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Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 14. Dez 2011, 14:34
von Grauer Wolf
Ich wollte mich eigentlich zukünftig weitgehend raushalten, aber bei solchen dummen Bemerkungen platzt mir dann doch der Kragen:
Märkische Allgemeine hat geschrieben:Doch Schafe werden von den Wölfen nur selten gefressen. Besser schmecken ihnen Rehe, Wildschweine und Muffelwild. Letzteres haben die Wölfe laut Jagdverband in der Lausitz schon ausgerottet.
Immer und immer und immer wieder der Verweis auf das ausgerottete Muffelwild. Ich kann diese Märchenerzählerei wirklich nicht mehr hören. Der Wolf hat das Muffelwild nicht "ausgerottet", er hat einen groben Fehler korrigiert! Die Jägerschaft (und genau die und niemand anderes!) hat Muffelwild dort künstlich angesiedelt, wo es absolut nichts zu suchen hat: In waldigem Gelände mit verbreitet feuchten Böden. Das sorgt nicht nur verbreitet für Moderhinke, in diesem Gelände hat das Muffelwild mit seinem nicht angepaßten Fluchtverhalten auch keine Chance gegen einen Ausdauerhetzjäger wie die Grauen.
Ich erlaube mir einfach mal ein Zitat aus Wikipedia:
...Aufgrund ihres an den Hochgebirgsraum angepassten Fluchtverhaltens können sich Europäische Mufflons im Flachland nur bei Abwesenheit von natürlichen Feinden halten...
[...]
...Das Fluchtverhalten der Europäischen Mufflons ist an ihren eigentlichen Hochgebirgslebensraum angepasst: Bei Bedrohung flüchten sie in unzugängliche Felswände. Im Flachland flüchten sie entsprechend nur kurze Strecken und werden so leichte Beute für Verfolger...
Punkt. Ende. Aus die Maus... So sieht's aus. Der Wolf kann prinzipell nichts für das Verschwinden des Muffelwildes. Er war nur ein Vektor des Darwin'schen Prinzips: Wer schlecht an seine Umwelt angepaßt ist, verschwindet...
Ich begreife nicht, wieso ein Journalist solche Angaben nicht hinterfragt, sondern unkritisch von einer Interessens-/Lobbyistengruppe übernimmt. Einmal nach "Mufflon" googlen hätte gereicht... Das gilt natürlich nicht nur für die Jägerschaft, sondern auch für Naturschützer, deren Angaben man als Journalist ebenfalls verifizieren sollte. Zumindest ich verstehe Journalismus auf diese Weise: Alle Angaben von Dritten hinterfragen, wenn es sich machen läßt...
Märkische Allgemeine hat geschrieben:...Ihm {Dombrowski} gehe es darum, im Notfall etwas gegen „Problemwölfe“ unternehmen zu können. Das seien Tiere, die sich „artuntypisch“ verhalten. Für den Politiker, der sich auch Nutztierhaltern verpflichtet sieht, sind das vor allem solche Wölfe, die Schafe reißen.
Artuntypisch... :shocked: Klar doch... :x
Ungesichertes Schaf = Happy Hour Sonderangebot = leckere Mahlzeit für lau. Schon mal gehört (nach 10 Jahren Wölfe in Ostdeutschland), daß Schalentiere die natürliche Beute von Wölfen sind? Die Grauen verhalten sich absolut arttypisch, wenn man sie auf diese Weise anfüttert. Es wäre artuntypisch, eine dermaßen auf dem Präsentierteller servierte Mahlzeit, die fast null Energieaufwand für's Erbeuten braucht (ein angebundenes oder schlecht gesichertes Schaf ist mit einem verletzten, behinderten Wildtier gleichzusetzen), zu verschmähen! Auch hier liegt wieder der Fehler beim Menschen, der einfach nicht dazulernen will! Wird das Hausvieh ordentlich nach allen Regeln der landwirtschaftlichen Kunst gesichert, hört's auch mit den Schafsverlusten weitestgehend auf (Unfälle z.B. durch beschädigte Einzäunungen passieren natürlich!)

