harris, mit Freude stelle ich zunächst mal fest, dass Du dieses Mal auf die Inhalte eingegangen bist.
1. Das Monitoringharris hat geschrieben:Ein Monitoring wird durchgeführt. Wenn Du ein unabhängiges wünscht, wer soll das machen? Der Pfarrer? Zumindest der sollte einigermaßen glaubwürdige sein…
Es gibt noch mehr Menschen in unserem Land als nur Kleinstminderheiten wie Pfarrer oder Jäger. Du blendest die große Zahl ehrenamtlicher Naturschützer sowie Wildbiologen komplett aus - dabei hat allein der NABU mehr als 700.000 Mitglieder, also doppelt so viele wie es Hobbyjäger gibt. Das Monitoring der Jäger ist nicht einheitlich, nicht flächendeckend und nicht wissenschaftlich belastbar. Nicht einmal die Jagdstrecken sind zuverlässig. Ich erinnere mich an einen Hegeringleiter, der diesbezüglich seinem Unmut Luft gemacht hat:
„Es ist schier unmöglich, mit korrekten Zahlen aufzuwarten.“ Manche der Jäger hätten gar keine Streckenzahlen zur Verfügung gestellt, andere wiederum hätten Zahlen geliefert, die vollkommen unrealistisch und wenig Vertrauen erweckend seien. Jütten: „Weiß der Geier, wo solche Zahlen herkommen.“
Kölner Stadtanzeiger, 15.03.2011: Hegeringleiter sprach Tacheles https://www.ksta.de/jagd-hegeringleiter ... s-12461922
Beim Wolfsmonitoring in Sachsen wurde das geringe Interesse der Jäger an der Aufgabe besonders deutlich:
Gegenüber etwa 2.181 Datensätzen, die von Lupus erhoben worden sind (ein Großteil davon durch Fotofallen), stehen ganze 15 – in Worten fünfzehn! – Wahrnehmungen der Jäger. Das sind sieben Promille aller dokumentierten Wahrnehmungen. Und nur eine einzige davon ist von der Jagdbehörde an Lupus weitergeleitet worden, wie es die Verordnung vorschreibt.
Ulrich Wotschikowsky, 26.09.2015: Sieben Promille - Viel Luft nach oben http://woelfeindeutschland.de/sieben-pr ... nach-oben/
Eckhard Fuhr hat skizziert, worum es geht:
Nein, das Schüren der Wolfsangst hat nichts mit Verantwortung oder Vorsorge zu tun, sondern mit Macht. Mit dem Wolf nämlich treten menschliche Akteure auf den Plan, welche das Machtgefüge in Wald und Flur durcheinanderbringen. Wolfsberater und Wolfsmanager sind dort unterwegs, wo eigentlich die Jagdpächter die Allzuständigkeit für alles beanspruchen was da kreucht und fleucht.
Eckkhard Fuhr, WELT, 17.09.2015: Jäger fürchten um die Vorherrschaft im deutschen Wald https://www.welt.de/debatte/article1465 ... -Wald.html
Vor genau diesem Hintergrund sehe ich solche Einlassungen:
harris hat geschrieben:99% der Bevölkerung befasst sich ja auch nicht tiefgreifend mit den Thema, sondern hat nur eine Meinung und leider kein Wissen. Und bekanntlich ist „Halbwissen“ gefährlich. Sie Zusammenhänge sollte man doch einigermaßen verstehen und nicht immer nur eine Seite (evtl. Lieblingstier) sehen.
Ist es nicht sogar eher so, dass der Waidmann erst recht nur die eine Seite sieht? Warum kommt die Hege denn nicht allen Wildtieren zugute? Warum werden die einen gehegt, die anderen ignoriert und das "Raubzeug" bekämpft?
Zudem gilt die Liebe des Waidwerkers (anders als die des Naturschützers) nicht allen Tieren, sondern nur ihren wenigen jagdbaren Vertretern. [...] Doch die spezifischen Probleme etwa der Wasseramsel interessieren den Jäger nicht.
