Nun wissen wir, was Wölfe und Verkehrsunfallzahlen konkret miteinander zu tun haben:
An diesem Beispiel lässt sich doch wieder einmal festmachen, wie sehr die Medien darauf fixiert sind, dem Wolf eine Gefährlichkeit nachzuweisen - oder diese zumindest zu diskutieren - selbst wenn dieser Nachweis verkehrsgefährdend, riskant, gegen die Straßenverkehrsordnung und ggf. gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßend - erfolgt.
Wessen Gefährlichkeit aber ist hier real - die des Wolfes oder die des Verhaltens der Autofahrerin, und zwar nicht nur in Bezug auf den Wolf, sondern auch auf ihre eigene Sicherheit und auf die anderer Verkehrsteilnehmer?
Auf dem Videoausschnitt aus "Die Harke" ist zu ersehen, wie die Autofahrerin über Sekunden
während der Fahrt den laufenden Wolf am rechten Fahrbandrand durch das Objektiv fokussiert, mit nur einer Hand das Lenkrad betätigt und den linken Fahrbandrand nicht mehr im Blick hat.
Bei einer Ablenkung durch die Smartphonebenutzung von nur
1 Sek. bei Tempo 50 legt ein Fahrer
14 m im Blindflug zurück.¹ Wer
2 Sek. lang zwecks Blick auf das Smartphone die Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr abwendet, fährt
30 m im Blindflug.
"Durch die Sekundäraufgaben
wird der Fahrer von seiner eigentlichen Aufgabe, dem Führen eines Fahrzeugs (Primäraufgabe), abgelenkt."² Die Benutzung von Smartphones während der Fahrt stellt mittlerweile die
Verkehrsunfallursache Nr. 1 dar, noch vor dem Alkohol am Steuer.³
2015 gab es
2.507.881 Verkehrsunfälle, davon
305.897 mit
Personenschaden.⁴
3.475 Menschen kamen dabei
ums Leben.⁵
Diverse Medien haben das Video freudig veröffentlicht, und sich dabei lediglich auf das möglicherweise
auffällige Verhalten des Wolfes zu fokussieren. So titelte die BILD:
"Hier jagt ein Wolf durch Nienburg" und bejubelte das Ergebnis des verkehrsgefährdenden Verhaltens der Autofahrerin als
"Sensations-Video".
"So dicht" sei der Wolf
"uns noch nie auf den Pelz gerückt".⁶
Und auch der NDR nahm das Video in seine Berichterstattung auf, und veröffentlichte dazu eine Einschätzung des Wolfsbeauftragten der Landesjägerschaft Niedersachsen hinsichtlich des Verhaltens des Wolfes. Zu dem verkehrsgefährdenen Zustandekommen des Videos gab es seitens des öffentlich-rechtlichen Senders keinerlei Kritik.⁷
Jährlich 2,5 Mio. Verkehrsunfälle mit mehr als 300.000 geschädigten Personen und mehr als 3.000 Verkehrstoten sind
real. Dass die widerrechtliche Benutzung von Smartphones während der Fahrt dabei die Verkehrsunfallursache Nr. 1 spielt, ist ebenso
real.
Real ist auch, dass kein einziger Wolf seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland vor rund 20 Jahren auch nur einem einzigen Menschen nur ein einziges Haar gekrümmt hätte.
Dennoch wird bei solch fragwürdigen Videos ein
Wolfsbeauftragter zu Rate gezogen anstatt eines
Verkehrsunfallforschers. Es geht folglich nicht darum, ob real Menschen zu Schaden kommen oder nicht. Es geht wohl eher um Sensationen, Auflage, Klicks und Quoten, wovor selbst Öffentlich-Rechtliche nicht Halt machen. Man feiert und belohnt die Gaffer, um die Unschuldigen zu verfolgen. Offenbar ein Phänomen unserer Zeit.
¹
https://www.welt.de/vermischtes/article ... kohol.html
²
https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/dp201 ... le/VGT.pdf
³
https://www.tz.de/auto/verkehrsstudie-h ... 31501.html
⁴
https://de.statista.com/statistik/daten ... enverkehr/
⁵
http://www.spiegel.de/auto/aktuell/unfa ... 79184.html
⁶
http://www.bild.de/regional/hannover/wo ... .bild.html
⁷
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... f2910.html