Re: Kormorane
Verfasst: 13. Nov 2019, 08:15
http://www.ruhrfg.de/images/pdf/fb_fras ... z_2015.pdfIn einem eutrophierten Fließgewässer kann das hyporheische Interstitial seine Funktion als Habitat für kieslaichende Fische (Eier, Larven), junge Großmuscheln und Makrozoobenthosorganismen nicht mehr erfüllen und die Funktion der Selbstreinigung ist stark eingeschränkt. Dies führt zu einem Ausfall empfindlicher Arten und damit zu einer schlechten Bewertung nach fiBS.
Eine diesbezüglich exemplarische Situation besteht momentan in der rheinland-pfälzischen Nister (Referenztyp 9), wo trotz guter Gewässerstruktur der gute ökologische Zustand nicht erreicht werden konnte. Einbrüche im ursprünglich artenreichen Fischbestand (besonders herbivore und großwüchsige Arten) wurden seit Auftreten des Kormorans 1998 dokumentiert [15, 21, 22].
Seit rund zwölf Jahren wird eine deutliche Verstärkung der Eutrophierungserscheinungen beobachtet, was maßgeblich das Überleben der dortigen Flussperlmuschelbestände und der kieslaichenden Fischarten (Lachs, Forelle, Äsche, Nase, Barbe) gefährdet. Es ist davon auszugehen, dass das hyporheische Interstitial in der Nister aufgrund der massenhaften Algenentwicklung seine ökologische Funktionsfähigkeit bereits weitgehend verloren hat. Die Eutrophierung ist jedoch nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht auf eine Erhöhung der Nährstofffracht (Phosphor, Stickstoff; Auskunft LUWG Rheinland Pfalz), sondern möglicherweise auf eine durch den Kormoranfraßdruck eingeleitete trophische Veränderung zurückzuführen. So korreliert der Anstieg der Algenbiomasse zeitlich mit dem Rückgang direkter Algenkonsumenten (u. a. Nase, Döbel, Rotauge, Hasel) sowie kiesumlagernder Fischarten (Barbe). Zeitgleich wurde eine massive Expansion der Kleinfischbestände (Groppe, Schmerle, Elritze) festgestellt [15, 23], was gegebenenfalls negative Auswirkungen auf die Bestandssituation der Weidegänger unter den Makrozoobenthosorganismen hat [24]. Damit könnte der Kormoranfraßdruck nicht nur für eine Reduktion der Fischbestände, sondern über die Reduktion der Selbstreinigungskraft und den Niedergang der Konsumentenbestände auch für eine schwere Beeinträchtigung des gesamten Ökosystems (inklusive Gewässergüte) ursächlich sein. Die Implikationen für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wären entsprechend erheblich.
So ist es, Lutra.Lutra hat geschrieben:Mir sind die Schmalspurartenschützer immer etwas suspekt. Wie wäre es z.B., wenn die Entomologen kämen und die Reduzierung von Singvögeln fordern würden, weil sie die Raupen seltener Schmetterlinge fressen?
Selbst der engstirnigste Amphibienschützer käme wohl nicht auf die Idee, zum Schutz von Frosch und Molch die Bejagung ihrer Freßfeinde, wie etwa des Weißstorchs oder der Ringelnatter, zu fordern.
Wilhelm Bode/Elisabeth Emmert: Jagdwende - - Vom Edelhobby zum ökologischen Handwerk, C. H. Beck Bremen, 2000, S. 252
Die positiven Effekte des Kormorans auf die Gewässerökologie wurden dagegen ja bereits beschrieben:Klassisches Beispiel für den Nachweis jagdlicher Störeffekte sind die Stauseen am unteren Inn, die sich mittlerweile zu europaweit bedeutenden Brut- und Rastbiotopen für Wasservögel entwickelt haben. Auffallend war eine unterschiedlich intensive Nutzung von Wasserpflanzenbeständen in verschiedenen Bereichen, und es zeigte sich, dass diese Unterschiede von der Bejagungsintensität abhängen. In Zonen, in denen die Jagd ruhte, wurden bis zu 90% der Pflanzen und Pflanzenreste genutzt; in denen durch Jagd beunruhigten nur etwa 15%, was Faulschlammbildung zur Folge hat - der Gewässerreinigungseffekt durch die Pflanzenverwerter entfällt.