Richard David Precht: Tiere denken - Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen, Kapitel Naturschutz oder Lustmord?, Seite 354, Goldmann Verlag München, 2018
2. Die Fuchsjagd
harris hat geschrieben:Aber trotzdem muss eine Bestandsregulierung erfolgen, die sogar der NABU fordert. Zwar immer nur in ihren gesponserten Flächen, aber das ist ein anderes Thema. Wie sieht es mit dem Niederwild und den Bodenbrütern aus? Bei zu vielen Füchsen, haben die keine Chance. Gib auch ihnen eine…
In vielen Naturschutzgebieten und vor allem im Wattenmeer-Bereich und den Inseln wird der Fuchs intensiv bejagt. Der Erfolg beim Bestand der Bodenbrüter und des Niederwildes bestätigt dieses doch nur.
Warum dann nicht überall? Bitte immer das "Große Ganze" sehen und nicht den Fokus DAS tolle Tier legen..
Treffender kann man die Diskrepanz von echtem Naturschutz und jagdlichem "Naturschutz" kaum beschreiben. Allein diese völlig vereinfachte Denkweise, dass der Fuchs generell Schuld am Schwund von Niederwild und Wiesenvögeln sein soll, zeugt doch gerade von gefährlichem Halbwissen. Selbst wenn Du alle Füchse ausrottest - den Garaus bereitet den Wiesenvögeln der Mensch, und zwar durch Walzen, Schleppen und Mähen zur Brutzeit, durch Gülledüngung und Entzug der Nahrungsgrundlage durch nahezu flächendeckenden Pesitzid- und Herbizideinsatz. Wer hierfür den Fuchs verantwortlich macht, der gibt auch dem Specht die Schuld am Untergang der Regenwälder.
Der NABU sieht die Fuchsjagd differenziert, z. B. der NABU Baden-Württemberg. Eine lokal begrenzte Fuchsjagd kann als vorübergehende Managementmaßnahme sinnvoll sein, wenn eine Beute-Population kurz vor dem Zusammenbruch steht.
Die Jagd auf Füchse kann aus Sicht des NABU Baden-Württemberg in Form eines lokalen bis regionalen Wildtiermanagements auf der Grundlage von Artenschutzkonzepten angemessen sein, sofern dies aus naturschutzfachlicher Sicht nachgewiesenermaßen zielführend ist. Manche Bestände geschützter Arten sind so klein, dass es selbst bei einer Aufwertung ihrer Lebensräume notwendig ist, die Bestände der dort vorkommenden Prädatoren, wie etwa die des Fuchses, zeitlich und räumlich begrenzt zu regulieren.
NABU Baden-Württemberg: Jagd - Bitte naturverträglich https://baden-wuerttemberg.nabu.de/natu ... index.html
Im Gegensatz dazu lehnt beispielsweise der NABU Lüneburg die Fuchsjagd ab:
Gleichzeitig werden aber auch die natürlichen Gegenspieler der Mäuse, sämtliche Beutegreifer, insbesondere der Fuchs massiv, teils auch barbarisch (Bau- und Fallenjagd) bejagt.
Wir fordern daher: Schluss mit der Fuchsjagd! Sie ist ökologischer Unsinn! Wir unterstützen daher auch die Forderungen des "Aktionsbündnis Fuchs" ausdrücklich! [...]
Unterstützen Sie die Kampagnen für ein Verbot der Fuchsjagd bzw. eine Änderung des Jagdgesetzes!
NABU Lüneburg: Fuchsjagd ist ökologischer Unsinn https://www.nabu-lueneburg.de/
Und was sagt die Wissenschaft?
17 Studien zeigen - Fuchsjagd lässt die Fuchspopulation ansteigen oder sorgt (wie andere Erkenntnisse zeigen) aufgrund der Erhöhung der Zuwanderung von Füchsen für mehr Prädation und Unruhe in Wiesenvogelgebieten! [...]
