011, 14:19
von Grauer Wolf
nuno22 hat geschrieben:Ein wolfssicheren Zaun kann ich mittragen, aber bei Anschaffung von großen eher aggressiven Hunden, da hört der Spass auf. Man könnte meinen, die sind quasi wie ein Zaun ohne leben, immer nett zu allem und nur böse zum Wölf. Dass es viel Arbeit bedeutet, sie groß und heftig sind, und teuer im Unterhalt, darüber macht sich keiner Gedanken. Es ist ein Tier. Ich kenne einige, die Herdenschutzhunde habe - da kommt kein Fremder auf das Grundstück, dafür muss der Hund erstmal weggeschlossen werden. Diese Tiere nehmen ihre Aufgabe sehr Ernst, aufpassen.
Dazu habe ich nur eines zu sagen, fett und rot: Herdenschutzhunde gehören nicht in die Hände von Otto Normalhundehalter. Ich krieg schon Alpträume bei dem Gedanken. Wer nicht weiß, wie man mit diesen Tieren richtig umgeht, produziert "Nitroglycerin auf der Rüttelstrecke bei heißem Wetter"! Die sind was für professionelle Schäfer/Viehhalter mit Hundeverstand und Erfahrung... Für Normalos sind sogar Hütehunde oft schon eine Nummer zu groß, weil sie sehr anspruchsvoll in puncto Beschäftigung sind. Ich hab zu viele Border Collies und Co. in Not geraten sehen, weil sie einfachen "nebenher" gehalten wurden...
Für Hobbyschafhalter gibt's nur eines, wenn ein E- oder sonstiger wolfssicherer Zaun zu teuer und/oder umständlich ist: Verschließbarer Schuppen, ein Verschlag in der Scheune (paar Meter Dachlatten, Nägel und Hammer) und Ende... Wenn man das partout nicht will, gibt's in Wolfsland nur eine Lösung: Weg mit den Schafen/Ziegen und statt dessen lieber stricken oder Tomaten züchten...

Was das Leben mit mehreren Hunden im gemischtartlichen Familienverband angeht, so ist das wirklich spannend. Fast jeden Tag gibt's was neues zu lernen, das man noch nicht kannte. Die Pelzgesichter schaffen es immer wieder, einen zu überraschen... Ich könnte nicht mehr ohne mehrere Hunde sein... :pleased:
Übrigens hat sich daraus in der letzten Zeit meine Einstellung zur Verhaltensforschung geändert. Lange habe ich z.B. von Shaun Ellis nicht viel gehalten, weil ich von der klassischen Ethologie geprägt war. Nachdem ich einiges über ihn gelesen und seine Arbeitsweise näher betrachtet habe, halte ich inzwischen sehr viel von ihm. Den Traditionalisten mit Block, Bleistift und Tabellen mögen die Haare zuberge stehen, aber die Methode, sich subdominant in einen Familienverband einzufügen und direkt von den Wölfen zu lernen, das hat was. Über 2 Jahre mit wilden Wölfen als einer der ihren unterwegs, da bekommt man Einblicke, die sich einem außenstehenden Betrachter niemals eröffnen... Allerdings dürften auch die wenigsten Forscher die dafür nötige Härte und Widerstandsfähigkeit besitzen...