Gruß
Wolf

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 20. Dez 2011, 18:00
von Hajo
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... utbad.html
nicht schön :(
kam heute morden sogar im radio in berlin :cry2:

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 20. Dez 2011, 18:31
von SammysHP
Dazu auch:

http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... -tote.html
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... chten.html

Und ein Leserbrief:
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... r-der.html

Insgesamt erreicht die Märkische Allgemeine für mein Empfinden fast BILD Niveau.

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 20. Dez 2011, 19:35
von Grauer Wolf
Märkische Allgemeine hat geschrieben:Klaus Streubel fordert Schadensersatz vom Land. „Die Angst vor einem nächsten Angriff bleibt trotzdem“, sagte der Schäfer. „Den Wölfen mache ich keinen Vorwurf, aber ihrer Lobby“, erklärte er. „Wir sind hier lange ohne Wölfe ausgekommen, wir brauchen hier keine.“
Wie meinen? Die Wölfe, die vor gut 100 Jahren ausgerottet wurden (sic! Der Mensch ist hier also nicht "ohne Wölfe ausgekommen", er hat sie vernichtet!), sind von selber zurückgekommen. Die hat keiner geholt. Außerdem stehen sie unter strengem Artenschutz. Mit "Lobby" hat das also genau nichts zu tun und Statements wie "wir brauchen hier keine" sind völlig irrelevant und nebenbei auch wildbiologischer und populationsdynamischer Unsinn. Natürlich brauchen wir hier Wölfe, um wenigsten ansatzweise so etwas wie ein natürliches Gleichgewicht zu erhalten...
Solch ein Ereignis ist natürlich sehr ärgerlich für den Schäfer, aber mehr als ein Versicherungsschaden ist es nicht. Nur sollte der großzügig, unbürokratisch und vor allem zügig geregelt werden, wenn dem Schäfer keine Versäumnisse oder gar Fahrlässigkeiten bei der Sicherung der Herde nachzuweisen sind.
Märkische Allgemeine hat geschrieben:Es ist wohl kaum übertrieben, wenn man den Applaudierern von Isegrims Rückkehr den Hang zu einer gefährlichen und auch rührend naiven Naturromantik unterstellt.
Vielleicht sollte sich dieser Leser erst mal informieren, bevor er solche haltlosen Unterstellungen in die Welt setzt. Einfach mal die Jahresbilanz an Nutzviehschäden ansehen und diese in Relation zur Gesamtbiomasse der Beutetiere stellen, dann merkt man nämlich, daß der Nutzviehanteil unter "ferner liefen" zu verbuchen ist und solche Vorkommnisse ständig von irgendwelchen Provinz- oder Boulevardblättchen begierig aufgegriffen und hochgespielt werden.
http://www.wolfsregion-lausitz.de/schadensstatistik
http://www.wolfsregion-lausitz.de/nahru ... mensetzung (über 95% Schalenwild!)
In bedeutenden Zeitungen wie der FAZ, der ZEIT oder der Süddeutschen liest man davon kaum mal was, wenn überhaupt...
Es erscheint mir typisch deutsch zu sein, aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen resp. jedes tote Schaf in die Schlagzeilen zu bringen. Wenn ich richtig gerechnet habe, gab's dieses Jahr 82 tote Schafe durch Wölfe. Die Menschen verbrauchen in Deutschland binnen eines Jahres übrigens 73530 Tonnen Schafs- und Ziegenfleisch ( http://www.bvdf.de/in_zahlen/tab_06/ ), statistisch 0,9kg/Kopf, nur um mal die Relationen zurechtzurücken...