„Da Füchse territorial organisiert sind und infolgedessen ihr Revier nicht nur gegen eindringende füchsische Artgenossen, sondern auch gegen andere Prädatoren wie Steinmarder oder Iltis verteidigen, halten sie den Prädationsdruck auf die bedrohte Vogelpopulation auf einem konstanten Niveau. Dieses Niveau ist überdies verhältnismäßig niedrig, weil Füchse den seltenen Vögeln nicht gezielt nachstellen (SEYMOUR et al., 2003), sondern sich in erster Linie an ihre Hauptbeute – in aller Regel Mäuse und Kaninchen – halten, und ihre bevorzugten Aufenthaltsorte und Pässe überdies den Vögeln bekannt sind. Werden die betreffenden territorialen Standfüchse nun jedoch weggeschossen, kann das Revier nicht mehr verteidigt werden, und wie bereits erwähnt, hat ein solches Vakuum eine regelrechte Sogwirkung auf vagabundierende Jungfüchse zur Folge. Damit wächst der Prädationsdruck auf die Vögel womöglich sogar an; das ursprüngliche Vorhaben - nämlich die Beutetiere der Füchse zu schützen - ist gescheitert. Ganz davon abgesehen, reagieren viele Vogelarten insbesondere in der Brut- und Aufzuchtzeit sehr empfindlich auf menschliche Störungen; der Abschuss von Füchsen würde infolgedessen unvermeidbar zu Gelegeverlusten und erhöhter Mortalitätsrate bei unselbständigen Jungtieren führen. Lediglich Schutzzäune erscheinen als menschlicher Eingriff in dieses Räuber-Beute-System bisweilen sinnvoll (SWAAN, 1997; PATTERSON, 1977).“
Bürgerinitiative Pro Fuchs in Ostfriesland e. V.: Was schützt Wiesenvögel vor Predation? https://www.profuchsostfriesland.de/Inf ... raedation/
Und Du, harris, möchtest stattdessen auch noch am liebsten Füchse flächendeckend nach dem Gießkannenprinzip töten lassen? Diese Einstellung erscheint umso absurder, als das Jagdjahr 2017/2018 bundesweit 184.690 Feldhasen, 76.731 Fasane, 1.879 Rebhühner und 8.570 Waldschnepfen auf der menschengemachten Jagdstrecke aufweist.
3. Jagdverbot im Kanton Genf
harris hat geschrieben:Ohje, die Genfer. Hinterfrag mal richtig wie es dort läuft. Auch dort wird gejagt. Das „Kind“ hat nur einen anderen Namen bekommen. Es gibt jetzt eben „Nuturranger“ oder „Kantonal angestellt Jäger“. Und auch die Jagen...mit Auswirkungen:
Was dann folgt, ist ein ellenlanger, ungefilterter und unseleketierter aus Wikipedia kopierter Text - und dann auch noch ohne Nennung der Quellenangabe. In dem Text steht sogar genau drin, warum es sich eben nicht um dasselbe Kind mit anderem Namen handelt - die flächendeckende Hobbyjagd ist verboten, stattdessen erfolgen jagdliche Eingriffe nur noch im Einzelfall nach Überprüfung durch berufliche Wildhüter, wo es politisch notwenig erscheint. Das ist ein ganz gewaltiger Unterschied zur Hobbyjagd, auch wenn der zitierte Präsident des Genfer Jagdverbandes (!) verständlicherweise interessengeleitet eine andere Meinung zum Jagdverbot unterhält:
Da ist es doch verständlich, wenn die Kosten für Wildschäden - angeblich wegen des Jagdverbots - aufgebauscht werden. Sie betragen jährlich aber nur 17.000 Franken - in Deutschland betragen die Wildschäden allein durch Schwarzwild jährlich 17 Mio. € - trotz Jagd. Und bitte nicht vergessen, die an die Hobbyjäger verteilten Steuergeldmillionen an "Pürzelprämie" einzuberechnen, damit sie auch Jungtiere schießen, was die Wildhüter im Kanton Genf ausschließlich tun, um die Rottenstrukturen nicht zu zerstören und wie in Deutschland heilloses Chaos in den Schwarzwildbeständen anzurichten.