Wilhelm Bode/Elisabeth Emmert: Jagdwende - Vom Edelhobby zum ökologischen Handwerk, C. H. Beck Bremen, 2000, S. 258
Durch die Entnahme von Kleinkrebse vertilgenden Weißfischen tragen Kormorane nachgewiesenermaßen zu einer Verbesserung der Wasserqualität bei, da so die wichtigen, das Gewässer filtrierenden Kleinkrebsbestände (Wasserflöhe, Hüpferlinge) sich wieder erholen können.
Komitee gegen den Vogelmord e.V. (CABS): Kormorane und Fischbestände http://www.komitee.de/content/aktionen- ... hbestaende
Ähnlich wie der Wolf an Land ist der Kormoran auch so eine Art "Gesundheitspolizei" in den Gewässern:Der Kormoran ist nicht auf bestimmte Fischarten spezialisiert. Er erbeutet die Fische, die im jeweiligen Gewässer häufig sind. [...] So besteht der weit überwiegende Teil des Beutespektrums in den meisten Gewässern aus fischereiwirtschaftlich uninteressanten Arten.
Komitee gegen den Vogelmord e. V. (CABS): Kormoranproblematik: Nahrung http://www.komitee.de/content/aktionen- ... ik/nahrung
Als Quellenangabe für die jeweiligen Ausführungen hat das Komitee eine ausführliche Literaturliste mit 31 Veröffentlichungen online gestellt:Mit Parasiten infizierte Fische werden von Kormoranen bevorzugt erbeutet. So wurden z.B. in einer Untersuchung bei 29,4 % der durch Kormorane gefischten Rotaugen der Bandwurm Ligula intestinalis nachgewiesen, während der Rotaugenbestand im befischten Gewässer nur eine Befallsrate von 6,5 % aufwies.
Weitere Untersuchungen mit ähnlichen Ergebnissen [...] legen nahe, dass Kormorane durch gezielte Bejagung der kranken, langsameren und schwächeren Fische einen Beitrag zu einem gesunden Fischbestand leisten.
Komitee gegen den Vogelmord e. V. (CABS): Kormoranproblematik: Nahrung http://www.komitee.de/content/aktionen- ... ik/nahrung
Aus Sicht des Vogelforschers sei es falsch, den Kormoran zum Abschuss wieder frei zu geben, nachdem sich die Population nach der Ausrottung durch den Menschen und fehlender Nahrungsgründe erholt habe. [...] Doch, dass die als Schmutzfischfresser bekannte Vogelart für die Ausrottung von Edelfischen verantwortlich sein soll, bezweifle er sehr. "Die Beute reguliert den Räuber, nicht umgekehrt."
Volksstimme, 22.02.2010: Beute reguliert den Räuber, nicht umgekehrt https://www.volksstimme.de/nachrichten/ ... kehrt.html
Bottom-up oder Top-Down ist ja auch weiterhin so ein umstrittenes Thema in der Wissenschaft um trophische Beziehungen; siehe meine Literaturliste (z.B. Ripple 2012b) dazu. Finde ich ein bisschen wie eine Frage, ob Wasser nun entweder nass oder flüssig sein soll, zumindest bis zu einem bestimmten Level. Die Räuber brauchen die Beutetiere, um zu überleben; andersherum aber ja halt nicht. (Solange, bis Habitat leergefressen ist und Population einbricht.)Nina hat geschrieben: ↑13. Nov 2019, 20:48 Auch der Kormoran reguliert sich über die Beute:Aus Sicht des Vogelforschers sei es falsch, den Kormoran zum Abschuss wieder frei zu geben, nachdem sich die Population nach der Ausrottung durch den Menschen und fehlender Nahrungsgründe erholt habe. [...] Doch, dass die als Schmutzfischfresser bekannte Vogelart für die Ausrottung von Edelfischen verantwortlich sein soll, bezweifle er sehr. "Die Beute reguliert den Räuber, nicht umgekehrt."
Volksstimme, 22.02.2010: Beute reguliert den Räuber, nicht umgekehrt https://www.volksstimme.de/nachrichten/ ... kehrt.html