Auf dem Balkan kommen manchmal die Wölfe bis in die Randbereiche der Großstädte. Den Leuten, die dort morgens auf dem Weg zur Arbeit an der Bushalte stehen, sind sie nicht mal einen 2. Blick wert. Es geht also auch unaufgeregt...

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 20. Dez 2011, 19:56
von Wolfsheuler
Es werden wohl mehr als 82 Schafe sein in diesem Jahr.
In der Welt ist ein interessanter Artikel eher pro Wolf, der die Schäden verhältnismässig sieht.
Es ist zum Beispiek erstaunlich, wie viel Schaden Marder anrichten (in Millionen) oder Wildunfälle. Das kann und darf aber kein Grund sein alle Wildtiere auszurotten. Für den betroffenen Schäfer ist es natürlich ärgerlich.
http://www.welt.de/print/die_welt/wisse ... tiere.html

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 20. Dez 2011, 22:48
von Grauer Wolf
Wolfsheuler hat geschrieben:Es werden wohl mehr als 82 Schafe sein in diesem Jahr.
Na ja, das Restjahr hat noch 11 Tage. Viel wird's wohl nicht mehr werden... Die aktuellen 15 habe ich ja schon reingerechnet...
Wolfsheuler hat geschrieben:In der Welt ist ein interessanter Artikel eher pro Wolf, der die Schäden verhältnismässig sieht.
Es ist zum Beispiek erstaunlich, wie viel Schaden Marder anrichten (in Millionen) oder Wildunfälle. Das kann und darf aber kein Grund sein alle Wildtiere auszurotten. Für den betroffenen Schäfer ist es natürlich ärgerlich.
http://www.welt.de/print/die_welt/wisse ... tiere.html
Danke für den Artikel, der mir aus der Seele spricht. Was den Marder angeht, der hat auch bei uns schon mal ein Kabel durchgeknabbert (weiß der Kuckuck, was daran so gut schmeckt... :shocked: ). Soll ich den armen Kerl jetzt vergiften? Ab zur Werkstatt, die die Geschichte nicht schönheitspreisverdächtig, aber haltbar flickte. War nicht mal ein 20er... Himmel, es ist doch nur ein (altes) Auto... Dafür bringt man kein Tier um...

Was die Schafe angeht... Runden wir mal auf und sagen 100 Stück à 100 €, macht 10000 €. O.k., das ist natürlich stark vereinfacht (mit allen Arbeits- und Verhaltungskosten wird's mehr sein), aber es geht mir hier jetzt nur um die Dimensionen. Wie viele hundert Milliarden werden gerade in Südeuropa versenkt? Wie viele Milliarden kostet der Afghanistaneinssatz seit über 10 Jahren jetzt? Wieviel der Balkaneinsatz oder das absurde Wacheschieben am Horn von Afrika? 30 Milliarden werden lt. Bundesrechnungshof Jahr für Jahr von unfähigen und/oder geltungssüchtigen Politikern für Blödsinn buchstäblich zum Fenster rausgeworfen...
Oder hier in dieser Diskussion näher liegend: 7 Milliarden betragen die Subventionen für die Landwirtschaft in Deutschland ( http://www.wwf.de/themen/politik/agrarp ... ventionen/ )... Angesichts dieser Summen, die man sich in Form gängiger Geldscheine, mit denen man täglich zu tun hat (also vielleicht bis 50er), überhaupt nicht mehr vorstellen kann: Was sind dagegen die Schäden durch die paar Wölfe? Ein Packen Geldscheine, den man in der Hosentasche verstauen könnte... Selbst wenn sie zehn- oder hundertmal so hoch wären, dann wären es immer noch Peanuts! Man sollte also echt mal die Kirche im Dorf lassen... :grumpy:

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 20. Dez 2011, 23:00
von LarsD
Grauer Wolf hat geschrieben:Oder hier in dieser Diskussion näher liegend: 7 Milliarden betragen die Subventionen für die Landwirtschaft in Deutschland ( http://www.wwf.de/themen/politik/agrarp ... ventionen/ )... Angesichts dieser Summen, die man sich in Form gängiger Geldscheine, mit denen man täglich zu tun hat (also vielleicht bis 50er), kaum noch vorstellen kann: Was sind dagegen die Schäden durch die paar Wölfe? Ein Packen Geldscheine, den man in der Hosentasche verstauen könnte... Selbst wenn sie zehn- oder hundertmal so hoch wären, dann wären es immer noch Peanuts! Man sollte also echt mal die Kirche im Dorf lassen... :grumpy:
So klingt der Stadtmensch viele Kilometer weit weg und ohne direkten Bezug zu dem, was zumindest ökologisch gesehen noch tatsächlich nachhaltige Urproduktion ist. Ökonomisch ist das schon lange nicht mehr nachhaltig. Entsprechend ist die Sicht der Leute auf zusätzliche Probleme wie den Wolf.

http://www.rbb-online.de/brandenburgakt ... oelfe.html

Viele Grüße

Lars

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 21. Dez 2011, 05:31
von Lutra
LarsD hat geschrieben: So klingt der Stadtmensch viele Kilometer weit weg und ohne direkten Bezug zu dem, was zumindest ökologisch gesehen noch tatsächlich nachhaltige Urproduktion ist. Ökonomisch ist das schon lange nicht mehr nachhaltig. Entsprechend ist die Sicht der Leute auf zusätzliche Probleme wie den Wolf.



Viele Grüße

Lars
Lars, Du hast mir ein Lächeln in der Morgenstunde aufs Gesicht gezaubert. :roll:

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 21. Dez 2011, 10:06
von Grauer Wolf
LarsD hat geschrieben:So klingt der Stadtmensch viele Kilometer weit weg und ohne direkten Bezug zu dem, was zumindest ökologisch gesehen noch tatsächlich nachhaltige Urproduktion ist. Ökonomisch ist das schon lange nicht mehr nachhaltig. Entsprechend ist die Sicht der Leute auf zusätzliche Probleme wie den Wolf.
Daß ich (unfreiwillig!) in der Stadt wohne, heißt nicht, daß ich ein Stadtmensch bin ("Stadtmensch" betrachte ich als Beleidigung... :p )... Du kennst mich nicht mal ansatzweise und würdest Dich ziemlich wundern... Lassen wir also mal das persönliche!
rbb hat geschrieben:Wölfe richten Blutbad an!...
...BRANDENBURG AKTUELL spricht mit dem Wolfsbeauftragten von Potsdam Mittelmark und geht der Frage nach, wie gefährlich - möglicherweise auch für Menschen? - die Wölfe sind.
Boulevard-Sendungen sind nicht besser als Boulevard-Blätter: Die gleiche, billige, reißerische Aufmachung! Hier geht es nicht um ein "Blutbad", sondern um einen Surplus-Kill, weil die Beute nach dem ersten Riß unfähig ist zu fliehen und Wölfe in der Natur auch Vorräte anlegen...
Dazu, daß wieder einmal für schlichte Gemüter das "Rotkäppchen-Syndrom bemüht wird, fehlen mir allmählich die Worte...
Sorry, aber in einem Waldgebiet mit Wölfen würde ich mich seelenruhig zur Nachtruhe hinlegen (soviel zum Thema Stadtmensch), während man in einer Großstadt nächtens gar nicht genug aufpassen kann, weil man z.B. in S-Bahnhöfen mal eben zu Tode getreten wird... Von der Spezies Homo sapiens übrigens...

Re: Wölfe in Brandenburg

Verfasst: 21. Dez 2011, 10:43
von SammysHP
Boulevard-Sendungen sind nicht besser als Boulevard-Blätter: Die gleiche, billige, reißerische Aufmachung!
Hast du dir das Video angeschaut? Der Moderator überzeugt mich zwar nicht wirklich, aber der Bericht war recht ok.