In den letzten fünf Jahren schüttete der Kanton Genf für Tierschäden jährlich 17'000 Franken aus. [...]
Die Kosten des Jagdmanagements sind kein Thema. Die Neuenburger Anthropologin Manue Pichaud hat sie berechnet. Gemäss Pichaud betragen sie jährlich eine Million Franken, also 2.20 Franken pro Einwohner. Die Genfer zahlen das gerne, weil sie es schätzen, dass sie Tiere bei ihren Spaziergängen in freier Natur antreffen. Dieser Eindruck ist wissenschaftlich bestätigt. Der Kanton stellte in einer Langzeitstudie eine starke Zunahme der Biodiversität fest. [...]
Herausragend ist die Artenvielfalt bei den Wasservögeln. Rehe, Hirsche und Wildschweine galten in Genf vor dem 1974 beschlossenen Jagdverbot als beinahe komplett verschwunden und leben nun wieder dort. Auch die Bestände an Mardern, Bibern, Hasen, Wieseln und Greifvögeln haben sich in den letzten Jahren erholt.
Tagesanzeiger, 13.09.2018: Füchse und Rehe als Volkstherapie https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/re ... y/16130176
4. Der Blick in den eigenen Garten
harris hat geschrieben:Gebe ich Dir recht, ist ja auch der Garten….und schießen in einem „Befriedeten Bezirk“ schon gar nicht. Aber warte mal ab wenn der Waschbär bei Dir erst einmal den Dachstuhl auseinander genommen hat oder von Deiner Tochter (sag ich jetzt nur mal so) sich die jungen Kaninchen zur Mahlzeit genommen hat. Oder der Marder zig mal Dein Auto zum Stillstand gebracht hat. Mal schauen wer dann nach Hilfe schreit…
Es geht überhaupt nicht darum, ob Schießen in befriedeten Bezirken erlaubt ist, sondern ob Wildtiere generell reguliert werden müssen. Was liegt näher, als dabei auf Lebensräume zu schauen, in denen
nicht vom Menschen reguliert wird? Welches Ungleichgewicht, welche Plagen von Singvögeln, Greifvögeln, Amphibien, Eichhörnchen, Igeln usw. treten denn auf, weil sie nicht geschossen werden? Beantworte Dir doch einfach diese Frage.
Waschbären und Marder werden bejagt - und das kann eben auch nicht verhindern, dass mal man ein Waschbär ins Haus gelangt oder ein Marder die Kabel des Autos auf dem Gewissen hat. Die Frage ist doch - muss ich diese Tiere deswegen gleich töten, und zwar dann gleich präventiv und flächendeckend nach dem Gießkannenprinzip? Ich fahre seit Jahrzehnten Auto und habe bislang einen, einzigen Marderschaden gehabt, der sich nie mehr wiederholt hat, nachdem ich in der Anfangszeit danach ein simples Gitter auf den Boden unters Auto gelegt habe. Einen Waschbären in meinem Garten hatte ich auch schon in der Fotofalle, na und? Der ist total unauffällig. Wenn ich Hühner, Kaninchen oder Meerschweinchen hätte, würde ich sie entsprechend sichern - es gibt ja nicht nur Waschbär und Marder, sondern auch noch die "Luftwaffe". Warum sollte ich Wildtiere blindwütig töten wollen, wenn einfachste Maßnahmen völlig ausreichend sind?
DAS unterscheidet den einen Naturschutz von dem "etwas anderen Naturschutz" - den mit der Jagdwaffe.